Julienn hatte sich offensichtlich in ihr Schicksal zumindest so weit ergeben, als dass sie keine weiteren Fluchtversuche mehr anstellte. Djure hatte ihr die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, die Beine aber wieder befreit, sodass sie selbst laufen konnte. Er hatte den weiteren Weg im Hinterland von Weißlauf so geplant, dass sie keiner größeren Ansammlung von Menschen begegnen sollten. Der Ork war fest entschlossen das Kopfgeld so unkompliziert wie möglich einzustreichen. Dies würde Unauffälligkeit erfordern, so lange bis er vor der Kaserne in Einsamkeit stehen würde.

Am Mittag hatten sie die Ruinen Labyrinthions auf der rechten Seite in den Bergen hinter sich gelassen und stapften nun durch unwegsames, aber wenigstens größtenteils übersichtliches Gelände.
'Warum willst du mich wirklich für lächerliche 500 Septime abgeben? Als Gefährte wäre ich dir viel nützlicher.' Begann die Kaiserliche wiedermal das Gespräch. Nachdem der Druide am ersten Tag nach Kyneshain praktisch alles erfahren hatte, was ihn insgesamt interessiert hatte, hatte er meistens geschwiegen, aber irgendwann am dritten Tage hatte die Kaiserliche ihren Hang zum Reden... oder vielmehr Überreden gefunden und versuchte seither den Ork davon zu überzeugen sie gehen zu lassen oder gemeinsam mit ihr durchs Land zu reisen. Djure seufzte. 'Was hätte ich davon, wenn du mich begleitest... wo immer ich auch hingehe?'
'Ich könnte für dich jagen und...'
'Mich im Schlaf erdrosseln bei nächster Gelegenheit.'
'Nein?!'
Djure wusste nicht viel von Julienn - von den paar Details ihrer Familie und ihrer Vergangenheit und den Gründen ihres Aufenthalts in Himmelsrand einmal abgesehen. Aber eines hatte er mit Sicherheit gelernt: Julienn war einer jener Schlag Menschen, der immer ein bisschen quitschig und nervend durch den Tag ging und außer den beiden - zugegeben hübschen Augen - nicht sehr viel mehr Inhalt im Schädel zu haben schien.
'Warum nein? Ich habe dich aktuell in meiner Gewalt und es wäre nur nachvollziehbar, wenn du mich dafür umbringen wollen würdest.'
'Ich bin keine Mörderin!' Fauchte sie.
Und Julienn schien ein ganz besonderes Temperament zu haben. Eines, das mit einer sehr stumpfen Schneide gesegnet zu sein schien. Sie war aufbrausend, wusste aber ihre Wut nicht zu lenken, sodass ihr Temperament irgendwie von Nutzen sein könnte.
'Ich bin eine Jägerin!'
'Ja, das sagtest du bereits. Das ist aber noch keine ausreichende Begründung dafür, dass du mich nicht doch meucheln würdest...'
Und es setzte das von Djure vorausgesagte Verhalten der Kaiserlichen ein, sie begann mit den Zähnen zu knirschen.

Für die nächsten zwei Tage vorbei an einer Wegsperre durch Banditen auf der Hauptstraße nach Einsamkeit, knebelte Djure die Kaiserliche um kein Risiko eingehen zu müssen. Ein bisschen fühlte sich der große Ork doch schlecht wenn er die kleine Gestalt so herumschubste. Andererseits musste es ihm ein bisschen egal sein, er wollte sich hier schließlich keine Freundin machen, auch wenn die Kaiserliche zwei Handvoll hübsche Argumente hatte...
Djure wählte einen Weg durch die Sümpfe vor Einsamkeit um möglichen Patroullien oder anderen Ärgernissen egal welcher Art aus dem Weg zu gehen und am Nachmittag des dritten Tages seit sie die Hjallmarsch betreten hatten, stapften beide die breite gepflasterte Straße zum Torhaus von Einsamkeit hinauf. Djure beäugte mit unsicherem Blick die hohen Mauern der Hauptstadt Himmelsrands. Vielleicht sollte ich Julienn einfach bei den Wachen abgeben... andererseits ist es unwahrscheinlich, dass die Torwachen einfach einen Beutel mit 500 Goldmünzen am Mann tragen um das Kopfgeld jeder Zeit aushändigen zu können...
Djure mochte große Städte nicht. Weißlauf und Dämmerstern waren Ausnahmen in Himmelsrand, da sie sehr offen gebaut waren, aber die gedrängten Häuser in Einsamkeit waren ihm ein Graus. Nur Markarth und Windhelm waren noch schlimmer. Dicht gefolgt von Rifton und dem Loch, das sich Falkenring schimpfte. Und Mortal erst... Rifton stand wenigstens noch auf einem soliden Steinfundament an einem Ufer, aber Mortal war praktisch der Inbegriff menschlicher Dummheit wie man sie in erster Linie bei den Nord in Himmelsrand finden konnte.

Die Torwachen im roten Waffenrock von Einsamkeit behielten den Ork und seine Begleiterin wachsam im Auge, als das ungleiche Paar zum Tor heraufkam. Mit einigen Schritten Abstand blib Djure stehen. 'Ich muss zur Kaserne.' Sagte er auch wenn ihm gleich klar war, dass man ihn in diesen Zeiten - offensichtlich kein Bürger, Händler oder Würdenträger - nicht so einfach passieren lassen würde.
'Was wollt ihr dort?'
Djure versetzte Julienn einen leichten Schubs, welcher sie einen Shcritt nach vorn stolpern ließ. Gleichzeitig hielt er ihre Kapitze fest, sodass jetzt ihr Gesicht deutlich zu sehen war. Djure gab ein bestimmtes 'Hm!' von sich und deutete mit dem Kinn auf einen Steckbrief einer weiblichen Gestalt, deren Züge deutliche Ähnlichkeit mit Julienn hatten, hinter dem Wächter an der Mauer. Der Soldat wandte sich kurz um, glich die beiden Gesichter gegeneinander ab und staunte nicht schlecht. 'Ihr dürft passieren, der Richtblock wartet bereits Monate auf diese Frau.'
Djure stutzte einen Moment. 'Sie ist eine Diebin, keine Schwerverbrecherin.'
'Das ist richtig, aber jemand mit der Fähigkeit in Schatzkammern von Jarle einzubrechen sollte keine Möglichkeiten haben sein Wissen irgendwie weiterzugeben. Und in der aktuellen Lage sind die Wärter des Kerkers mehr damit beschäftigt Informationen aus gefangenen Sturmmänteln herauszufoltern, als sich auch noch um eine professionelle Diebin zu kümmern. Julienn Moryn geht zum Block.'
'Aber...'
'Aber? Wenn ihr sie jetzt nicht auf direktem Weg zur Kaserne bringt, sehen wir uns gezwungen sie euch gewaltsam abzunehmen. Das Kopfgeld bleibt danach selbstverständlich ebenfalls in den Truhen der Legion.'
Djure zögerte noch einen Moment, zerrte Julienn aber dann doch weiter.

'Bist du nun zufrieden?' Fragte Julienn mit gebrochener Stimme.
'Wag es jetzt bloß nicht auch noch Mitleid erregen zu wollen, du hast dir diese Sache selber eingebrockt.'
'Ich habe nichteinmal wirklich etwas verbroch, ich habe...'
'Wenn du jetzt nicht augenblicklich die Backen hältst, brech ich dir den Kiefer!'
Djure war offensichtlich gereizt. Von der sonst so entspannten Art des Orks war überhaupt nichts mehr übrig. Er blickte sich alle paar Meter ruckartig um. Julienn holte immer wieder Luft als wolle sie etwas sagen, ließ es aber doch bleiben.
Auf einem großen Platz angekommen blickte Djure sich suchend um. Links von ihm führte eine breite Rampe in Serpentinen zu einer Terrasse hinauf von wo aus die Geräusche eines Schmieds zu hören waren. Rechts verließ eine Straße zwischen noch enger stehenden Häusern zum blauen Palast hinunter. 'Hast du dich verlaufen?' Fragte Julienn plötzlich. Und so ruckartig und schnell die Faust des Orks angeflogen kam hätte auch ein Khajiit nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Nasen- und Wangenbein knackten unter der Wucht der knochigen Branke des Druiden. Julienn flog mindestens zwei Meter zurück und landete unsanft auf dem gepflasterten Boden. Völlig ungläubig und vermutlich arg von Sternchen im Sichtfeld geblendet, fasste sich die Kaiserliche mit zitternder Hand ins Gesicht. Blut quoll in einem Sturzbach aus der Nase und sofort begann sich die Haut unterhalb des rechten Auges dunkel zu verfärben und anzuschwellen. Sie rang um Atem und der Schmerz schien offensichtlich noch nicht im Kopf angekommen zu sein. Djure wollte weiteres Aufsehen nicht mehr in Kauf nehmen und klemmte sich die immernoch komplett fassungslose Kaiserliche unter den Arm. er zog ihr die Kaputze über den Kopf für den Fall dass sie gleich zu brüllen beginnen würde. Mit großen Schritten eilte er die Rampe zur Schmiede hinauf ohne wirklic zu wissen ob das der richtige Weg war. Doch oben angekommen sah er durch einen Torbogen groß die Banner von Einsamkeit an der Fassade eines Gebäudes herunterhängen. Die große Bogentür in der Front stand offen und es schien keinen der Rekruten auf dem Übungsplatz abseitz zu wundern, dass ein Ork mit einem strampelnden Bündel in der Kaserne verschwand. Kommt wohl öfter vor, dass hier jemand Kopfgelder einstreicht für irgendjemanden.

Drinen angekommen wurde er in der Vorhalle von einer Wache ruppig gestoppt. 'Was wollt ihr und wichtiger, was habt ihr da?'
'Die Diebin von eurem Steckbrief.' Sagte Djure knapp und zog der Kaiserlichen den Stoff vom Kopf und riss unsanft ihren Kopf hoch, damit der Wachmann das gesicht sehen konnte. Aber noch bevor der Soldat antworten konnte, wusste Djure, dass er jetzt vermutlich ein riesen Problem hatte. Die Wache zog einen Steckbrief mit dem Gesicht von Julienn aus seinem Gürtel und versuchte es mit dem zertrümmerten Antlitz zu vergleichen. 'Hmm... es bestehen gewisse Ähnlichkeiten...'
'Gewisse? Das ist Julienn Moryn... ja ich gebe zu, sie wollte eben nochmal versuchen zu entwischen, da blieb mir diese blutige Maßnahme kaum erspart.'
Die Wache schüttelte nachdenklich den Kopf. 'Man wird das prüfen müssen, ich bin nicht in der Position einfach zu entscheiden, ob es sich bei der Frau um die gesuchte Person auf dem Steckbrief handelt. Julienn schien nur noch halb bei Bewusstsein, was Djure zunächst begrüßte. 'Ihr bekommt die Hälfte des Kopfgeldes jetzt und die andere Hälfte des Goldes, wenn nachgewiesen ist, dass es sich hierbei um Julienn Moryn handelt.'
'Wann wäre das?'
'Kommt in ein paar Tagen nochmal...'
Nochmal in diese Stadt... Djure wartete auffordernt.
'Einen Augenblick...' Der Wachsoldat verschwand hinter einer Tür und kehrte nach wenigen Minuten zurück mit einem zweiten Soldat im Schlepptau. Der zweite nahm Djure Julienn ab und wollte sie gerade hinausführen, da rempelte sie nochmal gegen den Ork ohne einen Laut von sich zu geben. Ein Knurren und ein grober Stoß beförderten Julienn unter den fragenden und unsicheren Blicken der beiden Soldaten zur Tür hinaus, durch die die beiden eben gekommen waren.
'Euer Gold...'
Der Ork nahm den kleinen Beutel an sich und war ohne größere Umschweife aus der Stadt verschwunden.

Zwei hellblaue Augen blitzten unter einem Schädelknochen hervor und folgten einem Ziel kaum hundert Meter entfernt. Das Reh schien den nahezu unsichtbaren Jäger noch nicht gewittert zu haben. Solange der Mantel aus Schafsfellen unbewegt blieb und Djure penibel darauf achtete, dass er seinen Kopf nicht zu sehr bewegte, konnte er sicher darauf zählen, dass kein Tier in dieser Welt ihn so zwischen Schneewehen entdecken konnte. Der Ork wartete nur noch darauf, bis das Reh einige Schritte weiter ging. Er würde es dann von dem Wildwechsel in den tieferen Schnee auf der anderen Seite treiben wo er eine Eisfalle versteckt hatte. Noch zwei Meter mehr... Er beobachtete den Wildwechsel bereits seit zwei Tagen und seit gestern Nacht lag er nun hier und wartete darauf, dass wieder ein unforsichtiges Tier kam. Plötzlich schrak das Reh auf, es machte einen erschrockenen Satz und blickte in eine Richtung hinter sich. Djure war verwirrd, hier draußen zwischen Dämmerstern und Morthal dürfte es keine Jäger geben, die sich die Mühe machten in derart unwegsamem Gelände zu jagen - außer ihm. Er versuchte der Blickrichtung des Rehs zu folgen, kam aber nicht sehr weit. Schon hörte er das Kreischen einer kaiserlichen Stimme, die ihm unbehaglich bekannt vorkam. Das kann jetzt nicht der Götter verschissener Ernst sein?!
Und ob er das war. Das Reh war schneller verschwunden, als Djure reagieren konnte und nur einen Augenblick später hechtete eine Kaiserliche in einer zerlumpten grauen Tunika und zerfetzten Beinkleidern durch den Tiefschnee, der ihr beinahe bis zur Hüfte reichte. Keine 10 Schritte hinter ihr waren zwei Getsalten zu erkennen, die sie nur aufgrund ihrer Rüstung noch nicht eingeholt hatten. Unverkennbar war die blonde Mähne von Julienn. Djure atmete entnervt aus. Aber sogleich sprang er auf, da alle drei ziemlich direkt auf seine Eisfalle zurannten.
Warum seine Wahl nun auf Julienn fiel würde er sich auch später nicht erklären können. Er hatte die Distanz schier unglaublich schnell üerwunden und stieß Julienn zur Seite und landete auf ihr im Schnee. Die beiden Verfolger hatten sich so auf ihre Gejagte konzentriert, dass sie den Ork gar nicht hatten kommen sehen. Der Vordere von beiden trat direkt in die Eisfalle und war augenblicklich tot, an Ort und Stelle von einer massiven Eisschicht überzogen zu einer grotesken Statue erstarrt. Der zweite schrammte an seinem gefrosteten Gefährten vorbei und kam strauchelnd zum Stehen. Djure richtete sich auf.
'Ihr habt euch soeben in Angelegenheiten des Kaiserreichs eingemischt und zusätzlich einen Legionär getötet. Ihr seid hiermit verhaftet.'
'Ich bin hier am Jagen und wollte lediglich verhindern, dass jemand in meine Falle läuft...'
'Wer zum Teufel jagt mit Eisfallen... ich habe schon spannendere Ausreden gehört.'
'Und ich schon motiviertere Legionäre...'
Ohne weitere Worte zog der Soldat sein Schwert und trat auf Djure zu. 'Ergebt euch und ihr bekommt einen fairen Pro...'
Krachend und knackeng stanzte das eine Ende des Kampfstabes ein kreisrundes Loch in das Gesicht des Soldaten. Brüllend ging dieser in die Knie, doch ein zweiter Schlag an die behelmte Schläfe befördeten den Mann in eine tiefe Ohnmacht und vermutlich auch in den anschließenden Tod. Djure war nicht stolz darauf Legionäre einfach so umzubringen, aber hier stand seine körperliche Unversehrtheit auf dem Spiel und offensichtlich waren die beiden Männer so angespannt gewesen wie er auch.
Und nun zu dir...
Er zog die Kaiserliche grob aus dem Schnee. Die Schwellungen im Gesicht waren in den letzten 5 Tagen deutlich zurückgegangen, doch die Flecken der Blutergüsse würde man noch Wochen lang sehen können. 'Was machst du eigentlich?' Er wusste nicht, wie viel simpler er die Frage noch hätte stellen können und hoffte auf eine plausible Antwort, denn eigentlich war es unmöglich, dass sie hier war.
'Ich bin aus dem Gefängnis ausgebrochen...'
'Neinneinnein... was MACHST du eigentlich?'
'Wie ich schon sagte, ich bin aus dem Gefängnis ausgebrochen... ich lebe gerne und...'
Djure setzte sie unsanft wieder ab. 'Wie bei den Neun bist du da ausgebrochen?'
'Ich habe mit einem angespitzten Knochen und einem lisen Metallstift die Zellentür aufgebrochen und...'
'Bitte?!'
'Ich bin ausgebrochen...'
'Aus dem kaiserlichen Kerker in Einsamkeit?'
'Ja, denn da hast du mich schließlich zum Sterben abgegeben oder nicht?'
Unangenehm daran erinnert schwieg Djure.
'Und noch was, du kannst auch nicht mehr zurück, ich bin nicht nur aus der Kaserne ausgebrochen, sondern in den blauen Palast eingebrochen und habe eine Handvoll erlesener Schmuckstücke mitgenommen... natürlich nicht ohne eine Nachricht da zu lassen, die jetzt blöderweise auch deinen Namen enthält... ich Tollpatsch...'
'BITTE WAS?'
'Bist du überrascht darüber, nachdem was ich mit dir aushalten musste?'
Nein, eigentlich nicht... ich bin überrascht, dass du dort so rausgekommen bist.
'Da du nun nicht mehr so viele Optionen hast und mich nicht mehr für Kopfgeld zurück nach Einsamkeit bringen kannst, hast du doch Zeit mir zu helfen? So als Entschädigung für das Feilchen?'
Djure ließ sich in den Schnee plumpsen und begann einfach nur herzhaft zu lachen. Jetzt war Julienn es, die fragend dreinblickte. 'Also weisst du, wer aus dem kaiserlichen Gefängnis ausbricht und mir quasi den Zutritt zu Städten nimmt, weil dort überall Steckbriefe von mir hängen... in den großen jedenfalls, den muss ich ja schon beinahe als Freund bezeichnen...'
Julienn verstand die Welt nicht mehr und das spiegelte sich offensichtlich in ihrem Gesichtsausdruck wieder.
'Ich hasse Städte.' Sagte Djure ernst.