“Wir sind so erledigt...”, stammelte Olaf, wobei er in dem Raum am tiefsten Punkt der Wendeltreppe, in den sie geflüchtet waren, auf- und ablief und nervös an seinem Daumennagel kaute. Hier unten war es viel kälter als draußen, und nur der Schein der angebrachten Fackeln erleuchtete das Gemäuer.
„Nägelkauen ist schlecht für dich, Olaf,“ sagte Bodeado, während Stephanus eine kurze Zählung machte, und dabei versuchte, das Zittern seiner Hände unter Kontrolle zu bekommen.
„Ach, halt doch dein Maul! Uns sitzt 'n Drache auf'm Dach, und du laberst immer noch deine scheiß Waschweiberweisheiten vor dich her!“ fuhr der kurz vor der Panik stehende Nord den Ex-Piraten mit schriller Stimme an.
Neben der gescheiterten Ballistenmannschaft hatte es Meum-Te noch vor ihnen in den Turm geschafft, und Bärenpelz war ihnen verwirrt und mit gezogener Axt entgegengeeilt. Insgesamt waren sie also zu sechst.
„Wir haben wirklich Glück gehabt,“ dachte Stephanus bei sich selbst. „Hätte dieses Monstrum unsere Seite der Mauer zum Grillen ausgesucht, wären wir jetzt tot.“
„Ich sag, wir gehen raus und bringen das Vieh einfach um, zack, Axt zwischen die Augen, so schwer kann das doch nicht sein!“, gab Bärenpelz seine Meinung kund, wobei er von der Kiste aufsprang, auf der er gesessen hatte. Er hatte den Terror des Drachen nicht mit eigenen Augen gesehen, und die Illusionsmagie, die die fliegende Echse auf sie gefeuert hatte – wenn es denn Illusionsmagie war – war wohl nicht sehr tief in das Gemäuer eingedrungen.
Die umstehenden Söldner sahen den massigen Nord an, als sei er Wahnsinnig.
„Nein,“ sagte Stephanus nach einer verdutzten Pause, „das Ding hat mit einem Schlag rund ein Drittel von uns erledigt, Bärenpelz.“
„Und ich hab meine Pfeife verloren,“ warf Bodeado traurig ein.
„Wenn wir uns nicht etwas einfallen lassen, können wir uns gleich selbst anzünden,“ schloss Stephanus seinen Satz ab.
Der massige Nord seufzte und setzte sich wieder auf die unter seiner Last stöhnende Holzkiste, und schien dabei fast enttäuscht, sich nicht in das Maul der Bestie, und damit in den sicheren Tod, stürzen zu dürfen.
„Können wir nicht einfach warten, bis das verdammte Mistvieh wieder abhaut? S'war davor doch auch nich' da. Fliegt also manchmal weg,“ schlug Gramul vor. Der Ork hatte sich mit gekreuzten Armen gegen eine Mauer gelehnt, und warf hin und wieder einen Blick nach oben an die Decke. Nach ihrer Flucht ins innere der alten Festung hatten sie kaum noch Geräusche von draußen vernommen.
Die Söldner grübelten jeder für sich, mit der Ausnahme von Olaf, welcher immer noch halb panisch den Raum durchmaß.
„Hörst du wohl auf damit, du machst mich noch ganz kirre!“ schrie Bärenpelz den anderen Nord schließlich an. Dieser schreckte auf und schenkte ihm als Antwort einen bösen Blick, blieb jedoch wie angewiesen stehen und lehnte sich, wie Gramul, ebenfalls an die Wand, den Blick nach unten auf seine Stiefel Gerichtet.
Die Söldner dachten nun weiter nach: Bodeado kaute auf seiner Unterlippe, Gramul gro-Ogdum sah die anderen erwartungsvoll an, Meum-Te rieb sich nachdenklich das Kinn, Olaf nagte weiter an seinem dreckigen Daumennagel, Stephanus fuhr sich durch den Bart, und Bärenpelz kratzte sich am Hintern.
„Nein,“ sagte der Kaiserliche schließlich, denn ihm war ein grausiger Gedanke gekommen. Er nahm die Hand aus dem Bart und blickte die anderen an. „Wir können nicht warten. Die Kompanie denkt, die Festung ist unter unserer Kontrolle, und nachdem gepackt ist, kommen sie alle durch den Pass. Der Drache fliegt einmal drüber, und bringt alle um, bevor jemand überhaupt weiß, was vorgeht. Und dann ist es aus.“ Das schien nicht jeden zu überzeugen. Er konnte an ihren Gesichtern ablesen, dass einige von ihnen abwägten, wie viel ihnen ihr Sold in dieser Situation eigentlich wert war.
„Außerdem...“, fügte er hinzu. Bilder der Küche gingen ihm durch den Kopf, und Menschen, die sich verhielten, als seien sie schon längst tot gewesen, nur noch leere Hüllen, Schatten ihrer Selbst. „Außerdem haben die Abgeschworenen auch gewartet. Und wir wissen, was aus ihnen geworden ist.“
Die anderen nickten langsam, wobei Olaf gut anzusehen war, dass er sich ebenfalls noch an die Küche erinnerte.
„Rognag ist so ein verdammter Glückspilz,“ murmelte sich Bodeado selbst zu. „Bricht sich ein Bein und darf sich im Lager ausruhen, während wir es mit Gestalten aus alten Legenden zu tun haben...“
„Wisst ihr, wir sollten einfach aufgeben, und uns Gottes Gnade unterwerfen.“ Dieser Satz kam von Meum-Te, der die anderen nun mit einem sehr verwirrten Gesichtsausdruck betrachtete. Offensichtlich waren dies nicht seine eigenen Worte gewesen, die aus seinem Mund kamen, und der Argonier fluchte in seiner Muttersprache und hob verzweifelt die Hände an den Kopf.
„Xuth! Hist zu leise im verfluchten Norden!“
Bodeado, der neben der Echse stand, sah diese misstrauisch an und legte eine Hand auf den Griff seines Schwertes, während sich die anderen Söldner besorgte blickte zuwarfen.
Abgesehen von der Sache mit den Hist konnte Stephanus die Niedergeschlagenheit des Argoniers nur zu gut verstehen. Es war ein grauenhaftes Gefühl gewesen, so kurz es auch war, nicht mehr der Herr seines eigenen Körpers gewesen zu sein, nicht mehr der Herr seiner eigenen Gedanken. Absolut schutzlos und unfähig, sich zu wehren, dem verfluchten Nebel in seinem Kopf ausgeliefert, der den Kern seines Seins angriff und zerfraß, seine Psyche, seine Erinnerungen, dass, was ihn zum Menschen machte, und ohne das er nichts weiter war, als eine leere Hülle, die vor sich hin vegetierte. Selbst jetzt noch konnte er ein stilles Echo der befehlsgewohnten Stimme hören, wegen der sich seine Nackenhaare aufrichteten. Aber wenn man der Stimme des Drachen zu lange lauschte, wurden die selbstabwertenden Gedanken, die sie einem in den Kopf legte, zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Stephanus riss sich mit einem Kopfschütteln von seinen Gedanken los und sagte: „Lasst uns erst einmal mit den anderen neu Gruppieren. Hrard sollte noch in der Eingangshalle gewesen sein, als das Vieh aufgetaucht ist. Er hat bestimmt schon eine Idee, wie wir hier lebend rauskommen.“ sagte Stephanus, und hoffte gegen sein besseres Wissen, dass er recht hatte.

Das Portal zum Westturm stand einen Spalt weit offen, und Soldin Stahlzapfen lugte vorsichtig hinaus. Unweit von der Stelle, die der Drache mit Feuer bespuckt hatte, und wo der Stein fast angefangen hatte, zu schmelzen, lag Brarek Jungeiche, in einer immer größer werdenden Lache seines Blutes, und des Blutes der verstreuten Körper um ihn herum.
Dem Mann fehlte der untere Teil des rechten Arms, und eins seiner Beine stand in einem sehr ungesund aussehenden Winkel von seinem Körper ab. Mehrere klaffende Wunden in seinem Torso markierten die Stellen, an denen die Zähne des Ungetümes ihn durchstochen hatten, jedoch nicht sehr tief, wie Soldin bemerkte. Auch war er kaum verbrannt.
Entgegen aller Erwartung schien Brarek noch zu leben. Er stöhnte, zuckte und röchelte, den Kopf mit den blutverschmierten und damit unbrauchbaren Augen starr in den Himmel gerichtet.
„Nordische Zähigkeit“, dachte Soldin selbstgefällig.
Vom Drachen war weit und breit keine Spur zu sehen, wenn man von der Spur der Verwüstung mal absah. Und wenn man nicht genau darauf achtete, bemerkte man die Paar Steinchen nicht, die auf der Außenseite über der Tür herabrieselten...
Soldin schloss die schwere Tür wieder und blickte die Innenseite der Wand hoch, dorthin, wo er den Drachen in Lauerposition vermutete. „Cleveres Mädchen...“
Das Monster war also in der Lage, Köder auszulegen und Fallen zu stellen. Sie hatten es also eindeutig mit mehr als nur einer animalischen Intelligenz zu tun.
Selbstzufrieden machte er kehrt und stieg die Wendeltreppe wieder herab, während Brarek draußen sein Leben ausröchelte.
Er hatte es doch gewusst. Die Drachen waren zurückgekehrt, wie es in den alten Legenden vorausgesagt wurde. Und mit ihnen, das Drachenblut. Und wer sonst könnte das Drachenblut sein, als ein Prachtexemplar von einem Nord wie er selbst? Wie dem auch sei, wenn sie das Vieh erledigen könnten, nun, das würde ihm auf jeden Fall einen Ehrenplatz in Sovngarde garantieren, ganz nah dran am Kamin, den Metfässern und den knapp bekleideten Walküren.

„Jetzt seit leise und lasst mich nachdenken,“ befahl Hrard.
„Was gibt‘s da groß nachzudenken? Wir sind gearscht, im Großen und Ganzen, mehr gibt’s darüber nicht zu sagen!“ beschwerte sich Sylaen.
„Wenn du das so siehst, dann steht dir frei, durch die Eingangstür zu gehen und dich fressen zu lassen.“
Was folgte, war eine angespannte Pause, während der Hrard Sylaen kalt ansah, sie ihn böse anfunkelte, und die restlichen, nun verstummten Söldner zwischen den beiden hin und her schauten. Schließlich seufzte die Elfe und ließ besiegt die Schultern hängen.
Stephanus versuchte wieder seine zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen, und erneut vergeblich. Es passierte ihm hin und wieder, während Pausen nach Momenten, in denen er sich vollkommen klar werden konnte, dass sein vorheriges Überleben nur vom Zufall abhing. Ein massiver Bolzen einer Balliste, oder der Felsen eines Katapults, der seine Nebenmänner in der Formation zerfetzte; ein Regen aus Pfeilen, der genau zu seinen Füßen niederregnete oder die Reihen hinter ihm traf; ein mit Magie geformter Eiszapfen, der genau dann seinen anfänglichen Anstoß verlor, nachdem er mehrere von Stephanus' Mitstreitern vor ihm durchlöchert hatte. In diesem Falle war der Auslöser die Wahl des Drachen gewesen, welche Seite der oberen Befestigungsanlage er verbrennen wollte.
Der Kaiserliche atmete mehrmals tief ein und aus, aber es half nichts. Wieder einmal würden sich seine Hände nur mit der Zeit beruhigen können.
Er blickte auf und schaute sich in dem Hinterzimmer der Eingangshalle um. Von den neunundzwanzig Söldnern waren ohne ihn nur noch dreizehn geblieben. Fünf Männer Verwundete und Eskorte, der Rest war entweder beim Angriff des Drachen gestorben, oder versteckte sich irgendwo anders in der Festung. Stephanus schätzte, dass sie selbst mit voller Truppenstärke dem Drachen in ihrer Situation wohl nichts entgegenzusetzen hatten. Die Wenigsten hatten Bögen oder Armbrüste – Stephanus ärgerte sich über sich selbst, hatte er doch selbst seinen Bogen bei der Flucht vor dem fliegenden Monster verloren.
„Was ist mit den Gefangenen? Wir könnten die beiden als Ablenkung benutzen und uns davon machen,“ schlug Harun in der nachdenklichen Stille vor.
„Nein,“ erwiderte Hrard sofort. „Können kaum noch stehen. Und das Mistvieh ist zu schnell. Sie wären in einem Augenblick erledigt, und dann wären wir an der Reihe.“
„Wie wäre es stattdessen mit Spurius? Er kann noch laufen, und für was anderes als Drachenköder spielen ist er nicht zu gebrauchen,“ sagte Berend mit einem bösen Grinsen.
„Ach, halt doch deine dumme Schnauze, du Sohn einer räudigen, rotäugigen Gossenhündin!“ rief Cocius Spurius mit einer Hand auf dem Schwert dem immer noch grinsenden Dunmer entgegen. Das Gesicht des jungen Kaiserlichen war an den Stellen, an denen er von Folms Berends Fäusten getroffen worden war, noch stark angeschwollen, was jedoch nicht seinen wütenden Gesichtsausdruck überdeckte. Eins musste Stephanus dem mutmaßlichen Vergewaltiger lassen: Er ließ sich nicht einfach so unterkriegen. Vielleicht war er auch so seiner Exekution entkommen.
„Ihr haltet beide die Schnauze,“ fuhr Hrard sie gebieterisch an und hämmerte seine Hände demonstrativ auf den Holztisch vor ihm. „Wir brauchen keine Ablenkungen für den Drachen. Nicht als unseren Hauptplan. Wie ihr sicher wisst, packt die Kompanie gerade ein und bereitet sich darauf vor, hier an der Festung vorbei zu ziehen. Und sie wissen nichts vom Drachen. Es wird ein Blutbad, und unser Sold und unsere Vorräte sind dann dahin, und wir stecken hier fest, um langsam zu verrecken.“
„Wer sagt denn, dass das verdammte Ding noch da ist?“ fragte Fleisch in die Runde. „Wir haben seit einer halben Stunde nichts mehr von dem Scheißteil gehört.“
„Oh, es ist noch da!“ dröhnte Soldin Stahlzapfen, der gerade durch die Tür gestapft kam, mit vor stolz herausgestreckter Brust, rußgeschwärztem Gesicht und selbstzufriedener Miene.
„Vierzehn“ verbesserte Stephanus die interne Zählung seiner Mitstreiter. Es hätte ihn eigentlich nicht überraschen sollen, dass Soldin in typischer Nord-Manier darüber erfreut war, einem übermächtigen Gegner entgegen zu stehen.
„Wo?“ fragte Hrard sofort.
„Oben. Es liegt auf der Lauer und wartet auf uns,“ verriet der andere Nord in einem verschwörerischen Tonfall.
Hrard nickte nur, während sich Stahlzapfen sich zur Runde der verbliebenen Söldner hinzugesellte.
Es folgte abermals eine grübelnde Stille, in der jeder darüber nachdachte, wie sie alle – aber vor allem er oder sie selbst - der Situation lebend entkommen konnten.
Schließlich blickte Harun vom Boden auf und wand seinen Kopf mit einem Fingerschnippen ihrem Anführer zu. „Rauchzeichen. Die Rauchsignale, die die Abgeschworenen benutzt haben, können wir die nicht als künstliche Nebelwand benutzen, und uns in ihrem Schutz davon stehlen? Und dabei noch irgendwie die Kompanie warnen?“
Alle Blicke im Raum wanden sich nun Hrard zu, der sich das Kinn rieb und offensichtlich überlegte. „Nein,“ sagte der Nord schließlich. „Ihr Leute habt mir berichtet, wie es geflogen ist. Die Flügel sind offenbar sehr stark. Es könnte den Rauch einfach wegdrücken. Und die Dorfbewohner konnten die Rauchzeichen nicht sehen, alles stammt aus Berichten von Reisenden.
Außerdem ist es nicht damit getan, aus der Festung zu entkommen,“ fuhr Hrard fort, „die Leichen, die wir hier gefunden haben, waren alt, und in der Zeit schien das Vieh Karthwasten nicht angegriffen zu haben. Aber wer sagt, dass das sich nicht ändern kann? Wenn es uns in diese Richtung fliehen sieht, geben wir der Bestie vielleicht einen Grund, es doch zu tun. Aber das gibt mir eine Idee...“ Der Anführer der Söldner wand sich plötzlich Stephanus zu. „Levinius! Die Balliste, ist sie noch intakt?“
„Ja“, antwortete der Kaiserliche verdutzt, etwas überrascht davon, plötzlich Hrards Aufmerksamkeit auf sich ruhen zu haben. „Wieso?“
„Wir müssen den Drachen verjagen. Ihm wehtun, damit er sich zurückzieht. Eine andere Option sehe ich gerade nicht.“
Stephanus nickte kurz, und drehte sich zu Bodeado, Gramul gro-Ogdum und Olaf um. „Habt ihr die Balliste noch geladen, bevor wir uns zurückziehen mussten?“
„Ja,“ sagte Olaf.
„Nein,“ sagte Bodeado.
Die beiden sahen sich kurz an, und dann sprach der Rothwardone zum Kaiserlichen: „Es war ein hektischer Moment. Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass wir den ersten Schuss verfehlt haben, und wir mussten vor dem zweiten den Rückzug antreten.“
„Du meinst wohl DU hast den Schuss verfehlt,“ berichtigte Olaf ihn, was ihm einen kleinen Stoß in die Rippen einbrachte.
„Hmpf,“ sagte Hrard. „Die Rauchzeichen, Levinius?“
„Oben in den Türmen,“ antwortete Stephanus.
„Und der Drache?“ fragte der Anführer nun Soldin, der mit verschränkten Armen in die Runde blickte.
„Die Bestie hat sich am Westturm festgekrallt, ich glaub mal mit dem Kopf zum obersten Plateau hin, wo es mich fast gegrillt hat.“
„Hm. Nun gut.“ Hrard kratzte sich erneut am Kinn, wobei er nachdenklich auf den Tisch hinab sah, und dann blickte er auf und sprach weiter: „Männer, es sieht so aus: Wir werden die Aufmerksamkeit dieses Mistviehs weg vom Ostturm halten, wo die Balliste steht. Ein Teil von uns wird's am Westturm ablenken, und mithilfe der Rauchgräser hüllen wir die Brustwehr in Nebel. Genug, um dem anderen Teil die Chance zu geben, unbemerkt an die Balliste zu kommen, zu zielen, und diese fliegende Perversion einer Echse aus dem Himmel zu schießen, oder am Boden zu treffen, oder wo auch immer es sich aufhalten mag. Das Ding zu töten wäre optimal, doch es zu verjagen reicht auch schon.“
„Farbiger Qualm, und dann durch den Rauch mit einer Balliste auf ein fliegendes, bewegliches Ziel schießen? Hrard, das ist absolut zurückgeblieben!“ beschwerte sich Berend.
„Wär dir lieber, sie würden im Offenen rumlaufen? Ohne Deckung, völlig sichtbar für dieses Scheißding? Der Rauch wird sich schon verziehen, es reicht, wenn er sie versteckt hält, solang' sie an die Balliste geh'n.“
Der Dunmer zuckte als Antwort die Achseln, und Hrard wand sich von ihm ab.
„Nun denn. Spurius?“
Der junge Kaiserliche drehte sich seinem Anführer zu. „Was?“
„Du, Sylaen und Mafalda-“
„Mafalda ist tot.“
„Du, Sylaen und Bärenpelz spielen Ablenkung am Eingang zum niederen Plateau.“
„Moment, was? Im Freien?“
„Ja.“
„Du bist doch wahnsinnig!“
Die beiden anderen Erwähnten taten ebenfalls ihr Missfallen kund, doch verstummten wieder, als Hrard als Ruhezeichen seine Hand hob.
„Das ist doch Selbstmord! Du willst uns einfach nur loswerden!“ rief Cocius wütend. Er machte Anstalten, weiter zu schreien, schloss aber seinen Mund in dem Moment, in dem Berend einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu machte.
„Es wird nicht lange dauern,“ sagte Hrard.
„Weil wir dann tot sind,“ antwortete Sylaen.
„Nein. Ihr lenkt nur solange ab, bis die andere Gruppe auf der Westseite die Rauchzeichen angezündet und vom Turm geworfen hat. Danach lenken die ab. Das sind Berend, Meum-Te, Fleisch und Bodeado. Levinius und Olaf gehen an die Balliste. Der Rest ist Reserve und Signalläufer. Alle verstanden?“
Es gab vereinzeltes Nicken, aber auch vereinzeltes Murren. Nicht jeder war mit dem Plan einverstanden, und auch Stephanus hatte seine Zweifel. War der Rauch überhaupt nötig, nachdem der Drache dank Ablenkung der Ostseite der Festung den Rücken zugedreht hat? Brauchten sie wirklich diese Stufen-geschaltete Ablenkmanöver? Und was würde passieren, wenn der Plan fehlschlug?
Stephanus wusste, dass weder Hrard, noch er, noch irgendwer sonst unter ihnen viel Erfahrung mit fliegenden Widersachern hatte. Das einzige, was ihm gerade einfiel, waren Magier mit Levitationszaubern, doch die waren in der Regel langsam und für jeden geübten Bogenschützen ein einfaches Ziel.
„Oh, und Harun?“
„Hrard?“
„Sobald die Ablenkung auf dem Turm anfängt, läufst du vom Haupteingang los in richtung Karthwasten und alarmierst die Kompanie.“
Nun war das Murren lauter, doch es war weniger gegen Hrards Plan gerichtet, sondern eher gegen Harun, der wohl mit einem blauen Auge davonkommen würde, während sie zurückbleiben und gegen die Kreatur aus altnordischen Legenden kämpfen mussten.
„Glücklicher Bastard,“ dachte Stephanus bei sich selbst.
„Jetzt wo das erledigt ist... Los. Ihr wisst wohin ihr müsst. Begebt euch in Position und wartet auf das Signal. Noch ist das Rennen gegen die Zeit kein Sprint.“