Er hatte definitiv schon bessere Schiffe gesehen. Der Laderaum, in dem er und ein halbes Dutzend andere es sich gemütlich gemacht hatten, roch modrig und er war sich nicht sicher, ob der Schiffsbauer hier gute Arbeit geleistet hatte. Aber hatte Astien eine Wahl? Er war am Vormittag am Hafen von Wegesruh angekommen, nur um festzustellen, dass zu dieser Zeit des Jahre kaum Schiffe anlegten. Und Schiffe, die nach Himmelsrand fuhren, schon gar nicht. Nachdem er dann zwei Stunden den Hafen auf und ab gelaufen war, hatte er von einem alten Seemann von einem Schiff von Abenteurern erfahren, die nach Himmelsrand fahren würden. Abenteurer, pah. Die Besatzung des Schiffes war nicht einen Deut weniger heruntergekommen als ihr Schiff, aber eine andere Möglichkeit hatte es nun mal nicht gegeben. Gegen ein paar Septime waren sie einverstanden gewesen ihn mitzunehmen. So hatte er sich also unter Deck begeben und hier saß er nun zusammen mit ein paar Gleichgesinnten. Einen Tag würde es dauern, um die Iliac-Bucht zu durchqueren und vier weitere Tage, um in Windhelm anzukommen. Ja, Windhelm. Eigentlich hatte er sofort in Winterfeste von Bord gehen wollen, wie er jedoch erfahren musste, besaß Winterfeste gar keinen Hafen. Seit dem großen Zusammenbruch vor 80 Jahren war keiner gebaut worden.
Astien seufzte. Er hoffte, dass er in Winterfeste vielleicht einen Zauber lernen würde, mit dem sich das Reisen vereinfachen ließe. Fünf Tage würde er nun hier auf diesem Schiff feststecken.
Astien öffnete seine Augen. Er musste weggedöst sein, als er gerade in seinem Buch gelesen hatte. "Na, auch schon wach?", fragte ihn der Khajiit, der neben ihm saß. Astien blinzelte. "War ich lange weg?", fragte er. Der Khajiit grinste. "Mein Junge, was würd ich dafür geben, wenn ich solange schlafen könnte wie du! Bei diesem ständigen Geschaukle brauch ich es gar nicht erst zu versuchen. Ich bevorzuge immer noch festen Boden unter den Füßen." Astien schmunzelte. "Festen Boden? Ich dachte, ihr Khajiit zieht eher die Wüste vor?" Der Khajiit wirkte belustigt. "Ach, zum Witze reißen seit ihr euch wohl auch nicht zu schade? Nein, mein Junge, ich war noch nie in Elsweyr, aber ich habe vor es einmal zu besuchen." Astien mochte den Khajiit. Er redete geradeheraus und schien auch Humor zu besitzen. Außerdem wirkte er gleichzeitig erfahren und jung, was ihn sehr beeindruckte. "Ich heiße übrigens Astien", sagte er, "und wie lautet euer Name?" Die Katze zwinkerte. "Mein Name ist Marj'dar. Ich denke, wir werden hier noch viel Spaß zusammen haben. Nun kommt! Ich muss euch etwas zeigen." Marj'dar eilte zum anderen Ende des Lagerraums, um die Falltür nach draußen zu öffnen. "Nach euch", meinte er und Astien tat wie geheißen.
Er hatte noch nie so eine riesige Stadt gesehen. Wegesruh war natürlich nicht klein, was er nun aber sah stellte alles in den Schatten, was er bis jetzt gesehen hatte. Sie - Astien und Marj'dar - lehnten an der Reling des Schiffs und betrachteten die Hauptstadt von Hochfels, Daggerfall. Sie waren schon ein ganzes Stück gefahren und würden bald die Iliac-Bucht verlassen. Vor ihnen türmte sich nun Daggerfall auf, groß und prächtig. Astien konnte sich nicht sattsehen an den vielen Gebäuden und der Liebe zum Detail, die beim Bau dieser Stadt eingeflossen war. Astien erschauderte bei dem Gedanken, wie viel Wissen über Magie wohl innerhalb der Mauern gesichert war. Schließlich war dies hier die Hauptstadt der Bretonen, einem der magisch begabtesten Völker. Marj'dar leckte sich über die Lippen. "Verdammt, ich würde hier gerne eine Pause einlegen. Was für Geschäfte ich hier machen könnte! Daggerfall ist beinahe so beeindruckend wie die Kaiserstadt." Astien runzelte die Stirn. "Du warst in der Kaiserstadt? Und sie soll noch prächtiger sein als diese Perle hier? Erzähl mir doch nichts." Marj'dar lachte nur. "Junge, du würdest staunen, wenn du wüsstest wo ich schon überall gewesen bin. Ich bin mehr als ich aussehe. Jedenfalls, ja, die Kaiserstadt ist noch beeindruckender. Wenn sich auch der Weißgoldturm nicht mit deinem Diamantturm messen kann, es stimmt." Astien war neidisch. Er war sein Leben lang auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte war nie weiter als bis Wegesruh gegangen. Er hoffte, dass er als diese Orte selbst einmal besuchen würde.
Sie blieben an Deck und ließen Daggerfall langsam an sich vorbeiziehen. Plötzlich fragte Marj'dar: "Wieso willst du nach Himmelsrand Astien? Was hat es für einen jungen Bretonen wie dich zu bieten?" Da brauchte Astien nicht lange zu überlegen. "Ich suche nach Wissen. Ich will mich der Akademie von Winterfeste anschließen." Marj'dar wirkte überrascht. "Ach, du bist Magier? Kein Wunder, schließlich bist du ein Bretone. Aber warum Himmelsrand? Wieso gehst du nicht zur Schule des Flüsterns oder zur Synode?" Astien konnte nur finster schauen. "Ich will zu einer Organisation gehören, die die Magie erforscht und in der es nicht nur um Ansehen und Politik geht. Die Magie selbst muss das Wichtigste bleiben." Marj'dar nickte. "Kann ich verstehen. Ich sagte ja, ich war mal in der Kaiserstadt und hab auch die Synode besucht. Alles was die da machen ist reden und reden. Ziemlich langweilig. Und ob einer von denen Magie beherrscht, weiss ich auch nicht. Willst du mir mal was zeigen? Solange du das Schiff nicht abfackelst versteht sich."
Astien war begeistert. "Na klar doch!" Er überlegte kurz und kam zu dem Schluss, dass ein kleiner Blitzzauber nicht schaden würde. Er konzentrierte das Mana in seiner Hand, formte es in Elektrizität um und schickte es in einem schnellen Strahl ins Wasser. Das Ergebnis war gar nicht mal so schlecht: Der Zauber verbreitete sich ungefähr ein Dutzend Meter in alle Richtungen und tötete die Fische in diesem Bereich sofort. Der Khajiit nickte anerkennend. "Nicht schlecht. Ich bin ja nicht so der Magietyp. Ich verlass mich lieber auf meinen guten alten Dolch." "Jedem das seine", stimmte Astien ihm zu.
Sie ließen noch einige Zeit vergehen, redeten über dies und das bis zum Anbruch der Dunkelheit. Schließlich verabschiedete sich Astien von Marj'dar für diesen Tag und ging in den Lagerraum zurück. Jetzt wo er Himmelsrand näher kam, überkam ihn langsam unbändige Freude. Er konnte es kaum erwarten, endlich mehr über Magie zu lernen und mit diesem Wissen durch die Welt zu reisen.