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Thema: [Sky] Rollenspielthread #1 (Signatur aus)

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  1. #1

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Nach dem Kauf einer Tunika bei Belethor verbrachte Vesana den Vormittag damit, noch ein wenig durch die Straßen Weißlaufs zu schlendern. Nichts zwang sie zur Eile und niemand wollte etwas von ihr. Das Gefühl der Freiheit spiegelte sich in ihrem recht hellen Gemüt wider. Die Freundlichkeit von Standbesitzern, wenn sie sich deren Ware anschaute, erwiderte sie mit ungezwungenem Lächeln, ihre Schritte flogen leicht dahin und den einen oder anderen Blick eines Mannes, den sie sich einfing, versuchte sie zu genießen. Dennoch kehrte sie gerade pünktlich um die Mittagszeit nach Jorrvaskr zurück. Die Sonne ließ die Temperaturen auf den teils engen, reichlich überfüllten Straßen ins Unerträgliche steigen und so kam der kühle Keller der Halle der Gefährten gerade recht. Außerdem konnte sie sich so dem Auffüllen ihrer medizinischen Vorräte widmen, die sie erneuern wollte, bevor sie das nächste Mal aufbrach um sich dann die Arbeit zu ersparen.
    Im flackernden Zwielicht breitete die Kaiserliche in ihrer Kammer die erworbenen alchemistischen Zutaten aus. Im neuen Mörser zerrieb sie die Schmetterlingsflügel zu feinem Staub. In einer etwas größeren Tonschüssel und mit einem Rührstab vermengte sie das Pulver mit dem tierischen Fett. Zum Schluss gab sie noch drei der fünf Heiltränke zu. Die Flügel dienten als Bindemittel zwischen der wässrigen, roten Flüssigkeit und dem Fett. Auf diese Weise entstand eine sehr feine, milchige, leicht rosa eingefärbte Salbe. Da sie auf Solstheim sämtliche Vorräte ihrer Heilsalbe verbraucht hatte, benötigte die Jägerin nun neue. Letztlich verteilte sie die Creme auf mehrere kleine Metallschatullen und verstaute sie in einem Schubkasten in einem ihrer Schränke. Ebenso die übrigen zwei Tränke.
    Als nächstes folgten ihre Waffen. Die Sehnen der Schusswaffen entspannte sie und reinigte den Abzugsmechanismus der Armbrust. Ein wenig Schmierfett und sie war wie neu. Das Schwert polierte sie noch etwas mit einem Tuch, schliff die Klinge und alle drei hängte sie akkurat zurück an den Waffenständer. Nach dem Eintragen der Finanzen in ihrem Büchlein holte sie noch einige Verbände aus einem medizinischen Schrank in der Waffenkammer und am Ende ihrer Erledigungen nahm sich Vesana ein noch ungelesenes Buch zur Hand, um im Schatten auf der Terrasse hinter Jorrvaskr zu lesen. Nachdem sie in ihrer vorherigen Lektüre bereits am Rande einige Informationen zu den Dwemer mitbekommen hatte – die Falmer konnten scheinbar in ihrer Entwicklung nicht unabhängig von den Tiefenelfen behandelt werden – interessierten letztere die Kaiserliche nun auch mehr. Kodlak besaß zum Glück eine ganze Reihe von Werken aus allen Sparten und Themenfeldern, bei denen sie sich bedienen dürfte, wie es sie interessierte. Es schien den Grauen stets zu freuen, wenn sich seine Gefährten nicht nur für Waffenkunst begeisterten.
    „Ein gutes Buch“, kommentierte Vilkas, der ebenfalls im Schatten unter dem Vordach saß und den Blick auf sie lenkte, als sie hinaustrat.
    „Du hast es schon gelesen?“
    „Eine Weile her, aber ja.“ Sie setzte sich zu ihm und legte ihre Lektüre auf den nahen Tisch. „In der Stadt geht das Gerücht um, die Wachen hätten einen wirrköpfigen Wegelagerer aufgegriffen, der seine beiden Kumpane ermordet und dann verbrannt haben soll.“ Er schaute sie an.
    Vesa zog einen Mundwinkel zu einem spitzen Lächeln hoch. „So etwas habe ich auch gehört.“
    „Womöglich wird er schon morgen am Galgen aufgeknüpft.“ Der Nord schien sie zu mustern.
    „Nun“, die Kaiserliche lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, „dann bekommt er wohl, was er verdient.“
    Ihr Freund schüttelte daraufhin sacht den Kopf. „Manche Dinge werden sich wohl wirklich nie ändern.“ Er seufzte.
    „Nein. Manche nicht.“
    „Er hätte uns früher oder später sicher einen lukrativen Auftrag eingebracht.“
    „Spekulation“, wiegelte Vesa ab.
    „Vielleicht.“
    „Außerdem sind Leute wie seine Kumpel und er immer noch bessere Beute als ehrliche Bürger.“
    Vilkas lachte auf. „Die Bekömmlichkeit eines gerechten Mahls. Damit hast Du wohl Recht.“
    „Manche Dinge ändern sich eben nicht.“ Sie zwinkerte ihm zu. Er schmunzelte.
    „Wohl wahr. Ich brauche mich wohl nicht beschweren. Auch ich bin hin und wieder dazu gezwungen, so zu handeln, wie Du.“
    „Wir alle sind es.“
    „Ja.“ Für einen Moment schwiegen sie in Nachdenklichkeit. Während Vilkas zu jenen im Zirkel gehörte, die maximale Kontrolle über ihr Biestblut anstrebten und ihre Jagten in gewisser Weise reuevoll führten, stand ihm Vesana zusammen mit Skjor und Aela in gegensätzlicher Meinung gegenüber. Sie empfingen den Rausch der Jagd und das Fieber der Aufregung mit offenen Armen. Die Wochen nach und bis Halbmond in abnehmender und zunehmender Mondphase, in denen die Abwesenheit der Monde das Biest schwächte und in den Tagen um Neumond Verwandlungen sogar gänzlich verhinderte, empfanden letztere Drei je nach Begleitumständen überwiegend als Qual. Vilkas, Kodlak und Farkas hingegen freuten sich auf diese Zeit. „Was ich nicht ganz verstehe: Warum hast Du ihn überhaupt laufen lassen?“
    „Bequemlichkeit. Ich hatte schon mehr als genug Beute und der Kerl ist gerannt wie ein Pferd.“
    „Hm. Verstehe einer mal diese Räuber. Ich wäre sicher nicht zurückgekommen.“
    Vesana lachte zurückhaltend. „Ich ebenso wenig.“ Sie schüttelten gleichzeitig den Kopf. In diesem Moment knarzte hinter ihnen die Tür ins Innere Jorrvaskrs. Gemeinsam drehten sich die zwei um und grüßten Aela, als sie in einer leichten, grünen Tunika und Sandalen ins Freie trat. Als die Nord Vesa erblickte, breitete sich ein Schmunzeln auf ihrem Gesicht aus.
    „Eine ausgesprochen lustige Geschichte.“ Die hochgewachsene Frau mit dem kupferroten Haar zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen.
    Ein Seufzen entrang sich der Kaiserlichen. „Ich hatte vergessen, wie schnell sich die Dinge hier herumsprechen.“
    „Weißlauf ist die Hochburg des Klatsches, das weißt Du doch“, kommentierte Vilkas von der Seite.
    „Gleich nach Einsamkeit“, bekräftigte Aela.
    „Einsamkeit ist schlimmer? Das geht?“, hakte Vesana nach. Sie lachten alle.
    „Offenbar. Aber egal. Er wird morgen hängen und das ist das Ende dieser Geschichte.“
    „Hoffen wir es“, warf Vilkas ein und Vesa nickte, da auch sie trotz allem kein Interesse daran hatte, dass auch nur ein Funken der Wahrheit in irgendeiner Weise außerhalb von Jorrvaskr grassierte.
    „Wir könnten in nächster Zeit auch ab und an zusammen jagen gehen“, überlegte Aela laut.
    „Hm, ich glaube, ich wäre lieber allein unterwegs. Aber danke.“
    „Offen gestanden halte ich das zumindest in den Nächten um Vollmond für keine schlechte Idee“, sprang der Dritte der Runde der Nord-Frau bei.
    „Hmm.“
    „Wir können Dich natürlich nicht zwingen, aber selbst wenn Du noch ein, zwei erfolgreiche Jagdrunden führst, wirst Du noch immer nicht die höchstmögliche Kontrolle in diesen wilden Nächten zurückerlangen können. Ein Begleiter würde zumindest die Richtung in ein etwas sichereres Jagdgefilde, weiter weg von Weißlauf vorgeben können.“
    „Da hat er Recht.“ Die Rothaarige stützte ihren Kopf über die Ellbogen auf dem Tisch ab.
    „Na von mir aus.“
    „Gut, dann mach‘ die nächste Nacht noch allein und danach gehen wir zusammen, bis der Vollmond vorüber ist“, beschloss Aela. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf Vilkas raue Lippen.
    „Wer hat mir eigentlich die Decke gebracht?“, lenkte Vesa ab.
    „Das war Farkas“, antwortete dessen Bruder. „Er hat sich etwas Sorgen gemacht, ob in Deiner ersten Nacht zurück auch alles gut gehen würde und hat irgendwann mitten in der Nacht mal nach dem Rechten gesehen.“
    „Er mag Dich“, zwinkerte die Nord ihr zu. Die Kaiserliche schmunzelte.
    „Das tun wir doch alle“, versuchte er die schlichte Freundschaftlichkeit seines Bruders zu verteidigen.
    „Oho, so liebevolle Töne ist man von Dir ja gar nicht gewohnt“, spöttelte Aela. Sie lachten alle.
    Bevor Vilkas darauf etwas erwidern konnte, setzte Vesana bereits zu einer Reaktion an. „Danke, danke.“ Sie hob beschwichtigend die Hände. „Das Kompliment ist angekommen“, sie nickte dem wesentlich älteren Nord zu, „und wird zurückgegeben.“
    „In Ordnung, lassen wir das.“ Die beiden Frauen wippten mit den Köpfen, um ihre Zustimmung kundzugeben. In diesem Moment trat Farkas scheppernd aus der Tür Jorrvaskrs. Wie gewohnt, trug er seine schwere Rüstung.
    „Ah, Farkas! Wir haben gerade von Dir gesprochen“, warf ihm Aela zu. Der hochgewachsene, kräftige Mann zog die Augenbrauen hoch und schaute sie verwundert an.
    „Nur Gutes“, beruhigte ihn sein Bruder. Er schnaufte nur und schob sich einen Stuhl zurecht, um sich im Anschluss zu ihnen zu setzen.
    „Danke für die Decke.“ Vesana lächelte ihm zu.
    „Gerne.“ Er erwiderte die Geste. „Lust auf Karten?“ Er packte einen Stapel alter, dicker Pergamentscheiben mit Lederrand aus und blickte sie einen nach dem anderen an.
    „Von mir aus“, stimmte Aela zu.
    „Warum nicht.“ Vilkas lehnte sich vor und stützte sich auf dem Tisch ab.
    „Solange es um nichts geht.“
    „Außer um Deine Ehre vielleicht“, stichelte Farkas.
    Die Kaiserliche stieß abschätzig die Luft aus, grinste aber gleich darauf. „Vermutlich eher um Deine.“
    „Na dann, hören wir lieber auf zu schwatzen!“



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    Geändert von Bahaar (14.12.2013 um 16:18 Uhr)

  2. #2

    Himmelsrand, Weißlauf

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    „Für jemanden, der nie um Geld spielt, hast Du eindeutig zu viel Glück!“, brummte Farkas nach der vierten Runde und meinte damit Vesana, die drei davon gewonnen hatte. Vilkas folgte mit einem Sieg.
    „Sei doch froh, sonst wärst Du jetzt schon arm“, konterte die Kaiserliche ohne von ihrem neu ausgeteilten Blatt aufzusehen. Aela, die rechts neben ihr saß, tauschte eine ihrer fünf Karten mit einer der drei in der Mitte. Vesa folgte.
    „Pff! Du könntest reich werden mit dem Mist!“
    „Das mache ich dann doch lieber mit ehrlicher Arbeit.“ Der Nord grummelte daraufhin nur. Essentiell ging es darum, die höchste Punktzahl mit den fünf Karten auf der Hand zu halten. Wer meinte, die zu haben, konnte das Spiel für beendet erklären und allen anderen nur noch einen nächsten Zug lassen. Getauscht werden durfte eine oder alle drei Karten auf dem Tisch in der Mitte mit einer oder dreien auf der Hand. Die Jägerin hatte bislang einfach immer Glück gehabt, denn mit Können ließ sich hier nicht wirklich viel gewinnen. Das war auch der Grund, warum sie üblicherweise davon abließ, derartige Spiele zu spielen. Lediglich von den drei Nord ließ sie sich gelegentlich breitschlagen, aber nie ging es um Geld. Künste, bei denen sie an sich selbst arbeiten und dadurch Verbesserungen erreichen konnte, erschienen ihr sinnvoller, um sich damit einen Lebensunterhalt zu verdienen.
    Inzwischen war es wieder ihr Zug und sie tauschte diesmal gleich drei ihrer Pergamentscheiben. Auf den Karten waren immer die Wappen verschiedener Städte und Ortschaften in den Reichen der vier Menschenvölker Tamriels abgebildet, jeweils mit unterschiedlich hohen Zahlenwerten. Die höchste Augenzahl lag bei vierzehn und die Punkte von Karten desselben Reiches wurden addiert. Entsprechend ließen sich höchstens sechzig Punkte erzielen. Vesana interessierte das aber nicht, rein aus – zugegeben scheinheiligem – Prinzip sammelte sie eh nur Karten mit Städten aus Cyrodiil. Und sie wusste, das Farkas immer Karten aus Himmelsrand sammelte. Die anderen beiden nahmen, was gerade passte, und überhaupt waren die Möglichkeiten bei so wenigen Spielern beschränkt und in der Regel bekam niemand fünf Spielkarten desselben Reiches zusammen.
    Daher verwunderte es auch nicht, dass Vilkas die Runde für sich als beendet erklärte, nicht mehr tauschte und den übrigen nur noch einen letzten Zug ließ. „Ach verflucht“, knurrte Farkas, der erneut verlor. Die Kaiserliche wurde dritte nach Aela und Vilkas.
    „Sollen wir Dich wenigstens einmal gewinnen lassen?“, wollte die rothaarige Nord wissen, während sie gelassen die Karten mischte.
    „Nein.“
    „Na dann nicht.“
    „Was anderes: Gibt es eigentliches Neues von Hrothluf – falsch, Trargolf?“, fragte Vesana in die Runde und begutachtete gleichzeitig ihr Blatt.
    „Nein, noch keine Gerüchte im Umlauf. Aber wenn Du mich fragst, baumelt er in weniger als einer Woche“, erwiderte Aela.
    „Tut ihm gut.“
    „Ohja.“
    „Mich würde nur zu gern interessieren, wo die das ganze Zeug überhaupt herbekommen“, mischte sich Vilkas ein.
    „Was spielt das schon noch für eine Rolle?“, meinte Farkas während er gerade tauschte.
    „Naja, es ergibt keinen Sinn, dass die zwei Nord mehr und höher konzentriertes Zeug verkaufen und schmuggeln als die Khajiit.
    „Warum das? Vielleicht haben sie einfach bessere Zulieferer?“, konterte Aela.
    „Vielleicht, aber Mondzucker und Skooma kommen nun mal aus Elswyr und sind da fast schon heilig. Eigentlich müssten die direkt an der Quelle sitzen und nicht umgekehrt auf andere angewiesen sein.“
    „Wenn Du mich fragst, liegt das an den Thalmor“, gab Vesana ihre Gedanken kund und tauschte.
    „Inwiefern?“
    „Bei deren strikter Politik und notorischer Überwachung haben die mit Sicherheit ein besonderes Auge auf Khajiit-Händler, um den Drogenhandel aus Elswyr abzuschneiden. Nicht das ich das schlecht fände. Andere Händler machen sich das eben zu nutze.“
    „Würde Sinn machen“, stimmte Aela zu.
    Vilkas nickte und strich sich gedankenverloren am Kinn entlang. „In der Tat. Bleibt die Frage, woher die beiden anderen das haben.“
    „Erst mal bleibt die Frage, ob ihr das Blatt hier überbieten könnt. Runde beenden.“ Die anderen schmunzelten ob des harten Themenwechsels von Vilkas‘ Bruder.
    „Sieht so aus, als müssten wir uns nicht einmal Mühe geben, damit Du gewinnst.“
    „Haha!“ Er legte eine kurze Pause ein, nur um dann als Sieger der Runde mit drohend erhobenem Zeigefinger lachend fortzusetzen: „Passt nur auf, jetzt beginnt meine Siegessträhne!“
    „Vorsicht, keine Versprechen, die Deine Ehre beflecken könnten, solltest Du sie nicht halten“, warnte ihn Vesana und erinnerte damit an seine einleitenden Worte, mit denen er die Kaiserliche erst zum Spielen überredet hatte. Farkas verkniff sich einen Kommentar, und reichte stattdessen demonstrativ den zusammengeschobenen Kartenstapel an die Jägerin weiter, auf dass sie mischen und austeilen möge – ein herausforderndes Grinsen zierte seine wulstig-rauen Lippen.
    Einige Runden später knarrte wieder einmal die Tür von der Terrasse ins Innere Jorrvaskrs. Tilma schob sich hinaus, blieb aber im Türrahmen stehen. „Vesa, Liebes, ich habe Dir Deine Sachen in Dein Zimmer gestellt.“
    Sie schaute auf und schenkte der alten Frau ein dankbares Lächeln. „Danke, Tilma.“
    „Ach, gern doch! Und ihr alle verpasst noch das Abendessen, wenn ihr noch viel länger spielt!“ Alle Vier schauten gleichzeitig zum Himmel, soweit er sich unter dem Vordach heraus erkennen ließ. In der Tat begann es bereits dunkler zu werden, die Sonne stand tief und ein erster roter Schimmer legte sich über alles.
    „Dann beenden wir nur noch diese Runde, danke“, beschloss Vilkas und die anderen nickten. Überhaupt schlug es sich ohnehin auf den Magen nieder, dass sie alle nichts gegessen hatten, seit Beginn des Spieles. Tilma nickte zufrieden und verschwand wieder ins Innere der Halle der Gefährten.
    „Na, beenden wir das Ganze aber auch wirklich. Macht mal fertig.“ Vesana schob ihre Karten demonstrativ zusammen und ließ die anderen noch tauschen. Am Ende wurde es ein weiterer Sieg für sie. Insgesamt lag sie dann auch ganz vorn, gefolgt von Vilkas und Aela, Farkas wurde Letzter. „Sieht so aus, als wäre aus der Gewinnsträhne nichts geworden“, stichelte sie deshalb und erntete lediglich ein verächtliches Schnaufen. Die beiden anderen Nord lachten, die Kaiserliche schmunzelte.
    Sie gesellten sich zu den übrigen Gefährten an die große Tafel im Inneren der zwielichtig erhellten Halle und nahmen sich vom kräftigen Eintopf. „Fabelhaft gezaubert, Tilma!“, lobte Vignar und zupfte sich am langen, silbergrauen Schnauzbart, der zusammen mit seinem langen Haar in starkem Kontrast zur dunklen Haut stand. „Wie immer.“ Vesana suchte sich derweil einen freien Platz neben Vilkas und Kodlak, stellte ihre Schüssel auf die massive Tischplatte und legte das unter den Arm geklemmte Buch, in das sie nicht einen einzigen Blick geworfen hatte, daneben. Erst dann setzte sie sich.
    „Wie findest Du es?“ Der Herold der Gefährten stützte den Kopf über die Unterarme auf der Tafel ab und schaute an Vilkas vorbei zu ihr hinüber. Die Kaiserliche musste ihn wohl ungewollt irritiert über ihren dampfend-vollen Löffel angeschaut haben, denn er setzte ein kurzes „Das Buch“ nach.
    „Ich bin noch nicht dazu gekommen, hineinzulesen.“
    „Farkas hielt uns alle auf der Terrasse etwas auf Trapp“, ergänzte Vilkas für sie, woraufhin sie zustimmend nickte.
    „Ah, verstehe. Ich bin sicher, dass es Dir gefallen wird.“
    „Wie sieht eigentlich im Moment die Auftragslage aus?“, wollte sie wissen, während sie darauf wartete, dass der Eintopf in ihrer Schüssel etwas abkühlte. Kodlak trank gerade noch einen Schluck aus einem Weinglas und setzte erst danach zu einer Antwort an.
    „Momentan haben wir zwar durchaus viel zu tun, aber das meiste sind einfache Biestplagen weiter im Süden und Westen, nichts in unmittelbarer Nähe“, erklärte der Alte schließlich und trank noch einen Schluck. Sein Handeln wirkte fast schon träge und von vielen Lebensjahren gehemmt. Wenn jemand, der ihn nicht kannte, ihn so sah, er hätte wohl annehmen können, dass der Leiter der Gefährten nicht mehr viele weitere Jahre vor sich hatte. Aber Vesana und die Gefährten wussten es besser, es waren schlicht die Geduld und Ruhe, die ihn dazu brachten, sich für die Dinge Zeit zu nehmen.
    Mit offenkundiger Vorsicht sprach er danach jedoch weiter. „Obwohl ein Auftrag vielleicht etwas für Dich wäre, jetzt wo Du Dich etwas … erholt zu haben scheinst.“
    „Ja?“
    „Heute ist jemand zu uns gekommen, der nach Ausbildung sucht.“ Die Kaiserliche mahlte mit den Zähnen. Lange schon hatte sie keinen Ausbildungsauftrag mehr ausgeführt. Schon vor Darius Verschwinden nicht mehr und danach erst recht nicht. Es lag inzwischen gut und gerne ein dreiviertel Jahr zurück, dass sie das letzte Mal jemanden im Schwertkampf unterrichtet hatte.
    „Der Letzte wollte nicht sehr lange mit mir trainieren.“
    „Der Letzte, den Du hattest, war ein Waschlappen“, knurrte Skjor, als er langsam mit seiner leeren Schüssel an ihnen vorüberging, um sich Nachschlag zu holen. Zugegeben, der Nord damals, dem sie den Kampf mit der Klinge näher bringen sollte, zog seinen Auftrag nach nicht einmal einer Woche zurück und wollte Vesana auch noch eine Geldstrafe aufbrummen, weil sie ihn zu sehr verletzt hätte bei ihren Übungsstunden. Natürlich kam er damit nicht durch, aber er hatte ihr damit für lange Zeit den Appetit verdorben, derartige Arbeit auszuführen und nachdem Darius verschwunden war, legte sie ohnehin jede Auftragsarbeit erst einmal auf Eis, die nicht ihrer Suche nach dem Kaiserlichen dienlich schien.
    „Das spielt keine Rolle mehr. Überlege es Dir“, setzte Kodlak dem Treiben ein Ende. In der Tat blieb ein solcher Auftrag wohl die einzige Möglichkeit wieder aktiv zu arbeiten und gleichzeitig in Weißlauf zu verweilen.
    „Gib‘ ihn zunächst an Athis. Wenn er sich nicht allzu dämlich anstellt, übernehme ich in ein paar Tagen“, schlug Vesa vor. Da der leicht reizbare Dunmer auch nicht unbedingt der größte Liebhaber von Ausbildungsarbeit war, würde er sich auch nicht gekränkt fühlen, wenn sie nach Vollmond übernahm.
    „Eine gute Idee“, stimmte Vilkas zu und auch Kodlak nickte.
    „So werden wir es machen. Es ist übrigens ein Nord.“
    „Was für einen Eindruck hat er auf Dich gemacht?“, wollte die Kaiserliche wissen und setzte sich nun eher seitlich auf ihren Stuhl, um besser mit dem Grauen reden zu können. Ihre leere Schüssel von sich geschoben stand nur noch ein Krug mit frischem Traubensaft in Reichweite auf dem Tisch. Vilkas lehnte sich ebenfalls etwas zurück und der Herold rückte seinen Stuhl zurecht. So in einem leichten Halbkreis sitzend ließ es sich besser reden und die übrigen Gespräche in ihrer Umgebung ausblenden.
    „Er sah kräftig und fähig aus. Ich bin sicher, dass er sich gut machen wird, wenn er den Willen aufbringen kann“, antwortete der Graue.
    „Wir werden sehen.“ Ein schwaches, um ihre Skepsis wissendes Lächeln zeichnete sich auf den faltenreichen Zügen und unter dem grauen Bart Kodlaks ab. „Sonst steht es also gut, um die Gefährten und die Nachfrage nach ihren Diensten?“, wechselte die Jägerin das Thema.
    „Es gibt keinen Grund, sich zu beklagen. Viele der Welpen sind unterwegs, es gibt regelmäßig auch etwas für den Zirkel zu tun und …“ Der Alte legte eine unangenehme Pause ein, um sie aus seinen grauen, nachdenklichen Augen heraus zu mustern. Fast wirkte es, als wäre er sich seiner Worte unsicher.
    „Und?“ Sie zog eine Augenbraue in leichter Verwunderung hoch.
    „… und es scheint, als gönne uns auch die Silberne Hand derzeit Ruhe“, schloss er ab. Vesanas Gesichtszüge fühlten sich mit einem Mal steinhart und eiskalt an. Das Schlagwort besaß noch immer gewisse Wirkungen auf sie. Doch der Moment hielt nur kurz vor. Vor kaum mehr als einem Monat hätte sie in Wut die nächstbeste Schüssel zerschlagen, doch das Erlebnis auf Gjalunds Kahn wirkte dem ausgesprochen effektiv entgegen. Anstatt in Wut zu Knurren, brummte sie nur noch kurz anerkennend ob der guten Lage der Gemeinschaft und trank anschließend einen Schluck Saft. Trotzdem blieb ihre Stimmung im Anschluss schlechter als zuvor, allerdings gab sie dafür niemandem anderen als sich selbst die Schuld daran, denn immerhin war sie es gewesen, die gefragt hatte.
    Sie saßen noch eine Weile länger am Tisch, bis sich die Kaiserliche schließlich aus der Runde verabschiedete und sich diesmal direkt eine Decke mit nach draußen nahm. Die Dunkelheit der Nacht zog bereits an ihren Schläfen und piesackte sie mit Stichen durch den Kopf, dass es an der Zeit für einen Ausflug war. Dem nicht widerstrebend traf sie also lediglich noch die letzten Vorkehrungen für die Übernachtung in der Tiefenschmiede.



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    Geändert von Bahaar (20.12.2013 um 19:33 Uhr)

  3. #3

    Himmelsrand, Weilauf, Umland

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    Aus der Deckung eines großen, schroffen Felsbrockens heraus beobachtete Vesana einen alten Khajiit in weiten, leicht zerschlissenen Gewändern. Im silbernen Lichtschein wirkten sie zwar überwiegend graustufig, doch erinnerte sie sich nur zu gut daran, dass sie eigentlich farbenfroh schillerte. Auch jetzt noch, wo die Katze durch das ruhig daliegende Lager seiner Handelskarawane schlich, zupfte sie sich unaufhörlich an den Schnurrhaaren. Eine nervige Geste und sie zog die Lefzen in sehnsüchtiger Erwartung des Bevorstehenden zurück. Leises Knurren entwand sich ihrer Kehle und sie rutschte weiter an den Rand des Felsens.
    Nur mit Mühe gelang es der Jägerin, sich zurückzuhalten und den Appetit zu bändigen. Noch war es nicht an der Zeit, zu nahe befand sich der alte Kater an den Zelten und dem niedrig gehaltenen Lagerfeuer, um das drei weitere Schnurrer saßen. Sie musste ihn irgendwie aus der Deckung der Planen und Karren locken. Eine Reihe von Ideen hatte sie bereits, aber eigentlich erschien ihr nur eine als wirklich praktikabel. Entsprechend huschte sie aus ihrer Deckung, auf allen vieren durch die silbergraue Nacht und für die Dauer eines Lidschlages nur zwischen zwei Zelten sichtbar durch sein Sichtfeld. Die wachsame Katze bemerkte die Bewegung hielt augenblicklich in ihren Bewegungen inne, um in die Dunkelheit zu spähen. Zunehmend mehr Wolken brauten sich am Himmel zusammen und warfen zusätzlich verwirrende Schattenspiele auf das Land. Das nutzte die Kaiserliche und huschte etwas weiter entfernt wieder in die andere Richtung zurück, nur um sich im Anschluss hinter einem anderen Felsen zu verstecken, die Ohren zu recken und vorsichtig aus der Deckung zu spähen.
    Leicht hechelnd und mit aufgeregt schlagendem Herzen beobachtete sie den Karawanenführer. Der Khajiit wirkte merklich angespannt, schritt aber vorsichtig auf die Lücke zwischen den Zelten zu, das Zupfen an den Schnurrhaaren hatte er inzwischen eingestellt. „Was ist?“, fragte einer der anderen, die am Feuer saßen und das veränderte Verhalten ebenfalls bemerkt zu haben schien.
    „Khajiit nicht sicher. Wahrscheinlich bloß ein Tier.“ Vesa entlockte es ein zorniges Grollen, das sie jedoch schnell wieder abbrach, um nicht aufzufallen. Stattdessen nutzte sie erneut den Schatten einer Wolke, um quer durch das Sichtfeld der Katze zu huschen und wieder in Deckung zu verschwinden. Während ihr die Samtpfote noch zwei Schritte ins Freie außerhalb des Lagers folgte, entließ die Wölfin ein sachtes Heulen und Knurren, dass gerade bis zu ihrem Ziel vordringen mochte. Augenblicklich veränderte sich seine Pose von einer neugierigen Anspannung zu furchtsamer Abwehr. Den Rücken gekrümmt, die Beine etwas gespreizt und Sprunggelenke angewinkelt. „Ma’Nushik, Wölfe!“, zischte der graue Khajiit, in dessen großen, spitzen Ohren Vesana nun zahlreiche Schmuckringe aufblitzen sah, wich einen Schritt zurück und ließ die drei zuvor um das Feuer sitzenden Katzen an ihm vorbeitreten. Jeder hielt einen Speer in der Hand, offenkundig stellten sie Wachen dar, wenngleich sie keine Rüstung trugen und sich nur in dicke Gewänder hüllten.
    „Wo sind?“, fragte der kräftigste Kater im güldenen Pelz und weit aufgerissenen Augen. Seine scharfen Eckzähne entblößt und die Waffe zum Stich bereit hoch erhoben spähte er in die Dunkelheit hinein.
    „Da drüben!“ Der Anführer blieb hinter seinen drei Wachen zurück, die vorsichtig, Schritt für Schritt, in die Richtung liefen, in der sich die Kaiserliche längst nicht mehr befand. Im Schutze einiger Büche schlich sie vorborgen vor den jüngeren, mit Sicherheit weitaus nachtschärferen Augen der drei Bewaffneten näher an das Lager heran. Ihre weichen Pfoten und Pranken legten sich langsam und bedacht auf den Untergrund, nicht einen Laut verursachend. Ihr rasendes Herz verlangte zwar nach schnellen Luftzügen und einer kräftigenden Beute, doch wusste auch das Biest in ihr die Gier im Zaum zu halten, wenn es sein musste.
    Erst als sie in der Deckung aus einem Zelt und nahen Felsen angelangte, gönnte sie sich einen neuen Blick auf die Szenerie vor dem Lager. Der graue Kater mit den zahllosen Ohrringen hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beäugte zähneknirschend seine drei Wachen. Diese stachen ein bis zwei Dutzend Schrittlängen entfernt mit ihren Speeren in die Büche, um sich dort eventuell versteckende Tiere zu verscheuchen – jedoch ohne Erfolg. Behutsam, langsam und jeden Griff und Tritt genau auslotend, kletterte die Wölfin auf den bis dahin schutzgebenden Stein. Die Aufmerksamkeit des Alten galt unverändert seinen Fellkameraden, weshalb er den dunklen Schatten im toten Winkel zu seiner Linken nicht bemerkte, und die übrigen teilten sich in diesem Moment auch noch auf, um mehr Boden auszukundschaften. An sich keine dumme Herangehensweise, würden sie denn tatsächlich mit einem Rudel hungriger Wölfe zu tun haben. So ließ es sich normalerweise auffächern und einzeln bekämpfen, da es dennoch alle potenziellen Opfer umkreisen würde.
    Eine Wolke schob sich vor die Monde und warf ihren Schatten über die fünf Nachtgestalten. Im Höhenflug eines aufgeregten Herzschlages und mit leichten Eingeweiden drückte sich Vesana vom Felsen ab. Von oben fiel sie über den ahnungslosen Kater her. Erst im letzten Moment, kurz bevor sie zusammenstießen, bemerkte er das Unheil, das sich im näherte, doch war es da bereits zu spät. Ihre Fänge umschlossen seinen Kopf, hinderten ihn daran, einen Laut von sich zu geben und im Anschluss riss sie ihn zu Boden. Während sie sich behände abrollte und wieder auf die klauenbesetzten Füße kam, schlug der Khajiit mit dem Kopf auf einen Stein und verlor das Bewusstsein. Einige, mitsamt Stücken der Ohren, herausgerissene Ringe spuckte die Jägerin aus, dann schlug sie ihre Reißzähne in eine Schulter ihrer Beute und schleifte ihn außer Sichtweite der bewaffneten Katzen.
    Diese hatten von dem ganzen Trubel nichts mitbekommen und stachen weiter in Gestrüpp und Schatten. Selbst wenn sie von den kurzen, dumpfen Schlaggeräuschen das eine oder andere aufgeschnappt hätten, wäre es genauso gut möglich gewesen, dass der Alte gerade in einem der Zelte verschwand. Zwar aufgeregt und die Ohren alarmbereit rotierend, aber freudig und mit immenser innerer Wärme in ihr aufsteigend, schleifte sie den noch lebenden Katzenmenschen weiter durch die Nacht auf eine etwas weiter entfernt liegende Baumgruppe zu. Dort sollte sie geschützt vor jedwedem zufälligem Blick in Ruhe speisen können. Bis die anderen Schnurrer bemerkten, dass sich ihr Anführer überhaupt nicht mehr im Lager befand, würde es Morgen und sie längst verschwunden sein. Zumal sich Wildtiere bei Nacht gerne in der Nähe der vereinzelten Bauminseln in der Tundra des Fürstentums aufhielten und die Aasfresser sich bis zum Morgengrauen an den Resten laben würden.
    Als die Kaiserliche mit ihrer Beute an ihrem Ziel ankam und sie liegen ließ, schlug diese die Augen auf. Desorientiert und panisch rappelte sich der Kater auf, breite Blutbahnen zogen sich über sein Gesicht und von der Schulter über den Leib. Tiefe Schnitte ihrer Zähne ließen weißen Knochen an dünnen Hautstellen hindurchschimmern und das linke Auge lag aufgeplatzt in seiner Schädelhöhle. Schmerzerfüllt stöhnend und keuchend taumelte der halbblinde Khajiit durch die Dunkelheit im Schatten der Bäume. Lediglich Vesas rolliges Knurren brachte ihn zum Stillstand, als wäre er im Bruchteil eines Lidschlages zu Eis erstarrt. Nur sein leises, zweifelsfrei ängstliches Schnurren zeugte von seinem restlichen Leben. Er stank nach Angst und vermutlich lag das nicht zuletzt an dem nassen Fleck, der sich hüftabwärts in seinen Gewändern abzuzeichnen begann. Von der gönnerhaften Gestalt des Schnurrers, wie am Tag ihrer Ankunft in Weißlauf, blieb nichts als ein Häufchen Elend. Sich noch kurz am Anblick labend umkreiste sie ihn, streifte raschelnd einige Zweige und knurrte leise weiter mit zurückgezogenen Lefzen.
    „B-b-bi-t-t-tte“, stammelte der Kater, als wüsste er, dass ihn kein normaler Wolf als Beute auserkoren hatte. Im letzten Moment seines Lebens erlaubte die Jägerin ihm noch einen Blick auf jene Gestalt, die ihm im silbernen Schein der fast vollen Monde nachgestellt und zugeschlagen hatte. Dann sprang sie ihn unvermittelt an. Die von weiten Stoffärmeln bedeckten Arme, die er zu seinem Schutze hochriss, zerfetzte sie mühelos noch während er auf den Rücken fiel und sie auf ihm landete. Bis auf die Knochen zerfleischt, schlug sie die schlaffen Glieder zur Seite und zerbiss dem grauen Khajiit schließlich die Kehle – ein finaler Akt der Gnade, um ihm das Leid eines aufgebrochenen Brustkorbes zu ersparen, wie es einer der Nord in der vorherigen Nacht ertragen musste. Berauscht von ihrem Erfolg und ihrer Güte machte sie sich schließlich über ihn her, genoss die Schwere und Bitterkeit des Eisens, als sie sein Herz hinunterschlang und gierig von seinem warmen Blut trank. Völlig von benebelt vom Fieber der Jagd schlug sie ihm immer wieder die Klauen in den schlaffen Leib, schlitzte ihn auf, um noch mehr von ihm zehrte.
    Knackendes Holz brachte die Kaiserliche dazu, sämtliche Schändungen zu beenden sich ruckartig umzudrehen. Im Dunkel unter einigen Zweigen, aber für sie deutlich in der graumelierten Umgebung zu erkennen, schälte sich ein schlanker, fast schwarz erscheinender Wolf hervor. Wachsam schnuppernd und mit hochgereckten Ohren beobachtete er die Werwölfin, die auf die Hinterläufe erhoben über ihrer Beute thronte. Die bluttriefenden Pranken mit den Armen ausgebreitet zog sie die Lefzen zurück und entblößte die scharfen Zähne, an denen noch Reste der Katze hingen. Tief knurrend machte sie ihrem mehr oder weniger Artverwandten deutlich, dass er sich zurückzuhalten hatte. Seine beiden Rudelpartner, die ihn inzwischen flankierten, senkten mit ihm zusammen knurrend das Haupt, blieben aber wo sie waren.
    In Ruhe wandte sich Vesana ihrem Schnurrer zu, labte sich noch für einige Momente, putzte sich anschließend Fasern aus dem Maul und leckte die Pfoten sauber. Erst danach überließ sie den Kadaver den Wölfen und spurtete vom Fleischsaft und dem Katzenherz gestärkt durch die Nacht. Zeit noch etwas herumzutollen blieb genug bis zum Morgengrauen. Das eine oder andere Reh zu hetzen, sie musste es nicht einmal erlegen, sondern einfach zur eigenen Verausgabung, sorgte stets für Freude.



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    Geändert von Bahaar (03.01.2014 um 12:41 Uhr)

  4. #4

    Himmelsrand, Weißlauf, Umland

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    Am Morgen tauchte Vesana in die Kälte eines kleinen Teiches außerhalb der Mauern Weißlaufs ab. Es handelte sich um denselben Tümpel, den sie schon in der vorletzten Nacht dazu genutzt hatte, sich zu reinigen. Nach der Letzten jedoch war es ihr nicht so recht gelungen, sämtlichen Schmutz von sich zu waschen und so wiederholte sie es in menschlicher Gestalt erneut. Abgesehen davon weckte das kühle Nass die Lebensgeister und es half gegen die unveränderten Kopfschmerzen, die gelegentlich wie Speere durch ihren Schädel stachen und sich sonst wie kneifende Käfer in die Haut bissen. So aber lähmte das Wasser die Nerven und die Stille unter der Oberfläche beruhigte die inzwischen trotz der Beute empfindsameren Ohren. Die Haare spielten ihr um Gesicht und Schultern während die Kaiserliche mit geschlossenen Augen unter der Oberfläche ausharrte, bis ihr die Luft ausging. Erst im letztmöglichen Moment tauchte sie tief luftholend auf.
    Sie verschwand bis zu den Schlüsselbeinen im dunklen Nass, wenn sie auf dem Boden stand und leichtes Zittern begann von ihr Besitz zu ergreifen, als frische Böen über die Oberfläche des Teiches und ihre bis auf die Kopfhaut durchnässten Haare streichelten. Sie brachten zunehmend dunklere Wolken aus dem Westen heran und spätestens zum Mittag mochten sie wohl die Sonne verdeckt haben. Die letzten wärmenden Strahlen folglich bestmöglich ausnutzend begann Vesa damit, sich die mittlerweile aufgeweichten Blutsreste vom Leib zu rubbeln und begab sich anschließend näher zum Ufer. Bevor sie ganz aus den still daliegenden Fluten stieg, die lediglich vom zufließenden Bach geringfügig aufgebracht wurden, schaute sie sich noch einmal um. Zwar glaubte sie nicht, dass sie hier jemand beobachten, oder überhaupt durch Zufall finden würde, aber sie ging lieber sicher.
    Erst danach stieg sie hinaus. Dicke Perlen rannen über ihre Haut, kitzelten sie und brachten die noch so feinsten Härchen an ihrem Körper dazu, sich aufzustellen. Der Wind verstärkte diesen Effekt und unangenehme Schauer rannen der Jägerin den Rücken hinab. Schnell rang sie ihr langes Haar aus und legte es in einen Knoten an den Hinterkopf. Einige Strähnen fielen ihr zwar ins Gesicht und reizten die Nasenspitze, doch auch die strich sie noch hinter die Ohren bevor sie sie zum Niesen brachten. Mit dem nahezu weißen, cremefarbenen Stoffband fixierte Vesana den Haarknoten, legte es in eine kleine Schleife und ließ die langen Enden des Bands ins Genick hinabfallen. Erst danach, noch immer feucht, schlüpfte sie in die saphirblaue Tunika und den Rest ihrer Sachen. Klamm legte sie sich an ihren Körper, aber die Sonne würde sie sicherlich noch ausreichend trocknen, bevor die Wolken gänzlich die Macht am Himmel übernahmen.
    So hergerichtet und erfrischt spazierte die Jägerin unterhalb der Stadtmauern zur Hauptstraße und den sich daran anreihenden Gehöften. Begleitet vom Geruch frisch umgegrabener, abgeernteter Äcker huschte sie am Rande der Felder entlang bis sie den gepflasterten Weg erreichte, den sie wenige Tage zuvor bereits mit Hrothluf an ihrer Seite passiert hatte. Bei dem Gedanken an den Nord verzog sie das Gesicht und schob ihn schnell beiseite. Überdies erreichte sie ohnehin bald die Stallungen und kam somit in die Nähe des Katzenlagers, das sie im Gehen mit gewissem Interesse beobachtete. Ungeordnetes Durcheinander herrschte dort. Unter der Aufsicht einiger Wachen, die ausgesprochen angespannt wirkten, bauten die Schnurrer ihre Zelte ab. Sie wirkten dabei aufgebracht, fast schon etwas panisch. Ein schmales, ahnendes Lächeln stahl sich auf die Lippen der Kaiserlichen, kräuselte die Mundwinkel und entspannte die Kopfhaut angenehm.
    „Was geht hier vor sich?“, fragte sie eine der Wachen, die den Durchgang des ehemaligen Stadttores flankierten und sich nicht in unmittelbarer Nähe zum Lager befanden.
    „In der Nacht hat ein Rudel Wölfe ihren Anführer gerissen und jetzt haben sie Angst, als wäre ihre gesamte Sippe in Gefahr.“ Der bärtige Nord, der auf Vesana hinabblicken musste, rollte die dunklen Augen. „Ihr solltet besser weitergehen. Diese Khajiit glauben, dass es keine gewöhnlichen Wölfe waren, die ihren Häuptling gerissen haben – was auch immer das heißen soll – und gehen jeden an, der keine Rüstung des Jarls trägt oder sie schief anschaut.“ Er schüttelte sacht mit dem Kopf bis ihm einige Strähnen seines dunkelblonden Haares unter dem Helm ins Gesicht fielen. Die Kaiserliche hob in gespielter Verwunderung und Erkenntnis die Augenbrauen hoch.
    „Danke für den Hinweis. Dann mal noch viel Glück hier.“ Sie wandte sich zum Gehen.
    „Danke, einen schönen Ta- Wouh, Moment!“
    „Ja?“ Einen Schritt hinter der Wache blieb sie stehen und drehte sich zu ihr um.
    „Ist das Fell, das da aus Eurem Ohr kommt?“ Ihr Herz machte einen Satz in völligem Schock, nur mit Mühe milderte sie die Entgleisung ihres Gesichtes und sie starrte den Mann sprachlos an. Doch dann vernahm sie ein Lachen wenige Schrittlängen entfernt. Der Kamerad ihres Gegenübers am anderen Ende des alten Stadttores krümmte sich und hielt sich den Bauch, als sie zu ihm hinüberblickte. Und auch der Nord vor ihr begann nun laut los zu lachen. Ihr dämmerte, dass sie einem üblen Scherz aufgesessen war.
    Die Fassung zurückgewinnend setzte sie zu einer Antwort an: „Vielleicht.“ Sie spitzte die Lippen in einem herausfordernden Lächeln. „Wollt Ihr herausfinden von welchem Tier es stammt?“ Jetzt war es die Wache, die kurz starrte, dann aber erneut lachte.
    „Ich hoffe, es kratzt nicht so wie die Katzen da drüben.“
    „Keine Sorge, es beißt nur.“ Sie stieß ein kurzes Knurren aus, das dem Tier in ihr jedoch keinesfalls gerecht wurde. Zu realistisch wollte sie es dann doch nicht klingen lassen. Der Kamerad auf der anderen Seite des Tordurchgangs pfiff verheißungsvoll. Es entlockte der Kaiserlichen nur ein leises Seufzen. „Nett, Eure Bekanntschaft gemacht zu haben. Viel Spaß bei den Nächsten, an denen Ihr Euren Scherz ausprobiert.“
    „Gleichsam, danke. Habt einen angenehmen Tag.“ Er nickte ihr zu und ließ sie ziehen. Diesmal war es sein Kumpan, der die Kaiserliche abermals zum Stehen brachte. Ein langes, gedehntes Seufzen der Enttäuschung ließ darauf schließen, dass er einen anderen Ausgang des Geplänkels zwischen ihr und der Wache erwartet hatte. „Halt die Klappe!“, fuhr diese ihn deshalb direkt an, grummelte aber kurz darauf resignierend, als Vesana bereits weitergegangen war. „Wartet“, bat der Nord laut. Wieder hielt sie inne. „Wäret Ihr so gnädig mir Euren Namen zu verraten?“
    Inzwischen verlor die ursprüngliche Auseinandersetzung mit dem Mann, der wohl eine Handvoll Jahr älter sein mochte als Vesa, ihren spaßigen Reiz. Dennoch wandte sie sich ihm zu. Er war einen Schritt auf sie zugetreten und stand nun direkt unter dem Tordurchgang etwas im Schatten. Obwohl die Rüstung viel verbarg, erkannte sie seinen kräftigen, muskulösen Körper, der zweifelsfrei zum Kämpfen fähig war. Die schulterlangen Haare schauten unter dem eisernen Helm hervor, der das markige Gesicht mit dem vollen Bart aussparte. An sich kein schlechter Anblick, auch nicht zu alt. Aber dennoch nichts, worauf sie sich eingelassen hätte.
    Es hatte ihr tatsächlich wieder etwas Spaß bereitet, mit ihm zu spielen und auch er mochte augenscheinlich seine Freude gehabt haben – dabei sollte es allerdings auch bleiben. Er wollte mehr als sie bereit war zu geben, und das galt generell und unabhängig von der jüngeren Vergangenheit. Sein nicht völlig untalentiertes Bemühen honorierend, schenkte ihm Vesana ein schmales Lächeln, welches aber ebenso wie ihr längeres Schweigen bereits verriet, dass er ihr zu nahe kam. „Verzeiht“, kam er einer Antwort von ihr zuvor und neigte des Haupt und den Oberkörper leicht nach vorn. Als er sie wieder hob blickte sie ihn ein letztes Mal an und wandte sich dann endgültig zum Gehen.
    Schmunzelnd und leichtfüßig trat sie in die Stadt ein und kehrte gegen das Getümmel auf den Straßen ankämpfend nach Jorrvaskr zurück. „Guten Morgen, Liebes“, grüßte Tilma als die Jägerin ins rauchige Innere der Halle der Gefährten trat.
    „Guten Morgen“, entgegnete sie und wollte sich an den langen gedeckten Tisch zu Farkas und Skjor setzen, die noch frühstückten. Allerdings hielt sie Vilkas davon ab, der schnell auf sie zutrat. Hinter ihm türmten sich zwei hünenhafte Stadtwachen in schweren Rüstungen auf. Sie standen im krassen Gegensatz zu den eher leicht Gerüsteten am Tor und auf den Straßen, vor allem aber auch zu dem in eine einfache, schwarzbraun gefärbte Tunika gehüllten Gefährten vor ihnen.
    „Vesa, warte“, bat er in einem Ton, der ebenso Sorge wie Verärgerung mit sich führte. Ob sie ihr galten oder etwas anderem vermochte die Kaiserliche nicht zu sagen.
    „Vilkas, was ist los?“
    „Das wüsste ich auch gern.“ Eine der Wachen nahm ihren rundum geschlossenen Helm ab. Darunter kam ein glattrasiertes, von zahlreichen Kämpfen gezeichnetes Gesicht zum Vorschein. Dunkle, teils grauverfärbte Haare umspielten das Gesicht bis zu den Wangen. Zweifelsfrei gehörten die zwei Männer zu den Gardisten der Drachenfeste – direkte Leibwächter des Fürsten von Weißlauf und seinem Gefolge.
    „Ihr werdet gebeten, mit uns zu kommen“, sprach der Nord, der sich den Helm unter den Arm geklemmt hatte. Vesanas Gesicht versteinerte und zeigte nichts, von ihrem unangenehm wild pochenden Herzen. Mühsam zwang sie sich ruhig zu atmen und die Verwunderung zu verbergen.
    „Eine Bitte würde voraussetzen, dass ich eine Wahl habe.“
    „Reine Freundlichkeit.“
    „Würdet Ihr mir erklären, um was es hier geht?“ Inzwischen stand die Jägerin frontal zu den beiden Wachen, die Hände vor der Hüfte verschränkt und in der Nähe ihres Dolches – nicht dass er ihr gegen die zwei schwer Gerüsteten viel genützt hätte, Schwertgriffe mit Platz für zwei Hände ragten über ihren Schultern auf. Vilkas flankierte sie und im Hintergrund sah sie Aela und die restlichen Zirkelmitglieder in argwöhnischen Posen die Szenerie beobachten und dem Gespräch lauschen.
    „Es wird Euch in der Drachenfeste alles Nötige mitgeteilt werden.“ Das Gesicht des Nords verriet ebenso wenig über Motive, Kenntnis und Einstellung gegenüber Vesana, wie deren Gesicht über ihre Wut und Sorge.
    „Muss sie allein gehen, oder wird es gestattet, sie zu begleiten?“, hakte Vilkas nach.
    „Sofern Eure Empörung berechtigt ist, wird dies nicht nötig sein. Daher: Nein, es wird nicht gestattet.“ Es kam zu einem kurzen Blickduell zwischen dem Gardisten und dem wesentlich kleineren Gefährten. Danach wandte sich ersterer wieder der Kaiserlichen zu. „Jetzt kommt, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“



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    Geändert von Bahaar (10.01.2014 um 14:55 Uhr)

  5. #5

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Scheppernd ob der zahlreichen schweren Stahlplatten seiner Rüstung schritt der Nord, der zuvor mit ihr gesprochen hatte, vor Vesana her. Sein nicht weniger Krach verursachender Kamerad stiefelte neben der Kaiserlichen. Was er für einer sein mochte, konnte sie unmöglich sagen. Durch die schmalen Sehschlitze im Vollhelm ließ sich nichts darunter erkennen und auch so hüllte sich jedes noch so kleine Fleckchen seiner Haut in Leder oder Metall. Der Größe und Statur nach zu urteilen musste aber wohl auch er ein Nord sein. Wirklich eine Rolle spielte es allerdings nicht und sie versuchte sich wieder darauf zu fokussieren, alle Gründe für und Auswege aus dieser Situation zu finden.
    Zähneknirschend dass es ihre Kopfschmerzen aufflammen ließ, folgte sie den Männern die langen Treppen hinauf zur Drachenfeste. Die Hände im Rücken über dem Gesäß ineinander verschränkt spielten die Finger vor den Augen der Gardisten verborgen nervös miteinander. Eine Art kontrollierter Überlauf für die unangenehme Unruhe, die in ihrem Bauch wütete wie ein Troll und die Lungen und das Herz kitzelte wie Federn Füße. Nur auf diese Weise konnte sie sich ansonsten ruhig geben, vielleicht nicht unbedingt gelassen, aber doch beherrscht und in Kontrolle. Schlimm war auch nicht die Tatsache, dass sie die Männer so unverhofft abgeholt hatten, sondern dass Vesa nicht der leiseste Hauch einer Ahnung kam, warum sie es getan hatten. Die Wegelagerer? Der Khajiit? Sie glaubte eigentlich nicht daran, und doch zweifelte sie an ihrer eigenen Fähigkeit ihre Spuren zu vertuschen. Einer der häufigeren, nicht gänzlich legalen Überfälle auf die Silberne Hand? Dann wären allerdings noch andere Gefährten im Visier der Justiz Weißlaufs.
    Es spielte keine Rolle. Das Trio erreichte den in der Ostflanke des imposanten Fürstensitzes liegenden Zugang zum Kerker. Ihr Wegführer öffnete den schweren, eisenbeschlagenen Durchgang. In den Scharnieren quietschend und knarrend schob sich das dicke Holz nach innen auf. Er trat als erster ein, es folgte Vesana, dann die zweite Wache, welche wiederum die Tür schloss und somit sämtliches Tageslicht aussperrte. Erst dann nahm der Nord, der zuvor schon gesprochen hatte, abermals seinen Helm ab und legte ihn auf einem Holzständer neben einem Schreibtisch ab. Danach bedeutete er ihr ihm weiter zu folgen. Tiefer in die feuchten Gänge unter der Drachenfeste eintauchend liefen sie im Gänsemarsch weiter. Die kühle Luft ließ die Kaiserliche schaudern und der Griff ihrer Hände umeinander, die noch immer in ihrem Rücken lagen, verfestigte sich. Das flackernde Zwielicht der Fackeln an den Wänden, das endlos widerhallende Scheppern und Schaben der Rüstungen der zwei Männer und das gelegentliche Schluchzen, Jaulen, Johlen, oder anderweitig animalisch klingende Geräusche der Gefangenen in ihren Zellen verbesserten ihr Befinden nicht gerade. Glücklicherweise befanden sie sich noch in dem Bereich, in dem die Käfige für frisch Inhaftierte lagen, deren Schuld wohl noch nicht gänzlich be- oder widerlegt, oder deren Verfahren schlicht noch nicht abgeschlossen war, weshalb die tierischen Laute nur aus weiter Ferne durch den Korridor hallten.
    Schließlich erreichten die Drei eine schiefe Holztür, die auch sogleich geöffnet wurde. „Hier hinein“, wies sie der helmlose Nord an, nahm ihr jedoch zunächst noch ihren Dolch ab. Im Vorbeigehen schaute sie ihn ein letztes Mal von unten her an, bevor er ihr mit seinem Kumpan folgte und an der geschlossenen Tür stehen blieb. An der Wand gegenüber standen zwei weitere Wachen in denselben schweren Rüstungen mit dem Wappen des Fürsten auf der Brust. In dem vergleichsweise sauberen und trockenen Zimmer ohne Fenster stand ein rechteckiger Tisch aus massivem Holz. An jeder Seite schmiegte sich ein Stuhl an ihn an. Auf einem dieser saß ein Nord mit offenen, rotbraunen Haaren bis auf die Schultern und einem Vollbart. Als er aufblickte, erkannte sie ihn als Hrothluf. Mühevoll verkniff sich die Jägerin ein Wort und schenkte ihm stattdessen einfach nur einen mörderischen Blick der Verachtung. Eine Ahnung ergriff sie, weshalb sie hierher gebracht wurde.
    Genau in diesem Moment trat eine weitere Gestalt aus der dunkelsten Ecke schräg hinter ihr hervor. Ein schlanker Mann mit dunkelblondem, kurzem Haar und glattrasiertem, kantigen Gesicht. Edle Kleidung – Wildlederschuhe mit seidener Tuchverzierung in Cyanblau, die weite Seidenhose in Beige und einem ebenfalls blauen Tuch als Gürtel – verhüllte seinen schlanken Leib. Das braune, tunikaartige Hemd rundete die fast schon lächerlich übertrieben teure Erscheinung ab. Ringe glitzerten an seinen Fingern und eine Pergamentrolle klemmte unter seinem Arm. Hätten seine graublauen Augen nicht so listig wie die eines Fuchses und so wach wie jene eines Adlers gefunkelt, Vesana wäre fast dazu geneigt gewesen, ihn als einfachen aufgeblasenen Schnösel abzustempeln. Stattdessen beobachtete sie ihn ebenso wölfisch wie er sie, als er an ihr vorbeilief und sich auf den Stuhl an der gegenüberliegenden Seite des Tisches setzte. Erst jetzt bemerkte sie den Duft eisig-klarer Bergluft in dem Raum, der zweifelsfrei von dem Mann in edler Kleidung ausging.
    „Setzt Euch.“ Er wies auf den Stuhl gegenüber Hrothluf zu seiner Linken. Die Stimme glockenklar und messerscharf ließ er keinen Zweifel daran, wer in diesem Raum das Kommando innehielt. Vesana folgte der Aufforderung, die zwar nicht aggressiv oder herablassend wie jene der Wache war, aber doch bestimmend. „Mein Name ist Elgryr, falls Ihr mich nicht kennt, Justiziar des Jarls“, sprach er weiter. Sie kannte den Namen, war ihm jedoch noch nie selbst begegnet. Ohne ein Wort ließ er sich Tinte und Fass geben und rollte das unbeschriebene Stück Pergament auf dem Tisch vor sich aus. „Wisst Ihr, warum Ihr hier seid, Vesana Calvianus, Mitglied der Gefährten?“ Er tauchte die Feder in das kleine Fässchen und ließ seine Augen auf ihr ruhen. Sie hielt dem Blick entgegen. Wenn er Schwäche sehen wollte, würde sie ihm keine geben.
    „Nein.“ Sie konnte nur vermuten, was Hrothluf, dieser ehrlose Sohn einer Hündin, dem Justiziar gesagt hatte, dass er sie auf derartige Weise zu sich bringen ließ. Dieser schrieb daraufhin etwas auf, doch vermochte die Kaiserliche nicht seine seltsam verschlungene Handschrift auf dem Kopf stehend zu lesen.
    „Hmhmm.“ Er steckte den Federkiel zurück ins Fass und faltete die Hände zusammen. „Dieser Mann“, er hob nur einen Finger um auf Vesas Gegenüber zu deuten, schaute ihn jedoch nicht direkt an sondern hielt die Augen weiter auf die Kaiserliche, „bezichtigt Euch der Mittäterschaft bei den Verbrechen des Mordes und des Schmuggelns illegaler Rauschmittel.“ Er legte eine Pause ein und beobachtete sie dabei, wie sie den Blick von ihm abwandte. „Was sagt Ihr zu diesen Anschuldigungen?“ Jetzt Hrothluf anschauend verspürte sie das dringende Verlangen über den Tisch zu hechten und ihm die Kehle aus dem Hals zu reißen. Dieser räudige Lügner wollte tatsächlich versuchen, sie mit sich zu reißen, wenn man ihn hängte.
    Der Mund stand ihr leicht offen, als sie ihn anstarrte und sich auf die Zungenspitze biss. Die Lippen zitternd und die Knöchel an den Händen standen weiß hervor, als sie sich aneinander krallten. Nur sehr langsam rang sie den hohen Puls nieder und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinab. Erst danach schaute sie wieder den Justiziar an, der in der Zwischenzeit weitere Notizen gemacht hatte. Sie wollte keinem der beiden auch nur ein einziges unvernünftig herausplatzendes Wort schenken, also ließ sie sich Zeit zu überlegen. „Ich möchte hören, wie dieser Mann diese Anschuldigung zu beweisen gedenkt und welche Beweise bereits vorgebracht wurden.“
    „Die sollst Du be-“
    „Wie heißt dieser Mann?“, fragte Elgryr im Gegenzug und Hrothluf in seinem wutentbrannten Ausruf unterbrechend ohne darauf einzugehen.
    „Ich kenne Ihn als Hrothluf aus Windhelm. Doch berichtete mir Aela die Jägerin, dass er sich Euch wohl als Trargolf zu erkennen gegeben hat.“
    „Lügne-!“
    „Wann habt Ihr diesen Mann das erste Mal gesehen?“ Offenbar wollte der kriminelle Nord durch starke Emotionen eine Verbindung zu Vesana vortäuschen, die als Begründung für seine Aufregung gesehen werden konnte und ihn somit glaubwürdiger machen. Allerdings brachte ihn das bei dem Justiziar nicht sehr weit.
    „Ich habe ihn vor etwa eineinhalb Wochen in Windhelm getroffen, nachdem ich von einer Reise nach Solstheim in der Stadt ankam.“
    „Wie habt Ihr ihn kennengelernt?“
    „Ich war auf der Suche nach einem Reisekarren, der mir die Reise nach Weißlauf erleichtern würde. Die Wirtin der örtlichen Taverne gab mir den Hinweis, ich sollte bei diesem Mann nachfragen.“ Während all ihrer Wortwechsel schrieb Elgryr auf dem Pergament mit. Es handelte sich offenbar um eine Zusammenfassung des Gesagten.
    „Blöd-!“
    „Wachen, verbindet diesem Mann den Mund.“ Gesagt, getan. Hrothluf brummte nur noch aufgebracht, die in Ketten liegenden Hände klapperten unter dem Tisch. „Kann Eure Reise nach Solstheim jemand bezeugen?“ Inzwischen kam es Vesana fast so vor, als wäre der Nord auf ihrer Seite. Allerdings wollte sie sich diesem Glauben nicht wirklich hingeben, sie schätzte ihn als ausgesprochen zielfixierten Menschen ein, der mit seinen Fragen sicherlich eine eigene Agenda verfolgte.
    „Sicher. Gjalund Salz-Weiser und die Besatzung seines Kahns, zahlreiche Bewohner Rabenfels‘ auf Solstheim, sowie die Skaal im Norden.“ Sie war sich nicht sicher, ob nicht womöglich jemand fehlte in der Reihe, doch auch so mochten es genug Zeugen sein.
    „Wer in Rabenfels?“ Wollte er sie nur in Sicherheit wiegen, oder befand er sich auf ihrer Seite?“
    „Der Besitzer der örtlichen Mine.“ Wie hieß er denn noch gleich? „Crescius.“ Ja, so hieß er. „Creasius Caerellius. Sowie der Wirt der Taverne und der Leiter des Tribunalstempels, Othreltoh. Einige Wachen ebenfalls.“
    „Hmhmm.“ Er schrieb fleißig mit und Vesana versuchte, während sein Blick dem Pergament galt, mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Rechtshänder, stakkatoartige Schriftführung und ziemliches Geschmiere. Dennoch knappe und präzise Fragestellungen, die bislang zu ihren Gunsten schienen. „Ihr behauptet also Eurerseits nichts mit den Geschäften dieses Mannes zu tun zu haben?“
    „So ist es.“
    „Wie kommt es dann“, er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände ineinander, „dass Ihr sehr genau wusstest, wo sich das beschlagnahmte Skooma befand?“ Jetzt kam er also, der Haken.
    „Eine Vermutung.“
    „Eine ziemlich exakte Vermutung, meint Ihr nicht auch?“
    „Mehr eine Schlussfolgerung.“
    „Was nun? Eine Vermutung oder eine Schlussfolgerung?“
    „Eine Schlussfolgerung.“
    „Wie kamt Ihr dazu?“
    „Offensichtlich kannte ich die scheinbare Ladung dieses Mannes durch unsere gemeinsame Reise von Windhelm hierher. Darüber hinaus erzählte er mir bei unserem ersten Treffen, er habe eine Ladung Schmiedeeisen. Bei meiner Wiederkehr nach Weißlauf erfuhr ich von einigen Gefährten von deren Auftrag, der wohl etwas mit dem Schmuggel von Skooma im Fürstentum zu tun hatte. Als sie mir von dem Versteck der Droge in hohlen Schmiedeeisen erzählten, berichtete ich ihnen von dem mir bis dahin als Hrothluf bekannten Nord. Vilkas, ebenfalls ein Mitglied der Gefährten, ordnete den Bericht an die Stadtwache an. Es war somit mehr seine als meine Schlussfolgerung, die lediglich auf Informationen meinerseits beruhte.“
    „Möchtet Ihr damit ausdrücken, dass Ihr bis zum Zeitpunkt der Festnahme dieses Mannes keinerlei Kenntnis über dessen Tätigkeit als Schmuggler hattet?“
    „So ist es.“
    „Wie kommt es dann, dass er Euch der Stadtwache gegenüber lediglich als ‚Nevara‘ identifiziert hat – ein offensichtlicher Deckname – wo Ihr doch eigentlich Vesana Calvianus heißt – das ist doch Euer richtiger Name, nehme ich an?“ Der Kaiserlichen lief es eiskalt den Rücken hinab und die zwischenzeitlich etwas entspannten Finger krallten sich wieder fester aneinander. Ihr fehlten die Worte. Was sollte sie auch sagen? Dass es ein Deckname war, den sie auf Reisen benutzte? Warum brauchte sie auf Reisen überhaupt einen Decknamen? Weil sie sonst noch schneller von der Morag Tong aufgegriffen werden würde. Und warum war die Tong hinter ihr her? Zähneknirschend schwieg sie stattdessen. „Ihr möchtet dazu nichts sagen?“, fragte Elgryr nach.
    „Auf Reisen begegnet man vielen Leuten, die man falsch einschätzt. Um sicher zu gehen, dass sie keine Verbindung zu mir herstellen können, verwende ich diesen Namen“, log sie, was ihr wenigstens wie eine einigermaßen plausible Erklärung erschien und sogar im Ansatz einen gewissen Funken Wahrheit enthielt. „Der volle Name würde Nevara Cassidian lauten. Diesen können Euch auch die genannten Personen auf Solstheim bestätigen“, rundete sie mit einer echten Wahrheit ab.
    „Womöglich solltet Ihr dann vorsichtiger mit anderen Informationen umgehen, die Ihr preisgebt.“ Die Skepsis troff aus seinen Worten und erstmals zeigte er eine Regung durch die leicht hochgezogene Augenbraue. Und doch hatte er Recht. Nie hätte sie Hrothluf davon erzählen dürfen, dass sie von der Kämpfergilde gekommen war und sich den Gefährten angeschlossen hatte. Sie hätte ihm gar nichts erzählen dürfen.



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    Geändert von Bahaar (17.01.2014 um 14:47 Uhr)

  6. #6

    Himmelsrand, Weißlauf

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    „Wie lange dauerte Eure Reise an?“, wechselte der Justiziar das Thema.
    „Ich bin vor inzwischen achteinhalb Wochen von Weißlauf aufgebrochen. Das können Euch die Mitglieder der Gefährten bestätigen“, antwortete Vesana wahrheitsgemäß.
    „Hmhmm.“ Das Pergament füllte sich allmählich mit Schriftzeichen. „Was war der Grund für Eure Reise?“
    „Private Gründe.“
    „Zum Beispiel?“
    Die Jägerin schloss für einen kurzen Moment die Augen, um durchzuatmen. Die Skepsis und Zweifel, die der Nord hinter seinen kühlen Formulierungen verbarg, stachen wie ein Dolch aus dem Schatten zu und versuchten sie zweifelsfrei aus der Ruhe zu bringen. „Gründe jener Art, die nichts mit meiner Verbindung zu diesem Mann“, sie nickte in Richtung Hrothluf ohne die Augen von Elgryr zu nehmen, „zu tun haben und Euch somit nichts angehen.“ Nur mit Mühe hielt sie den Zorn in ihrer Stimme in einem vertretbaren Rahmen, gleichzeitig fraßen sich aber auch Unsicherheit und Selbstzweifel in sie hinein. Der rohthaarige Nord auf der anderen Seite des Tisches war inzwischen noch stiller geworden, als es der Knebel in seinem Mund ohnehin schon provozierte. Die hauchdünnen Fältchen um seine Augen verrieten seine Zufriedenheit damit, die Kaiserliche unter den Fragen des Justiziars straucheln zu sehen.
    Elgryr nahm ihre Antwort ohne ein Zucken schriftlich zur Kenntnis. „Wie lange wart Ihr vor dieser Reihe für die Gemeinschaft der Gefährten tätig?“
    „Mehrere Jahre.“
    „Und davor?“
    „Für die Kämpfergilde in Bruma.“
    „Gut.“ Mehr sagte er dazu nicht. Es konnte ebenso gut bedeuten, dass er sie für schuldig hielt, wie dass er sie unschuldig befand. „Wache, entfernt die Mundfessel dieses Mannes.“ Hrothluf holte erst einmal tief Luft und schien Speichel im ausgetrockneten Mund zu verteilen.
    „Ihr habt gestanden, Skooma geschmuggelt zu haben, ist das richtig?“
    „Dafür besteht scheinbar keine Notwendigkeit.“
    „Erzählt nochmals, wie Ihr diese Frau“, der Justiziar nickte in Vesanas Richtung während er den Rothaarigen anschaute, „kennt.“ Ihr Magen drehte sich um und leichtes Zittern ergriff von ihr Besitz, das sie mit dem Wippen des linken Fußes abzuleiten versuchte.
    „Wir sind seid einigen Jahren Geschäftspartner“, log Hrothluf in einer Ruhe, die ihn beängstigend glaubhaft erscheinen ließ. Kein Zucken, kein nervöses Tippen der Finger verriet, dass er so weit von der Wahrheit entfernt war, wie die Monde am Himmel hoch standen. „Wir sind uns irgendwann einmal in der hiesigen Taverne begegnet.“
    „Weshalb wart Ihr in Windhelm?“
    „Wir wollten uns dort treffen.“
    „‚Wir‘ heißt …?“
    „Meine Partnerin und ich.“ Alles in Vesa verlangte danach diesem elenden Lügner den Hals umzudrehen, ihn anzuschreien und zu quälen bis er langsam starb. Der Mund stand in Fassungslosigkeit kaum merklich leicht geöffnet und die Lippe zog sie unterbewusst linksseitig etwas hoch, so dass die spitzen Eckzähne aufblitzten. Die Finger krallten sich fester und ihr wurde allmählich übel. Von den Kopfschmerzen ganz zu schweigen.
    „Wie wurde dieses Treffen vereinbart?“
    „Sie schrieb mir einen Brief.“
    „Diesen Brief?“ Der Justiziar winkte eine Wache mit dem erhobenen Zeigefinger zu sich und bekam einen Umschlag gereicht, aus dem er gleich darauf ein Stück Papier holte. „Trefft mich in einer Woche in der Taverne in Windhelm. Gezeichnet N.. Diesen Brief?“
    „Ja, dieser.“
    „Das ist“, platzte es aus Vesana unkontrolliert heraus, bevor sie sich wieder beherrschte, „schlicht nicht möglich.“
    „Ich bat Euch nicht zu Wort.“
    „Verzeiht.“
    „Aber wo Ihr doch schon anfangt, so sagt, warum es nicht möglich sein soll.“
    „Gjalund Salz-Weiser fährt lediglich alle paar Tage von Rabenfels nach Windhelm und er ist der einzige, der dies tut. Ich hätte einen Brief nur über sein Boot nach Himmelsrand senden können und von Windhelm hätte ein Bote übernehmen müssen. Der Brief wäre somit weit über eine Woche unterwegs bevor er diesen Mann dort erreicht hätte.“
    „Nun, wir wissen nicht, ob Ihr wirklich auf Solstheim wart, oder?“ Sprachlos starrte Vesana zurück. Elgryr schien nicht das geringste Interesse daran zu haben, Ihr zu glauben. Hrothluf lächelte schmal und überlegen.
    „Weshalb wollte diese Frau mit Euch nach Weißlauf?“, fragte er ohne weiter auf die Kaiserliche einzugehen den rothaarigen Nord.
    „Das sagte sie mir nicht.“
    „Und Ihr machtet es weshalb?“
    „Wir sind Geschäftspartner, da macht man so etwas.“
    „Hmhmm. Welchen Grund könnte sie gehabt haben, Euch zu verraten?“
    „Das wüsste ich auch gern, denn ich habe keine Ahnung.“
    „Gut.“ Der Justiziar legte die Feder neben dem Tintenfass ab und pustete über die letzten, frischen Zeichen auf dem Pergament vor ihm, bevor er es zusammenrollte und die Hände über ihm zusammenfaltete. Inzwischen knirschte Vesa wieder mit den Zähnen und rang mit den heftiger stechenden Kopfschmerzen. Sie raubten ihr mittlerweile die Fähigkeit, wirklich klar zu Denken und sich eine Lösungsstrategie zu überlegen. Doch dafür sollte zunächst keine Notwendigkeit mehr bestehen, denn Elgryr sprach weiter. „Wachen, führt diesen Mann zurück in seine Zelle und geleitet diese Frau nach draußen.“
    Was?!“, platzte es aus dem Nord heraus. Der Kaiserlichen fielen die ineinander verkrampften Hände auseinander und unkontrolliertes Zucken ob der Überraschung ergriff von ihrer linken Augenbraue Besitzt.
    „Ganz recht. Ihr“, der Jutiziar schaute Hrothluf an, „wurdet mit dem Skooma festgenommen. Sie nicht. Es steht also einzig Aussage gegen Aussage, wobei sich ihre Geschichte schnell überprüfen lassen sollte. Sofern Ihr mir nicht benennt, an wen die Ware geliefert werden sollte, steht Eure Aussage folglich allein, was mir insgesamt wiederum keine andere Wahl lässt, als Eure ‚Partnerin‘ vorläufig wieder frei zu lassen – hier herrscht das Gesetz und nicht die Willkür jener, die es zu brechen gedenken.“ Damit erhob sich der edel gekleidete Nord, nahm die Pergamentrolle vom Tisch und verließ das Zimmer.
    Die Gardisten, die an der Wand hinter dem Untersuchungsführenden des Jarls gestanden hatte hievten nun Hrothluf auf die Füße und schleiften in ebenfalls aus dem Raum. Er schien zu schockiert, als dass er sich zu wehren vermocht hätte. Das Rasseln seiner eisernen Fesseln verhallte bald in den Weiten des Kerkers. Noch immer in Schockstarre harrte Vesana als letzte der Verhörsteilnehmer am Tisch aus. Erst als die Wache, die ihren Helm abgesetzt hatte, den Dolch der Jägerin vor ihr auf dem Tisch ablegte, riss sich diese los. Geistesabwesend und durcheinander nahm sie sich ihre Waffe und stand auf. Schweigend und zu kaum mehr als einer Mischung aus Erleichterung, Wut und Verwunderung im Stande, trottete sie den Wachen hinterher. Ein Gedanke jagte den nächsten und es war ihr unmöglich zu sagen, wie viel der Unruhe tatsächlich auf das eben beendete Verhör zurückging und was nicht doch von Kopfschmerzen und Mondphase, oder der Wut auf ihre eigene Dummheit kam.
    Egal was, erst an der frischen Luft gewann die Kaiserliche ihre Standfestigkeit zurück. Mit gestrafften Schultern und aufrecht wollte sie mit schnellen Schritten nach Jorrvaskr zurückkehren.



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    Geändert von Bahaar (25.01.2014 um 12:54 Uhr)

  7. #7

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Mit straffen Schritten ließ sie die Drachenfeste hinter sich und stapfte die zahlreichen Stufen hinab zum Platz des Güldengrünbaums. Erst dort verlangsamte sie ihr Tempo und blieb bald darauf stehen, als sie die Traube von Leuten bemerkte, die sich am oberen Ende der Stiege zum Marktplatz versammelt hatte. Aufgeregt redeten die Menschen dort miteinander und reckten sich immer wieder in die Höhe um über die Köpfe derer zu spähen, die vor ihnen Standen. Noch immer wütend, dennoch auch neugierig geworden, näherte sich Vesana der Meute und schob sich an den Rand, um besser sehen zu können. Schnell klärte sich auf, warum sich so viele Leute hier zusammengefunden hatten.
    In der Mitte des kleinen Platzes, der von zahlreichen Ständen, der Taverne und den Läden der Alchemistin und Belethors eingerahmt wurde, stand ein einfaches Holzgerüst mit erhobener Plattform und einer Balkenkonstruktion darüber. Von dem Querbalken baumelte ein dickes Seil, das sich am unteren Ende in eine Schlinge formte. Drei hochgewachsene Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten, standen auf dem Galgenbau. Ein sehr gepflegter Nord in feiner Kleidung, nicht so aufgeblasen wie Elgryr, aber doch hochwertig. Augenscheinlich ein Beauftragter des Jarls. Der nächste trug zu seiner groben Lederkleidung eine einfache Stoffmaske, die seinen Kopf verhüllte – der Henker. Und der Letzte im Bunde mit den Händen auf dem Rücken gefesselt, nun den kannte die Kaiserliche nur zu gut. Zweimal war er ihr inzwischen begegnet. Einmal hatte sie ihn entkommen lassen und ein weiteres Mal sträubte er sich gegen seine Verhaftung. Seine Erscheinung wirkte inzwischen durch und durch gebrochen. Die Schultern hängend, der Kopf gesenkt und die Leinenkleidung, die den Verurteilten im Kerker des Fürsten zugeteilt wurde, von oben bis unten verdreckt und zerschlissen. Leichtes Zittern hielt den Straßenräuber in festem Griff.
    Wenigstens etwas Erfreuliches an diesem Tag, dessen Wetter sich inzwischen der Stimmung der Jägerin angepasst hatte und mit feucht-kühler Luft, sowie der Abwesenheit der Sonne aufwartete. Zwar vermochte es kaum, ihren Groll und die Lust, einen gewissen Nord seines Lebens zu berauben, zu besänftigen, doch wenigstens entlockte es ihren versteinerten Gesichtszügen vorrübergehend ein schiefes, gefälliges Lächeln. Der Mann in der guten Kleidung entrollte eine Schriftrolle und reckte sich der Menge entgegen. „Raindaal Wulfgar Bärenpranke, Ihr wurdet der folgenden Verbrechen für schuldig befunden“, rief er laut aus und hob anschließend kurz den Kopf, um über die Menge zu blicken. Diese grölte bereits. Eine Frau rief „Hängt Ihn endlich!“ von der Seite und andere stiegen ein. „Diebstahl!“, begann der Nord auf dem Podest die Liste. „Räuberei!“, setzte er fort und ließ jedes Mal einige Lidschläge Pause bevor er weiter aufzählte. „Mord in drei Fällen!“ Die Menge tobte. „Tod!“, riefen einige aus unterschiedlichen Richtungen. „Und Belästigung des Jarls!“, endete der Sprecher. Er senkte die Schriftrolle und blickte erneut über die versammelten Leute. „Ihr wurdet deshalb zum Tode durch den Strang verurteilt.“ Anschließend trat er etwas zu Seite und ließ den Henker den Verurteilten vorführen. „Habt Ihr letzte Worte, die Ihr uns mitteilen möchtet?“
    „Ich habe niemanden getötet“, sprach er so leise, dass es Vesana nicht vernommen hätte, wären ihre Sinne nicht bereits überempfindlich geschärft.
    „Was für eine Verschwendung letzter Worte“, spottete der gut gekleidete Nord, die Zuschauer stiegen in sein verhaltenes Lachen ein, und gab dem Henker per Handzeichen zu verstehen, dass er beginnen solle. Kraftvoll stieß er den Räuber nach hinten unter den Balken, legte ihm die Schlinge um den Hals und zog sie fest. Anschließend trat er zur Seite an einen Hebel und packte ihn mit beiden Händen.
    Das Gesicht des Verurteilten nahm nun trauervolle, kreidebleiche Züge an. Es sah von dort, wo die Jägerin stand, so aus, als würde er weinen. Das Zittern verstärkte sich und hätte ihn der Strick nicht daran gehindert, er hätte sich wohl vorgebeugt und wäre auf die Knie gefallen. Doch viel mehr gab es von ihm auch nicht zu sehen. Nach einem Kopfnicken des Sprechers zog der Henker an dem Hebel und eine Klappe im Boden des Podestes, direkt unter den Füßen des Räubers, sprang auf. Der kümmerlich erscheinende Nord fiel nicht sehr tief in den Strick und baumelte mit den Knien auf der Höhe der Luke.
    „Sein Genick ist nicht gebrochen!“ – „Ooh.“ – „Haha!“ Die Meute lachte ihn schallend aus, während sich das Blut im Kopf des Verurteilten staute und sein Gesicht rot anlaufen ließ. Die Beine stießen willkürlich in die Luft, als könnten sie so den Druck auf den Hals verringern. Der Todeskampf dauerte nicht lange. Bald hing er still und so schnell, wie sich die Menge versammelt hatte, löste sie sich wieder auf.
    Inzwischen fröstelnd ob der kühlen Windstöße und der unangenehmen Luftfeuchte, die die Eindrücke aus dem Kerker frisch hielt, machte sich Vesana schließlich auf den Weg nach Jorrvaskr. Die Vorstellung, wie Hrothluf bald an einem eigenen Strick baumeln würde, ließ das bitter-süße Schmunzeln auf ihren Lippen noch einige Zeit vorhalten, aber als sie die Eingangstür zur Halle der Gefährten erreichte, war es verflogen und die reine Wut blieb in ihrer Brust zurück, wie glühende Kohlen.
    „Da bist Du ja endlich!“, begrüßte sie sogleich Farkas, der mit seinem Bruder am zentralen Feuer der Halle saß und die sich gleichzeitig umgedreht hatten, als sie die Tür öffnete.
    „Hier bin ich.“ Die Erleichterung auf den gezeichneten Gesichtern der ungleichen Nord verflog in der Dauer eines Herzschlages.
    „Was ist passiert?“, wollte Vilkas wissen, doch hob die Kaiserliche abwehrend und ablehnend die Hände.
    „Ist der Übungsplatz frei?“, stellte sie eine Gegenfrage, der Nord wirkte etwas irritiert und zog die Augenbraue hoch, nickte dann aber. „Schnapp Dir ein Schwert.“ Sie musste sich abreagieren, bevor sie auch nur ein Wort über die Vorfälle in der Drachenfeste verlor. Schnurstracks verschwand Vesa nach unten in ihr Zimmer und entledigte sich ihrer Sachen. Anstatt der zierlich-weiblichen, saphirblauen Tunika warf sie sich eine einfache in beige über und band sie mit einem Gürtel fest. Statt der Sandalen nahm sie sich festere Lederschuhe und die Haare zähmte sie in einem Pferdeschwanz, den sie mit einem Lederband festschnürte. So gekleidet ging sie zur Waffenkammer und traf dort mit Vilkas zusammen, der bereits am Tisch mit den Übungswaffen stand. Da er es besser wusste, unterließ er eine weitere Nachfrage. Seine Gefährtin würde von selbst zu sprechen beginnen, wenn sie sich dazu bereit fühlte. Aber dafür mussten sie erst einmal einige Schläge austauschen.
    Ohne großes Überlegen nahm sich Vesana gleich zwei Übungsschwerter und wandte sich zum Gehen. Ihrem Kampfpartner schenkte sie ein knappes „Danke“ und wartete, bis er soweit war. Zwar hielt er bereits ein Schwert in der Hand, bei ihrer Waffenwahl griff er allerdings dann doch noch nach einem leichten Schild an der Wand und folgte ihr schließlich. Gemeinsam traten sie auf die Terrasse hinter der Halle der Gefährten, wo Farkas und Skjor, aber auch einige der übrigen Gefährten warteten. Aela kam hinter der Ecke des Hauses hervor und gesellte sich dazu. Offenbar hatte sich herumgesprochen, was gleich passieren würde. Es störte die Kaiserliche nicht. Sollten sie ruhig zuschauen.
    Leichtfüßig, beinahe springend und auf die Zehenspitzen gestellt nahm die Kaiserliche die Stufen hinab zum Übungsplatz und rüttelte so gleich die Beinmuskulatur wach. Während sich die Schaulustigen an Pfeiler und Tische auf der Terrasse lehnten oder die Stühle zurechtrückten und sich setzten, brachten die beiden Kontrahenten einige Schrittlängen Abstand zwischen sich. Die Knie gebeugt, das Gewicht auf den Zehenspitzen und die Schwerter links und rechts der Hüfte lockend kreisend wartete die Jägerin darauf, dass ihr Gefährte ebenfalls das Zeichen gab, bereit zu sein. Lauernd wie ein hungriger Wolf, der seine Beute im Visier hat, und für den der richtige Moment wie ein Leuchtfeuer zum Angriff einlud, ging sie ohne auch nur einen Moment zu zögern direkt in den Angriff über als Vilkas den Schild ob und seine Waffe zum Stich bereit über dessen obere Kante hielt.
    Seinen Gegenangriff aus der Deckung der Holzscheibe heraus lenkte die Kaiserliche mit einem Schlag des rechten Schwertes ab und drehte sich einmal um die eigene Achse um aus der Bewegung heraus mit dem Linken auf ihn einzudreschen. Er blockte mit dem Schild und der erste Abtausch endete damit, dass sie genau andersherum wieder auf Abstand gingen. Ihr Herzschlag hatte sich adrenalingeladen in den wenigen Augenblicken schmerzhaft beschleunigt und sie musste sich dazu zwingen, ruhig zu atmen. Ihrem Kumpan erging es nicht anders, wie sie an seinem leicht geöffneten Mund erkannte. „So. Vesa“, begann er zwischen den Atemzügen abgehackt zu sprechen. „Was genau-“, weiter kam er nicht, bevor die Kaiserliche wieder auf ihn zueilte.
    Unter dem hoch angesetzten Stich des einen Schwertes drehte sie sich durch und hieb aus der Deckung ihres Körpers mit dem anderen tief. Der zweite Block kam hastig und unsauber geführt ob der hohen Geschwindigkeit, in der die Schläge folgten, und so taumelte Vilkas einen Schritt nach hinten und kam gar nicht dazu, einen Gegenangriff zu starten bevor die Jägerin ihre Drehung abrupt stoppte und mit dem nächsten Schritt in seine Richtung genau in die andere Richtung um die eigene Achse wirbelte. Beide Waffen gleichauf führend, musste der Nord sowohl hoch, wie auch tief die hölzernen Klingen abwehren. Dem auf Kopfhöhe entging er, indem er sich duckte. Den auf seinen Oberschenkel zielenden Hieb fing der Schild ab. Der ungebremste Schwung des oberen Schlages brachte die Kaiserliche aus dem Gleichgewicht und so strauchelte nun sie an ihrem Kontrahenten vorbei. Der brachiale Stopp ihrer zweiten Waffe verstärkte das Ungleichgewicht in ihrer Balance noch mehr und genau das nutzte Vilkas.
    Nur knapp wich sie seinem Schildschlag aus und fing sein Schwert mit den gekreuzten ihren ab. So verkeilt hielten die Beiden vorrübergehend inne, bevor sie sich gegenseitig wegzustoßen versuchten und abermals Abstand nahmen. Sie keuchten und Schweiß rann ihnen trotz der frischen Luft in Strömen über die Haut. „Also“, setzte der Nord erneut an. „Was genau – ist in der – Drachen-feste – geschehen?“, fragte er.
    „Hrothluf“, stieß sie aus und suchte fieberhaft eine Lücke in seiner Deckung. Der hohe Blutdruck, der in ihren Ohren rauschte und die Umgebungsgeräusche trotz ihrer Überempfindlichkeit übertünchte, brachte außerdem ihre Kopfschmerzen zum Anschwellen. Heftige Stiche durch die Schläfen ließen sie leise aufstöhnen und die Sicht einseitig kurzzeitig verschwimmen.
    „Wie, Hrothluf?“, hakte Vilkas in der Zwischenzeit nach.
    Von den Schmerzen im Schädel nur noch weiter aufgebracht, versuchte Vesana aber gleich darauf noch einen Angriff. „Er“, presste sie heraus, während sie einen Schlag gegen sein Knie führte. „Bezichtigt“, folgte mit dem nachgezogenen zweiten Schwert auf gleicher Höhe. „Mich“, sie rollte sich unter seinem Hieb auf die Brust hindurch ab. „Der“, noch im Aufstehen trat sie ihm von hinten in das rechte Knie. „Mittäterschaft!“ Vilkas sackte zusammen und ließ sich weiter nach rechts fallen, um die parallel geführten Schwerter, die auf seinen Hals zielten, mit dem Schild abzufangen und nach einer aus der Bewegung folgenden Rückwärtsrolle wieder auf die Füße zu kommen. Eine Pause hielt Einzug.
    „Absurd!“
    „Das sagte ich Elgryr auch.“
    „Elgryr?“
    „Der Justiziar des Jarls.“
    „Aber?“
    „Er scheint nicht überzeugt und ließ mich nur gehen, weil Hrothlufs Aussage allein steht, meine jedoch dank euch hier und Zeugen auf dem Weg überprüfbar ist.“
    „Hmpf.“
    Diesmal war es der Nord, der attackierte. Mit dem Schild frontal zustoßend sah sich die Kaiserliche gezwungen näher an die Außenmauer Weißlaufs auszuweichen, die ihre nötige Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. Den Hieb ihres Kontrahenten lenkte sie im letzten Moment am, doch baute sich Vilkas gleich darauf wieder vor ihr auf und streckte ihr den Schild entgegen. Bevor er ein weiteres Mal nach ihr zu schlagen vermochte trat sie nach hinten aus gegen die Wand, hieb gleichzeitig gegen seinen Kopf und zwang ihn das schützende Stück Holz zu heben. In dem Moment drückte sich die Jägerin von einem der groben Steine in der Stadtmauer ab und warf sich auf den über sein Haupt erhobenen Rundschild. Mit dem Rücken darüber rollend kam sie hinter dem Nord auf die Füße und brachte schnell einige Schrittlängen zwischen sie beide.
    „Stehen denn Zeugen in Aussicht, die Hrothlufs Geschichte unterstützen?“
    „Nicht, wenn er den Empfänger der Waren nicht preisgibt.“
    „Mich wundert, dass der Justiziar überhaupt soweit mitgeht, seine Geschichte für möglicherweise wahr zu halten.“
    „Hrothluf hat einen Brief.“
    „Was für einen Brief?“
    „Keine Ahnung, von wem – vielleicht sein Geschäftspartner, wie weiß. Er ist mit N. unterzeichnet und besagt, dass Hrothluf den Absender in einer Woche in Windhelm treffen soll“, berichtete die Kaiserliche.
    „Und was hat das mit Dir zu tun?“
    „Du weißt, wie ich mich auf Reisen nenne.“
    „Oh.“ Für einen kurzen Moment erschlafften die Muskeln des Nords sichtbar, als er die Überraschung dieser Nachricht verdaute. Vesana nutzte diese Gelegenheit nicht, sondern ließ ihr Gespräch zunächst fortlaufen. „Und ich nehme an, er hat sich bereits eine ansonsten ganz gut passende Geschichte ausgedacht?“
    „Das hat er in der Tat. Besonders, da er auf der Reise mehr Fragen gestellt hat, als ich zu ignorieren in der Lage war.“ Mit neuerlich aufquellender Wut und einem tiefen, animalischen Grollen in der Kehle ging sie abermals ohne Vorwarnung in den Angriff über. Erst sprang sie hoch und stach nach Vilkas. Der blockte, geriet jedoch ob der Wucht aus dem Gleichgewicht und taumelte. Nach der Landung wirbelte Vesa fast ausschließlich um die eigene Achse, dass die Umgebung zu einer einzigen Masse verschmolz. Umdrehung für Umdrehung prasselten ihre Holzklingen gegen Schild und Schwert ihres Freundes, der nicht einmal daran denken konnte, anzugreifen und in der Defensive festgenagelt war. Sie entließ den Zorn, der in ihr aufquoll, baute den Druck ab und befreite sich von der emotionalen Fessel, die sie seit der Befragung gefangen hielt. In diesem Sturm blieb nichts von der sonstigen Finesse und tänzerischen Eleganz, die die Jägerin normalerweise in ihre Kampfbewegungen legte und sich so geschickt an ihren Widersachern vorbeidrehte um von allen Richtungen anzugreifen. Lange ließ sich dieser Wirbelwind aus Hieben allerdings nicht aufrechterhalten, denn durch die zahlreichen einseitigen Drehungen setzte alsbald der Schwindel ein und sie taumelte vor ihrem Kontrahenten zurück. „Erinnere mich daran, Dich niemals wütend zu machen“, keuchte Vilkas nach Ende des Hagels und holte seinerseits zu einem hohen Hieb aus. Mit den gekreuzten Klingen fing Vesa ihn ab, musste jedoch auf ein Knie hinabgehen, um gleichzeitig noch das angeschlagene Gleichgewichtsempfinden zu kontern.
    Als Folge gingen sie wieder auseinander, nur um im Anschluss gleichzeitig aufeinander los zu spurten. Mit der linken Waffe lenkte sie den Stich des Nords ab während sie mit der Rechten ihrerseits zustach und unglücklicherweise an der Hand des Mannes vorbei in den Griff an der Innenseite seines Schildes einfädelte. Die so verkeilten Kampfmittel ließen sie fallen und standen sich deshalb nur noch mit jeweils einer einfachen Holzklinge ausgestattet gegenüber. Die Kaiserliche, die mit beiden Händen gleichermaßen gut umzugehen vermochte und sogar ohne Probleme mit Links eine Feder führte, behielt ihre Waffe vorläufig in der Linken und hob sie hoch über den Kopf. Vilkas packte den Griff der seinen mit beiden Händen. Nun gleichstark bewaffnet lag der Vorteil auf seiner Seite und so nutzte er in auch aus. Vesa fand sich in der Defensive wieder und musste mehr parieren, als sie anzugreifen vermochte.
    Beide wirbelten nun umeinander und tauschten ohne Unterlass Schläge und Paraden aus. Die Kaiserliche wechselte gelegentlich noch die Schwerthand und die Führungsrichtung ihrer Klinge, aber der trotz seiner vergleichsweise geringen Größe kräftigere Nord verfügte über die bessere Kraftausdauer, während sie sich zuvor bereits erheblich verausgabt hatte. Seine Schläge waren zwar gröber, aber dafür auch wesentlich kraftvoller und mehr als einmal musste sie im letzten Moment zu Seite wegtauchen, weil ihre Deckung aufbrach.
    Abermals wechselte sie zur linken Hand und führte das Schwert am Unterarm entlang. Aus der Rechtsdrehung heraus schlug sie seine Klinge zur Seite und schob ihr Bein zwischen seine, den Fuß als Stolperfalle hinter den seinen stellend. Unglücklicherweise packte er sie in diesem Moment aus Reflex am freien Arm und zog sie mit sich, so dass sie auf ihm landete. Ihre Waffe saß an seiner Kehle als sie zum Liegen kamen, die Gesichter nah genug, dass sie seinen heißen Atem spürte. Die Rechte ruhte auf dem Boden neben seinem Kopf. Linksseitig über seinem Bein kniend, hielt sich das rechte lang gestreckt und unter seinem begraben. Für einen Moment blieben sie in der Überraschung regungslos und starrten sich an. Seine grauen Augen weit aufgerissen und das zerfurchte Gesicht mit dem stoppeligen Bart glitzerte vor Schweiß. „Gewonnen“, presste Vesana schließlich als erste hervor und wollte sich erheben, doch packte sie der Nord schnell und bestimmend am Arm.
    „Nicht so voreilig“, sprach er nur und plötzlich spürte die Kaiserliche einen unangenehm spitzen Druck in der linken Flanke. Schnell wandte sie den Blick dorthin und bemerkte erst jetzt, dass ihr Kumpan sein Schwert im Fallen nochmal erhoben haben musste, denn die Spitze seiner Klinge wies von unten auf ihren Brustkorb. Überrumpelt richtete sie ihre Augen wieder auf das Gesicht des unter ihr liegenden Mannes. Der zog amüsiert eine Augenbraue hoch. „Unentschieden“, mahnte er und ließ ihren Arm los. Es wäre auch zu schön gewesen, endlich einmal gegen den Nord zu gewinnen.
    Ein kurzes Schmunzeln stahl sich auf Vesas Lippen und sie ließ sich nach rechts neben Vilkas in den Dreck fallen. Schwer atmend blieben sie nebeneinander liegen und schauten in den Himmel. Die Wut war verflogen und räumte das Feld für eine Reihe anderer Gefühle, von denen sie nicht sicher zu sagen vermochte, ob sie ihr lieber waren. „Besser?“, wollte der Nord schließlich wissen.



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    Geändert von Bahaar (01.02.2014 um 18:22 Uhr)

  8. #8

    Cyrodiil, Kaiserstadt, Revans Kammer; Marktbezirk; Talos-Platz-Bezirk

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    Revan wachte erst am späten Vormittag des nächsten Tages auf. Der Wein hatte ihm einen tieferen Schlaf verschafft, wie er angenommen hatte. Schweigen betrachtete der Dunmer die kleine Kammer: Ein Bett, ein Schrank und ein Tisch mit 2 Stühlen. Im Schrank selbst befanden sich verschiedene Kleidungsstücke, die größtenteils arg in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Auch war ein verborgenes Schloss in der Seitenwand, welches die Rückwand des Schrankes öffnete und einen sehr kleinen Raum dahinter offenbarte. In diesem Raum wurde die Ausrüstung und Beute gelagert, solange es nichts zu tun gab bzw. es keinen Käufer für die Beute gab. Auf einem der Stühle lag seine Kleidung, die er momentan trug. Auf dem Tisch selbst lagen Nadel und Faden, diverse Messer, eine Flasche mit Hochprozentigem und eine dicke Kerze gab bei bedarf Licht. Es ist nicht viel, aber diese Kammer ist mein zu Hause. Revan lebte seit 20 Jahren hier und in dieser Zeit erging es ihm besser wie vielen Anderen. Trotzdem war er der Überzeugung, dass er noch besser leben konnte als er es jetzt ohnehin schon tat. Dafür musste aber auch etwas getan werden und sie hatten ja wieder einen Auftrag. Einen sehr Heiklen, da sie dafür den Zorn der Thalmor auf sich ziehen würden, aber die Möglichkeit diesem Mer das Haus auszuräumen war sehr verlockend und versprach viel Gold. Der Dunmer blieb noch einen Moment sitzen, dann stand er auf. Wohin zuerst? Ich könnte dem Alten einen Besuch abstatten, oder ich sehe mir mal dieses Haus an und schaue was ich im Rest der Stadt so tut. Schnell entschied er sich für letztere Möglichkeit, da er meistens nur im Hafenviertel unterwegs war. Wenige Minuten später hatte er seine Kleidung angelegt und verließ die Kammer.

    Auf der Straße empfing ihn das alltägliche Treiben der Kaiserstadt. Nach wenigen Schritten war er in der Menschenmenge untergetaucht und ging zielstrebig in den Marktbezirk. Die Masse an Menschen und Mer erschien in diesem Bezirk immer ein wenig erdrückend. Trotz verstärkter Präsenz der Wache konnte hier ein guter Taschendieb an einem einzigen Tag sehr viel verdienen. Allerdings war es immer ein Risiko. Zwar konnte man in der Masse gut verschwinden, wenn man allerdings entdeckt wurde, wiesen tausende Augen der Wache den Weg und dann hatte man keine Chance mehr. Revan war dieses Schauspiel sehr vertraut und er hatte es bis auf wenige Ausnahmen immer vermieden, hier irgendetwas zu stehlen. Nahrung an den Ständen zu stehlen war zwar nicht ganz so gefährlich, aber es war immer sicherer Geld in der Tasche zu haben, damit man zahlen konnte.
    Die Tavernen waren alle überfüllt, daher stellte der Dunmer sein Frühstück selbst zusammen: Ein Laib Brot, ein Stück Salzkäse, ein Apfel und ein Bier ergaben ein sättigendes Mahl. Während er das letzte Stück Käse aß, überlegte Revan wie er am besten an Informationen über den Besitzer und seine Haus herankommen könnte. Einen Diener zu bestechen wäre eine Möglichkeit, allerdings bestand da das Risiko, das er später erwischt wurde und etwas über ihn ausplaudern würde. Meistens war das Bestechungsgeld auch nicht gerade niedrig, da viele Diener es vorzogen nach dem Einbruch möglichst weit Weg von ihrem Herren zu sein. Da der Herr hier aber sehr wahrscheinlich den Thalmor angehörte oder zumindest mit ihnen zusammenarbeitete, war die Bestechung der Diener nicht sehr vielversprechend. Einzige alternative wäre ein ehemaliger Diener, der gefeuert worden war. Aber es war nicht leicht solche Leute zu finden. Wenn man genug Zeit hatte und den Einbruch über Monate plante, konnte man solche Personen finden. Dem Tipp des Informanten zu Folge würde der Einbruch, so schätze Revan, innerhalb der nächsten 1 bis 2 Wochen stattfinden. In diesem Zeitraum brauchte man viel Glück oder einen Bettler der viel wusste und da war wieder die Frage ob er das nicht an andere Leute ausplaudern würde, die einem später an den Kragen wollen. Bei Altmern allgemein und Thalmor im speziellen konnte man nie vorsichtig genug sein. Gefahrloser war da das beobachten des Hauses um sich einen Überblick über die Größe und die Umgebung zu verschaffen und zu prüfen ob es einen Ausgang zur Kanalisation hatte. Wobei ein solcher Ausgang wahrscheinlich bewacht wurde. Es wäre immerhin ein Anfang. Den letzten Apfel verspeisend ging Revan in Richtung Talos-Platz-Bezirk. Dort sollte seine Arbeit beginnen.


    Heute waren besonders viele Menschen in der Kaiserstadt unterwegs, daher benötigte der Dunmer mehr Zeit um den Talos-Platz zu erreichen. Dort angekommen sah er wie viele Neuankömmlinge erstaunt für ein paar Sekunden stehen blieben um die Statue in der Mitte des Platzes zu bestaunen. Der Drache war ein imposantes Bauwerk, den Dieb scherte das wenig. Er hatte diese Statue schon so oft gesehen, das er sie kaum noch beachtete. Trotzdem blieb auch er stehen, jedoch suchte er das Haus des Altmers. Nach wenigen Sekunden hatte er den Prunkbau gefunden, man konnte dieses Gebäude gar nicht übersehen, es stach aus den anderen Häusern am Platz hervor wie ein großes Juwel. Auf den ersten Blick erschien es sogar ein wenig unpassend, bei genauerer Betrachtung war es dann wiederum fast schon zu passend. Der Bau war angeblich, wie Revan einen reicheren Altmer einmal hatte sagen hören, im Stil der Ayleiden gehalten. Der Dunmer hatte nie eine ihrer Ruinen gesehen und außerdem fand er das Haus sehr protzig.
    Der Palast, diese Bezeichnung war treffender, besaß 2 Stockwerke, einen Keller und umfasste etwa ein Viertel des gesamten Platzes. Die Außenmauer bestand aus Marmor und entlang der Fassade lief ein imposanter Bogengang mit prächtig verzierten Säulen. Dahinter lag im Schatten das große Eingangsportal und der Dieb glaubte sogar Verzierungen aus Gold zu sehen. Als ob es nicht hinreichend bekannt wäre, dass der Kerl Geld zum Scheißen hat. Langsam suchte Revan einen Weg durch die Masse an Menschen und Mer auf dem Platz um die Villa besser beobachten zu können. Während der Dieb nach einem guten Platz suchte wo ihn die Wachen nicht gleich verjagen würden oder jemand misstrauisch wurde, warf er immer wieder einen Blick auf das Gebäude. Einzelheiten der Verzierungen auf den Säulen wurde sichtbar, die Fenster waren nun besser sichtbar und das Eingangsportal besaß nicht nur Verzierungen aus Gold, es waren außerdem verschiedene Edelsteine in die Doppeltür eingelassen worden. Neben dem ganzen Prunk wurden nun auch 4 Wachen sichtbar, die alle vergoldete Elfenrüstungen trugen. Für weitere Einzelheiten reichte die Zeit nicht, da es keinen brauchbaren Platz gab an dem Revan hätte verweilen können ohne sofort aufzufallen. Da sie ohnehin nicht durch die Vordertür spazieren wollten, war das nicht so schlimm. Der Dieb schob sich weiter durch die Massen und umrundete den Talosplatz, ehe er in einer Seitengasse verschwand um den Rest der Villa begutachten zu können.
    Die angrenzenden Gassen waren größer und breiter als im Rest der Stadt und konnten gut als eigene Straßen gelten. Somit war es nicht ohne weiteres möglich von einem Nebengebäude in die Villa einzudringen. Leider gab es auch keine Baugerüste die selbiges erleichtert hätten; weder an der Villa selbst noch an den angrenzenden Gebäuden. Selbst wenn es welche gäbe, würde der Altmer sie Nachts bewachen lassen. Die Seitenwände waren aus dem gleichen Material wie die Fassade und außer einigen prächtig verzierten Fenstern gab es nichts zu sehen. Die Fenster stellen auch keinen geeigneten Eingang dar. Dafür sieht man vom Platz noch zu viel und wahrscheinlich werden hier auch von ihm bezahlte Wachen patrouillieren; der kaiserlichen Wache traut er nicht......zu recht. Somit verblieb einzig die Rückseite der Villa als potenzieller überirdischer Einstieg. Der Dunmer wartete einen kurzen Moment um sich einer kleinen Gruppe von Boten und Dienern anzuschließen um wenigstens ein paar Blicke riskieren zu können ohne sofort entdeckt zu werden. Aber auch die Rückseite war keine Überraschung: Der Prunk setzte sich nahtlos fort, allerdings gab es hier auf beiden Stockwerken einen Bogengang. Der Garten war durch eine Mauer von der Straße getrennt, zusätzlich wuchsen verschiedene Sträucher und Bäume im Garten. Und natürlich standen auch hier Wachen. Das letzte was Revan erblicke bevor er in eine andere Menge von Menschen abtauchte und sich wieder von dem Garten entfernte, war ein Brunnen. Soviel zur Villa. Aber was will man erwarten? Wenn er wirklich die Geschäfte in der Unterwelt kontrollieren will, dann weiß er auf was er achten muss. Die Wachen stehen wahrscheinlich auf seiner persönlichen Gehaltsliste und folgen ihm wohl blind. Die Diener und Boten werden zu viel Angst haben. Jetzt blieb nur noch die Kanalisation als potenzieller Einstiegsweg. Aber das hatte noch ein wenig Zeit. Zuerst würde Revan der Taverne seines Vertrauens einen Besuch abstatten. Ihn hatte eine gewisse Unruhe ergriffen und seine Hände zitterten. Zeit für die tägliche Fütterung....


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    Geändert von Skyter 21 (04.08.2014 um 17:27 Uhr)

  9. #9

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Unschlüssig und anstatt des erhofften Hochgefühls nach Abklingen der Wut eher in ein Loch aus Hilflosigkeit versunken, schwieg die Jägerin. Obwohl ihr Kampfpartner genau das getan hatte, was sie brauchte, brachte es nicht den gewünschten Effekt. Im Gegenteil, es erinnerte sie an Darius, an dem sie sich ebenfalls immer hatte austoben können und der nun fehlte. Das Gespräch in der Drachenfeste führte ihr schmerzhaft vor Augen, dass selbst ihre angesehene Familie der Gefährten sie nicht vor allem schützen konnte und ließ die Sehnsucht aufflammen, sich in die Geborgenheit zweier Arme zurückzuziehen, die ihr – obgleich keinesfalls wirklich zutreffend – glaubhaft das Gefühl vermittelten, die Welt könne ihr nichts anhaben. „Vesa?“ Vilkas wandte ihr das Gesicht zu, wie sie aus dem Augenwinkel bemerkte, doch hielt sie ihren Blick stur gen Himmel, um zu vermeiden, dass sich das Wasser in ihrem Auge als Träne verselbstständigte. Ganz zu schweigen davon, dass ihr ein größer werdender Kloß die Worte im Hals abschnürte.
    „Lass uns“, setzte sie an, brach jedoch ab, als ihre Stimme versagte. Sie schluckte schwer und versuchte sie zurückzugewinnen. „Lass uns später reden“, war das einzige, das sie herausbrachte bevor sie sich aufsetzte, das Schwert ablegte und schließlich aufstand. Mit raschen Schritten verschwand sie um die Ecke des Gildenhauses. Ab dort außer Sicht vermochte sie die salzigen Perlen nicht länger zurückzuhalten, ließ sie über die verschwitzten, schmutzverklebten Wangen rinnen. Mit verschwimmender Sicht rannte sie zum vorderen Eingang der Halle und trat ein, hoffend, dass noch niemand von den Schaulustigen hineingegangen war. Sie hatte Glück, verkroch sich hastig in den Keller, knallte die Tür hinter sich ins Schloss und nahm in der hintersten Ecke ihres Zimmers Platz. Zwischen Nachttisch und den Wänden hockte sie sich ins Halbdunkel, zog die Beine an und schlang die Arme darum, während ihr die Tränen über die Wangen in den Mund flossen wie Regentropfen an einem Fenster. Die Lippen bebten unkontrolliert und der Rotz mischte sich mit dem Salzwasser, hinterließ einen bittersüßen Geschmack in ihrem Mund bevor sie den Kopf gegen die Knie presste und die Wässer der Trauer an ihren Beinen hinabliefen.
    Bei allen Ebenen des Vergessens, hatte sich denn gar nichts geändert in den vergangenen Wochen? Sollte sie noch immer derart anfällig für den Schmerz des Verlustes sein, den sie schon so oft empfinden musste? War es denn nicht endlich an der Zeit die eigene Stärke wiederzufinden und Momente der scheinbaren Hilflosigkeit selbst durchzustehen? Scheinbar lautete die Antwort nein.
    Unregelmäßiges Zucken erfasste sie, als Vesana das Schluchzen kaum noch zu unterdrücken vermochte. Zitternd löste sie sich von ihren Beinen und nahm mit kraftlosen Fingern das Hirschkopfamulett und strich über es. Vorsichtig wendete sie es hin und her. Lange blieben ihre eingetrübten Augen auf der Gravur eines frontalgesehenen Wolfskopfes haften, die sich auf der Rückseite des Schmuckstückes befand. Kurz darauf ließ sie es wieder los und vergrub das Gesicht in den flachen Händen als ihr das Luftholen schwerzufallen begann.
    Eine unendlich lange Zeit, so erschien es der Kaiserlichen zumindest, harrte sie so aus. Schutzlos und den Wettern lokaler Politik, justizieller Willkür und den Lügen einzelner hilflos ausgesetzt fraß sich die Sehnsucht durch ihr Inneres und zehrte an ihrer Haut wie die Erinnerung an die sanfte Berührung warmer, willkommener Hände, die streichelnd ihren empfindlichen Leib hegten. Doch die Erwartung, die sie damit verband, blieb unerfüllt und so schluckte sie das Loch der Enttäuschung und Einsamkeit. Nur unter größten Anstrengungen schaffte sie es gegen die bleierne Schwere in ihren Gliedern anzukämpfen und sich zu dem Regal zu schleifen, in dem ihr Totem der Jagd stand. Wie eine Puppe nahm sie es in die Arme und presste es gegen ihre Brust, die sich nur noch rasselnd hob und senkte. Als könnte sie zurückbringen, was verloren war, streichelte die Jägerin seinen Kopf und presste die Augen zusammen, als würde sich so ihr Wunsch erfüllen, wenn sie nur fest genug daran glaubte.
    In gewisser Weise funktionierte es.

    „Denke daran: Nicht zu viel Kraft, langsam und gefühlvoll.“ Der Kaiserliche, der neben Vesana im saftig-grünen Gras saß nahm seine Hände von den ihren. Im Vergleich zu seinen wirkten ihre noch weitaus schlanker und feingliedriger, als sie es ohnehin schon waren – fast schon zerbrechlich, obwohl weit davon entfernt. Die sanfte Berührung kitzelte noch einen Moment lang weiter, bevor sie als Erinnerung der Haut verblasste. Eifrig nickend griff sie noch einmal nach, drückte das dicke Stück Eichenholz fester auf den Boden und setzte das scharfe, kurze Messer neu an die Rinde des Ausschnitts eines Astes. Linksseitig auf ihre Unterlippe beißend begann sie damit, die äußerste Schicht der toten Pflanze abzuschälen und das helle Innere freizulegen. „Sehr gut.“ Die ersten Teile der zähen Borke lösten sich von dem, das sie einst schützte.
    Hoch konzentriert strich sich die Jägerin eine Strähne hinter ihr Ohr und setzte die Arbeit fort bis eine größere Fläche gänzlich von ihr befreit war. Eine kräftige Hand strich ihr während der vor allem für die Finger anstrengenden Arbeit zärtlich über den Rücken und blieb irgendwann in ihrem Nacken liegen, nur um dort an der Schädelbasis mit kaum wahrnehmbaren Druck ihren Kopf zu massieren. Von den wohligen Schauern aus dem Konzept gebracht und ihres geistigen Fokus beraubt, schloss Vesa die Augen und ließ ihre Hände zwischen die um das Aststück gespreizten Beine sinken. „Darius“, hauchte sie, „so werde ich doch nie fertig.“ Dennoch drückte sie sich genussvoll lächelnd nach hinten und seiner Hand entgegen bis sie den gesamten Arm ihres dicht neben ihr sitzenden Freundes auf ihrem Rücken spürte.
    „Das scheint Dir ja gerade nicht viel auszumachen.“ Sie hörte das Schmunzeln aus der ebenfalls gedämpften, tiefen Stimme des Mannes und erschauderte, als ihr auch noch eine der inzwischen häufigeren Frühlingsbrisen über die Haut an den kaum verhüllten Beinen und Armen strich. „Aber Du hast Recht.“ Abrupt nahm Darius seinen Arm von ihr und rückte wenige Handbreit von ihr weg, um ihr mehr Platz zum Arbeiten zu geben. Überrumpelt und empört ob der Dreistigkeit schlug Vesana mit dem Handrücken nach links aus und traf den Kaiserlichen gegen die Brust bevor er ihren Arm abfangen konnte. Er lachte nur, weshalb sie ihm einen finsteren Blick mit zusammengezogenen Augenbrauen zuwarf und sich dann wieder ihrem Eichenast zuwandte. Allerdings ließ sich das aufbrandende Lachen in ihre Kehle kaum noch unterdrücken und so entließ sie die Luft nur schubweise zwischen den zusammengepressten Lippen. Das dabei erzeugte Geräusch schien der Komik der Situation jedoch eher noch zuträglich zu sein.
    „Du bist ein doofer Hund, weißt Du das?“
    „Ja, weiß ich doch.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, bei dem sie die fingerbreit getrimmten Haare seines gepflegten Bartes spürte, und der ihr seinen eher herben, aber dezenten Geruch von Bergkräutern in die Nase trug. So besänftigt und breit lächelnd widmete sich Vesa weiter dem Stück Holz, das irgendwann einmal – so hoffte sie zumindest – eine kleine, wolfsähnliche Figur werden sollte. Seit ihrem letzten Geburtstag brachte ihr Darius das Schnitzen bei und jetzt, etwas über ein halbes Jahr später, meinte er, dass sie zusammen ihr Totem der Jagd aus diesem noch eher plumpen Stück Holz ausarbeiten konnten.
    Ein Weilchen weiterarbeitend beugte sich die Jägerin angestrengt über den Ast und befreite ihn weiter von seiner Rinde. Ihr langer Pferdeschwanz rutschte ihr dabei über die linke Schulter und ihr Geliebter hob ihn ihr schweigend zurück in den Rücken, damit er sie nicht behinderte. Allerdings ließ er ihm Anschluss seine Hand abermals auf ihr ruhen. „Gss!“ Kurz zuckend schüttelte Vesana sie von sich ab. Er lachte nur.
    „Schon gut, schon gut.“ Die Finger verschwanden aus ihrem Nacken.
    „Braver Darius. Brav.“
    „Pff.“
    Schließlich stand das Aststück nackt und seiner dunklen Hülle beraubt im Gras vor ihr. Die eigentliche Arbeit konnte beginnen. Allerdings merkte die Jägerin schon jetzt, dass ihre Finger nicht mehr allzu lange weitermachen würden. Sie schmerzten und fassten den Griff des Messers lockerer als zuvor. Daher ließ sie die Hände sinken und platzierte die scharfe Klinge neben dem Holz. „Mach‘ Du weiter“, forderte sie, verschränkte die Finger ineinander und versuchte sie durch greifende Bewegungen ein wenig zu lockern.
    „Jetzt schon?“ Darius stupste sie neckend in die Seite.
    „Ja.“ Seine Rechte wanderte ihr im Bereich der Lendenwirbelsäule quer über den Rücken und zwickte sie mehr kitzelnd als kneifend auf ihrem Weg. Sie wand sich mit abnehmendem Erfolg darunter weg und endete schließlich in der Umklammerung seines rechten Armes, die es seiner freien Hand ermöglichte sie am empfindlichen Bauch zu zwacken. Gackernd wie ein Huhn drehte und wendete sie sich, entkam seinen viel kräftigeren Armen jedoch nicht. „Hör auf!“ Er kam ihrer Bitte nicht nach und setzte seine Folter des Liebenden fort, auf dass ihr regelmäßig die Luft wegblieb. Wenn er sie zu etwas antreiben wollte, ärgerte er sie bis sie es nicht mehr aushielt und ihm Folge leistete. Dieses Mal hielt sie allerdings so lange aus, bis sich ihr die Möglichkeit bot, ihrerseits in einen Klammerangriff überzugehen.
    Vesa wandte sich ihm zu und schlang erste die Arme um seinen Oberkörper und gleich im nächsten Augenblick auch noch die Beine, so dass sie Front an Front gegeneinandergedrückt saßen. Unglücklicherweise gereichte es eher ihrem Liebsten zum Vorteil, der sie nun mit beiden Händen gleichzeitig fröhlich lachend quer von einer Körperflanke über den Rücken zur anderen auskitzeln konnte. Um ein Quieken zu unterdrücken biss sie sich in den leichten Stoff seines Hemdes an der Schulter und krallte die Finger in seinen Rücken. „Au!“
    „Entschul-hick-dige.“ Der Kaiserliche hörte auf und verfiel in einen Lachkrampf, gleichzeitig legte er aber auch seine Arme sanft um sie und drückte sie an sich. Sie spürte das Beben seines Leibes als wäre es ihr eigenes und nur ihr eigenes Zucken erinnerte sie daran, dass es das nicht war. „Toll!“ -hick- Darius lachte weiter. „Nicht -hick- komisch!“ Sie legte ihren Kopf in die Mulde zwischen seiner Schulter und Hals und boxte ihn in die Seite.
    „Schon gut, schon gut!“ Er bekam selbst kaum Luft und musste erst einmal tief durchatmen. „Tut mir leid.“ Seine Hand wanderte hinauf zu ihrem Kopf und strich ihr durch die Haare, die sich in ihrem Gerangel aus dem Pferdeschwanz gelöst haben. Sie schloss die Augen und nestelte mit der Linken an Brust und Bauch des Mannes. -hick- Sie merkte, wie er nur zum Teil erfolgreich ein weiteres Lachen unterdrückte und strafte ihn sogleich mit einem eher zärtlichen Hieb gegen den Oberkörper. „Ich soll also weitermachen für Dich, ja?“
    „Du hast es -hick- versprochen.“ Sie öffnete die Augen und sah an Darius hinab, von oben in den Ausschnitt des nicht gänzlich zugeknöpften Leinenhemdes hinein. Zielsicher griff ihre Hand hinein und holte das dort verborgen liegende Silberamulett heraus. Fast schon andächtig und so behutsam, als würde Vesana über seine Haut streicheln, drehte und wendete sie es zwischen ihren Fingern, strich über die Gravur auf der Rückseite und beobachtete die Lichtreflexionen, die sich auf der glattpolierten Oberfläche boten. -hick-
    „Jetzt sofort?“, wollte Darius wissen und riss sie aus ihrem gedankenleeren Zustand. Behutsam stopfte sie den Talisman in Form eines Hirschkopfes, den ihr Geliebter einst von seinem Bruder bekommen hatte, zurück in sein Versteck an der Brust des Mannes und ließ ihre Hand dort ruhen.
    „Hmmm.“ -hick- Sie gab ihm einen Kuss auf das freiliegende Schlüsselbein, schloss die Augen und vergrub den Kopf wieder in der dortigen Mulde. „Gleich.“ Er legte seinerseits das Haupt schief und auf ihrem ab, so dass sie das Schmunzeln auf seinen Lippen regelrecht spüren konnte, während er ihr weiter durchs Haar strich. -hick-

    Es waren diese Momente gewesen, die Vesana das Gefühl gegeben hatten, dass ihre Welt doch in Ordnung war – dass sich die Dinge doch zum Guten wenden mochten. Fernab des schmutzigen Alltags auf den Straßen der Zivilisation, mitten in der Wildnis umgeben von nichts anderem als der unberührten Natur. Sie bot ihnen Schutz, verbarg sie vor neugierigen Blicken und war gleichzeitig die Spielwiese, auf der sie Triebe und Sehnsüchte ohne Hemmungen ausleben konnten.
    All das sollte jedoch nicht mehr sein. Die inzwischen fast schwarz eingefärbte Figur, die sie in den Armen hielt, entglitt ihrem Griff und schlug dumpf auf dem kühlen Steinboden auf. Die Sicht zur Unkenntlichkeit verschwommen, die Lungen regelrecht nach Luft schnappend, als würden sie gegen den Unwillen zu atmen ankämpfen, und am ganzen Leib zitternd und schüttelnd, als würde sie erfrieren, fiel die Kaiserliche auf die Seite. Rasselnd rutschte das Amulett unter ihrer Tunika hervor, während Vesa die Hände vor das Gesicht schob und einfach liegen blieb.



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    Geändert von Bahaar (07.02.2014 um 20:16 Uhr)

  10. #10

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Vesana rieb sich die salzverkrusteten, brennenden Augen. Der wenig erholsame, kurze Kummerschlaf auf dem kalten Steinboden ihres Zimmers endete abrupt mit einem neuerlichen Adrenalinschub, der sie kerzengerade hochschrecken ließ und dessen Ursache wohl in einem unangenehmen, aber bereits zur Unkenntlichkeit verblassten Traum lag. Ihr Herz schmerzte vom plötzlichen Galopp. Nun saß sie hier, allein und in so schrecklicher Verfassung, wie seit Langem nicht mehr. Verzweifelt versuchte die Kaiserliche die Spuren ihrer Trauer zu verwischen, doch sorgte das heftige Reiben nur dafür, dass ihre Augen noch mehr brannten und ein Teil des Salzes aus den getrockneten Tränen direkt in sie hineingelangte. „Scheiße!“ Sie schlug wütend und frustriert nach dem nahen Bett. Die Pein in den Fingerknöcheln lenkte sie wenigstens ab.
    Kraft- und antriebslos ließ sie sich nach hinten gegen das Regal sinken und nahm die auf dem Fußboden liegende Wolfsfigur in die Hände. Behutsam ordnete sie die Trophäen an deren Hals und schließlich schob sie sie über die Schulter hinweg zurück in die dunkle Nische, in der sie zuvor gestanden hatte. Mühsam und träge erhob sich Vesa und schlurfte hinüber zu der kleinen Waschschüssel auf einer Kommode, in der sie immer etwas klares Wasser aufbewahrte – ob nun für die morgendliche Erfrischung, oder für Anlässe wie diesen spielte keine Rolle. Der Schwall des kalten Nasses beruhige in angenehmer Weise die gereizten und sicherlich unansehnlich geröteten Augen. Sie war froh, dass sie gerade keinen Spiegel griffbereit in der Nähe hatte, den eigenen Anblick in seinem kompletten Ausmaß und ihrer völligen Vernichtung hätte sie in diesem Augenblick nicht ertragen.
    Von den eigenen Gefühlen im Duell geschlagen setzte sich die Jägerin auf die Bettkante, ließ die Schultern hängen und die Beine ausgestreckt. Mit leerem Blick starrte sie durch die Anrichte mit der Wasserschale hindurch und hoffte, dass sich ihr Anblick in der Zeit, in der sie hier ruhte, wenigstens etwas verbesserte, denn ewig konnte sie hier nicht bleiben. Irgendwann entschied sie sich dafür, das Zimmer wieder zu verlassen und frische Luft zu schnappen. Die Feuchtigkeit und Dunkelheit im Keller Jorrvaskrs würden ihr auf Dauer wohl noch weniger gut bekommen, als die Stille und das Alleinsein.
    Vorsichtig, in der Hoffnung, dass sie noch niemand bemerkte, öffnete sie die Tür ihres Zimmers und spähte auf den Flur davor. Niemand zu sehen und so huschte sie hinaus. Aus dem Gemeinschaftsschlafraum drangen wie immer Stimmen, aber der Durchgang hinein war nur einen Spalt breit geöffnet und so würde sie auch von den Leuten dort keiner bemerken. Vesa empfand es als Segen, denn umso weniger ihrer Gefährten sie mit den restlichen Zeichen ihrer Schwäche im Gesicht sahen, desto wohler würde sie sich im Nachhinein fühlen. Langsam und leise stieg die Kaiserliche die Stufen in den großen Hauptsaal der Halle der Gefährten hinauf und blieb anschließend am Rand. Ein paar ihrer Kumpane saßen am langen Ende gegenüber in den Stühlen und unterhielten sich, aber sie schenkten der Umgebung sonst keine weitere Beachtung.
    Erst auf der Terrasse wurde sie bemerkt, denn Vilkas und sein Bruder saßen dort an einem Tisch und beobachteten Athis bei seinem Kampf mit einem Nord, den Vesana nicht kannte. Der kleinere der beiden Männer unter dem Vordach wandte ihr den Kopf zu. Als er sie erkannte, senkten sich seine Augenbrauen und -winkel zu einem sorgenvollen Blick, der den sonst wachen, grauen Augen eine traurige Note verlieh. Für die Dauer eines Herzschlages schenkte sie dem Freund ein gequältes Lächeln, das kaum mehr erfasste als ihre Mundwinkel, und wandte sich dann von ihm ab. Langsam ging sie ans vordere Ende der Terrasse und lehnte sich seitlich gegen einen der Pfeiler des Daches. Inzwischen wusste sie den blonden Mann von der Größe Farkas‘ auch einzuordnen: Es musste sich um den Nord handeln, von dem Kodlak gesprochen hatte. Etwas weniger kräftig als Farkas, aber in etwa genauso alt. Sein schulterlanges, blondes Haar hatte er in einen Pferdeschwanz zurückgebunden und ein sauberer Vollbart stand ihm um den Mund. Auf seiner dunkelbraunen Hose zeichnete sich an zahlreichen Stellen der hellere Staub des Übungsplatzes ab und das beige Leinenhemd klebte vor Schweiß stehend eng an seinem Körper. Das Übungsschwert hielt er merklich verkrampft in der Hand und so wie er keuchte schienen die beiden schon länger gegeneinander zu kämpfen. Die für ein untrainiertes Auge fast unmöglich zu bemerkende Schiefstellung seines Oberkörpers verriet überdies, dass er wohl schon den einen oder anderen Hieb gegen die linke Körperhälfte eingesteckt hatte.
    Allerdings war selbst das nicht Grund genug für die zahlreichen, teilweise gravierenden Fehler in Körperhaltung und Bewegungsablauf, die der Kaiserlichen nach und nach im Verlauf der weiteren Schlagabtausche auffielen. Den Schwerpunkt des Körpers hielt der Nord beispielsweise vor den Füßen anstatt genau über den Zehenspitzen, weil er sich zu weit vorbeugte. Das erschwerte ihm, auf Schläge aus bestimmten Richtungen zu reagieren, weil er zu lange brauchte, um sich wieder nach hinten zu lehnen oder gar nach hinten auszuweichen. Überhaupt, es schien, als wäre jede Faser seines Leibes wie eine Bogensehne überspannt. Schläge kamen abgehakt und ohne fließende Übergänge, was Zeit kostete – zu viel Zeit, wenn es darauf ankam und der Gegner diese Schwächen tatsächlich bemerkte.
    So verwunderte es auch nicht, dass er von Athis dem Dunmer schließlich wieder von einem Schlag gegen das linke Bein und einem anschließenden Hieb mit dem Schwertknauf gegen die Brust zu Boden gestreckt wurde. Keuchend blieb er liegen. „Und, was denkst Du?“, fragte Farkas hinter ihr, vermutlich an seinen Bruder, weswegen sie es ignorierte. Vesana beobachtete unterdessen weiter die Szenerie, als sich der blonde Nord zurück auf die Füße hievte. „Vesa?“
    „Ja?“, sie wandte den Kopf nur leicht und schaute über die Schulter.
    „Was denkst Du?“
    „Was meinst Du?“
    „Von ihm“, er nickte zum Übungsplatz. „Dem Frischling.“ Sie schaute dem nächsten schnellen Schlagabtausch zu. Einige Schläge des wesentlich kleineren Spitzohrs vermochte der Nord zwar zu parieren, aber schließlich endete er abermals im Dreck.
    „Potenzial ist da, aber noch ziemlich ungeschliffen.“
    „Nimmst Du ihn?“, wollte nun Vilkas wissen. Eine gewisse Vorsicht schwang in seiner Stimme mit, als wolle er sie im Moment nicht zu stark in eine Richtung drängen.
    Sie überlegte kurz. „Ja.“ Er machte sich besser als der letzte, den sie hatte, und schien sich auch einer ordentlichen Tracht Prügel nicht großartig zu stören. Zumindest rappelte er sich gerade wieder auf und hob erneut das Übungsschwert. Athis brach jedoch ab und ließ sie eine Pause einlegen. Auch er keuchte vor Anstrengung. „Bring ihm mal eine ordentliche Balance bei“, wie sie Athis an, als sie zur Terrasse hinüberkamen, um sich an einen der freien Tische zu setzen, „es sieht aus, als ob er sich ständig vor Dir auf die Knie werfen will.“ Farkas brach in schallendes Gelächter aus und Vesa stieß sich vom Pfeiler ab, um die Gefährten und den Auszubildenden sich selbst zu überlassen. Sie wollte sich erst einmal die Beine vertreten und entschied sich dazu hoch zu Himmelsschmiede zu gehen. Der Dunmer kam nicht mehr dazu, ihr eine Antwort zu geben und so verschwand die Kaiserliche um die Ecke der Halle der Gefährten.
    Eorlund, der alte Schmied, der die Waffen der Gefährten herstellte, hämmerte oben wohl wie gewohnt auf heißem Stahl. Zumindest klirrte es entsprechend rhythmisch, als die Jägerin unterhalb der Felskante der Schmiede entlangstiefelte und den steilen Pfad hinauf zu dem Podest einschlug. Die erste Vermutung sollte sich alsbald bestätigen. Oberkörperfrei, rußverschmutzt und schweißüberströmt stand der alte Nord am Amboss und drehte einen goldgelb glühenden Rohling hin- und her, während er ihn mit dem Schmiedehammer prügelte. Er bemerkte die Kaiserliche erst gar nicht über seiner Arbeit, erschrak dann jedoch kurz, bevor er wer ihn besuchte. „Kann ich Dir helfen, Vesana?“, wollte er wissen und schob den schnell kühler werdenden Stahl zurück in die Glut.
    „Ich würde mich nur gern ein wenig an den Rand setzen, wenn es Dir nichts ausmacht“, erklärte sie und deutete auf ihren angestammten Platz am Rande des kleinen Plateaus, von dem aus sie schon so oft den Blick über das südwestliche Umland der Stadt hatte schweifen lassen.
    „Keineswegs, bitte.“ Mit einer einladenden Geste ließ er sie gewähren und widmete sich abermals seinem Handwerk. Für einen kurzen weiteren Moment beobachtete sie den Schmied, dann überließ sie ihn sich selbst.
    Vom Rand der Himmelsschmiede aus ließ sich auch der Übungsplatz hinter Jorrvaskr gut einsehen und so entschied sich die Kaiserliche dazu, den weiteren Verlauf der Übungen von Athis und dem Nord zur Ablenkung zu folgen, anstatt sich in den Fernen des Fürstentums zu verlieren. So konnte sie ihre Gedanken wenigstens auf etwas Konkretes lenken und sich überlegen, wie sie ihre erste Ausbildungsaufgabe seit Langem gestalten wollte. Sie würde die Gelegenheit wohl nutzen, um ihre eigene, nach den Verletzungen der letzten Wochen angeschlagene und reduzierte Kondition wieder etwas auf Vordermann zu bringen. Ausdauerüberungen, ein wenig Kraft aufbauen und natürlich ein Teil Geschicklichkeit – erst danach würde sie ihm tatsächlich das Kämpfen beibringen. Es musste alles seine Ordnung haben – und wenn Athis in drei bis vier Tagen die Ausbildung an sie übergab, hätte der Kerl vermutlich ohnehin erst einmal genug vom Schwert, so grün und blau wie in der Dunmer bis dahin wohl geschlagen haben würde.



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    Geändert von Bahaar (15.02.2014 um 15:05 Uhr)

  11. #11

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Zum späteren Nachmittag hin verließ Vesana ihren Platz am Rand der Himmelsschmiede wieder und kehrte in die Halle der Gefährten zurück. Athis und der Nord kämpften inzwischen nicht mehr und der Übungsplatz mitsamt Terrasse war verlassen, was wohl nicht zuletzt am zunehmend ungemütlicheren Wetter lag. Steile Böen peitschten hin und wieder auf das Land ein und inzwischen nieselte es staubfeinen Regen. Es waren auch die Gründe, die die Kaiserliche schließlich von ihrem Stammplatz vertrieben. Vielleicht käme sie jetzt dazu, einmal einen Blick in ihr neu auserwähltes Buch zu werfen und sich damit weiter abzulenken.
    Es sollte wohl aber nicht sein, denn Vilkas winkte sie zu sich, als sie die Halle betrat. Er saß neben Kodlak in einer etwas abgelegenen Ecke des großen Saales. Die übrigen Zirkelmitglieder und einige der anderen Gefährten verteilten sich in dem weiten, zwielichtigen Raum. Sie folgte der Aufforderung und setzte sich auf einen freien Stuhl zu den beiden älteren Männern. Der Herold der Gefährten musterte die Kaiserliche zunächst etwas, während sie schweigend darauf wartete, dass ihr einer der Männer erklärte, worum es gehen sollte. „Erkläre uns noch einmal, was genau oben in der Drachenfeste vorgefallen ist, Vesa“, bat Vilkas schließlich. Sie knirschte widerwillig mit den Zähnen. Eigentlich verspürte sie gerade wenig Lust darauf, diese Geschichte ein weiteres Mal zu erzählen, aber da sie Kodlak als Anführer ihrer Gilde sehr wohl direkt betraf, führte wohl kein Weg daran vorbei.
    „Wie ich sagte: Hrothluf hat sich eine Geschichte zurechtgestrickt, mit Dingen, die ich auf der Reise gesagt habe, die mich als seine Geschäftspartnerin darstellt. Elgryr, der Justiziar des Jarls, scheint ihm zumindest soweit zu glauben, dass er mich heute zum Verhör bestellt hat.“ Der Graue hörte ihr aufmerksam zu und machte keine Anstalten, sie zu unterbrechen, solange sie nicht den Anschein erweckte, mit ihrer Geschichte am Ende zu sein, und Vilkas kannte die Erzählung bereits. „Er meinte, ich hätte ihm eine Nachricht geschrieben, er solle mich in Windhelm treffen und dass wir ab da zusammenreisten, obwohl er keine Ahnung hatte, warum es nach Weißlauf geht“, erklärte sie weiter. „Dass ich ihm unmöglich diese Nachricht geschrieben haben kann, weil ich auf Solstheim gewesen bin, habe ich Elgryr auch gesagt, aber der zweifelte an, dass ich überhaupt dort gewesen bin.“ Die Wut auf diesen arroganten Nord kehrte mit diesen Worten allmählich zurück und sie ballte die Faust im Schoß. „Dabei ist es reiner Zufall, dass die Notiz, die er hatte, mit N. unterzeichnet ist!“ Sie legte eine kurze Pause ein und musterte die aufmerksam lauschenden Männer, deren angestrengte Mienen viel darüber verrieten, was sie von der ganzen Sache hielten. „Letztlich ließ mich Elgryr nur gehen, weil Hrothluf keinen einzigen Zeugen in greifbarer Nähe hat und er den Empfänger des Schmuggelgutes nicht preisgeben will. Wie sagte er es gleich? ‚Hier herrscht das Gesetz und nicht die Willkür‘ oder so in der Art.“
    Kodlak schwieg eine Weile. „Das sind … interessante Neuigkeiten“, sprach er dann und fuhr sich durch den Bart.
    „Wie sollen wir meine Unschuld belegen, wenn alle Beweise als unglaubwürdig abgetan werden?“ Ihre Fingernägel gruben sich inzwischen schmerzhaft in ihren Handballen.
    „Ah!“, der Herold lachte kurz und verhalten in Amüsement auf. Vesana schaute ihn verwirrt an, zog die Augenbraue hoch und warf einen kurzen, hilfesuchenden Blick zu Vilkas. Darin erfolglos verriet er ihr nur, dass dieser ebenfalls verunsichert war ob des Verhaltens des Alten. Dieser beugte sich vor und legte ihr die Rechte gegen die Seite des Kopfes wie ein Großvater seinem Enkel, wenn er ihm eine lehrreiche Anekdote erzählte. Seine Linke ließ er auf ihrer geballten Faust ruhen und nahm so den Druck aus ihren angespannten Muskeln. Als er ihre volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte ließ er schließlich auch die zweite Hand hinab auf die ihre sinken. „Aber genau das ist es, wo Du falsch liegst. Würde Elgryr Dir gar nichts glauben, so säßest Du nicht hier. Nicht jetzt, nicht morgen und auch nimmer mehr“, begann er zu sprechen, wie er es immer tat – als alter Weise, mit viel zu vielen Jahren der Lebenserfahrung und der Geduld eines Mannes, für den Zeit keine Rolle mehr spielte. „Gehe mit Hrothluf um, wie mit jedem anderen Lügner auch, denn eine erste Lüge braucht stets eine weitere, um sie zu decken.“
    „Aa-ha.“
    „Mit anderen Worten: Hrothluf fühlt sich in seinen Lügen sicher, aber wird ihn die jetzige Situation nicht lange am Leben halten. Warten wir ein wenig und üben uns in Geduld, ist er gezwungen, wieder zu handeln, um eine Exekution – die unweigerlich kommen wird – weiter aufzuschieben. Denn so wie es jetzt ist, wird Elgryr keine andere Wahl haben, als es so zu belassen, wie es ist. Dir kann er nichts nachweisen und die Beweislast geht zu Ungunsten Hrothlufs“, erklärte er. „Wenn Hrothluf weitere Lügen strickt, um sich über Wasser zu halten, gehen ihm, wohl früher als später, die Fakten aus. Es ist dieser Moment, für den wir die Geduld und Ruhe bewahren müssen, um in kommen zu lassen.“
    „Weil … wir … ihn dann leicht widerlegen können?“ Vesana war sich nicht sicher, ob sie den Plan des Alten richtig verstand.
    „Genau.“
    „Und was ist, wenn Elgryr vorher beschließt, Vesa zu inhaftieren, weil Hrothluf ihm glaubhaften Anlass gibt?“, hakte Vilkas ein, der noch nicht völlig überzeugt zu sein schien.
    „Ich möchte anzweifeln, dass es dazu kommt. Dazu würde er die Aussage wenigstens eines weiteren benötigen. Da dieser jemand wohl kaum neben Hrothluf am Galgen hängen möchte – was er zwangsläufig tun würde, wenn er mit einer Aussage zu Gunsten Hrothlufs seine Partnerschaft mit ihm zugibt – wird er sich wohl aber in Verleugnung üben.“ Kodlak lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und entließ Vesanas inzwischen völlig aufgelöste Faust aus seiner sanften Berührung. Die Zuversicht des Grauen steckte sie inzwischen ein wenig an und klärte ihre Laune etwas auf.
    „Hm. Also Abwarten?“, wollte der jüngere der beiden Nord noch einmal die Bestätigung.
    „Ja. Wir sind in der besseren Position – und wenn Hrothluf nur halb so intelligent ist, wie er vorgibt zu sein, weiß er das. Früher oder später wird er sein Leben mit Wahrheiten verlängern müssen, nicht mit Lügen, und dann wirst Du Dir keine Sorgen mehr machen brauchen.“ Er lächelte die Kaiserliche an und die zahllosen Falten, die sich zu den Zeichen des Alters um seine Augen und Mundwinkel gesellten, beruhigten sie weiter.
    „Was für Wahrheiten?“ Jetzt war ihr Interesse geweckt.
    „Hrothluf ist nützlich. Auch wenn er im Moment noch seine Rachegelüste stillen möchte, wird er sich dessen noch bewusst werden. Er ist die Pforte zu jenen, für welche er das Skooma schmuggelt und als solche kann er sich mit den richtigen Informationen sein Leben, und vielleicht sogar seine Freiheit, erkaufen.“
    „Das sind gewagte Vermutungen, Kodlak“, wollte sie seine Mutmaßungen relativieren und seinen prophetischen Abschweifungen möglichst respektvoll ihre Zweifel entgegenstellen. Es sprach wohl aber mehr ihre Verbitterung gegenüber der Idee, Hrothluf könne wieder frei kommen, denn tatsächlicher Glaube an die Irrationalität der These des Alten. Er lachte nur, auch wenn seine alte Kehle nicht mehr die Kraft dazu hatte, es weithin vernehmbar schallen zu lassen.
    „Vielleicht. Nenne es das Bauchgefühl eines alten Mannes, oder die Phantasien von jemandem, der den Jungen neue Zuversicht geben möchte, aber wir werden wohl noch öfter von ihm hören.“ Ganz Unrecht hatte er allerdings nicht. Hrothluf wusste definitiv so einige Dinge, die für die Autoritäten des Fürstentums sicherlich von Interesse sein konnten. Aber wenn es nach ihr ginge, könnten sie auf jede weitere Nachricht von diesem räudigen Hund verzichten. „Jetzt kommt, wir haben schon lange genug hier gesessen und uns in verschwörerische Theorien vergraben.“ Er erhob sich etwas steifbeinig und die beiden jüngeren Zirkelmitglieder sprangen gleich auf die Füße, um ihm zu helfen. „So alt bin ich nun auch nicht, dass ich derartige Hilfe benötige!“ Schmunzelnd schob er sich den der Kaiserlichen und dem Nord vorbei. „Lasst uns essen.“
    In der Tat hatte Vesana über ihrem Gespräch gar nicht bemerkt, wie sich die Halle allmählich gefüllt hatte und der Geruch von frischem Eintopf in jeden ihrer Winkel vorgedrungen war. Sie setzten sich kurze Zeit später zu Aela und Skjor an das lange Ende des Tisches und es dauerte nicht lange bis Farkas zu ihnen stieß. Sie warteten nun nur darauf, dass Tilma den großen Kessel freigab, in dem sie noch herumrührte. „Ein interessanter Kampf“, eröffnete die rothaarige Nord die Gesprächsrunde im Zirkel.
    „Ein wenig ungestüm“, relativierte Skjor.
    „Jeder muss mal Dampf ablassen“, beschwichtigte Vilkas den Einäugigen.
    „Wahr. Nützt nur nichts in einem richtigen Kampf.“
    „Es war ja auch keine Übung, Skjor“, mischte sich Aela wieder ein.
    „Wir können das ja morgen austragen“, schlug Vesana vor. Das Gespräch mit dem Grauen und Vilkas hatte ihr einen Teil ihrer herausfordernden Ader zurückverliehen und so schaute sie den wesentlich größeren, grimmigen Nord von der Seite her an und zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln nach hinten.
    „Mit Vergnügen.“
    „Wo ist eigentlich der Frischling?“, wechselte die Kaiserliche das Thema.
    „Du meinst den Auszubildenden?“, fragte Farkas nach.
    „Ja.“
    „Der schläft in der Taverne. Kommt morgen wieder“, erklärte sein Bruder.
    „Hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als wir ihm gesagt haben, dass Du in ein paar Tagen seine Ausbildung übernehmen wirst“, grinste Farkas.
    „Wieso?“
    „Er hat Deinen Kampf mit Vilkas gesehen und der Kommentar von wegen ‚auf die Knie fallen‘ hat ihm gleich nochmal Angst eingejagt. Er glaubt, Du wirst ihn ordentlich schinden.“
    „Habe ich auch vor.“ Der einfach gestrickte Nord lachte abermals. „Abgesehen davon: So grün und blau wie er nach der Tracht Prügel von Athis heute aussehen muss, kann ich ihn gar nicht weiter ramponieren.“ Aela und Vilkas stiegen in das Gelächter ein, wenn auch etwas verhaltener.
    „Du wirst das schon machen“, sprach ihr nun Kodlak seine Zuversicht zu.
    „Aus dem richtigen Material scheint er ja gemacht zu sein.“ Das vergleichsweise große Lob aus dem Munde Skjors kam unerwartet, wenn auch nicht unbegründet, und sorgte für einen Moment des Schweigens.
    „Ich würde sagen, es ist eher seine Motivation, die zählt“, warf Vilkas ein.
    „Die da wäre?“, wollte Vesa wissen.
    „Er meinte, er würde es tun, um in seinem Dorf im Widerstand gegen einige Räuberbanden zu helfen. Die Miliz dort kann ihn nur nicht richtig ausbilden, wie er findet, und es ist so abgelegen in den Bergen hinter Falkenring, dass die Gardisten des dortigen Jarls kaum hinkommen und der Jarl selbst wenig unternimmt. So sucht er uns für die Ausbildung auf.“
    „Ah. Na dann brauche ich mit Quälereien ja nicht sparen.“
    „Geh’ es trotzdem erst einmal langsam an, bevor Du ihn richtig schikanierst.“
    „Ich weiß schon, wie ich mit ihm umspringen muss und werde, keine Sorge.“
    „Die mache ich mir sowieso nicht.“
    „Aah, Tilma hat den Kessel freigegeben!“, unterbrach sie Farkas und stand direkt mit der Schüssel auf. Sie lachten.
    „Wir sollten uns nachher noch um unser Nachtlager kümmern“, hielt Aela die Kaiserliche noch einen Moment lang am Tisch auf.
    „Das werden wir. Essen wir in Ruhe und dann richten wir die Tiefenschmiede her.“ Die Rothaarige nickte zustimmend.



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    Geändert von Bahaar (21.02.2014 um 18:58 Uhr)

  12. #12

    Himmelsrand, Weißlauf, Umland

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    Vesana breitete gerade die letzte der Wolldecken aus, die das Strohbett in der Tiefenschmiede abdecken sollten und legte den Rest so an den Rand, dass sie sich einfach über den Körper ziehen ließen. Aela platzierte zwei größere Schüsseln, sowie je einen Krug mit Wasser an der Seite und schaute anschließend nach oben. Die Kaiserliche folgte dem Blick der rothaarigen Nord. Durch die Spalten nahe der Höhlendecke drang inzwischen kein Licht mehr in die Kammer ein, einzig der schwache, flackernde Kerzenschein, der von einer einfachen Laterne ausging, sorgte für schummriges Licht. Die größere der beiden Jägerinnen wandte sich zu Vesa um, die eisgrauen Augen schauten sie fest aus dem Kraft ausstrahlenden, bemalten Gesicht an. „Bereit?“
    „Ja.“ Sie nickte.
    „Dann los.“ Aela drehte sich um, zog die hohen Lederstiefel von den Füßen und stellte sie anschließend neben den mittleren Altar der Tiefenschmiede. Vesana folgte ihrem Beispiel, während die ältere Jägerin nun auch ihre dunkelbraune Tunika mit Gürtel und Dolch über den Kopf von sich stülpte und auf dem Steinsockel ablegte. Splitterfasernackt zog sie sich anschließend in eine etwas dunklere Ecke zurück. Die Kaiserliche blieb in der Mitte zurück und verfolgte einen Moment gebannt, wie Aela bereits mit der Verwandlung begann. Sie krümmte sich, krampfte, dass es schon beim Zuschauen schmerzte. Während sich ihre Haut zu einem dunklen Aschgrau verfärbte und ihre Glieder an Kraft und Länge gewannen, ging sie auf die Knie und grollte bestialisch. Knackend wuchsen ihre Knochen. Ihr schulterlanges, rotes Haar verschwand und wich einem Fall, das Schwarz, Grau, sehr dunkles Braun und das Rot ihres natürlichen Schopfes miteinander mischte und ihr im schwachen Kerzenschein einen rostigen Schimmer verliehen. Auch der hellgraue Glanz ihrer menschlichen Augen blieb in Werwolfsform ansatzweise zu erkennen und schenkte ihr einen silbergoldenen Blick.
    Vesana selbst verwandelte sich etwas zeitversetzt, aber ungestümer. Das Biest in ihr ließ sich nur noch schwer bändigen und drängte auf Blut und Fleisch. Während der Verwandlung taumelte sie durch die Höhe und stützte sich immer wieder am Alter in der Mitte ab. Das andere wölfische Zirkelmitglied schnupperte bereits am Eingang des Tunnels herum, der aus Weißlauf hinausführte, während die Kaiserliche gerade wieder auf die Füße kam. Die Dunkelheit der restlichen Höhlenteile zeichnete sich in gewohnt hellgrauen Farbabstufungen und so blieb vom farblichen Unterschied der Nordfrau in rostigem Rotschimmer zu Vesanas Schwarzbraun mit Überhang zum Schwarz kaum noch etwas übrig. Sie huschte lautlos zu ihrer Jagdgefährtin hinüber, die sich gerade zu ihr umdrehte.
    Die zwei Wölfe blieben voreinander stehen und schauten sich einen Moment lang an, bevor sie einander die Hälse seitlich offenlegten und sich zu beschnuppern begannen. Es war ein Ritual, dass immer stattfand, wenn mehrere Wölfe der Gefährten zusammen jagten, die sonst nicht allzu oft auf gemeinsame Jagd gingen. Es gewährleistete, dass sie sich auch in der Wildnis auf größere Distanzen aufspüren konnten und gegenseitig erkannten. In der Hitze der Verfolgung von Beute mochte man sich sonst schnell im Weg stehen oder gar gegenseitig angehen. Die Tiere in ihnen, die sie ausführten und versuchten zu ermüden, handelten oft genug schneller, als sie zu denken imstande waren.
    Aela beispielsweise roch für Vesana süßlich und bitter zugleich, fast wie Schweiß, nur nicht so abstoßend, mit einem Hauch von Leder und Eisen, der sicherlich von ihrer bevorzugten Rüstung stammte. Um sich zu signalisieren, dass sie den Geruch verinnerlicht hatten, schleckten sie sich kurz durchs Fell. Gleich darauf ging es auch schon los. Durch den Tunnel und die Turmruine ins Freie führte sie Aela nach Norden, weg von Weißlauf weiter in die Tundraebene hinein und näher an die nördlichen Bergwälder am Rand des Fürstentums. Etwas weiter westlich des nördlichen Wachturms von Weißlauf hasteten sie durch die Wildnis. Es würde eine lange Jagd werden, aber – so wusste Vesana nur zu gut – sie brauchten Sicherheitsabstand zur Stadt. Sie spürte sehr deutlich das Verlangen nach schneller Beute der Bestie in ihr und wenn diese langsamer wurde, weil sie die Fährte eines potenziellen, nahen Opfers aufnahm, schnauzte sie die Nord mit einem drohenden Knurren zusammen.
    Erst als nicht einmal mehr die Lichtpunkte des Wachturms und der Drachenfeste in der Ferne zu sehen waren, verlangsamte Aela ihr Tempo und hielt gelegentlich zum Schnuppern inne. Die Kaiserliche folgte ihrem Beispiel und versuchte die verschiedensten Duftnoten in der feucht-kalten Nachtluft auseinanderzuhalten, der anhaltende Nieselregen erschwerte das Aufspüren von Spuren. Ein Hase hier, ein Greifvogel dort. Nichts, dass ihren Hunger auch nur im Ansatz hätte stillen können. Erst als sie auf einem Findling in Sichtweite einer kleinen Baumgruppe abermals eine Pause einlegten, bemerkten sie nahezu gleichzeitig die Spur einiger vielversprechender Opfer. Ihr für Menschen auf diese Entfernung unmöglich wahrzunehmendes Grunzen drang gedämpft bis zu ihnen vor und Vesana reckte ihm zusätzlich die spitzaufgestellten Ohren entgegen. Ein rolliges Knurren zeugte von ihrer Ungeduld, während sie zur Unterstreichung dieser mit den Klauen an den vorderen Pranken gegen den Fels unter ihren Füßen tippte.
    Die Nord bemerkte das und rempelte sie mit der Schulter an, knurrte kurz mit der Schnauze auf sie weisend und sprang anschließend nach vorn von ihrem natürlichen Podest. Die Aufforderung ihr zu folgen und keine Mätzchen zu machen saß deutlich und so spurtete Vesa hinterher. Die Baumgruppe kam schnell näher und bald erkannte sie auch das gelegentliche Wackeln einiger Zweige im unteren Teil der Nadelbäume. Kurz bevor sie an ihrem Ziel ankamen verlangsamten die zwei Wölfe ihr Tempo jedoch erneut und teilten sich auf, um die kleine Gruppe an Wildschweinen von zwei Seiten anzugreifen. Sie mochten ausgezeichnete Beute sein, aber sie konnten auch gefährlich werden. Langsam pirschte die Kaiserliche rechts um das Versteck der Rotte herum, behielt aber bei aller Aufmerksamkeit, die sie den hauer-besetzten Fleischbergen schenkte, auch Aelas Duftnote stets in der Nase, während diese links herum pirschte.
    Vorsichtig und möglichst geräuschlos schob sich die Jägerin zwischen den unteren Ästen hindurch, immer näher an das Borstenvieh heran bis sie schließlich die ersten von ihnen direkt im Blick hatte. Einige schliefen und lagen am Stamm naher Bäume, andere wühlten sich durch den lockeren Erdboden. Vorsichtig kletterte Vesana an einem der Hölzer hinauf, ihr Herzschlag inzwischen so laut, dass sie fürchten musste, die Schweine würden ihn hören. Nur mühevoll kämpfte sie das aufgeregte Hecheln nieder und brache den Schwanz vom Wedeln ab. Es half jedoch nichts, die Horde unter ihr schien die drohende Gefahr zu spüren. Einige der größeren Tiere hoben ihre massiven Schädel und schnüffelten. Ihre Anspannung ließ sich fast schon greifen.
    Genau in diesem Moment gab Aela über ein kurzes Heulen das Kommando zum Angriff und ohne zu zögern drückte sich die Kaiserliche so kraftvoll, wie es ihr nur möglich war, vom Baumstamm ab. Ihre Krallen gruben sich in die Rinde bevor sie völlig frei durch die Luft segelte und nur an kleineren Zweigen hängen blieb. Während sie die Silhouette der anderen Wölfin nur aus dem Augenwinkel sah, wie sie mit vorgestreckten Läufen wie ein Falke auf eines der Schweine niederging, riss sie selbst ein weiteres der Borstenviecher mit sich zu Boden. Die Klauen tief in dessen Rücken versenkt und das warme Blut auf ihrer Haut spürend rollten sie gemeinsam mehrmals übereinander hinweg, bevor sie liegenblieben. Noch ehe Vesana jedoch ihre Fänge in das Genick ihrer Beute schlagen konnte, erwischte sie etwas hart an der Schulter, das sich schmerzhaft durch ihre Haut bohrte und sie von der scheinbar sicheren Beute wegriss.
    Einer der größeren Keiler schien in der Panik der Horde nicht ganz so orientierungslos und fluchtorientiert zu sein. Offenbar wollte er zum Schutze der jüngeren Tiere kämpfen. Sie sah das feuchte Glitzern an einem seiner Hauer und spürte gleichzeitig das peinigende Stechen in ihrer linken Schulter. Dieses mistige, an einem Menschen gemessen bauchnabelhohe Borstenvieh hatte sie allen Ernstes verletzt! Wütend und von der Verletzung weniger verunsichert als aufgebracht knurrte sie dem grunzenden Schwein entgegen. Der Blutrausch und Hunger der Bestie milderten ihr Schmerzempfinden und den Fluchtreflex, der normalerweise mit stark blutenden Verletzungen, egal ob bei Tier oder Mensch, einsetzte. Das Quieken der übrigen Tiere entfernte sich schnell und auch das zuvor angefallene rappelte sich in der Zwischenzeit wieder auf.
    Vorsichtig testete Vesa die Bewegungsfreiheit ihres Armes aus und stellte mit Erleichterung fest, dass es sich nur um eine Fleischwunde handelte. Kampflustig und mit herausfordernd ausgebreiteten Armen umkreiste sie das Schwein, das ihr stets den massiven Schädel und die langen Hauer entgegenstreckte. Den Geräuschen nach zu urteilen rang Aela noch mit einem anderen Herdenmitglied und so blieb der Kaiserlichen nichts anderes übrig, als sich allein mit dem aggressiven Keiler herumzuschlagen.
    Irgendwann verlor sie die Geduld und sprang mit einem kräftigen Satz seitlich an dem Vieh vorbei. Sein Kopf folgte ihr, doch nicht schnell genug um den Hinterleib in gerader Linie dahinter zu verstecken. Mit einem schnellen Folgesprung erwischte sie den hinteren Oberschenkel des Keilers und riss ihn mit den Klauen auf bevor sie landete und sich abrollte. Quiekend spurtete das Schwein jedoch gleich auf sie los, anstatt sich an der Verletzung zu stören und rammte sie frontal in den Bauch. Sie jaulte, als sich einer der Hauer durch ihre Haut bohrte und sie gegen einen nahen Baumstamm warf. Benommen schüttelte sie den Kopf, um wieder klarer zu denken.
    Die Kampfgeräusche aus Aelas Richtung klangen inzwischen nur noch schwach, als hätte die Nordfrau ihre Beute mittlerweile niedergerungen, um ihr jetzt den Todesstoß zu geben. Sie musste also nur noch auf Zeit spielen, denn zu zweit würde sich der Keiler wohl schnell erledigen lassen. Vom Angriff des Wildschweins in den Beinen noch geschwächt und trittunsicher, kletterte Vesana in zwei sehr kurzen Sätzen an dem Baumstamm hinauf und ein dritter Sprung brachte sie hinter dem Borstenvieh in Stellung. Während sich dieses drehte, fiel sie es erneut an und riss den anderen Hinterlauf auf. Dadurch verwirrt bemerkte es nicht, wie die zweite der Wölfinnen sich anschlich.
    Während die Kaiserliche einem neuerlichen, jedoch zunehmend unbeholfenen Angriff des Schweins auswich, sprang Aela in hohem Bogen auf dessen Rücken und vergrub ihre Klauen und Fänge in seinem Fleisch. Quiekend, grunzend und schmerzhaft in Angst aufschreiend versuchte das bereits geschwächte Tier den Werwolf von sich abzuschütteln, doch gelang es ihm nicht. Die messerscharfen Krallen gruben sich nur noch tiefer in sein Fleisch. Als schließlich auch Vesana noch auf es sprang und das gesamte Gespann auf die Seite umfallen ließ, war es vorbei. Ein schneller Biss in die Kehle und ein durstiges Aufsaugen des heraussprudelnden Lebenssaftes setzten dem Leben des Keilers ein jähes Ende.
    Aela zog sich aus dem Sichtfeld der Kaiserlichen zurück und den Klängen nach zu urteilen machte sie sich über ihr eigenes Borstenvieh her. Vesa ließ derweil von der Kehle des Schweins ab, als für ihren Geschmack zu wenig Blut aus ihr quoll. Haut- und Fleischreste hingen ihr aus dem Maul und zwischen den Zähnen als sie sich daran machte die Brust ihres Opfers aufzureißen. Erst mit den Klauen, dann mit den Fängen wühlte sie sich durch die Muskeln und Sehnen, brach wie ein Hund, der in der Erde wühlte, den Brustkorb auf und grub sich anschließend weiter durch das in der kalten Nacht dampfende Gewebe. Mit jedem Bissen, den sie hinabschlang auf ihrem Weg zum Herzen, spürte sie frische Kraft durch ihre Adern pulsieren, heißes Kribbeln durchzog ihren Bauch und die Schulter, als die Lebenskraft des Keilers über dessen Blut und Fleisch in sie überging. Es stimulierte ihre Regeneration und als sie schließlich die große Lebenspumpe gierig in sich hineinfraß beschleunigte sich der Effekt nochmals. Die Löcher, die die Hauer des Borstenviehs gerissen hatten, schlossen sich in Windeseile bis nur noch das blutige Fell von ihrer ehemaligen Existenz zeugte. Gleichzeitig gab sich das zunehmend gesättigte Biest mit der Beute zufrieden und überließ ihr größere Kontrolle über ihren eigenen Leib. Schweine, ob wilde oder gezüchtete, hatten den angenehmen Effekt, nahe an den stillenden Effekt von Menschenopfern zu kommen und so eine gute alternative Nahrungsquelle zu sein.
    Einen Moment vom Festmahl pausierend, von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt und tropfend, erhob sich Vesana und schaute hinüber zu Aela, deren Erscheinung sich in den Graustufen der Umgebung deutlich über ihrem Schwein abhob. Ihr Fell schimmerte feucht. Gerade stieß sie mit der spitzen Schnauze in ein großes Loch in der Flanke ihrer Bache und holte einen Fäden ziehenden Klumpen heraus. Die Kaiserliche erkannte sie als Blutgefäße, die rissen, als die Nordfrau das dunkle Herz im Ganzen hinabschlang und dafür den Kopf in den Nacken legte.
    Der Anblick ließ ihr einen wohligen Schauer über den Leib laufen und versetzte sie in wallendes Zittern. Hitze stieg in ihr auf und noch im selben Augenblick stieß sie ein langes, helles Heulen aus. Ihre Jagdgefährtin stieg in den Mondgruß ein. Die Lust, noch weiter zu jagen, und die Erregung des Erfolges schien ihnen beiden gemein zu sein. Noch dazu, wo eines der Schweine auch ausgerechnet schon eine so verlockende Fährte gelegt hatte, immerhin war das verwundete Schwein mit dem Rest der Horde entkommen.
    Zunächst genossenen sie beide ihre Beute einige weitere Momente, aber es dauerte nicht lange, bis sie wieder in die noch junge Nacht aufbrachen.



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    Geändert von Bahaar (28.02.2014 um 12:56 Uhr)

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