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Thema: [Sky] Rollenspielthread #1 (Signatur aus)

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  1. #1

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Ihr Wagen stand am Rand der Terrasse und nur wenige Schritte von der Tür entfernt. Die Hitze des Tages brandete über Vesana hinweg, als sie aus Jorrvaskr hinaustrat und trieb ihr augenblicklich den Schweiß auf die Haut. Nach einem kurzen Blick auf das tiefer liegende Umland und die Gebirgsketten im Süden und Osten atmete sie tief durch, blähte die inzwischen vollständig genesenen Lungen auf und wandte sich ihren Habseligkeiten zu. Da sie hier oben über keine frische Kleidung mehr verfügte, schmiss sie die schmutzigen Stücke einfach zusammen in einen der beiden Tornister. Sie würde am nächsten Tag, nach ihrem Bad und frisch eingekleidet, Tilma zur Reinigung geben.
    Nach und nach schaffte sie ihre Sachen ins Innere der Halle der Gefährten. Ihr kleiner Raum, der zusammen mit den Zimmern der anderen Zirkelmitglieder und dem Schlafsaal für die übrigen Angehörigen der Gemeinschaft im Untergeschoss lag, war nicht verändert oder in der Zwischenzeit benutzt worden. Alles befand sich dort, wo sie es zurückgelassen hatte. Die Schmuckschatullen, ihre zurückgelassene Kleidung, ihre mit einem dicken Schloss versiegelte Goldtruhe und allerlei Dekoration von Fellen und Geweihen bis hin zu einem Gemälde und einem dichten, weichen Teppich quer unter dem noch immer bezogenen Doppelbett. Es roch in dem kühl-feuchten Gewölbe wie am Tag der Abreise verhalten nach Bergkräutern. So lange wie sie ihn nicht mehr getragen hatte, bemerkte sie sogar noch den Duft ihres eigenen, sehr zurückhaltend fruchtigen Parfüms.
    Einen Augenblick lang blieb sie am Eingang stehen, ließ den Schmutzwäschetornister auf den Boden fallen und legte das Schwert, den Bogen und die Armbrust auf die nahe Kommode. Die Augen geschlossen sog sie den Geruch der Kammer ein und fand sich unfähig, einige Bilder aus vergangenen Tagen zu verdrängen. Lange und zahlreiche Stunden hatte sie mit Darius hier verbracht, sein Duft gehörte zu dem Raum, wie alles andere, das sie hier untergebracht hatte. Mühevoll öffnete Vesana die Lider und wischte sich eine einsame Träne von der Wange. Mit langsamen Bewegungen verstaute sie die Waffen an ihrem persönlichen Waffenständer, schob ihr Gepäck in die Nische hinter der Tür, wo es erst einmal nicht störte, und deponierte auf dem Rückweg nach oben die übrigen Bolzen und Pfeile in der Waffen- und Munitionskammer. Jeder der Gefährten konnte sich dort für Aufträge und Reisen eindecken, wie es ihm passend erschien, aber es stand ihnen auch frei, eigene Ausrüstung zu tragen. Die Geschosse waren daher meist das einzige, das sich alle Mitglieder der Gemeinschaft teilten.
    Nach dem fünften Mal, dass sie die Stufen in den Keller hinabstieg, befanden sich schließlich auch die übrigen Ausrüstungsgegenstände – angefangen bei ihrer Rüstung, über die Schlafunterlage und das Zelt, bis hin zu allerlei Werkzeug, das sich auf ihrem Karren tummelte, weil es noch Platz gab – in ihrer Kammer. Der Wagen lehnte bei seinen Vettern an der Stadtmauer Weißlaufs, die den Übungsplatz hinter Jorrvaskr begrenzte und die Kaiserliche saß auf der Kante ihres weichen Bettes. Ihr Totem der Jagd in den Händen spielte sie mit den Eckzähnen der erlegten Raubtiere und inzwischen baumelte auch der Zahn des Werbären um den Hals der wolfsähnlichen Figur. Vorsichtig wanderten ihre Finger von den Fängen hinauf zu dem hölzernen Gesicht und strichen über Nase und Augen bis zu den spitzen Ohren. Unverändert empfand sie Stolz und Freude beim Anblick ihres Werkes. Es war ihr gut gelungen und erfüllte seinen Zweck. Zugegebenermaßen hatte sie aber auch einen guten Lehrer für die Schnitzerei gehabt. Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, zog jedoch gleichzeitig schwer an den Augenlidern und Brauen. Seufzend stand sie auf, stellte die Figur in eine dunkle Nische eines ihrer Regale und schlang die Finger der Rechten um das Hirschkopfamulett. Im Hinausgehen gab sie dem silbernen Kopf um ihren Hals einen Kuss und versteckte ihn anschließend wieder unter der Tunika.
    Auf dem Korridor, zu dem auch die anderen Räume ihre Türen hatten, vernahm sie augenblicklich laute Stimmen. Sie drangen aus dem Schlafsaal und boten eine Mischung aus Aufregung, Freude, Frust und Zorn. Athis, Ria und zwei erst kurz vor Vesas Abreise beigetretene Welpen, die sie kaum kannte, spielten weiterhin Karten. „Du betrügst, ganz klar!“, fluchte Athis der Dunmer, der sonst auch nicht viel für lange Reden übrig hatte. „Wo sind die Karten? In Deinem Ärmel, hmp?!“
    „Ganz ruhig, hier betrügt keiner, Du bist einfach nur ein schlechter Verlierer!“, konterte Ria. Wie richtig sie doch lag. Die Jägerin lehnte inzwischen neben dem Eingang zum Schlafsaal an der Wand und lauschte, ohne dass die vier im Innern etwas bemerkten. „Außerdem: Was würdest Du schon tun wollen? Mich schlagen?“ Aus dem Raum schallte Lachen.
    „Pass‘ nur auf!“
    „Ach, Athis. Du würdest doch bloß wieder eine blutige Nase davontragen. Lass‘ gut sein und lieber noch eine Runde spielen“, beschwichtigte die offensichtlich häufig gewinnende Ria.
    Schmunzelnd überließ die Jägerin die Glücksspieler sich selbst und kehrte nach oben zurück. Außer Tilma, die sich um das Essen für den Abend kümmerte und am Topfkessel hantierte, hielt sich hier niemand auf. Kodlak saß wohl noch immer in seinem Arbeitszimmer und Vilkas traf die Kaiserliche auf der schattigen Terrasse an. Jetzt am späteren Nachmittag warf auch die Halle der Gefährten einen zunehmend längeren Schatten über ihre Rückseite und das ebene, staubige Terrain. „Aela und die anderen sind noch nicht zurück?“
    „Nein, aber ich bin sicher, dass sie bald kommen werden“, antwortete der Nord, ohne sich von seinem Stuhl zu erheben oder umzudrehen. Starr und nachdenklich ließ er den Blick in die Weite schweifen. „Du wirst heute jagen, ja?“
    Sie blieb etwas hinter dem Zirkelmitglied stehen und folgte seinem Blick in die Ferne. „Ja.“
    „Willst Du Gesellschaft?“
    „Nein.“
    Aus dem Augenwinkel schien es, als lächelte der Sitzende. „Natürlich nicht. Manche Dinge ändern sich eben nie.“ Es klang fast, als spräche er mehr zu sich selbst. Ebenfalls gedankenabwesend benötigte sie einen Moment zu reagieren.
    „Es scheint so.“ Im Schlenderschritt verließ sie die Terrasse und lief nach links um Jorrvaskr an der Tiefenschmiede vorbei bis hinauf zur Himmelsschmiede. Eorlund schien bereits nach Hause gegangen zu sein, denn sie traf ihn nicht am hoch liegenden Platz der Schmiede an. Es war ihr ganz recht. Sie mochte den Platz am Rand des Plateaus, der nicht befestigt worden war. Häufig hatte sie in der Vergangenheit dort die Beine über die Kante baumeln lassen und über das südöstliche Fürstentum bis zu den Bergen geschaut. Die Abendstunden eigneten sich hervorragend dafür, wenn die Gebirgszüge aus dem Westen angestrahlt wurden und das Rot der Dämmerung zurückwarfen. Ein schöner Anblick und irgendwie kam es ihr so vor, als dränge der Klang der lebendigen Stadt nie so richtig bis zu diesem Flecken vor.
    Auch jetzt säuselten ihr nur sanfte Windstöße um die Ohren, spielten mit ihren Haarsträhnen und kitzelten die Haut. Genussvoll schloss Vesana die Augen und ließ sich treiben. Die Hände auf den Stein gestützt schlug sie die Fersen sacht abwechselnd gegen die Felswand. Viel zu lange lag es zurück, dass sie das letzte Mal hier gesessen hatte. Doch der Moment hielt nur kurz vor, schwere Schritte und metallenes Schaben vernahm sie von unterhalb bis sie schließlich direkt unter ihr stoppten. „Da bist Du!“ Es war Farkas.
    Verzögert öffnete die Kaiserliche die Lider und beugte sich vor, um zu ihm hinab zu schauen. „Hier bin ich.“
    „Gold?“ Der große Nord in seiner stählernen Rüstung schaute sie aus seinen silbergrauen Augen heraus an, als befürchte er, sie könne jeden Moment springen. Nur das klingende Geldsäckel in seiner erhobenen Linken strafte seine Erscheinung Einbildung.
    „Wofür?“ Vesa legte den Kopf schief und hob eine Augenbraue.
    „Die Identifizierung eines Drogenhändlers, Beschlagnahmung seiner Ware, sowie die Festnahme eines Mordverdächtigen“, erklärte Farkas. Auf seine rauen Gesichtszüge stahl sich ein breites Grinsen.
    Die Jägerin spitzte triumphierend die Lippen, bevor sie ein schiefes Lächeln auflegte. „Nun, wenn das so ist …“
    „Dann komm‘ runter!“, forderte er sie auf und sie leistete Folge. „Deine Prämie.“ Er händigte ihr das Geld. „Fünfhundert.“
    „Ziemlich viel.“ Sie wog den prallen Beutel in den Händen hin und her.
    „War auch viel Skooma.“ Zusammen kehrten sie in die Halle der Gefährten zurück.
    „Ist alles gut gegangen?“, fragte Vesana auf dem Weg.
    „Er wusste nicht, was über ihn kam, als die Wachen sich über seinen Wagen hermachten“, entgegnete Farkas. „Leicht verdientes Geld für alle von uns. Zweitausend mit den jeweiligen Anteilen. Deine Prämie ist extra. Es gab wohl eine Belohnung für zu einem Erfolg führende Hinweise.“
    „Nicht übel. Was ist mit den Khajiit vor den Toren?“
    „Die haben immer Skooma. Nichts wofür man sie länger als ein, zwei Nächte in Haft nehmen könnte.“ Aela fing sie auf der Terrasse ab. Neben ihr stand Vilkas – offenbar hatten sie genau dieselbe Konversation geführt, wie die Kaiserliche und Farkas. „Außerdem ist deren Skooma gestreckt, also lässt man es gleich bleiben. Das hochkonzentrierte Zeug war noch auf dem Karren dieses Hrothluf, der wohl eigentlich Trargolf heißt.“ Vesana knirschte hörbar mit den Zähnen. Die Anspannung in der Kiefermuskulatur sandte Stiche nach oben in die Schläfen. „Du konntest es nicht besser wissen. Du hättest sehen sollen, wie viele verschiedene kleine Schauspiele er uns geliefert hat. Kann durchaus überzeugend sein, der Kerl, aber so können es Balgruufs Männer.“ Sie legte ein süffisantes Lächeln auf. „Und gerächt hast Du Dich ja jetzt auch.“
    Der Triumpf kehrte auf das Gesicht der Kaiserlichen zurück. „Stimmt.“ Behände warf sie ihr Geldsäckel hoch und fing es klimpernd wieder auf. Gemeinsam traten die Vier ein, doch während die drei Nord sich an die Tafel zu den übrigen Gefährten setzten, bog Vesa in den Keller ab, um ihr verdientes Gold wegzuschließen. Außerdem wollte sie gleich noch einige frische Kleidungsstücke zusammensuchen, die sie am kommenden Morgen tragen wollte. In einem Beutel verstaut, warf sie sich die Jägerin über die Schulter und kehrte nach oben zurück.
    „Willst Du nichts zu Abend essen?“, fragte Aela.
    „Nicht jetzt. Später.“ Die Zirkelmitglieder wussten Bescheid. Sie verließ Jorrvaskr und ging zielstrebig zur Tiefenschmiede. Mittels eines kleinen, für jemanden, der nicht wusste, wonach er suchen musste, kaum zu erkennenden Druckschalter aus Naturstein ließ sich der naturbelassene Durchgang öffnen und gab die Kaverne mit der erhöhten Schale in der Mitte und den drei Podesten am Rand frei. Von dort, wo das Ritual zur Aufnahme in den Zirkel vollzogen wurde, zweigte ein Tunnel aus der Stadt ab, der in einem verfallenen Turm endete. Der perfekte Ausgang, um unentdeckt in und aus Weißlauf zu kommen – nicht für Schmuggler, zu hoch war der Absatz in der Ruine, der Tunnel und Freiheit trennte, aber genau richtig für nächtliche Jagden.
    Ein einfaches Nachtlager aus Stroh, das Platz für zwei bis drei Personen bot, machte eine Rückkehr und Übernachtung in der Höhle möglich. Es stellte sicher, dass niemand bei seiner Verwandlung oder in anderweitig verdächtigen Situationen beobachtet werden konnte. Vesana legte zunächst nur ihren Beutel ab und kehrte danach an ihren vorherigen Platz am Rand der Himmelsschmiede zurück. Noch stand die Sonne über der Horizontlinie, knapp nur, aber dennoch strahlte sie hell über das Land – zu hell. Für einen Jäger der Nacht musste es vollkommen dunkel sein. Somit beschränkte sich die Kaiserliche zunächst darauf, das Farbenspiel an den Bergflanken zu beobachten und die frischere Abendluft, die eine willkommene Abwechslung zur Hitze des Tages bot, zu genießen.



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    Geändert von Bahaar (23.11.2013 um 14:28 Uhr)

  2. #2

    Hochfels, Iliac-Bucht

    Er hatte definitiv schon bessere Schiffe gesehen. Der Laderaum, in dem er und ein halbes Dutzend andere es sich gemütlich gemacht hatten, roch modrig und er war sich nicht sicher, ob der Schiffsbauer hier gute Arbeit geleistet hatte. Aber hatte Astien eine Wahl? Er war am Vormittag am Hafen von Wegesruh angekommen, nur um festzustellen, dass zu dieser Zeit des Jahre kaum Schiffe anlegten. Und Schiffe, die nach Himmelsrand fuhren, schon gar nicht. Nachdem er dann zwei Stunden den Hafen auf und ab gelaufen war, hatte er von einem alten Seemann von einem Schiff von Abenteurern erfahren, die nach Himmelsrand fahren würden. Abenteurer, pah. Die Besatzung des Schiffes war nicht einen Deut weniger heruntergekommen als ihr Schiff, aber eine andere Möglichkeit hatte es nun mal nicht gegeben. Gegen ein paar Septime waren sie einverstanden gewesen ihn mitzunehmen. So hatte er sich also unter Deck begeben und hier saß er nun zusammen mit ein paar Gleichgesinnten. Einen Tag würde es dauern, um die Iliac-Bucht zu durchqueren und vier weitere Tage, um in Windhelm anzukommen. Ja, Windhelm. Eigentlich hatte er sofort in Winterfeste von Bord gehen wollen, wie er jedoch erfahren musste, besaß Winterfeste gar keinen Hafen. Seit dem großen Zusammenbruch vor 80 Jahren war keiner gebaut worden.
    Astien seufzte. Er hoffte, dass er in Winterfeste vielleicht einen Zauber lernen würde, mit dem sich das Reisen vereinfachen ließe. Fünf Tage würde er nun hier auf diesem Schiff feststecken.
    Astien öffnete seine Augen. Er musste weggedöst sein, als er gerade in seinem Buch gelesen hatte. "Na, auch schon wach?", fragte ihn der Khajiit, der neben ihm saß. Astien blinzelte. "War ich lange weg?", fragte er. Der Khajiit grinste. "Mein Junge, was würd ich dafür geben, wenn ich solange schlafen könnte wie du! Bei diesem ständigen Geschaukle brauch ich es gar nicht erst zu versuchen. Ich bevorzuge immer noch festen Boden unter den Füßen." Astien schmunzelte. "Festen Boden? Ich dachte, ihr Khajiit zieht eher die Wüste vor?" Der Khajiit wirkte belustigt. "Ach, zum Witze reißen seit ihr euch wohl auch nicht zu schade? Nein, mein Junge, ich war noch nie in Elsweyr, aber ich habe vor es einmal zu besuchen." Astien mochte den Khajiit. Er redete geradeheraus und schien auch Humor zu besitzen. Außerdem wirkte er gleichzeitig erfahren und jung, was ihn sehr beeindruckte. "Ich heiße übrigens Astien", sagte er, "und wie lautet euer Name?" Die Katze zwinkerte. "Mein Name ist Marj'dar. Ich denke, wir werden hier noch viel Spaß zusammen haben. Nun kommt! Ich muss euch etwas zeigen." Marj'dar eilte zum anderen Ende des Lagerraums, um die Falltür nach draußen zu öffnen. "Nach euch", meinte er und Astien tat wie geheißen.
    Er hatte noch nie so eine riesige Stadt gesehen. Wegesruh war natürlich nicht klein, was er nun aber sah stellte alles in den Schatten, was er bis jetzt gesehen hatte. Sie - Astien und Marj'dar - lehnten an der Reling des Schiffs und betrachteten die Hauptstadt von Hochfels, Daggerfall. Sie waren schon ein ganzes Stück gefahren und würden bald die Iliac-Bucht verlassen. Vor ihnen türmte sich nun Daggerfall auf, groß und prächtig. Astien konnte sich nicht sattsehen an den vielen Gebäuden und der Liebe zum Detail, die beim Bau dieser Stadt eingeflossen war. Astien erschauderte bei dem Gedanken, wie viel Wissen über Magie wohl innerhalb der Mauern gesichert war. Schließlich war dies hier die Hauptstadt der Bretonen, einem der magisch begabtesten Völker. Marj'dar leckte sich über die Lippen. "Verdammt, ich würde hier gerne eine Pause einlegen. Was für Geschäfte ich hier machen könnte! Daggerfall ist beinahe so beeindruckend wie die Kaiserstadt." Astien runzelte die Stirn. "Du warst in der Kaiserstadt? Und sie soll noch prächtiger sein als diese Perle hier? Erzähl mir doch nichts." Marj'dar lachte nur. "Junge, du würdest staunen, wenn du wüsstest wo ich schon überall gewesen bin. Ich bin mehr als ich aussehe. Jedenfalls, ja, die Kaiserstadt ist noch beeindruckender. Wenn sich auch der Weißgoldturm nicht mit deinem Diamantturm messen kann, es stimmt." Astien war neidisch. Er war sein Leben lang auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte war nie weiter als bis Wegesruh gegangen. Er hoffte, dass er als diese Orte selbst einmal besuchen würde.
    Sie blieben an Deck und ließen Daggerfall langsam an sich vorbeiziehen. Plötzlich fragte Marj'dar: "Wieso willst du nach Himmelsrand Astien? Was hat es für einen jungen Bretonen wie dich zu bieten?" Da brauchte Astien nicht lange zu überlegen. "Ich suche nach Wissen. Ich will mich der Akademie von Winterfeste anschließen." Marj'dar wirkte überrascht. "Ach, du bist Magier? Kein Wunder, schließlich bist du ein Bretone. Aber warum Himmelsrand? Wieso gehst du nicht zur Schule des Flüsterns oder zur Synode?" Astien konnte nur finster schauen. "Ich will zu einer Organisation gehören, die die Magie erforscht und in der es nicht nur um Ansehen und Politik geht. Die Magie selbst muss das Wichtigste bleiben." Marj'dar nickte. "Kann ich verstehen. Ich sagte ja, ich war mal in der Kaiserstadt und hab auch die Synode besucht. Alles was die da machen ist reden und reden. Ziemlich langweilig. Und ob einer von denen Magie beherrscht, weiss ich auch nicht. Willst du mir mal was zeigen? Solange du das Schiff nicht abfackelst versteht sich."
    Astien war begeistert. "Na klar doch!" Er überlegte kurz und kam zu dem Schluss, dass ein kleiner Blitzzauber nicht schaden würde. Er konzentrierte das Mana in seiner Hand, formte es in Elektrizität um und schickte es in einem schnellen Strahl ins Wasser. Das Ergebnis war gar nicht mal so schlecht: Der Zauber verbreitete sich ungefähr ein Dutzend Meter in alle Richtungen und tötete die Fische in diesem Bereich sofort. Der Khajiit nickte anerkennend. "Nicht schlecht. Ich bin ja nicht so der Magietyp. Ich verlass mich lieber auf meinen guten alten Dolch." "Jedem das seine", stimmte Astien ihm zu.
    Sie ließen noch einige Zeit vergehen, redeten über dies und das bis zum Anbruch der Dunkelheit. Schließlich verabschiedete sich Astien von Marj'dar für diesen Tag und ging in den Lagerraum zurück. Jetzt wo er Himmelsrand näher kam, überkam ihn langsam unbändige Freude. Er konnte es kaum erwarten, endlich mehr über Magie zu lernen und mit diesem Wissen durch die Welt zu reisen.

  3. #3

    Himmelsrand, Weißlauf, Umland

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    Nackt in der Dunkelheit. Ihre offenen Haare kräuselten sich in der feuchten Höhlenluft. Die Härchen am Rest ihres Körpers stellten sich auf und sie fröstelte. Lediglich eine Kerze stand auf einem der Podeste am Rand der Kaverne, doch ihr Lichtkegel verlor sich schnell und berührte nicht einmal mehr die Kaiserliche, die kaum zwei Schritte von ihr entfernt stand. Das Ziehen und Stechen in den Schläfen, die körperliche Unruhe, die ihre Gedanken rasen und den Bauch wie voll mit Bienen summen ließ, und das schlichte Verlangen durch die Nacht zu hetzen schwollen immer weiter an. Bilder von vergangenen Hatzen lockten sie und zwangen sie dazu, in verkrampfter Selbstbeherrschung mit den Zähnen zu knirschen und die Fäuste zu ballen. Noch wollte sie sich nicht ihren Trieben hingeben, brachte sich dazu die Augen offen zu lassen und sich nicht in den Eindrücken ihrer Fleischlust zu verlieren.
    Zunächst kehrte Vesana noch einmal in den schwachen Lichtkreis zurück und schaute an sich hinab. Die Verletzungen der letzten Wochen verblassten immer mehr. Die gelbgrüne Färbung ihres Brustkorbes war verschwunden und die Stichverletzung unterhalb des linken Busens schimmerte nur noch als ein blasser Strich. Auf ihrem Rücken mochte sie sich ähnlich präsentieren. Womöglich würden sich die schmalen Narben am Ende ihrer Jagd gar nicht mehr erkennen lassen. Wenn sie von ihrer schmutzigen Erscheinung absah, wirkte sie tatsächlich wieder normal und gesund. Trotz der Pein hinter ihren Augen stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie gab sich auf.
    Ein Grollen stieg in ihrer Kehle auf, als sie sich nach vorn krümmte und die Hände vor das Gesicht schlug. Es schwoll an, wurde tiefer und bedrohlicher. Sie spürte, wie ihre Muskeln an Masse gewannen, sich ihre Rippen knackend ausdehnten und den Brustkorb wachsen ließen. Auch die Knochen in den Armen wurden länger, ihre Haut dunkler bis sie aschgrau schimmerte. Obwohl die widerlichen Geräusche für einen Außenstehenden zweifelsohne mit unglaublichen Schmerzen verbunden sein mochten, spürte die Kaiserliche nichts der Gleichen. Die Spasmen, die durch ihren Körper fuhren und sie durch die Kaverne taumeln ließen, legten sich schnell und wichen geschärften Sinnen. Ihr langes Haar war kürzerem, weichen Fell gewichen und die Finger- und Fußnägel zu langen, scharfen Klauen gewachsen. Was sonst nichts als schwarze Finsternis gewesen war, schattierte sich nun klar in hellen Grautönen ab. Das Kerzenlicht strahlte hell in Gelb und erweckte den Eindruck einer kleinen Sonne. Sie roch das Wachs, ihre schmutzige, verschwitzte Kleidung auf dem Boden und das Stroh des Nachtlagers. Ihr schnell schlagendes Herz hallte von den Höhlenwänden wider.
    Hechelnd sprang sie auf das Mittelpodest, die Füße zu beiden Seiten der Schale, die Pranken hielten sie vornübergebeugt im Gleichgewicht und krallten sich in den Stein. Schwanzwedelnd schaute sie sich um und drückte sich wenig später aus den gebeugten Knien ab. Annähernd geräuschlos landete sie im Tunnel und spurtete ihn auf allen Vieren entlang. Es dauerte nicht lange, da fand sie sich in dem verfallenen Turm wieder. Doch anstatt anzuhalten sprang sie einfach gegen die Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Absatzes, oberhalb des Ausgangs in das Umland Weißlaufs. Kurz hielt sich Vesana fest, drückte sich schnell darauf ab, landete unterhalb der Kante in der Wand und sprang erneut direkt aus der Ruine heraus. Auf dem feuchten Erdboden rollte sie sich zwischen einigen Trümmerstücken ab. Einen weiten Sprung später stand die Wölfin oben auf einem nahen Felsen und ließ die scharfen Augen über das flache Land von der Straße im Süden, über die Gehöfte und Mühlen, die sich an ihr aufreihten und die Tundrasteppe im Norden schweifen. Mit einem schnellen Stoß drückte sie sich mit den Armen einzig auf die Hinterbeine hoch und hob den Kopf. Eine der wenigen Wolken am Himmel dieser Nacht gab in diesem Moment die Monde frei und ihr silber-rotes Licht brandete über die sie hinweg. Ein langes, lautes Heulen entwand sich ihrer Kehle, voll Freude und in Erwartung reicher Beute.
    Sie begann zu schnüffeln und die Gerüche ihrer Umgebung aufzunehmen. Gras, Wasser, frisch aufgewühlte Erde. Auch Holz und Kräuter sandten ihre Marken zu ihr. Irgendwo mussten sich auch einige Rehe aufhalten, doch weder sie, noch all das andere interessierten sie. Heute suchte die Jägerin andere Beute. Kalter Rauch schlug ihr als Note im Hintergrund entgegen. Er kam nicht aus der Nähe der Höfe an der Straße und auch nicht von der Stadt hinab. Vielmehr trieb ihn der sachte Wind aus dem Norden zu ihr.
    Ruckartig fuhr sie herum, drückte sich kraftvoll mit den Beinen ab und nachdem sie aufsetzte, spurtete sie hechelnd durch die Nacht. Mühelos vollführte sie den Slalom zwischen den größeren und kleineren Felsbrocken, die das nahe Umland des kleinen Berges, auf dem die Drachenfeste und Weißlauf lagen, zeichneten. Ihre Lungen brannten bald vor Anstrengung, das Herz schlug wie wild, doch anstatt langsamer zu werden legte sie noch einmal zu. Sie fühlte sich gut, berauscht von der Kraft, die durch ihre Adern pulsierte und sie vorwärts trieb, geleitet von Hunger und Lust. Mit jedem Satz wurde die rauchige Note in der Luft deutlicher, leichter wahrzunehmen und fungierte bald wie eine Schnur, die sie bis zu ihrem Ende aufrollte, um so den Weg zu finden.
    Weit unterhalb der Drachenfeste hielt die Wölfin abermals inne, reckte das Haupt in die Höhe und schnüffelte. Die Kälte war aus der Duftnote gewichen, das Feuer, deren Spur sie aufgenommen hatte, befand sich in unmittelbarer Nähe. Wachsam strafften sich ihre Ohren, rotierend versuchten sie die Geräusche der Nacht auseinanderzuhalten. Leises Knacken filterten sie alsbald aus dem glucken so mancher Nachtvögel in der Ferne und dem Schnaufen naher Säuger. Ihren eigenen Herzschlag verdrängte sie in den Hintergrund. Vesana folgte der steilen Felswand zu ihrer Linken und entdeckte nach kurzer Zeit schwachen Lichtschimmer an einem Vorsprung. Es schien, als würde er von unten durch ein Feuer angestrahlt. Knistern in der Luft und die immer intensivere Note von Rauch bestätigten diesen Verdacht.
    Die Jägerin verlangsamte ihre Schritte und schlich auf allen vieren näher. Kurz vor einem größeren Felsbrocken, der ihr die Sicht auf das Lager versperrte, kletterte sie jedoch behände die Wand hinauf, um auf den Vorsprung zu gelangen. Lautlos fanden ihre Klauen und Zehen Halt, hakten sich in Spalten und umgriffen kleinere Felsnasen. Aufgeregt wedelte ihr Schwanz hin und her, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Gleich war es soweit. Zum Rauch gesellte sich inzwischen der Geruch mehrerer Personen – allesamt Männer. Sie stanken nach Schweiß, Schmutz, Fett und anderen Ausdünstungen, doch es spielte keine Rolle. Vesa wollte nicht mit ihnen ausgehen. Ihre inneren Werte besaßen für sie Priorität. Ihre lange Zunge bleckte über die feuchte Nase, als sie das spitz zulaufende Haupt über die Kante des Simses reckte und hinabschaute.
    Drei Mannshöhen unter ihr lagerten vier Männer. Ein Dunmer, der Rest waren Nord. Die Grauhaut schien Wache zu halten, doch galt sein Blick einzig dem Feuer, nicht seiner Umgebung, und schon gar nicht dem Himmel oder der Felswand über ihm. Seine menschlichen Kumpane verteilten sich auf zwei Schlafmatten und einen Stuhl mit Beistelltisch. Zweifelsfrei handelte es sich bei ihnen um Wegelagerer. Ihre schäbige Erscheinung und die drei ramponierten Karren mit den unterschiedlichsten Waren sprachen eindeutig dafür.
    Das Maul offenstehend, schwer atmend und immer unruhiger sondierte die Kaiserliche für einen kurzen weiteren Moment die Situation. Ihr Sinn für Vorsicht war noch nicht erloschen. Doch verriet ihr ihre feine Nase, dass sie keine Störung fürchten musste. Es versteckte sich keine fünfte Person in unmittelbarer Nähe und so weit ab von jeder Straße brauchte sie auch nicht mit Wachen rechnen. Es gab kein Halten mehr. Sie ließ sich etwas nach vorne fallen, bevor sie sich nach unten hin an dem Vorsprung abdrücke. Die Pranken vor den Kopf gestreckt erfassten sie als erste den Rücken des Elfen. Dann schnappen die Kiefer um seinen Hals zu. Er hauchte sein Leben aus, bevor ihre Füße ihn erreichten und ihn als Puffer zu Boden rissen.
    „Was bei …?!“, schrie der Nord auf dem Stuhl und riss damit seine beiden Kameraden aus dem Schlaf. Doch weiter kam er nicht, denn die Wölfin schnellte schon herum und sprang von der Leiche unter ihren Füßen. Ihre Fänge versenkte sie in der linken Brust und Schulter, riss den wehrlosen Mann aus seinem Sitz und kugelte mit ihm in einem Wirrwarr aus Gliedmaßen über den erdigen Grund. Sein Schreien erstarb zunehmend in feuchtem Gurgeln, als ihre Eckzähne durch die Bewegungen seine Lunge aufschnitten. Blut quoll ihr ins Maul, benetzte ihre Zunge und rann ihren Rachen hinab wie guter Wein. Schweres Eisen kitzelte ihren Gaumen und weckte Lust auf Mehr.
    Doch noch konnte sie sich nicht laben, nein. Zwei Nord standen noch zwischen ihr und ihrem Bankett. Mit rottriefender Schnauze und hechelnd trat sie ihnen auf die Hinterläufe erhoben gegenüber. Obwohl wesentlich kleiner als die Beiden, standen deren Augen weit offen wie Tore in ein Reich der Angst. Ihre Hände zitterten als erfroren sie und die Lippen bebten wie die Erde unter den Füßen eines Riesen. Sie brachten keinen Ton heraus, zu sehr schockierte sie der Anblick und plötzliche Tod ihrer zwei Kollegen. Knurrend trat Vesana näher. Unerwartet warf der weiter hinten stehende Nord sein Schwert auf den Boden und ergriff die Flucht. Nicht, dass es ihm etwas nützen würde, wenn sie ihn denn noch verfolgen wollte, aber für den Moment galt ihre Aufmerksamkeit dem Letzten der Viererbande.
    Die Wölfin schritt immer näher, umkreiste ihre Beute schließlich und lauerte auf einen Fehler. Auch wenn das einfache Eisenschwert in seiner Hand kaum gekonnt geführt wurde, so mochte es durch Zufall dennoch schlimme Wunden reißen können. Also wartete sie ab, bis sich der furchtzerfressene Mann von selbst präsentierte. Und genau das tat er auch, als er nach ihr schlug. Kurz sprang Vesa zurück, dann wieder vor, noch ehe er seine Waffe erneut erhob. Mit der Linken riss sie ihm den Schwertarm von Ellbogen bis Handrücken auf. Schreiend taumelte der Räuber zurück, sein Lebenssaft floss schnell aus seinen Adern. Noch im Taumeln erwischte ihn ihre rechte Pranke quer über den Brustkorb und schon sprang sie ihn an. Die Fänge schlug sie ihm in den Hals, die Krallen an den Zehen gruben sich in seine Oberschenkel während ihre Pranken den widerstrebenden Oberkörper zu Boden pressten.
    Knurrend rüttelte sie mit ihrem Kopf, zerfetzte seine Kehle und sandte ihn ins Jenseits. Zufrieden ließ sie von ihm ab und baute sich triumphierend über ihm auf. Ein langes Heulen grüßte die Monde, die unheilvoll ihren Jagderfolg beglückwünschten. Den Vierten der Bande ließ sie ziehen. Er wäre den Aufwand nicht wert, zu verlockend rief das noch warme Festmahl zu ihren Füßen.
    Mühelos riss sie ihm die lederne Kleidung vom Leib und entblößte geschundene Brust. Die Rippen blitzten in den feucht triefenden Schnitten ihrer Klauen auf. Genüsslich leckte ihm die Wölfin über die Haut, schloss die Augen und brummte in Erregung. Wärme stieg in ihr auf, als sie das Eisen auf der Zunge schmeckte und es gierig hinabschluckte.
    Feuchtes Glucksen riss sie aus ihrer Trance und ließ ihren Kopf in die Höhe schnellen. Aus der Nähe der Felswand vernahm sie die kläglichen Versuche eines sterbenden Mannes, Luft zu holen. Die Lefzen zurückziehend, entblößte sie die Fänge und verzog das Maul in ein animalisches Grinsen. Von ihrem letzten Opfer ablassend, schritt Vesana über den Leichnam hinweg und kehrte zum Nord, der auf dem Stuhl gesessen hatte, zurück. Seine Augen wanderten unstet umher, blieben nur kurz an ihr hängen, als sie über ihm stehen blieb, und blickten gebrochen in die Weiten des Nachthimmels. „Reudi-“, er spuckte Blut und hustete. Sein Gesicht schimmerte in tiefem Rot. „Reu-“, wieder brach er ab. „Reudiges … Biest:“ Schmerz verzerrte seine einst harten Züge. Sein voller Bart glitzerte feucht im flackernden Schein des Lagerfeuers.
    Mit dem linken Fuß fixierte die Wölfin seinen Arm, die Krallen gruben sich tief hinein. Der rechte setzte oberhalb des Schrittes auf dem Bauch auf. Als sie sich auch dort festkrallte, stöhnte der Räuber. Seinen kraftlosen Versuch sie mit der noch freien Hand zu schlagen beendete sie mit einem kräftigen Hieb in die Kehle des Ellbogens. Schlaff sackte das Glied zu Boden. Behände trennte sie ihn von seinem Wams. „Los.“ In seinen Worten schwang Verlangen und Herausforderung mit. Er wollte, dass sein leiden endete und sie würde ihm diesen Gefallen tun. Ob ihm der Weg zusagte, blieb offen.
    Schnell und für den Nord unerwartet schlug sie ihm die Klauen oberhalb des Herzens in den Brustkorb. Sein Schrei wäre wohl ohrenzerreißend gewesen, hätte ihm nicht seine Lunge den Dienst versagt. Kraftvoll bog sie ihre Finger um zwei Rippenbögen herum und riss sie kraftvoll wieder aus seinem Fleisch heraus. Knackend gaben die Knochen nach außen nach und spannten ein tiefrotes Loch auf, aus dem sein Lebenssaft floss. Regungslos lag der Plünderer unter ihr, doch sein erkennbar in der Wunde schlagendes Herz – wenn auch schwach – sprach dafür, dass noch immer ein letzter Rest Leben in ihm steckte. Bevor es aufhören konnte zu schlagen, vergrub sie ihre Fänge tief in dem starken Muskel. Zwei letzte Schläge vollführte es, bevor sie es herausriss und im Ganzen hinunterschlang.
    In Ruhe widmete sie sich nun den anderen beiden, bereits verstorbenen Räubern und mit jedem Herz, das sie verzehrte, schien es, als verschärften sich ihre Sinne, Kraft und Ausdauer. Nicht nur das, auch erleichterte ihr das Gefühl der Sättigung und Stärkung, ihre innersten Triebe besser zu beherrschen und so umsichtiger zu handeln. Das Tier in ihr zog sich aus ihrem Verstand zum Verdauungsschlaf zurück. Es war in diesem Moment, dass sie die Leichen zum Feuer schleifte und nahe genug heranlegte, um ihre Kleidung Feuer fangen zu lassen. Bevor ihr jedoch der beißende Gestank von verkohltem Fleisch in die empfindliche Nase steigen konnte, hetzte sie schon wieder durch die Nacht zurück zum Ruinenturm, hielt dort jedoch noch inne und hastete dann zu einem nahegelegen Becken, in dem sich das Wasser eines Baches sammelte.
    Erst nach einem ausdauernden Bad, während dessen sie sich das bluttriefende Fell und die letzten Fleischreste aus dem Maul wusch, kehrte Vesana zurück in die Tiefenschmiede. Mühelos überbrückte sie den hohen Absatz in der Ruine und bettete sich anschließend zusammengerollt wie ein Kind im Mutterleib auf das Strohlager. Die Kerze war inzwischen heruntergebrannt und überließ sie der Finsternis, auch wenn diese noch nicht vollständig Einzug halten wollte, solange ihre Wolfsaugen Wache hielten. Sie schloss sie alsbald und versuchte ihr aufgeregtes Herz zu beruhigen und Schlaf zu finden. Erst dann würde sie sich zurückverwandeln können. Bis dahin ruhte sie, von innen heraus warm und von den Fesseln der letzten Wochen der Unterdrückung befreit, zufrieden und gestärkt.



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    Geändert von Bahaar (30.11.2013 um 16:03 Uhr)

  4. #4

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Gedehnt seufzend, sich reckend und streckend, öffnete Vesana ihre Augen. Zarter Lichtschein fiel durch einige kleine, versteckte Öffnungen nahe der Kavernendecke und gab ihr wenigstens ansatzweise die Möglichkeit, sich zu orientieren. Verwundert die Luft einsaugend zupfte sie sich die zerzauste Wolldecke zurecht, die ihren nackten Leib bedeckte und vor dem Auskühlen bewahrt hatte. Jemand musste in der Nacht zu ihr gekommen sein und sie zugedeckt haben, denn sie selbst erinnerte sich nicht, eine Decke mitgenommen zu haben. Schmal lächelnd strich sich die Kaiserliche einige Haarsträhnen hinter die Ohren und stand mit dem gewobenen Stoff um den Körper geschlungen auf. Das Stroh raschelte unter und stach gegen ihre Füße.
    Im Gegensatz zu den vergangenen Wochen fühlte sie sich erstmals etwas ausgeruht und erholt, wenngleich sie dennoch merkte, dass ihre Kopfschmerzen weit davon entfernt waren zu verschwinden. Dennoch: Glücklich schlug ihr Herz höher und das zufriedene Lächeln wich nicht aus ihrem Gesicht, seine entspannende Wirkung auf die Muskeln hielt an. Kurzerhand ließ sie die Decke zu Boden fallen und griff sich ihren Beutel mit der frischen Kleidung. Der Schmutz der letzten Tage war mit dem Bad in dem kalten Teich von ihr gewichen. Schnell schlüpfte sie in die saphirblaue Tunika aus feiner Wolle mit den fast weißen Stickereien, rückte die kurzen, gerafften Ärmel zurecht und legte sich anschließend einen schwarzen Gürtel um die Taille. Nachdem sich auch die ledernen Sandalen aus schmalen Riemen um ihre Füße schlangen, nahm sich die Jägerin noch ihren Kamm und ordnete die durcheinandergewirbelten Haare. Zum Schluss folgten das Amulett, das durch den bis zum Brustansatz reichenden Ausschnitt offen lag, und ein Stoffband in der Farbe der Stickereien, das sie um Stirnansatz und Hinterkopf unter ihr Haar band, damit die offene Mähne nicht völlig unkontrolliert in ihr Gesicht fiel. Einzelne Strähnen legte sie hinter die Ohren.
    Fertig gekleidet und mit ihrer Schmutzwäsche im Beutel machte sich Vesana daran, die Tiefenschmiede zu verlassen. Draußen begrüßte sie eine bereits gut über die Horizontlinie gekletterte Sonne und ihr gleißendes Licht. Kurz legte sie eine Hand vor die Augen, um diesen die Möglichkeit zu geben, sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Normalerweise wäre inzwischen der Punkt erreicht, an dem sie unter hyperempfindlichen Sinnen litt, aber die Verausgabung des Biestes in der letzten Nacht und dessen Zufriedenheit mit gleich dreifacher Beute drängten es aus ihrer Menschlichen Form zurück. So reduzierte sich ihr Leiden auf unveränderte Kopfschmerzen und eine Appetitlosigkeit auf alles, das kein frisches, rohes Fleisch beinhaltete. Ein gewisses Maß an Schwindel und körperlicher, wie geistiger Unruhe wollten ebenfalls nicht weichen.
    Trotz alldem schlenderte sie leichtfüßig zurück zum Eingang in die Halle der Gefährten. Der Duft von frischem Brot, Fett und anderen Lebensmitteln mischte sich mit schwachem Rauch und Feuer. An der langen Tafel saßen einige Zirkelmitglieder und Welpen in verschiedene, mehr oder weniger angeregte Gespräche vertieft. „Guten Morgen“, grüßte Vilkas und schaute zu ihr hinüber, als sie an der Tür stehen blieb. Die übrigen, die sie beobachtet hatten, widmeten sich wieder ihrem Frühstück.
    „Morgen“, erwiderte sie.
    „Gut geschlafen?“
    „Ja. Sehr.“
    „Man sieht es Dir an. Das freut mich.“
    „Danke. Ich muss mich“, sie hob den Beutel und zeigte mit der freien Hand darauf, „erst einmal um die Schmutzwäsche kümmern.“
    „Kein Frühstück?“, wollte Farkas, der seinem Bruder gegenüber saß und sich nun auf dem Stuhl umdrehte, protestieren. Zur Abwechslung trug er normale Kleidung und nicht seine schwere Stahlrüstung, die fast schon seine zweite Haut sein mochte.
    „Danke, aber ich habe irgendwie noch keinen Hunger.“ Die Geschwister nickten wissend und ließen das Thema fallen. Die übrigen Nicht-Zirkelmitglieder brauchten nicht vom Geheimnis der Jägerin und ihrer ranggleichen Gefährten zu wissen. „Aber lasst es euch schmecken.“
    „Danke!“
    Sie wandte sich ab und stieg in das Kellergewölbe hinab. Gleich darauf verschwand sie in ihrer Kammer und verstaute die dreckige Kleidung mit der übrigen im Felleisen hinter der Tür. Den Kamm legte sie zu ihren Schmuck- und Kosmetikkästchen. Zum Abschluss band sich Vesana noch zwei kleine Taschen an den Ledergürtel, ebenso das Geldsäckel, das sie am Abend zuvor erhalten hatte und einen langen, schlanken Stahldolch. So ausgestattet kehrte sie nach oben zurück und überreichte Tilma in einem Raum am langen Ende der Halle den Tornister. „Wärst Du so gut, und wäschst die für mich?“, bat die Kaiserliche.
    „Aber natürlich, Liebes, lass‘ mal sehen.“ Sie leerte das Gepäckstück auf den Boden aus und begutachtete die erbärmlich stinkenden Stoffstücke. Während Vesa die Nase rümpfte und sie sich mit der Rechten schließlich zuhielt, ließ sich die Nord nichts anmerken. Sie brummte und summte nur vor sich hin, als sie den Kleiderberg umgrub. „Hm, die“, sie zog eine kurzärmlige Tunika aus dem Haufen – von der Brust abwärts tränkte schwarzverfärbtes, getrocknetes Blut die komplette linke Seite, „werde ich wohl nicht mehr sauberbekommen.“ Ein vorwurfs- und sorgenvoller Ausdruck trat in ihre Augen. Die Augenbrauen senkten sich kaum merklich, aber verzerrten ihre faltigen Züge in Traurigkeit. Die zwei Löcher, vorn und hinten, im Stoff ließen die lange, schlanke Klinge des Assassinen erneut durch Vesanas Verstand fahren. Ein kurzes Zucken im Augenwinkel verriet ihren Erinnerungsblitz, doch Tilma schien es nicht bemerkt zu haben, ihr Blick wanderte über den verkrusteten Stoff.
    „Das macht nichts. Ich kann sie ersetzen.“
    „Gut“, die Nord lächelte nun wieder freundlich und warf das ruinierte Kleidungsstück auf einen nahen Stuhl, als wollte sie mit dieser Geste all die Gefährlichkeit der Umstände der Verletzung vergessen machen. „Den Rest hast Du bald frisch duftend zurück. Soll ich es dort hinein stecken, wenn es trocken ist?“ Sie zeigte auf das Felleisen der Kaiserlichen.
    „Ja, bitte.“
    „Gut. Gut! Ich lasse Dich wissen, wenn Du alles abholen kannst.“
    „Danke.“ Vesana beugte sich vor und drückte die alte Frau kurz mit einem Arm an sich. Obwohl sie kein Mitglied des Zirkels war, wusste sie alles, was in Jorrvaskr geschah und vor sich ging. Entsprechend gut im Behalten von Geheimnissen besaß sie das vollste Vertrauen und auch die Zuneigung aller Mitglieder, einschließlich derer des Zirkels. Fast wie eine Großmutter, die für ihre Enkel sorgte. „Bis später, Tilma“, verabschiedete sich die Jägerin.
    „Hab‘ einen schönen Tag!“, warf sie der Kaiserlichen hinterher, als diese die Kammer verließ. Wenig später warf sich die Jägerin ins morgendliche Getümmel auf den Straßen Weilaufs. „Frische Tomaten und Kartoffeln!“, rief ein Standbesitzer. Ein andere bot seine „Melkwarme Milch!“ feil. Heimskir’s übliche Predigt über Talos brandete über den Platz, der sich um den Güldengrünbaum auftat und auch so herrschte geschäftiges Treiben und Geschnatter in allen Ecken. Hätte Vesa in der vergangenen Nacht keinen Jagderfolg eingefahren, die tosende Geräuschkulisse hätte sie wohl in den Wahnsinn getrieben. Entsprechend gelassener bahnte sie sich ihren Weg bis zum Haus der örtlichen Alchimistin.
    Würzig-rauchige Luft, mit einem Unterton von Blumen und eingekochten Kräutern. Einige Duftnoten bissen sich in die Nase wie Zecken, andere streichelten sie wie weichste Wolle. Zusammen mit dem schummrigen Licht und dem alten Holz wirkte der Laden, als käme er aus einer anderen Welt. Nichts von außen drang herein und vergleichbar mit dem Weihrauch in den Tempeln hielt sie die Atmosphäre im Innern gefangen.
    „Wie kann ich Euch helfen?“, durchbrach Arcadia, die Alchimistin, die Stille. Vesana ging zu der sonnengebräunten Kaiserlichen hinüber und blieb ihr gegenüber am Tresen stehen.
    „Ich bräuchte Fett, fünf einfache Heiltränke und zehn Schmetterlingsflügel“, erwiderte die Jägerin.
    „Ah, ja. Gebt mir einen Moment.“ Sie bückte sich und fing an im Regal unter der vollgestellten Handelsfläche zu kramen.
    „Natürlich. Oh, und einen Mörser würde ich ebenfalls noch benötigen, falls Ihr so etwas hier verkauft.“
    „Dort drüben im Schrank“, sie wies mit einer Hand über den Tresen hinweg an die Längsseite des Raumes, ohne sich dabei zu erheben, „nehmt, was Ihr benötigt.“ Vesa suchte sich eine einfache, robust wirkende und vergleichsweise kleine Tonschüssel aus. Sie würde ihren Dienst auf Reisen erfüllen. „Und hier sind Eure übrigen Dinge. Zehn Schmetterlingsflügel“, die Alchimistin legte sie auf einer Pergamentunterlage aus, so dass ihre Kundin nachzählen konnte. „Die fünf Tränke“, es folgten kleine Phiolen, in denen eine rötlich schimmernde Flüssigkeit stand, „und das Fett. Es reicht doch normales Tierfett, kein Trollfett, richtig?“ Die ältere Frau hinter der Ladentheke packte einen weißen, klebrigen Klumpen auf einer Lederunterlage aus.
    „Richtig. Die Menge ist ausreichend.“ Die Jägerin stellte den Mörser daneben.
    „Kann ich Euch sonst noch irgendwie helfen?“
    „Das wäre alles.“
    „Zusammen macht das zweihundertfünfzig Septime.“
    Mit den erworbenen Zutaten und Gegenständen auf die Taschen verteilt, kehrte die Kaiserliche schließlich zurück auf die überfüllten Straßen. Die Zahl der Leute, die hier ihres Weges gingen und sich an den Ständen vor dem Laden der Alchimistin, der örtlichen Taverne und Belethors Gemischtwaren tummelten, schien noch weiter zu steigen. Die Sonne brannte immer höher stehend vom Himmel und würde es bald unerträglich werden lassen. Vesana beeilte sich.
    „Ich bin unschuldig!“, hörte sie einen Mann aus der Menge rufen. Die Menschen und Mer stoben vor ihren Augen auseinander und sie blieb noch unter dem Vordach eines Hauses stehen. Einige Wachen schleiften einen widerstrebenden Nord mit sich durch die Straßen.
    „Halt’s Maul!“
    „Aber ich habe nichts getan, ich schwör’s!“ Der Mann kam der Kaiserlichen seltsam bekannt vor. In seinen zerlumpten Kleidern und der ramponierten Lederrüstung wirkte er nicht wie ein gewöhnlicher Bürger der Stadt Weißlauf. Seine wild liegenden, langen Haare, der zerzauste Vollbart und der Dreck auf der Haut ließen ihn eher wie einen Gesetzlosen erscheinen.
    Das war es! Sie erinnerte sich an ihn. Nur zu gut. Die plötzliche Erkenntnis ließ ihr Herz aufgeregt schneller schlagen und sie sog scharf die Luft ein. „Du sollst Dein Maul halten, hab‘ ich gesagt!“ Eine der Wachen rammte dem Nord die gepanzerte Hand in den Bauch und brachte ihn zum Stöhnen. „Aus dem Weg!“, forderte er gleich darauf eine im Weg stehende Menge auf. Vesana hielt kurz den Atem an. „Dieser Mann wird wegen Mordes und Plünderei angeklagt. Aus dem Weg im Namen des Jarls!“ Augenblicklich verteilten sich die Leute in die Reihen der umstehenden Schaulustigen, durch die lediglich ein Raunen und Flüstern fuhr. Alle anderen Gespräche waren verstummt.
    „Aber ich habe nichts getan.“ Die Worte des Gefangen ließen sich kaum noch vernehmen. Resignation und Verzweiflung brachen langsam seinen Willen zum Widerstand.
    „Jaja, genau. Ein großer, zweibeiniger Wolf hat Deine Kumpel zerfleischt und Dich am Leben gelassen. Richtig, richtig“, spottete eine der anderen Wachen, die den Mann an den Armen gepackt durch die Straßen schleiften. Inzwischen gelangten sie an der Treppe zum Güldengrünbaum an. Vesana streckte sich, um ihren Weg über die unzähligen Köpfe dazwischen weiter zu verfolgen und ihre weiteren Worte zu erhaschen. „Verbrannt hast Du sie!“ Alles weitere verschluckten die allmählich wieder aufkommenden Gespräche der Schaulustigen. Was die Kaiserliche noch vernahm, sprach dafür, dass sie den Nord am Ort des Geschehens aufgegriffen hatten, nachdem der Gestank der verbrennenden Leichen zur Drachenfeste hinaufgezogen war.
    Schmunzelnd machte sie sich daran, bei Belethor eine neue Tunika zu kaufen und fühlte sich wieder um die plötzlich aufgekommene Last leichter, ob des offenkundig von ihr ablenkenden Verdachts.



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    Geändert von Bahaar (06.12.2013 um 15:04 Uhr)

  5. #5

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Nach dem Kauf einer Tunika bei Belethor verbrachte Vesana den Vormittag damit, noch ein wenig durch die Straßen Weißlaufs zu schlendern. Nichts zwang sie zur Eile und niemand wollte etwas von ihr. Das Gefühl der Freiheit spiegelte sich in ihrem recht hellen Gemüt wider. Die Freundlichkeit von Standbesitzern, wenn sie sich deren Ware anschaute, erwiderte sie mit ungezwungenem Lächeln, ihre Schritte flogen leicht dahin und den einen oder anderen Blick eines Mannes, den sie sich einfing, versuchte sie zu genießen. Dennoch kehrte sie gerade pünktlich um die Mittagszeit nach Jorrvaskr zurück. Die Sonne ließ die Temperaturen auf den teils engen, reichlich überfüllten Straßen ins Unerträgliche steigen und so kam der kühle Keller der Halle der Gefährten gerade recht. Außerdem konnte sie sich so dem Auffüllen ihrer medizinischen Vorräte widmen, die sie erneuern wollte, bevor sie das nächste Mal aufbrach um sich dann die Arbeit zu ersparen.
    Im flackernden Zwielicht breitete die Kaiserliche in ihrer Kammer die erworbenen alchemistischen Zutaten aus. Im neuen Mörser zerrieb sie die Schmetterlingsflügel zu feinem Staub. In einer etwas größeren Tonschüssel und mit einem Rührstab vermengte sie das Pulver mit dem tierischen Fett. Zum Schluss gab sie noch drei der fünf Heiltränke zu. Die Flügel dienten als Bindemittel zwischen der wässrigen, roten Flüssigkeit und dem Fett. Auf diese Weise entstand eine sehr feine, milchige, leicht rosa eingefärbte Salbe. Da sie auf Solstheim sämtliche Vorräte ihrer Heilsalbe verbraucht hatte, benötigte die Jägerin nun neue. Letztlich verteilte sie die Creme auf mehrere kleine Metallschatullen und verstaute sie in einem Schubkasten in einem ihrer Schränke. Ebenso die übrigen zwei Tränke.
    Als nächstes folgten ihre Waffen. Die Sehnen der Schusswaffen entspannte sie und reinigte den Abzugsmechanismus der Armbrust. Ein wenig Schmierfett und sie war wie neu. Das Schwert polierte sie noch etwas mit einem Tuch, schliff die Klinge und alle drei hängte sie akkurat zurück an den Waffenständer. Nach dem Eintragen der Finanzen in ihrem Büchlein holte sie noch einige Verbände aus einem medizinischen Schrank in der Waffenkammer und am Ende ihrer Erledigungen nahm sich Vesana ein noch ungelesenes Buch zur Hand, um im Schatten auf der Terrasse hinter Jorrvaskr zu lesen. Nachdem sie in ihrer vorherigen Lektüre bereits am Rande einige Informationen zu den Dwemer mitbekommen hatte – die Falmer konnten scheinbar in ihrer Entwicklung nicht unabhängig von den Tiefenelfen behandelt werden – interessierten letztere die Kaiserliche nun auch mehr. Kodlak besaß zum Glück eine ganze Reihe von Werken aus allen Sparten und Themenfeldern, bei denen sie sich bedienen dürfte, wie es sie interessierte. Es schien den Grauen stets zu freuen, wenn sich seine Gefährten nicht nur für Waffenkunst begeisterten.
    „Ein gutes Buch“, kommentierte Vilkas, der ebenfalls im Schatten unter dem Vordach saß und den Blick auf sie lenkte, als sie hinaustrat.
    „Du hast es schon gelesen?“
    „Eine Weile her, aber ja.“ Sie setzte sich zu ihm und legte ihre Lektüre auf den nahen Tisch. „In der Stadt geht das Gerücht um, die Wachen hätten einen wirrköpfigen Wegelagerer aufgegriffen, der seine beiden Kumpane ermordet und dann verbrannt haben soll.“ Er schaute sie an.
    Vesa zog einen Mundwinkel zu einem spitzen Lächeln hoch. „So etwas habe ich auch gehört.“
    „Womöglich wird er schon morgen am Galgen aufgeknüpft.“ Der Nord schien sie zu mustern.
    „Nun“, die Kaiserliche lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, „dann bekommt er wohl, was er verdient.“
    Ihr Freund schüttelte daraufhin sacht den Kopf. „Manche Dinge werden sich wohl wirklich nie ändern.“ Er seufzte.
    „Nein. Manche nicht.“
    „Er hätte uns früher oder später sicher einen lukrativen Auftrag eingebracht.“
    „Spekulation“, wiegelte Vesa ab.
    „Vielleicht.“
    „Außerdem sind Leute wie seine Kumpel und er immer noch bessere Beute als ehrliche Bürger.“
    Vilkas lachte auf. „Die Bekömmlichkeit eines gerechten Mahls. Damit hast Du wohl Recht.“
    „Manche Dinge ändern sich eben nicht.“ Sie zwinkerte ihm zu. Er schmunzelte.
    „Wohl wahr. Ich brauche mich wohl nicht beschweren. Auch ich bin hin und wieder dazu gezwungen, so zu handeln, wie Du.“
    „Wir alle sind es.“
    „Ja.“ Für einen Moment schwiegen sie in Nachdenklichkeit. Während Vilkas zu jenen im Zirkel gehörte, die maximale Kontrolle über ihr Biestblut anstrebten und ihre Jagten in gewisser Weise reuevoll führten, stand ihm Vesana zusammen mit Skjor und Aela in gegensätzlicher Meinung gegenüber. Sie empfingen den Rausch der Jagd und das Fieber der Aufregung mit offenen Armen. Die Wochen nach und bis Halbmond in abnehmender und zunehmender Mondphase, in denen die Abwesenheit der Monde das Biest schwächte und in den Tagen um Neumond Verwandlungen sogar gänzlich verhinderte, empfanden letztere Drei je nach Begleitumständen überwiegend als Qual. Vilkas, Kodlak und Farkas hingegen freuten sich auf diese Zeit. „Was ich nicht ganz verstehe: Warum hast Du ihn überhaupt laufen lassen?“
    „Bequemlichkeit. Ich hatte schon mehr als genug Beute und der Kerl ist gerannt wie ein Pferd.“
    „Hm. Verstehe einer mal diese Räuber. Ich wäre sicher nicht zurückgekommen.“
    Vesana lachte zurückhaltend. „Ich ebenso wenig.“ Sie schüttelten gleichzeitig den Kopf. In diesem Moment knarzte hinter ihnen die Tür ins Innere Jorrvaskrs. Gemeinsam drehten sich die zwei um und grüßten Aela, als sie in einer leichten, grünen Tunika und Sandalen ins Freie trat. Als die Nord Vesa erblickte, breitete sich ein Schmunzeln auf ihrem Gesicht aus.
    „Eine ausgesprochen lustige Geschichte.“ Die hochgewachsene Frau mit dem kupferroten Haar zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen.
    Ein Seufzen entrang sich der Kaiserlichen. „Ich hatte vergessen, wie schnell sich die Dinge hier herumsprechen.“
    „Weißlauf ist die Hochburg des Klatsches, das weißt Du doch“, kommentierte Vilkas von der Seite.
    „Gleich nach Einsamkeit“, bekräftigte Aela.
    „Einsamkeit ist schlimmer? Das geht?“, hakte Vesana nach. Sie lachten alle.
    „Offenbar. Aber egal. Er wird morgen hängen und das ist das Ende dieser Geschichte.“
    „Hoffen wir es“, warf Vilkas ein und Vesa nickte, da auch sie trotz allem kein Interesse daran hatte, dass auch nur ein Funken der Wahrheit in irgendeiner Weise außerhalb von Jorrvaskr grassierte.
    „Wir könnten in nächster Zeit auch ab und an zusammen jagen gehen“, überlegte Aela laut.
    „Hm, ich glaube, ich wäre lieber allein unterwegs. Aber danke.“
    „Offen gestanden halte ich das zumindest in den Nächten um Vollmond für keine schlechte Idee“, sprang der Dritte der Runde der Nord-Frau bei.
    „Hmm.“
    „Wir können Dich natürlich nicht zwingen, aber selbst wenn Du noch ein, zwei erfolgreiche Jagdrunden führst, wirst Du noch immer nicht die höchstmögliche Kontrolle in diesen wilden Nächten zurückerlangen können. Ein Begleiter würde zumindest die Richtung in ein etwas sichereres Jagdgefilde, weiter weg von Weißlauf vorgeben können.“
    „Da hat er Recht.“ Die Rothaarige stützte ihren Kopf über die Ellbogen auf dem Tisch ab.
    „Na von mir aus.“
    „Gut, dann mach‘ die nächste Nacht noch allein und danach gehen wir zusammen, bis der Vollmond vorüber ist“, beschloss Aela. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf Vilkas raue Lippen.
    „Wer hat mir eigentlich die Decke gebracht?“, lenkte Vesa ab.
    „Das war Farkas“, antwortete dessen Bruder. „Er hat sich etwas Sorgen gemacht, ob in Deiner ersten Nacht zurück auch alles gut gehen würde und hat irgendwann mitten in der Nacht mal nach dem Rechten gesehen.“
    „Er mag Dich“, zwinkerte die Nord ihr zu. Die Kaiserliche schmunzelte.
    „Das tun wir doch alle“, versuchte er die schlichte Freundschaftlichkeit seines Bruders zu verteidigen.
    „Oho, so liebevolle Töne ist man von Dir ja gar nicht gewohnt“, spöttelte Aela. Sie lachten alle.
    Bevor Vilkas darauf etwas erwidern konnte, setzte Vesana bereits zu einer Reaktion an. „Danke, danke.“ Sie hob beschwichtigend die Hände. „Das Kompliment ist angekommen“, sie nickte dem wesentlich älteren Nord zu, „und wird zurückgegeben.“
    „In Ordnung, lassen wir das.“ Die beiden Frauen wippten mit den Köpfen, um ihre Zustimmung kundzugeben. In diesem Moment trat Farkas scheppernd aus der Tür Jorrvaskrs. Wie gewohnt, trug er seine schwere Rüstung.
    „Ah, Farkas! Wir haben gerade von Dir gesprochen“, warf ihm Aela zu. Der hochgewachsene, kräftige Mann zog die Augenbrauen hoch und schaute sie verwundert an.
    „Nur Gutes“, beruhigte ihn sein Bruder. Er schnaufte nur und schob sich einen Stuhl zurecht, um sich im Anschluss zu ihnen zu setzen.
    „Danke für die Decke.“ Vesana lächelte ihm zu.
    „Gerne.“ Er erwiderte die Geste. „Lust auf Karten?“ Er packte einen Stapel alter, dicker Pergamentscheiben mit Lederrand aus und blickte sie einen nach dem anderen an.
    „Von mir aus“, stimmte Aela zu.
    „Warum nicht.“ Vilkas lehnte sich vor und stützte sich auf dem Tisch ab.
    „Solange es um nichts geht.“
    „Außer um Deine Ehre vielleicht“, stichelte Farkas.
    Die Kaiserliche stieß abschätzig die Luft aus, grinste aber gleich darauf. „Vermutlich eher um Deine.“
    „Na dann, hören wir lieber auf zu schwatzen!“



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    Geändert von Bahaar (14.12.2013 um 17:18 Uhr)

  6. #6

    Himmelsrand, Weißlauf

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    „Für jemanden, der nie um Geld spielt, hast Du eindeutig zu viel Glück!“, brummte Farkas nach der vierten Runde und meinte damit Vesana, die drei davon gewonnen hatte. Vilkas folgte mit einem Sieg.
    „Sei doch froh, sonst wärst Du jetzt schon arm“, konterte die Kaiserliche ohne von ihrem neu ausgeteilten Blatt aufzusehen. Aela, die rechts neben ihr saß, tauschte eine ihrer fünf Karten mit einer der drei in der Mitte. Vesa folgte.
    „Pff! Du könntest reich werden mit dem Mist!“
    „Das mache ich dann doch lieber mit ehrlicher Arbeit.“ Der Nord grummelte daraufhin nur. Essentiell ging es darum, die höchste Punktzahl mit den fünf Karten auf der Hand zu halten. Wer meinte, die zu haben, konnte das Spiel für beendet erklären und allen anderen nur noch einen nächsten Zug lassen. Getauscht werden durfte eine oder alle drei Karten auf dem Tisch in der Mitte mit einer oder dreien auf der Hand. Die Jägerin hatte bislang einfach immer Glück gehabt, denn mit Können ließ sich hier nicht wirklich viel gewinnen. Das war auch der Grund, warum sie üblicherweise davon abließ, derartige Spiele zu spielen. Lediglich von den drei Nord ließ sie sich gelegentlich breitschlagen, aber nie ging es um Geld. Künste, bei denen sie an sich selbst arbeiten und dadurch Verbesserungen erreichen konnte, erschienen ihr sinnvoller, um sich damit einen Lebensunterhalt zu verdienen.
    Inzwischen war es wieder ihr Zug und sie tauschte diesmal gleich drei ihrer Pergamentscheiben. Auf den Karten waren immer die Wappen verschiedener Städte und Ortschaften in den Reichen der vier Menschenvölker Tamriels abgebildet, jeweils mit unterschiedlich hohen Zahlenwerten. Die höchste Augenzahl lag bei vierzehn und die Punkte von Karten desselben Reiches wurden addiert. Entsprechend ließen sich höchstens sechzig Punkte erzielen. Vesana interessierte das aber nicht, rein aus – zugegeben scheinheiligem – Prinzip sammelte sie eh nur Karten mit Städten aus Cyrodiil. Und sie wusste, das Farkas immer Karten aus Himmelsrand sammelte. Die anderen beiden nahmen, was gerade passte, und überhaupt waren die Möglichkeiten bei so wenigen Spielern beschränkt und in der Regel bekam niemand fünf Spielkarten desselben Reiches zusammen.
    Daher verwunderte es auch nicht, dass Vilkas die Runde für sich als beendet erklärte, nicht mehr tauschte und den übrigen nur noch einen letzten Zug ließ. „Ach verflucht“, knurrte Farkas, der erneut verlor. Die Kaiserliche wurde dritte nach Aela und Vilkas.
    „Sollen wir Dich wenigstens einmal gewinnen lassen?“, wollte die rothaarige Nord wissen, während sie gelassen die Karten mischte.
    „Nein.“
    „Na dann nicht.“
    „Was anderes: Gibt es eigentliches Neues von Hrothluf – falsch, Trargolf?“, fragte Vesana in die Runde und begutachtete gleichzeitig ihr Blatt.
    „Nein, noch keine Gerüchte im Umlauf. Aber wenn Du mich fragst, baumelt er in weniger als einer Woche“, erwiderte Aela.
    „Tut ihm gut.“
    „Ohja.“
    „Mich würde nur zu gern interessieren, wo die das ganze Zeug überhaupt herbekommen“, mischte sich Vilkas ein.
    „Was spielt das schon noch für eine Rolle?“, meinte Farkas während er gerade tauschte.
    „Naja, es ergibt keinen Sinn, dass die zwei Nord mehr und höher konzentriertes Zeug verkaufen und schmuggeln als die Khajiit.
    „Warum das? Vielleicht haben sie einfach bessere Zulieferer?“, konterte Aela.
    „Vielleicht, aber Mondzucker und Skooma kommen nun mal aus Elswyr und sind da fast schon heilig. Eigentlich müssten die direkt an der Quelle sitzen und nicht umgekehrt auf andere angewiesen sein.“
    „Wenn Du mich fragst, liegt das an den Thalmor“, gab Vesana ihre Gedanken kund und tauschte.
    „Inwiefern?“
    „Bei deren strikter Politik und notorischer Überwachung haben die mit Sicherheit ein besonderes Auge auf Khajiit-Händler, um den Drogenhandel aus Elswyr abzuschneiden. Nicht das ich das schlecht fände. Andere Händler machen sich das eben zu nutze.“
    „Würde Sinn machen“, stimmte Aela zu.
    Vilkas nickte und strich sich gedankenverloren am Kinn entlang. „In der Tat. Bleibt die Frage, woher die beiden anderen das haben.“
    „Erst mal bleibt die Frage, ob ihr das Blatt hier überbieten könnt. Runde beenden.“ Die anderen schmunzelten ob des harten Themenwechsels von Vilkas‘ Bruder.
    „Sieht so aus, als müssten wir uns nicht einmal Mühe geben, damit Du gewinnst.“
    „Haha!“ Er legte eine kurze Pause ein, nur um dann als Sieger der Runde mit drohend erhobenem Zeigefinger lachend fortzusetzen: „Passt nur auf, jetzt beginnt meine Siegessträhne!“
    „Vorsicht, keine Versprechen, die Deine Ehre beflecken könnten, solltest Du sie nicht halten“, warnte ihn Vesana und erinnerte damit an seine einleitenden Worte, mit denen er die Kaiserliche erst zum Spielen überredet hatte. Farkas verkniff sich einen Kommentar, und reichte stattdessen demonstrativ den zusammengeschobenen Kartenstapel an die Jägerin weiter, auf dass sie mischen und austeilen möge – ein herausforderndes Grinsen zierte seine wulstig-rauen Lippen.
    Einige Runden später knarrte wieder einmal die Tür von der Terrasse ins Innere Jorrvaskrs. Tilma schob sich hinaus, blieb aber im Türrahmen stehen. „Vesa, Liebes, ich habe Dir Deine Sachen in Dein Zimmer gestellt.“
    Sie schaute auf und schenkte der alten Frau ein dankbares Lächeln. „Danke, Tilma.“
    „Ach, gern doch! Und ihr alle verpasst noch das Abendessen, wenn ihr noch viel länger spielt!“ Alle Vier schauten gleichzeitig zum Himmel, soweit er sich unter dem Vordach heraus erkennen ließ. In der Tat begann es bereits dunkler zu werden, die Sonne stand tief und ein erster roter Schimmer legte sich über alles.
    „Dann beenden wir nur noch diese Runde, danke“, beschloss Vilkas und die anderen nickten. Überhaupt schlug es sich ohnehin auf den Magen nieder, dass sie alle nichts gegessen hatten, seit Beginn des Spieles. Tilma nickte zufrieden und verschwand wieder ins Innere der Halle der Gefährten.
    „Na, beenden wir das Ganze aber auch wirklich. Macht mal fertig.“ Vesana schob ihre Karten demonstrativ zusammen und ließ die anderen noch tauschen. Am Ende wurde es ein weiterer Sieg für sie. Insgesamt lag sie dann auch ganz vorn, gefolgt von Vilkas und Aela, Farkas wurde Letzter. „Sieht so aus, als wäre aus der Gewinnsträhne nichts geworden“, stichelte sie deshalb und erntete lediglich ein verächtliches Schnaufen. Die beiden anderen Nord lachten, die Kaiserliche schmunzelte.
    Sie gesellten sich zu den übrigen Gefährten an die große Tafel im Inneren der zwielichtig erhellten Halle und nahmen sich vom kräftigen Eintopf. „Fabelhaft gezaubert, Tilma!“, lobte Vignar und zupfte sich am langen, silbergrauen Schnauzbart, der zusammen mit seinem langen Haar in starkem Kontrast zur dunklen Haut stand. „Wie immer.“ Vesana suchte sich derweil einen freien Platz neben Vilkas und Kodlak, stellte ihre Schüssel auf die massive Tischplatte und legte das unter den Arm geklemmte Buch, in das sie nicht einen einzigen Blick geworfen hatte, daneben. Erst dann setzte sie sich.
    „Wie findest Du es?“ Der Herold der Gefährten stützte den Kopf über die Unterarme auf der Tafel ab und schaute an Vilkas vorbei zu ihr hinüber. Die Kaiserliche musste ihn wohl ungewollt irritiert über ihren dampfend-vollen Löffel angeschaut haben, denn er setzte ein kurzes „Das Buch“ nach.
    „Ich bin noch nicht dazu gekommen, hineinzulesen.“
    „Farkas hielt uns alle auf der Terrasse etwas auf Trapp“, ergänzte Vilkas für sie, woraufhin sie zustimmend nickte.
    „Ah, verstehe. Ich bin sicher, dass es Dir gefallen wird.“
    „Wie sieht eigentlich im Moment die Auftragslage aus?“, wollte sie wissen, während sie darauf wartete, dass der Eintopf in ihrer Schüssel etwas abkühlte. Kodlak trank gerade noch einen Schluck aus einem Weinglas und setzte erst danach zu einer Antwort an.
    „Momentan haben wir zwar durchaus viel zu tun, aber das meiste sind einfache Biestplagen weiter im Süden und Westen, nichts in unmittelbarer Nähe“, erklärte der Alte schließlich und trank noch einen Schluck. Sein Handeln wirkte fast schon träge und von vielen Lebensjahren gehemmt. Wenn jemand, der ihn nicht kannte, ihn so sah, er hätte wohl annehmen können, dass der Leiter der Gefährten nicht mehr viele weitere Jahre vor sich hatte. Aber Vesana und die Gefährten wussten es besser, es waren schlicht die Geduld und Ruhe, die ihn dazu brachten, sich für die Dinge Zeit zu nehmen.
    Mit offenkundiger Vorsicht sprach er danach jedoch weiter. „Obwohl ein Auftrag vielleicht etwas für Dich wäre, jetzt wo Du Dich etwas … erholt zu haben scheinst.“
    „Ja?“
    „Heute ist jemand zu uns gekommen, der nach Ausbildung sucht.“ Die Kaiserliche mahlte mit den Zähnen. Lange schon hatte sie keinen Ausbildungsauftrag mehr ausgeführt. Schon vor Darius Verschwinden nicht mehr und danach erst recht nicht. Es lag inzwischen gut und gerne ein dreiviertel Jahr zurück, dass sie das letzte Mal jemanden im Schwertkampf unterrichtet hatte.
    „Der Letzte wollte nicht sehr lange mit mir trainieren.“
    „Der Letzte, den Du hattest, war ein Waschlappen“, knurrte Skjor, als er langsam mit seiner leeren Schüssel an ihnen vorüberging, um sich Nachschlag zu holen. Zugegeben, der Nord damals, dem sie den Kampf mit der Klinge näher bringen sollte, zog seinen Auftrag nach nicht einmal einer Woche zurück und wollte Vesana auch noch eine Geldstrafe aufbrummen, weil sie ihn zu sehr verletzt hätte bei ihren Übungsstunden. Natürlich kam er damit nicht durch, aber er hatte ihr damit für lange Zeit den Appetit verdorben, derartige Arbeit auszuführen und nachdem Darius verschwunden war, legte sie ohnehin jede Auftragsarbeit erst einmal auf Eis, die nicht ihrer Suche nach dem Kaiserlichen dienlich schien.
    „Das spielt keine Rolle mehr. Überlege es Dir“, setzte Kodlak dem Treiben ein Ende. In der Tat blieb ein solcher Auftrag wohl die einzige Möglichkeit wieder aktiv zu arbeiten und gleichzeitig in Weißlauf zu verweilen.
    „Gib‘ ihn zunächst an Athis. Wenn er sich nicht allzu dämlich anstellt, übernehme ich in ein paar Tagen“, schlug Vesa vor. Da der leicht reizbare Dunmer auch nicht unbedingt der größte Liebhaber von Ausbildungsarbeit war, würde er sich auch nicht gekränkt fühlen, wenn sie nach Vollmond übernahm.
    „Eine gute Idee“, stimmte Vilkas zu und auch Kodlak nickte.
    „So werden wir es machen. Es ist übrigens ein Nord.“
    „Was für einen Eindruck hat er auf Dich gemacht?“, wollte die Kaiserliche wissen und setzte sich nun eher seitlich auf ihren Stuhl, um besser mit dem Grauen reden zu können. Ihre leere Schüssel von sich geschoben stand nur noch ein Krug mit frischem Traubensaft in Reichweite auf dem Tisch. Vilkas lehnte sich ebenfalls etwas zurück und der Herold rückte seinen Stuhl zurecht. So in einem leichten Halbkreis sitzend ließ es sich besser reden und die übrigen Gespräche in ihrer Umgebung ausblenden.
    „Er sah kräftig und fähig aus. Ich bin sicher, dass er sich gut machen wird, wenn er den Willen aufbringen kann“, antwortete der Graue.
    „Wir werden sehen.“ Ein schwaches, um ihre Skepsis wissendes Lächeln zeichnete sich auf den faltenreichen Zügen und unter dem grauen Bart Kodlaks ab. „Sonst steht es also gut, um die Gefährten und die Nachfrage nach ihren Diensten?“, wechselte die Jägerin das Thema.
    „Es gibt keinen Grund, sich zu beklagen. Viele der Welpen sind unterwegs, es gibt regelmäßig auch etwas für den Zirkel zu tun und …“ Der Alte legte eine unangenehme Pause ein, um sie aus seinen grauen, nachdenklichen Augen heraus zu mustern. Fast wirkte es, als wäre er sich seiner Worte unsicher.
    „Und?“ Sie zog eine Augenbraue in leichter Verwunderung hoch.
    „… und es scheint, als gönne uns auch die Silberne Hand derzeit Ruhe“, schloss er ab. Vesanas Gesichtszüge fühlten sich mit einem Mal steinhart und eiskalt an. Das Schlagwort besaß noch immer gewisse Wirkungen auf sie. Doch der Moment hielt nur kurz vor. Vor kaum mehr als einem Monat hätte sie in Wut die nächstbeste Schüssel zerschlagen, doch das Erlebnis auf Gjalunds Kahn wirkte dem ausgesprochen effektiv entgegen. Anstatt in Wut zu Knurren, brummte sie nur noch kurz anerkennend ob der guten Lage der Gemeinschaft und trank anschließend einen Schluck Saft. Trotzdem blieb ihre Stimmung im Anschluss schlechter als zuvor, allerdings gab sie dafür niemandem anderen als sich selbst die Schuld daran, denn immerhin war sie es gewesen, die gefragt hatte.
    Sie saßen noch eine Weile länger am Tisch, bis sich die Kaiserliche schließlich aus der Runde verabschiedete und sich diesmal direkt eine Decke mit nach draußen nahm. Die Dunkelheit der Nacht zog bereits an ihren Schläfen und piesackte sie mit Stichen durch den Kopf, dass es an der Zeit für einen Ausflug war. Dem nicht widerstrebend traf sie also lediglich noch die letzten Vorkehrungen für die Übernachtung in der Tiefenschmiede.



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    Geändert von Bahaar (20.12.2013 um 20:33 Uhr)

  7. #7

    Himmelsrand, Weilauf, Umland

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    Aus der Deckung eines großen, schroffen Felsbrockens heraus beobachtete Vesana einen alten Khajiit in weiten, leicht zerschlissenen Gewändern. Im silbernen Lichtschein wirkten sie zwar überwiegend graustufig, doch erinnerte sie sich nur zu gut daran, dass sie eigentlich farbenfroh schillerte. Auch jetzt noch, wo die Katze durch das ruhig daliegende Lager seiner Handelskarawane schlich, zupfte sie sich unaufhörlich an den Schnurrhaaren. Eine nervige Geste und sie zog die Lefzen in sehnsüchtiger Erwartung des Bevorstehenden zurück. Leises Knurren entwand sich ihrer Kehle und sie rutschte weiter an den Rand des Felsens.
    Nur mit Mühe gelang es der Jägerin, sich zurückzuhalten und den Appetit zu bändigen. Noch war es nicht an der Zeit, zu nahe befand sich der alte Kater an den Zelten und dem niedrig gehaltenen Lagerfeuer, um das drei weitere Schnurrer saßen. Sie musste ihn irgendwie aus der Deckung der Planen und Karren locken. Eine Reihe von Ideen hatte sie bereits, aber eigentlich erschien ihr nur eine als wirklich praktikabel. Entsprechend huschte sie aus ihrer Deckung, auf allen vieren durch die silbergraue Nacht und für die Dauer eines Lidschlages nur zwischen zwei Zelten sichtbar durch sein Sichtfeld. Die wachsame Katze bemerkte die Bewegung hielt augenblicklich in ihren Bewegungen inne, um in die Dunkelheit zu spähen. Zunehmend mehr Wolken brauten sich am Himmel zusammen und warfen zusätzlich verwirrende Schattenspiele auf das Land. Das nutzte die Kaiserliche und huschte etwas weiter entfernt wieder in die andere Richtung zurück, nur um sich im Anschluss hinter einem anderen Felsen zu verstecken, die Ohren zu recken und vorsichtig aus der Deckung zu spähen.
    Leicht hechelnd und mit aufgeregt schlagendem Herzen beobachtete sie den Karawanenführer. Der Khajiit wirkte merklich angespannt, schritt aber vorsichtig auf die Lücke zwischen den Zelten zu, das Zupfen an den Schnurrhaaren hatte er inzwischen eingestellt. „Was ist?“, fragte einer der anderen, die am Feuer saßen und das veränderte Verhalten ebenfalls bemerkt zu haben schien.
    „Khajiit nicht sicher. Wahrscheinlich bloß ein Tier.“ Vesa entlockte es ein zorniges Grollen, das sie jedoch schnell wieder abbrach, um nicht aufzufallen. Stattdessen nutzte sie erneut den Schatten einer Wolke, um quer durch das Sichtfeld der Katze zu huschen und wieder in Deckung zu verschwinden. Während ihr die Samtpfote noch zwei Schritte ins Freie außerhalb des Lagers folgte, entließ die Wölfin ein sachtes Heulen und Knurren, dass gerade bis zu ihrem Ziel vordringen mochte. Augenblicklich veränderte sich seine Pose von einer neugierigen Anspannung zu furchtsamer Abwehr. Den Rücken gekrümmt, die Beine etwas gespreizt und Sprunggelenke angewinkelt. „Ma’Nushik, Wölfe!“, zischte der graue Khajiit, in dessen großen, spitzen Ohren Vesana nun zahlreiche Schmuckringe aufblitzen sah, wich einen Schritt zurück und ließ die drei zuvor um das Feuer sitzenden Katzen an ihm vorbeitreten. Jeder hielt einen Speer in der Hand, offenkundig stellten sie Wachen dar, wenngleich sie keine Rüstung trugen und sich nur in dicke Gewänder hüllten.
    „Wo sind?“, fragte der kräftigste Kater im güldenen Pelz und weit aufgerissenen Augen. Seine scharfen Eckzähne entblößt und die Waffe zum Stich bereit hoch erhoben spähte er in die Dunkelheit hinein.
    „Da drüben!“ Der Anführer blieb hinter seinen drei Wachen zurück, die vorsichtig, Schritt für Schritt, in die Richtung liefen, in der sich die Kaiserliche längst nicht mehr befand. Im Schutze einiger Büche schlich sie vorborgen vor den jüngeren, mit Sicherheit weitaus nachtschärferen Augen der drei Bewaffneten näher an das Lager heran. Ihre weichen Pfoten und Pranken legten sich langsam und bedacht auf den Untergrund, nicht einen Laut verursachend. Ihr rasendes Herz verlangte zwar nach schnellen Luftzügen und einer kräftigenden Beute, doch wusste auch das Biest in ihr die Gier im Zaum zu halten, wenn es sein musste.
    Erst als sie in der Deckung aus einem Zelt und nahen Felsen angelangte, gönnte sie sich einen neuen Blick auf die Szenerie vor dem Lager. Der graue Kater mit den zahllosen Ohrringen hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beäugte zähneknirschend seine drei Wachen. Diese stachen ein bis zwei Dutzend Schrittlängen entfernt mit ihren Speeren in die Büche, um sich dort eventuell versteckende Tiere zu verscheuchen – jedoch ohne Erfolg. Behutsam, langsam und jeden Griff und Tritt genau auslotend, kletterte die Wölfin auf den bis dahin schutzgebenden Stein. Die Aufmerksamkeit des Alten galt unverändert seinen Fellkameraden, weshalb er den dunklen Schatten im toten Winkel zu seiner Linken nicht bemerkte, und die übrigen teilten sich in diesem Moment auch noch auf, um mehr Boden auszukundschaften. An sich keine dumme Herangehensweise, würden sie denn tatsächlich mit einem Rudel hungriger Wölfe zu tun haben. So ließ es sich normalerweise auffächern und einzeln bekämpfen, da es dennoch alle potenziellen Opfer umkreisen würde.
    Eine Wolke schob sich vor die Monde und warf ihren Schatten über die fünf Nachtgestalten. Im Höhenflug eines aufgeregten Herzschlages und mit leichten Eingeweiden drückte sich Vesana vom Felsen ab. Von oben fiel sie über den ahnungslosen Kater her. Erst im letzten Moment, kurz bevor sie zusammenstießen, bemerkte er das Unheil, das sich im näherte, doch war es da bereits zu spät. Ihre Fänge umschlossen seinen Kopf, hinderten ihn daran, einen Laut von sich zu geben und im Anschluss riss sie ihn zu Boden. Während sie sich behände abrollte und wieder auf die klauenbesetzten Füße kam, schlug der Khajiit mit dem Kopf auf einen Stein und verlor das Bewusstsein. Einige, mitsamt Stücken der Ohren, herausgerissene Ringe spuckte die Jägerin aus, dann schlug sie ihre Reißzähne in eine Schulter ihrer Beute und schleifte ihn außer Sichtweite der bewaffneten Katzen.
    Diese hatten von dem ganzen Trubel nichts mitbekommen und stachen weiter in Gestrüpp und Schatten. Selbst wenn sie von den kurzen, dumpfen Schlaggeräuschen das eine oder andere aufgeschnappt hätten, wäre es genauso gut möglich gewesen, dass der Alte gerade in einem der Zelte verschwand. Zwar aufgeregt und die Ohren alarmbereit rotierend, aber freudig und mit immenser innerer Wärme in ihr aufsteigend, schleifte sie den noch lebenden Katzenmenschen weiter durch die Nacht auf eine etwas weiter entfernt liegende Baumgruppe zu. Dort sollte sie geschützt vor jedwedem zufälligem Blick in Ruhe speisen können. Bis die anderen Schnurrer bemerkten, dass sich ihr Anführer überhaupt nicht mehr im Lager befand, würde es Morgen und sie längst verschwunden sein. Zumal sich Wildtiere bei Nacht gerne in der Nähe der vereinzelten Bauminseln in der Tundra des Fürstentums aufhielten und die Aasfresser sich bis zum Morgengrauen an den Resten laben würden.
    Als die Kaiserliche mit ihrer Beute an ihrem Ziel ankam und sie liegen ließ, schlug diese die Augen auf. Desorientiert und panisch rappelte sich der Kater auf, breite Blutbahnen zogen sich über sein Gesicht und von der Schulter über den Leib. Tiefe Schnitte ihrer Zähne ließen weißen Knochen an dünnen Hautstellen hindurchschimmern und das linke Auge lag aufgeplatzt in seiner Schädelhöhle. Schmerzerfüllt stöhnend und keuchend taumelte der halbblinde Khajiit durch die Dunkelheit im Schatten der Bäume. Lediglich Vesas rolliges Knurren brachte ihn zum Stillstand, als wäre er im Bruchteil eines Lidschlages zu Eis erstarrt. Nur sein leises, zweifelsfrei ängstliches Schnurren zeugte von seinem restlichen Leben. Er stank nach Angst und vermutlich lag das nicht zuletzt an dem nassen Fleck, der sich hüftabwärts in seinen Gewändern abzuzeichnen begann. Von der gönnerhaften Gestalt des Schnurrers, wie am Tag ihrer Ankunft in Weißlauf, blieb nichts als ein Häufchen Elend. Sich noch kurz am Anblick labend umkreiste sie ihn, streifte raschelnd einige Zweige und knurrte leise weiter mit zurückgezogenen Lefzen.
    „B-b-bi-t-t-tte“, stammelte der Kater, als wüsste er, dass ihn kein normaler Wolf als Beute auserkoren hatte. Im letzten Moment seines Lebens erlaubte die Jägerin ihm noch einen Blick auf jene Gestalt, die ihm im silbernen Schein der fast vollen Monde nachgestellt und zugeschlagen hatte. Dann sprang sie ihn unvermittelt an. Die von weiten Stoffärmeln bedeckten Arme, die er zu seinem Schutze hochriss, zerfetzte sie mühelos noch während er auf den Rücken fiel und sie auf ihm landete. Bis auf die Knochen zerfleischt, schlug sie die schlaffen Glieder zur Seite und zerbiss dem grauen Khajiit schließlich die Kehle – ein finaler Akt der Gnade, um ihm das Leid eines aufgebrochenen Brustkorbes zu ersparen, wie es einer der Nord in der vorherigen Nacht ertragen musste. Berauscht von ihrem Erfolg und ihrer Güte machte sie sich schließlich über ihn her, genoss die Schwere und Bitterkeit des Eisens, als sie sein Herz hinunterschlang und gierig von seinem warmen Blut trank. Völlig von benebelt vom Fieber der Jagd schlug sie ihm immer wieder die Klauen in den schlaffen Leib, schlitzte ihn auf, um noch mehr von ihm zehrte.
    Knackendes Holz brachte die Kaiserliche dazu, sämtliche Schändungen zu beenden sich ruckartig umzudrehen. Im Dunkel unter einigen Zweigen, aber für sie deutlich in der graumelierten Umgebung zu erkennen, schälte sich ein schlanker, fast schwarz erscheinender Wolf hervor. Wachsam schnuppernd und mit hochgereckten Ohren beobachtete er die Werwölfin, die auf die Hinterläufe erhoben über ihrer Beute thronte. Die bluttriefenden Pranken mit den Armen ausgebreitet zog sie die Lefzen zurück und entblößte die scharfen Zähne, an denen noch Reste der Katze hingen. Tief knurrend machte sie ihrem mehr oder weniger Artverwandten deutlich, dass er sich zurückzuhalten hatte. Seine beiden Rudelpartner, die ihn inzwischen flankierten, senkten mit ihm zusammen knurrend das Haupt, blieben aber wo sie waren.
    In Ruhe wandte sich Vesana ihrem Schnurrer zu, labte sich noch für einige Momente, putzte sich anschließend Fasern aus dem Maul und leckte die Pfoten sauber. Erst danach überließ sie den Kadaver den Wölfen und spurtete vom Fleischsaft und dem Katzenherz gestärkt durch die Nacht. Zeit noch etwas herumzutollen blieb genug bis zum Morgengrauen. Das eine oder andere Reh zu hetzen, sie musste es nicht einmal erlegen, sondern einfach zur eigenen Verausgabung, sorgte stets für Freude.



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    Geändert von Bahaar (03.01.2014 um 13:41 Uhr)

  8. #8

    Himmelsrand, Weißlauf, Umland

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    Am Morgen tauchte Vesana in die Kälte eines kleinen Teiches außerhalb der Mauern Weißlaufs ab. Es handelte sich um denselben Tümpel, den sie schon in der vorletzten Nacht dazu genutzt hatte, sich zu reinigen. Nach der Letzten jedoch war es ihr nicht so recht gelungen, sämtlichen Schmutz von sich zu waschen und so wiederholte sie es in menschlicher Gestalt erneut. Abgesehen davon weckte das kühle Nass die Lebensgeister und es half gegen die unveränderten Kopfschmerzen, die gelegentlich wie Speere durch ihren Schädel stachen und sich sonst wie kneifende Käfer in die Haut bissen. So aber lähmte das Wasser die Nerven und die Stille unter der Oberfläche beruhigte die inzwischen trotz der Beute empfindsameren Ohren. Die Haare spielten ihr um Gesicht und Schultern während die Kaiserliche mit geschlossenen Augen unter der Oberfläche ausharrte, bis ihr die Luft ausging. Erst im letztmöglichen Moment tauchte sie tief luftholend auf.
    Sie verschwand bis zu den Schlüsselbeinen im dunklen Nass, wenn sie auf dem Boden stand und leichtes Zittern begann von ihr Besitz zu ergreifen, als frische Böen über die Oberfläche des Teiches und ihre bis auf die Kopfhaut durchnässten Haare streichelten. Sie brachten zunehmend dunklere Wolken aus dem Westen heran und spätestens zum Mittag mochten sie wohl die Sonne verdeckt haben. Die letzten wärmenden Strahlen folglich bestmöglich ausnutzend begann Vesa damit, sich die mittlerweile aufgeweichten Blutsreste vom Leib zu rubbeln und begab sich anschließend näher zum Ufer. Bevor sie ganz aus den still daliegenden Fluten stieg, die lediglich vom zufließenden Bach geringfügig aufgebracht wurden, schaute sie sich noch einmal um. Zwar glaubte sie nicht, dass sie hier jemand beobachten, oder überhaupt durch Zufall finden würde, aber sie ging lieber sicher.
    Erst danach stieg sie hinaus. Dicke Perlen rannen über ihre Haut, kitzelten sie und brachten die noch so feinsten Härchen an ihrem Körper dazu, sich aufzustellen. Der Wind verstärkte diesen Effekt und unangenehme Schauer rannen der Jägerin den Rücken hinab. Schnell rang sie ihr langes Haar aus und legte es in einen Knoten an den Hinterkopf. Einige Strähnen fielen ihr zwar ins Gesicht und reizten die Nasenspitze, doch auch die strich sie noch hinter die Ohren bevor sie sie zum Niesen brachten. Mit dem nahezu weißen, cremefarbenen Stoffband fixierte Vesana den Haarknoten, legte es in eine kleine Schleife und ließ die langen Enden des Bands ins Genick hinabfallen. Erst danach, noch immer feucht, schlüpfte sie in die saphirblaue Tunika und den Rest ihrer Sachen. Klamm legte sie sich an ihren Körper, aber die Sonne würde sie sicherlich noch ausreichend trocknen, bevor die Wolken gänzlich die Macht am Himmel übernahmen.
    So hergerichtet und erfrischt spazierte die Jägerin unterhalb der Stadtmauern zur Hauptstraße und den sich daran anreihenden Gehöften. Begleitet vom Geruch frisch umgegrabener, abgeernteter Äcker huschte sie am Rande der Felder entlang bis sie den gepflasterten Weg erreichte, den sie wenige Tage zuvor bereits mit Hrothluf an ihrer Seite passiert hatte. Bei dem Gedanken an den Nord verzog sie das Gesicht und schob ihn schnell beiseite. Überdies erreichte sie ohnehin bald die Stallungen und kam somit in die Nähe des Katzenlagers, das sie im Gehen mit gewissem Interesse beobachtete. Ungeordnetes Durcheinander herrschte dort. Unter der Aufsicht einiger Wachen, die ausgesprochen angespannt wirkten, bauten die Schnurrer ihre Zelte ab. Sie wirkten dabei aufgebracht, fast schon etwas panisch. Ein schmales, ahnendes Lächeln stahl sich auf die Lippen der Kaiserlichen, kräuselte die Mundwinkel und entspannte die Kopfhaut angenehm.
    „Was geht hier vor sich?“, fragte sie eine der Wachen, die den Durchgang des ehemaligen Stadttores flankierten und sich nicht in unmittelbarer Nähe zum Lager befanden.
    „In der Nacht hat ein Rudel Wölfe ihren Anführer gerissen und jetzt haben sie Angst, als wäre ihre gesamte Sippe in Gefahr.“ Der bärtige Nord, der auf Vesana hinabblicken musste, rollte die dunklen Augen. „Ihr solltet besser weitergehen. Diese Khajiit glauben, dass es keine gewöhnlichen Wölfe waren, die ihren Häuptling gerissen haben – was auch immer das heißen soll – und gehen jeden an, der keine Rüstung des Jarls trägt oder sie schief anschaut.“ Er schüttelte sacht mit dem Kopf bis ihm einige Strähnen seines dunkelblonden Haares unter dem Helm ins Gesicht fielen. Die Kaiserliche hob in gespielter Verwunderung und Erkenntnis die Augenbrauen hoch.
    „Danke für den Hinweis. Dann mal noch viel Glück hier.“ Sie wandte sich zum Gehen.
    „Danke, einen schönen Ta- Wouh, Moment!“
    „Ja?“ Einen Schritt hinter der Wache blieb sie stehen und drehte sich zu ihr um.
    „Ist das Fell, das da aus Eurem Ohr kommt?“ Ihr Herz machte einen Satz in völligem Schock, nur mit Mühe milderte sie die Entgleisung ihres Gesichtes und sie starrte den Mann sprachlos an. Doch dann vernahm sie ein Lachen wenige Schrittlängen entfernt. Der Kamerad ihres Gegenübers am anderen Ende des alten Stadttores krümmte sich und hielt sich den Bauch, als sie zu ihm hinüberblickte. Und auch der Nord vor ihr begann nun laut los zu lachen. Ihr dämmerte, dass sie einem üblen Scherz aufgesessen war.
    Die Fassung zurückgewinnend setzte sie zu einer Antwort an: „Vielleicht.“ Sie spitzte die Lippen in einem herausfordernden Lächeln. „Wollt Ihr herausfinden von welchem Tier es stammt?“ Jetzt war es die Wache, die kurz starrte, dann aber erneut lachte.
    „Ich hoffe, es kratzt nicht so wie die Katzen da drüben.“
    „Keine Sorge, es beißt nur.“ Sie stieß ein kurzes Knurren aus, das dem Tier in ihr jedoch keinesfalls gerecht wurde. Zu realistisch wollte sie es dann doch nicht klingen lassen. Der Kamerad auf der anderen Seite des Tordurchgangs pfiff verheißungsvoll. Es entlockte der Kaiserlichen nur ein leises Seufzen. „Nett, Eure Bekanntschaft gemacht zu haben. Viel Spaß bei den Nächsten, an denen Ihr Euren Scherz ausprobiert.“
    „Gleichsam, danke. Habt einen angenehmen Tag.“ Er nickte ihr zu und ließ sie ziehen. Diesmal war es sein Kumpan, der die Kaiserliche abermals zum Stehen brachte. Ein langes, gedehntes Seufzen der Enttäuschung ließ darauf schließen, dass er einen anderen Ausgang des Geplänkels zwischen ihr und der Wache erwartet hatte. „Halt die Klappe!“, fuhr diese ihn deshalb direkt an, grummelte aber kurz darauf resignierend, als Vesana bereits weitergegangen war. „Wartet“, bat der Nord laut. Wieder hielt sie inne. „Wäret Ihr so gnädig mir Euren Namen zu verraten?“
    Inzwischen verlor die ursprüngliche Auseinandersetzung mit dem Mann, der wohl eine Handvoll Jahr älter sein mochte als Vesa, ihren spaßigen Reiz. Dennoch wandte sie sich ihm zu. Er war einen Schritt auf sie zugetreten und stand nun direkt unter dem Tordurchgang etwas im Schatten. Obwohl die Rüstung viel verbarg, erkannte sie seinen kräftigen, muskulösen Körper, der zweifelsfrei zum Kämpfen fähig war. Die schulterlangen Haare schauten unter dem eisernen Helm hervor, der das markige Gesicht mit dem vollen Bart aussparte. An sich kein schlechter Anblick, auch nicht zu alt. Aber dennoch nichts, worauf sie sich eingelassen hätte.
    Es hatte ihr tatsächlich wieder etwas Spaß bereitet, mit ihm zu spielen und auch er mochte augenscheinlich seine Freude gehabt haben – dabei sollte es allerdings auch bleiben. Er wollte mehr als sie bereit war zu geben, und das galt generell und unabhängig von der jüngeren Vergangenheit. Sein nicht völlig untalentiertes Bemühen honorierend, schenkte ihm Vesana ein schmales Lächeln, welches aber ebenso wie ihr längeres Schweigen bereits verriet, dass er ihr zu nahe kam. „Verzeiht“, kam er einer Antwort von ihr zuvor und neigte des Haupt und den Oberkörper leicht nach vorn. Als er sie wieder hob blickte sie ihn ein letztes Mal an und wandte sich dann endgültig zum Gehen.
    Schmunzelnd und leichtfüßig trat sie in die Stadt ein und kehrte gegen das Getümmel auf den Straßen ankämpfend nach Jorrvaskr zurück. „Guten Morgen, Liebes“, grüßte Tilma als die Jägerin ins rauchige Innere der Halle der Gefährten trat.
    „Guten Morgen“, entgegnete sie und wollte sich an den langen gedeckten Tisch zu Farkas und Skjor setzen, die noch frühstückten. Allerdings hielt sie Vilkas davon ab, der schnell auf sie zutrat. Hinter ihm türmten sich zwei hünenhafte Stadtwachen in schweren Rüstungen auf. Sie standen im krassen Gegensatz zu den eher leicht Gerüsteten am Tor und auf den Straßen, vor allem aber auch zu dem in eine einfache, schwarzbraun gefärbte Tunika gehüllten Gefährten vor ihnen.
    „Vesa, warte“, bat er in einem Ton, der ebenso Sorge wie Verärgerung mit sich führte. Ob sie ihr galten oder etwas anderem vermochte die Kaiserliche nicht zu sagen.
    „Vilkas, was ist los?“
    „Das wüsste ich auch gern.“ Eine der Wachen nahm ihren rundum geschlossenen Helm ab. Darunter kam ein glattrasiertes, von zahlreichen Kämpfen gezeichnetes Gesicht zum Vorschein. Dunkle, teils grauverfärbte Haare umspielten das Gesicht bis zu den Wangen. Zweifelsfrei gehörten die zwei Männer zu den Gardisten der Drachenfeste – direkte Leibwächter des Fürsten von Weißlauf und seinem Gefolge.
    „Ihr werdet gebeten, mit uns zu kommen“, sprach der Nord, der sich den Helm unter den Arm geklemmt hatte. Vesanas Gesicht versteinerte und zeigte nichts, von ihrem unangenehm wild pochenden Herzen. Mühsam zwang sie sich ruhig zu atmen und die Verwunderung zu verbergen.
    „Eine Bitte würde voraussetzen, dass ich eine Wahl habe.“
    „Reine Freundlichkeit.“
    „Würdet Ihr mir erklären, um was es hier geht?“ Inzwischen stand die Jägerin frontal zu den beiden Wachen, die Hände vor der Hüfte verschränkt und in der Nähe ihres Dolches – nicht dass er ihr gegen die zwei schwer Gerüsteten viel genützt hätte, Schwertgriffe mit Platz für zwei Hände ragten über ihren Schultern auf. Vilkas flankierte sie und im Hintergrund sah sie Aela und die restlichen Zirkelmitglieder in argwöhnischen Posen die Szenerie beobachten und dem Gespräch lauschen.
    „Es wird Euch in der Drachenfeste alles Nötige mitgeteilt werden.“ Das Gesicht des Nords verriet ebenso wenig über Motive, Kenntnis und Einstellung gegenüber Vesana, wie deren Gesicht über ihre Wut und Sorge.
    „Muss sie allein gehen, oder wird es gestattet, sie zu begleiten?“, hakte Vilkas nach.
    „Sofern Eure Empörung berechtigt ist, wird dies nicht nötig sein. Daher: Nein, es wird nicht gestattet.“ Es kam zu einem kurzen Blickduell zwischen dem Gardisten und dem wesentlich kleineren Gefährten. Danach wandte sich ersterer wieder der Kaiserlichen zu. „Jetzt kommt, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“



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    Geändert von Bahaar (10.01.2014 um 15:55 Uhr)

  9. #9

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Scheppernd ob der zahlreichen schweren Stahlplatten seiner Rüstung schritt der Nord, der zuvor mit ihr gesprochen hatte, vor Vesana her. Sein nicht weniger Krach verursachender Kamerad stiefelte neben der Kaiserlichen. Was er für einer sein mochte, konnte sie unmöglich sagen. Durch die schmalen Sehschlitze im Vollhelm ließ sich nichts darunter erkennen und auch so hüllte sich jedes noch so kleine Fleckchen seiner Haut in Leder oder Metall. Der Größe und Statur nach zu urteilen musste aber wohl auch er ein Nord sein. Wirklich eine Rolle spielte es allerdings nicht und sie versuchte sich wieder darauf zu fokussieren, alle Gründe für und Auswege aus dieser Situation zu finden.
    Zähneknirschend dass es ihre Kopfschmerzen aufflammen ließ, folgte sie den Männern die langen Treppen hinauf zur Drachenfeste. Die Hände im Rücken über dem Gesäß ineinander verschränkt spielten die Finger vor den Augen der Gardisten verborgen nervös miteinander. Eine Art kontrollierter Überlauf für die unangenehme Unruhe, die in ihrem Bauch wütete wie ein Troll und die Lungen und das Herz kitzelte wie Federn Füße. Nur auf diese Weise konnte sie sich ansonsten ruhig geben, vielleicht nicht unbedingt gelassen, aber doch beherrscht und in Kontrolle. Schlimm war auch nicht die Tatsache, dass sie die Männer so unverhofft abgeholt hatten, sondern dass Vesa nicht der leiseste Hauch einer Ahnung kam, warum sie es getan hatten. Die Wegelagerer? Der Khajiit? Sie glaubte eigentlich nicht daran, und doch zweifelte sie an ihrer eigenen Fähigkeit ihre Spuren zu vertuschen. Einer der häufigeren, nicht gänzlich legalen Überfälle auf die Silberne Hand? Dann wären allerdings noch andere Gefährten im Visier der Justiz Weißlaufs.
    Es spielte keine Rolle. Das Trio erreichte den in der Ostflanke des imposanten Fürstensitzes liegenden Zugang zum Kerker. Ihr Wegführer öffnete den schweren, eisenbeschlagenen Durchgang. In den Scharnieren quietschend und knarrend schob sich das dicke Holz nach innen auf. Er trat als erster ein, es folgte Vesana, dann die zweite Wache, welche wiederum die Tür schloss und somit sämtliches Tageslicht aussperrte. Erst dann nahm der Nord, der zuvor schon gesprochen hatte, abermals seinen Helm ab und legte ihn auf einem Holzständer neben einem Schreibtisch ab. Danach bedeutete er ihr ihm weiter zu folgen. Tiefer in die feuchten Gänge unter der Drachenfeste eintauchend liefen sie im Gänsemarsch weiter. Die kühle Luft ließ die Kaiserliche schaudern und der Griff ihrer Hände umeinander, die noch immer in ihrem Rücken lagen, verfestigte sich. Das flackernde Zwielicht der Fackeln an den Wänden, das endlos widerhallende Scheppern und Schaben der Rüstungen der zwei Männer und das gelegentliche Schluchzen, Jaulen, Johlen, oder anderweitig animalisch klingende Geräusche der Gefangenen in ihren Zellen verbesserten ihr Befinden nicht gerade. Glücklicherweise befanden sie sich noch in dem Bereich, in dem die Käfige für frisch Inhaftierte lagen, deren Schuld wohl noch nicht gänzlich be- oder widerlegt, oder deren Verfahren schlicht noch nicht abgeschlossen war, weshalb die tierischen Laute nur aus weiter Ferne durch den Korridor hallten.
    Schließlich erreichten die Drei eine schiefe Holztür, die auch sogleich geöffnet wurde. „Hier hinein“, wies sie der helmlose Nord an, nahm ihr jedoch zunächst noch ihren Dolch ab. Im Vorbeigehen schaute sie ihn ein letztes Mal von unten her an, bevor er ihr mit seinem Kumpan folgte und an der geschlossenen Tür stehen blieb. An der Wand gegenüber standen zwei weitere Wachen in denselben schweren Rüstungen mit dem Wappen des Fürsten auf der Brust. In dem vergleichsweise sauberen und trockenen Zimmer ohne Fenster stand ein rechteckiger Tisch aus massivem Holz. An jeder Seite schmiegte sich ein Stuhl an ihn an. Auf einem dieser saß ein Nord mit offenen, rotbraunen Haaren bis auf die Schultern und einem Vollbart. Als er aufblickte, erkannte sie ihn als Hrothluf. Mühevoll verkniff sich die Jägerin ein Wort und schenkte ihm stattdessen einfach nur einen mörderischen Blick der Verachtung. Eine Ahnung ergriff sie, weshalb sie hierher gebracht wurde.
    Genau in diesem Moment trat eine weitere Gestalt aus der dunkelsten Ecke schräg hinter ihr hervor. Ein schlanker Mann mit dunkelblondem, kurzem Haar und glattrasiertem, kantigen Gesicht. Edle Kleidung – Wildlederschuhe mit seidener Tuchverzierung in Cyanblau, die weite Seidenhose in Beige und einem ebenfalls blauen Tuch als Gürtel – verhüllte seinen schlanken Leib. Das braune, tunikaartige Hemd rundete die fast schon lächerlich übertrieben teure Erscheinung ab. Ringe glitzerten an seinen Fingern und eine Pergamentrolle klemmte unter seinem Arm. Hätten seine graublauen Augen nicht so listig wie die eines Fuchses und so wach wie jene eines Adlers gefunkelt, Vesana wäre fast dazu geneigt gewesen, ihn als einfachen aufgeblasenen Schnösel abzustempeln. Stattdessen beobachtete sie ihn ebenso wölfisch wie er sie, als er an ihr vorbeilief und sich auf den Stuhl an der gegenüberliegenden Seite des Tisches setzte. Erst jetzt bemerkte sie den Duft eisig-klarer Bergluft in dem Raum, der zweifelsfrei von dem Mann in edler Kleidung ausging.
    „Setzt Euch.“ Er wies auf den Stuhl gegenüber Hrothluf zu seiner Linken. Die Stimme glockenklar und messerscharf ließ er keinen Zweifel daran, wer in diesem Raum das Kommando innehielt. Vesana folgte der Aufforderung, die zwar nicht aggressiv oder herablassend wie jene der Wache war, aber doch bestimmend. „Mein Name ist Elgryr, falls Ihr mich nicht kennt, Justiziar des Jarls“, sprach er weiter. Sie kannte den Namen, war ihm jedoch noch nie selbst begegnet. Ohne ein Wort ließ er sich Tinte und Fass geben und rollte das unbeschriebene Stück Pergament auf dem Tisch vor sich aus. „Wisst Ihr, warum Ihr hier seid, Vesana Calvianus, Mitglied der Gefährten?“ Er tauchte die Feder in das kleine Fässchen und ließ seine Augen auf ihr ruhen. Sie hielt dem Blick entgegen. Wenn er Schwäche sehen wollte, würde sie ihm keine geben.
    „Nein.“ Sie konnte nur vermuten, was Hrothluf, dieser ehrlose Sohn einer Hündin, dem Justiziar gesagt hatte, dass er sie auf derartige Weise zu sich bringen ließ. Dieser schrieb daraufhin etwas auf, doch vermochte die Kaiserliche nicht seine seltsam verschlungene Handschrift auf dem Kopf stehend zu lesen.
    „Hmhmm.“ Er steckte den Federkiel zurück ins Fass und faltete die Hände zusammen. „Dieser Mann“, er hob nur einen Finger um auf Vesas Gegenüber zu deuten, schaute ihn jedoch nicht direkt an sondern hielt die Augen weiter auf die Kaiserliche, „bezichtigt Euch der Mittäterschaft bei den Verbrechen des Mordes und des Schmuggelns illegaler Rauschmittel.“ Er legte eine Pause ein und beobachtete sie dabei, wie sie den Blick von ihm abwandte. „Was sagt Ihr zu diesen Anschuldigungen?“ Jetzt Hrothluf anschauend verspürte sie das dringende Verlangen über den Tisch zu hechten und ihm die Kehle aus dem Hals zu reißen. Dieser räudige Lügner wollte tatsächlich versuchen, sie mit sich zu reißen, wenn man ihn hängte.
    Der Mund stand ihr leicht offen, als sie ihn anstarrte und sich auf die Zungenspitze biss. Die Lippen zitternd und die Knöchel an den Händen standen weiß hervor, als sie sich aneinander krallten. Nur sehr langsam rang sie den hohen Puls nieder und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinab. Erst danach schaute sie wieder den Justiziar an, der in der Zwischenzeit weitere Notizen gemacht hatte. Sie wollte keinem der beiden auch nur ein einziges unvernünftig herausplatzendes Wort schenken, also ließ sie sich Zeit zu überlegen. „Ich möchte hören, wie dieser Mann diese Anschuldigung zu beweisen gedenkt und welche Beweise bereits vorgebracht wurden.“
    „Die sollst Du be-“
    „Wie heißt dieser Mann?“, fragte Elgryr im Gegenzug und Hrothluf in seinem wutentbrannten Ausruf unterbrechend ohne darauf einzugehen.
    „Ich kenne Ihn als Hrothluf aus Windhelm. Doch berichtete mir Aela die Jägerin, dass er sich Euch wohl als Trargolf zu erkennen gegeben hat.“
    „Lügne-!“
    „Wann habt Ihr diesen Mann das erste Mal gesehen?“ Offenbar wollte der kriminelle Nord durch starke Emotionen eine Verbindung zu Vesana vortäuschen, die als Begründung für seine Aufregung gesehen werden konnte und ihn somit glaubwürdiger machen. Allerdings brachte ihn das bei dem Justiziar nicht sehr weit.
    „Ich habe ihn vor etwa eineinhalb Wochen in Windhelm getroffen, nachdem ich von einer Reise nach Solstheim in der Stadt ankam.“
    „Wie habt Ihr ihn kennengelernt?“
    „Ich war auf der Suche nach einem Reisekarren, der mir die Reise nach Weißlauf erleichtern würde. Die Wirtin der örtlichen Taverne gab mir den Hinweis, ich sollte bei diesem Mann nachfragen.“ Während all ihrer Wortwechsel schrieb Elgryr auf dem Pergament mit. Es handelte sich offenbar um eine Zusammenfassung des Gesagten.
    „Blöd-!“
    „Wachen, verbindet diesem Mann den Mund.“ Gesagt, getan. Hrothluf brummte nur noch aufgebracht, die in Ketten liegenden Hände klapperten unter dem Tisch. „Kann Eure Reise nach Solstheim jemand bezeugen?“ Inzwischen kam es Vesana fast so vor, als wäre der Nord auf ihrer Seite. Allerdings wollte sie sich diesem Glauben nicht wirklich hingeben, sie schätzte ihn als ausgesprochen zielfixierten Menschen ein, der mit seinen Fragen sicherlich eine eigene Agenda verfolgte.
    „Sicher. Gjalund Salz-Weiser und die Besatzung seines Kahns, zahlreiche Bewohner Rabenfels‘ auf Solstheim, sowie die Skaal im Norden.“ Sie war sich nicht sicher, ob nicht womöglich jemand fehlte in der Reihe, doch auch so mochten es genug Zeugen sein.
    „Wer in Rabenfels?“ Wollte er sie nur in Sicherheit wiegen, oder befand er sich auf ihrer Seite?“
    „Der Besitzer der örtlichen Mine.“ Wie hieß er denn noch gleich? „Crescius.“ Ja, so hieß er. „Creasius Caerellius. Sowie der Wirt der Taverne und der Leiter des Tribunalstempels, Othreltoh. Einige Wachen ebenfalls.“
    „Hmhmm.“ Er schrieb fleißig mit und Vesana versuchte, während sein Blick dem Pergament galt, mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Rechtshänder, stakkatoartige Schriftführung und ziemliches Geschmiere. Dennoch knappe und präzise Fragestellungen, die bislang zu ihren Gunsten schienen. „Ihr behauptet also Eurerseits nichts mit den Geschäften dieses Mannes zu tun zu haben?“
    „So ist es.“
    „Wie kommt es dann“, er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände ineinander, „dass Ihr sehr genau wusstest, wo sich das beschlagnahmte Skooma befand?“ Jetzt kam er also, der Haken.
    „Eine Vermutung.“
    „Eine ziemlich exakte Vermutung, meint Ihr nicht auch?“
    „Mehr eine Schlussfolgerung.“
    „Was nun? Eine Vermutung oder eine Schlussfolgerung?“
    „Eine Schlussfolgerung.“
    „Wie kamt Ihr dazu?“
    „Offensichtlich kannte ich die scheinbare Ladung dieses Mannes durch unsere gemeinsame Reise von Windhelm hierher. Darüber hinaus erzählte er mir bei unserem ersten Treffen, er habe eine Ladung Schmiedeeisen. Bei meiner Wiederkehr nach Weißlauf erfuhr ich von einigen Gefährten von deren Auftrag, der wohl etwas mit dem Schmuggel von Skooma im Fürstentum zu tun hatte. Als sie mir von dem Versteck der Droge in hohlen Schmiedeeisen erzählten, berichtete ich ihnen von dem mir bis dahin als Hrothluf bekannten Nord. Vilkas, ebenfalls ein Mitglied der Gefährten, ordnete den Bericht an die Stadtwache an. Es war somit mehr seine als meine Schlussfolgerung, die lediglich auf Informationen meinerseits beruhte.“
    „Möchtet Ihr damit ausdrücken, dass Ihr bis zum Zeitpunkt der Festnahme dieses Mannes keinerlei Kenntnis über dessen Tätigkeit als Schmuggler hattet?“
    „So ist es.“
    „Wie kommt es dann, dass er Euch der Stadtwache gegenüber lediglich als ‚Nevara‘ identifiziert hat – ein offensichtlicher Deckname – wo Ihr doch eigentlich Vesana Calvianus heißt – das ist doch Euer richtiger Name, nehme ich an?“ Der Kaiserlichen lief es eiskalt den Rücken hinab und die zwischenzeitlich etwas entspannten Finger krallten sich wieder fester aneinander. Ihr fehlten die Worte. Was sollte sie auch sagen? Dass es ein Deckname war, den sie auf Reisen benutzte? Warum brauchte sie auf Reisen überhaupt einen Decknamen? Weil sie sonst noch schneller von der Morag Tong aufgegriffen werden würde. Und warum war die Tong hinter ihr her? Zähneknirschend schwieg sie stattdessen. „Ihr möchtet dazu nichts sagen?“, fragte Elgryr nach.
    „Auf Reisen begegnet man vielen Leuten, die man falsch einschätzt. Um sicher zu gehen, dass sie keine Verbindung zu mir herstellen können, verwende ich diesen Namen“, log sie, was ihr wenigstens wie eine einigermaßen plausible Erklärung erschien und sogar im Ansatz einen gewissen Funken Wahrheit enthielt. „Der volle Name würde Nevara Cassidian lauten. Diesen können Euch auch die genannten Personen auf Solstheim bestätigen“, rundete sie mit einer echten Wahrheit ab.
    „Womöglich solltet Ihr dann vorsichtiger mit anderen Informationen umgehen, die Ihr preisgebt.“ Die Skepsis troff aus seinen Worten und erstmals zeigte er eine Regung durch die leicht hochgezogene Augenbraue. Und doch hatte er Recht. Nie hätte sie Hrothluf davon erzählen dürfen, dass sie von der Kämpfergilde gekommen war und sich den Gefährten angeschlossen hatte. Sie hätte ihm gar nichts erzählen dürfen.



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    Geändert von Bahaar (17.01.2014 um 15:47 Uhr)

  10. #10

    Himmelsrand, Weißlauf

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    „Wie lange dauerte Eure Reise an?“, wechselte der Justiziar das Thema.
    „Ich bin vor inzwischen achteinhalb Wochen von Weißlauf aufgebrochen. Das können Euch die Mitglieder der Gefährten bestätigen“, antwortete Vesana wahrheitsgemäß.
    „Hmhmm.“ Das Pergament füllte sich allmählich mit Schriftzeichen. „Was war der Grund für Eure Reise?“
    „Private Gründe.“
    „Zum Beispiel?“
    Die Jägerin schloss für einen kurzen Moment die Augen, um durchzuatmen. Die Skepsis und Zweifel, die der Nord hinter seinen kühlen Formulierungen verbarg, stachen wie ein Dolch aus dem Schatten zu und versuchten sie zweifelsfrei aus der Ruhe zu bringen. „Gründe jener Art, die nichts mit meiner Verbindung zu diesem Mann“, sie nickte in Richtung Hrothluf ohne die Augen von Elgryr zu nehmen, „zu tun haben und Euch somit nichts angehen.“ Nur mit Mühe hielt sie den Zorn in ihrer Stimme in einem vertretbaren Rahmen, gleichzeitig fraßen sich aber auch Unsicherheit und Selbstzweifel in sie hinein. Der rohthaarige Nord auf der anderen Seite des Tisches war inzwischen noch stiller geworden, als es der Knebel in seinem Mund ohnehin schon provozierte. Die hauchdünnen Fältchen um seine Augen verrieten seine Zufriedenheit damit, die Kaiserliche unter den Fragen des Justiziars straucheln zu sehen.
    Elgryr nahm ihre Antwort ohne ein Zucken schriftlich zur Kenntnis. „Wie lange wart Ihr vor dieser Reihe für die Gemeinschaft der Gefährten tätig?“
    „Mehrere Jahre.“
    „Und davor?“
    „Für die Kämpfergilde in Bruma.“
    „Gut.“ Mehr sagte er dazu nicht. Es konnte ebenso gut bedeuten, dass er sie für schuldig hielt, wie dass er sie unschuldig befand. „Wache, entfernt die Mundfessel dieses Mannes.“ Hrothluf holte erst einmal tief Luft und schien Speichel im ausgetrockneten Mund zu verteilen.
    „Ihr habt gestanden, Skooma geschmuggelt zu haben, ist das richtig?“
    „Dafür besteht scheinbar keine Notwendigkeit.“
    „Erzählt nochmals, wie Ihr diese Frau“, der Justiziar nickte in Vesanas Richtung während er den Rothaarigen anschaute, „kennt.“ Ihr Magen drehte sich um und leichtes Zittern ergriff von ihr Besitz, das sie mit dem Wippen des linken Fußes abzuleiten versuchte.
    „Wir sind seid einigen Jahren Geschäftspartner“, log Hrothluf in einer Ruhe, die ihn beängstigend glaubhaft erscheinen ließ. Kein Zucken, kein nervöses Tippen der Finger verriet, dass er so weit von der Wahrheit entfernt war, wie die Monde am Himmel hoch standen. „Wir sind uns irgendwann einmal in der hiesigen Taverne begegnet.“
    „Weshalb wart Ihr in Windhelm?“
    „Wir wollten uns dort treffen.“
    „‚Wir‘ heißt …?“
    „Meine Partnerin und ich.“ Alles in Vesa verlangte danach diesem elenden Lügner den Hals umzudrehen, ihn anzuschreien und zu quälen bis er langsam starb. Der Mund stand in Fassungslosigkeit kaum merklich leicht geöffnet und die Lippe zog sie unterbewusst linksseitig etwas hoch, so dass die spitzen Eckzähne aufblitzten. Die Finger krallten sich fester und ihr wurde allmählich übel. Von den Kopfschmerzen ganz zu schweigen.
    „Wie wurde dieses Treffen vereinbart?“
    „Sie schrieb mir einen Brief.“
    „Diesen Brief?“ Der Justiziar winkte eine Wache mit dem erhobenen Zeigefinger zu sich und bekam einen Umschlag gereicht, aus dem er gleich darauf ein Stück Papier holte. „Trefft mich in einer Woche in der Taverne in Windhelm. Gezeichnet N.. Diesen Brief?“
    „Ja, dieser.“
    „Das ist“, platzte es aus Vesana unkontrolliert heraus, bevor sie sich wieder beherrschte, „schlicht nicht möglich.“
    „Ich bat Euch nicht zu Wort.“
    „Verzeiht.“
    „Aber wo Ihr doch schon anfangt, so sagt, warum es nicht möglich sein soll.“
    „Gjalund Salz-Weiser fährt lediglich alle paar Tage von Rabenfels nach Windhelm und er ist der einzige, der dies tut. Ich hätte einen Brief nur über sein Boot nach Himmelsrand senden können und von Windhelm hätte ein Bote übernehmen müssen. Der Brief wäre somit weit über eine Woche unterwegs bevor er diesen Mann dort erreicht hätte.“
    „Nun, wir wissen nicht, ob Ihr wirklich auf Solstheim wart, oder?“ Sprachlos starrte Vesana zurück. Elgryr schien nicht das geringste Interesse daran zu haben, Ihr zu glauben. Hrothluf lächelte schmal und überlegen.
    „Weshalb wollte diese Frau mit Euch nach Weißlauf?“, fragte er ohne weiter auf die Kaiserliche einzugehen den rothaarigen Nord.
    „Das sagte sie mir nicht.“
    „Und Ihr machtet es weshalb?“
    „Wir sind Geschäftspartner, da macht man so etwas.“
    „Hmhmm. Welchen Grund könnte sie gehabt haben, Euch zu verraten?“
    „Das wüsste ich auch gern, denn ich habe keine Ahnung.“
    „Gut.“ Der Justiziar legte die Feder neben dem Tintenfass ab und pustete über die letzten, frischen Zeichen auf dem Pergament vor ihm, bevor er es zusammenrollte und die Hände über ihm zusammenfaltete. Inzwischen knirschte Vesa wieder mit den Zähnen und rang mit den heftiger stechenden Kopfschmerzen. Sie raubten ihr mittlerweile die Fähigkeit, wirklich klar zu Denken und sich eine Lösungsstrategie zu überlegen. Doch dafür sollte zunächst keine Notwendigkeit mehr bestehen, denn Elgryr sprach weiter. „Wachen, führt diesen Mann zurück in seine Zelle und geleitet diese Frau nach draußen.“
    Was?!“, platzte es aus dem Nord heraus. Der Kaiserlichen fielen die ineinander verkrampften Hände auseinander und unkontrolliertes Zucken ob der Überraschung ergriff von ihrer linken Augenbraue Besitzt.
    „Ganz recht. Ihr“, der Jutiziar schaute Hrothluf an, „wurdet mit dem Skooma festgenommen. Sie nicht. Es steht also einzig Aussage gegen Aussage, wobei sich ihre Geschichte schnell überprüfen lassen sollte. Sofern Ihr mir nicht benennt, an wen die Ware geliefert werden sollte, steht Eure Aussage folglich allein, was mir insgesamt wiederum keine andere Wahl lässt, als Eure ‚Partnerin‘ vorläufig wieder frei zu lassen – hier herrscht das Gesetz und nicht die Willkür jener, die es zu brechen gedenken.“ Damit erhob sich der edel gekleidete Nord, nahm die Pergamentrolle vom Tisch und verließ das Zimmer.
    Die Gardisten, die an der Wand hinter dem Untersuchungsführenden des Jarls gestanden hatte hievten nun Hrothluf auf die Füße und schleiften in ebenfalls aus dem Raum. Er schien zu schockiert, als dass er sich zu wehren vermocht hätte. Das Rasseln seiner eisernen Fesseln verhallte bald in den Weiten des Kerkers. Noch immer in Schockstarre harrte Vesana als letzte der Verhörsteilnehmer am Tisch aus. Erst als die Wache, die ihren Helm abgesetzt hatte, den Dolch der Jägerin vor ihr auf dem Tisch ablegte, riss sich diese los. Geistesabwesend und durcheinander nahm sie sich ihre Waffe und stand auf. Schweigend und zu kaum mehr als einer Mischung aus Erleichterung, Wut und Verwunderung im Stande, trottete sie den Wachen hinterher. Ein Gedanke jagte den nächsten und es war ihr unmöglich zu sagen, wie viel der Unruhe tatsächlich auf das eben beendete Verhör zurückging und was nicht doch von Kopfschmerzen und Mondphase, oder der Wut auf ihre eigene Dummheit kam.
    Egal was, erst an der frischen Luft gewann die Kaiserliche ihre Standfestigkeit zurück. Mit gestrafften Schultern und aufrecht wollte sie mit schnellen Schritten nach Jorrvaskr zurückkehren.



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    Geändert von Bahaar (25.01.2014 um 13:54 Uhr)

  11. #11

    Himmelsrand, Weißlauf

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    Mit straffen Schritten ließ sie die Drachenfeste hinter sich und stapfte die zahlreichen Stufen hinab zum Platz des Güldengrünbaums. Erst dort verlangsamte sie ihr Tempo und blieb bald darauf stehen, als sie die Traube von Leuten bemerkte, die sich am oberen Ende der Stiege zum Marktplatz versammelt hatte. Aufgeregt redeten die Menschen dort miteinander und reckten sich immer wieder in die Höhe um über die Köpfe derer zu spähen, die vor ihnen Standen. Noch immer wütend, dennoch auch neugierig geworden, näherte sich Vesana der Meute und schob sich an den Rand, um besser sehen zu können. Schnell klärte sich auf, warum sich so viele Leute hier zusammengefunden hatten.
    In der Mitte des kleinen Platzes, der von zahlreichen Ständen, der Taverne und den Läden der Alchemistin und Belethors eingerahmt wurde, stand ein einfaches Holzgerüst mit erhobener Plattform und einer Balkenkonstruktion darüber. Von dem Querbalken baumelte ein dickes Seil, das sich am unteren Ende in eine Schlinge formte. Drei hochgewachsene Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten, standen auf dem Galgenbau. Ein sehr gepflegter Nord in feiner Kleidung, nicht so aufgeblasen wie Elgryr, aber doch hochwertig. Augenscheinlich ein Beauftragter des Jarls. Der nächste trug zu seiner groben Lederkleidung eine einfache Stoffmaske, die seinen Kopf verhüllte – der Henker. Und der Letzte im Bunde mit den Händen auf dem Rücken gefesselt, nun den kannte die Kaiserliche nur zu gut. Zweimal war er ihr inzwischen begegnet. Einmal hatte sie ihn entkommen lassen und ein weiteres Mal sträubte er sich gegen seine Verhaftung. Seine Erscheinung wirkte inzwischen durch und durch gebrochen. Die Schultern hängend, der Kopf gesenkt und die Leinenkleidung, die den Verurteilten im Kerker des Fürsten zugeteilt wurde, von oben bis unten verdreckt und zerschlissen. Leichtes Zittern hielt den Straßenräuber in festem Griff.
    Wenigstens etwas Erfreuliches an diesem Tag, dessen Wetter sich inzwischen der Stimmung der Jägerin angepasst hatte und mit feucht-kühler Luft, sowie der Abwesenheit der Sonne aufwartete. Zwar vermochte es kaum, ihren Groll und die Lust, einen gewissen Nord seines Lebens zu berauben, zu besänftigen, doch wenigstens entlockte es ihren versteinerten Gesichtszügen vorrübergehend ein schiefes, gefälliges Lächeln. Der Mann in der guten Kleidung entrollte eine Schriftrolle und reckte sich der Menge entgegen. „Raindaal Wulfgar Bärenpranke, Ihr wurdet der folgenden Verbrechen für schuldig befunden“, rief er laut aus und hob anschließend kurz den Kopf, um über die Menge zu blicken. Diese grölte bereits. Eine Frau rief „Hängt Ihn endlich!“ von der Seite und andere stiegen ein. „Diebstahl!“, begann der Nord auf dem Podest die Liste. „Räuberei!“, setzte er fort und ließ jedes Mal einige Lidschläge Pause bevor er weiter aufzählte. „Mord in drei Fällen!“ Die Menge tobte. „Tod!“, riefen einige aus unterschiedlichen Richtungen. „Und Belästigung des Jarls!“, endete der Sprecher. Er senkte die Schriftrolle und blickte erneut über die versammelten Leute. „Ihr wurdet deshalb zum Tode durch den Strang verurteilt.“ Anschließend trat er etwas zu Seite und ließ den Henker den Verurteilten vorführen. „Habt Ihr letzte Worte, die Ihr uns mitteilen möchtet?“
    „Ich habe niemanden getötet“, sprach er so leise, dass es Vesana nicht vernommen hätte, wären ihre Sinne nicht bereits überempfindlich geschärft.
    „Was für eine Verschwendung letzter Worte“, spottete der gut gekleidete Nord, die Zuschauer stiegen in sein verhaltenes Lachen ein, und gab dem Henker per Handzeichen zu verstehen, dass er beginnen solle. Kraftvoll stieß er den Räuber nach hinten unter den Balken, legte ihm die Schlinge um den Hals und zog sie fest. Anschließend trat er zur Seite an einen Hebel und packte ihn mit beiden Händen.
    Das Gesicht des Verurteilten nahm nun trauervolle, kreidebleiche Züge an. Es sah von dort, wo die Jägerin stand, so aus, als würde er weinen. Das Zittern verstärkte sich und hätte ihn der Strick nicht daran gehindert, er hätte sich wohl vorgebeugt und wäre auf die Knie gefallen. Doch viel mehr gab es von ihm auch nicht zu sehen. Nach einem Kopfnicken des Sprechers zog der Henker an dem Hebel und eine Klappe im Boden des Podestes, direkt unter den Füßen des Räubers, sprang auf. Der kümmerlich erscheinende Nord fiel nicht sehr tief in den Strick und baumelte mit den Knien auf der Höhe der Luke.
    „Sein Genick ist nicht gebrochen!“ – „Ooh.“ – „Haha!“ Die Meute lachte ihn schallend aus, während sich das Blut im Kopf des Verurteilten staute und sein Gesicht rot anlaufen ließ. Die Beine stießen willkürlich in die Luft, als könnten sie so den Druck auf den Hals verringern. Der Todeskampf dauerte nicht lange. Bald hing er still und so schnell, wie sich die Menge versammelt hatte, löste sie sich wieder auf.
    Inzwischen fröstelnd ob der kühlen Windstöße und der unangenehmen Luftfeuchte, die die Eindrücke aus dem Kerker frisch hielt, machte sich Vesana schließlich auf den Weg nach Jorrvaskr. Die Vorstellung, wie Hrothluf bald an einem eigenen Strick baumeln würde, ließ das bitter-süße Schmunzeln auf ihren Lippen noch einige Zeit vorhalten, aber als sie die Eingangstür zur Halle der Gefährten erreichte, war es verflogen und die reine Wut blieb in ihrer Brust zurück, wie glühende Kohlen.
    „Da bist Du ja endlich!“, begrüßte sie sogleich Farkas, der mit seinem Bruder am zentralen Feuer der Halle saß und die sich gleichzeitig umgedreht hatten, als sie die Tür öffnete.
    „Hier bin ich.“ Die Erleichterung auf den gezeichneten Gesichtern der ungleichen Nord verflog in der Dauer eines Herzschlages.
    „Was ist passiert?“, wollte Vilkas wissen, doch hob die Kaiserliche abwehrend und ablehnend die Hände.
    „Ist der Übungsplatz frei?“, stellte sie eine Gegenfrage, der Nord wirkte etwas irritiert und zog die Augenbraue hoch, nickte dann aber. „Schnapp Dir ein Schwert.“ Sie musste sich abreagieren, bevor sie auch nur ein Wort über die Vorfälle in der Drachenfeste verlor. Schnurstracks verschwand Vesa nach unten in ihr Zimmer und entledigte sich ihrer Sachen. Anstatt der zierlich-weiblichen, saphirblauen Tunika warf sie sich eine einfache in beige über und band sie mit einem Gürtel fest. Statt der Sandalen nahm sie sich festere Lederschuhe und die Haare zähmte sie in einem Pferdeschwanz, den sie mit einem Lederband festschnürte. So gekleidet ging sie zur Waffenkammer und traf dort mit Vilkas zusammen, der bereits am Tisch mit den Übungswaffen stand. Da er es besser wusste, unterließ er eine weitere Nachfrage. Seine Gefährtin würde von selbst zu sprechen beginnen, wenn sie sich dazu bereit fühlte. Aber dafür mussten sie erst einmal einige Schläge austauschen.
    Ohne großes Überlegen nahm sich Vesana gleich zwei Übungsschwerter und wandte sich zum Gehen. Ihrem Kampfpartner schenkte sie ein knappes „Danke“ und wartete, bis er soweit war. Zwar hielt er bereits ein Schwert in der Hand, bei ihrer Waffenwahl griff er allerdings dann doch noch nach einem leichten Schild an der Wand und folgte ihr schließlich. Gemeinsam traten sie auf die Terrasse hinter der Halle der Gefährten, wo Farkas und Skjor, aber auch einige der übrigen Gefährten warteten. Aela kam hinter der Ecke des Hauses hervor und gesellte sich dazu. Offenbar hatte sich herumgesprochen, was gleich passieren würde. Es störte die Kaiserliche nicht. Sollten sie ruhig zuschauen.
    Leichtfüßig, beinahe springend und auf die Zehenspitzen gestellt nahm die Kaiserliche die Stufen hinab zum Übungsplatz und rüttelte so gleich die Beinmuskulatur wach. Während sich die Schaulustigen an Pfeiler und Tische auf der Terrasse lehnten oder die Stühle zurechtrückten und sich setzten, brachten die beiden Kontrahenten einige Schrittlängen Abstand zwischen sich. Die Knie gebeugt, das Gewicht auf den Zehenspitzen und die Schwerter links und rechts der Hüfte lockend kreisend wartete die Jägerin darauf, dass ihr Gefährte ebenfalls das Zeichen gab, bereit zu sein. Lauernd wie ein hungriger Wolf, der seine Beute im Visier hat, und für den der richtige Moment wie ein Leuchtfeuer zum Angriff einlud, ging sie ohne auch nur einen Moment zu zögern direkt in den Angriff über als Vilkas den Schild ob und seine Waffe zum Stich bereit über dessen obere Kante hielt.
    Seinen Gegenangriff aus der Deckung der Holzscheibe heraus lenkte die Kaiserliche mit einem Schlag des rechten Schwertes ab und drehte sich einmal um die eigene Achse um aus der Bewegung heraus mit dem Linken auf ihn einzudreschen. Er blockte mit dem Schild und der erste Abtausch endete damit, dass sie genau andersherum wieder auf Abstand gingen. Ihr Herzschlag hatte sich adrenalingeladen in den wenigen Augenblicken schmerzhaft beschleunigt und sie musste sich dazu zwingen, ruhig zu atmen. Ihrem Kumpan erging es nicht anders, wie sie an seinem leicht geöffneten Mund erkannte. „So. Vesa“, begann er zwischen den Atemzügen abgehackt zu sprechen. „Was genau-“, weiter kam er nicht, bevor die Kaiserliche wieder auf ihn zueilte.
    Unter dem hoch angesetzten Stich des einen Schwertes drehte sie sich durch und hieb aus der Deckung ihres Körpers mit dem anderen tief. Der zweite Block kam hastig und unsauber geführt ob der hohen Geschwindigkeit, in der die Schläge folgten, und so taumelte Vilkas einen Schritt nach hinten und kam gar nicht dazu, einen Gegenangriff zu starten bevor die Jägerin ihre Drehung abrupt stoppte und mit dem nächsten Schritt in seine Richtung genau in die andere Richtung um die eigene Achse wirbelte. Beide Waffen gleichauf führend, musste der Nord sowohl hoch, wie auch tief die hölzernen Klingen abwehren. Dem auf Kopfhöhe entging er, indem er sich duckte. Den auf seinen Oberschenkel zielenden Hieb fing der Schild ab. Der ungebremste Schwung des oberen Schlages brachte die Kaiserliche aus dem Gleichgewicht und so strauchelte nun sie an ihrem Kontrahenten vorbei. Der brachiale Stopp ihrer zweiten Waffe verstärkte das Ungleichgewicht in ihrer Balance noch mehr und genau das nutzte Vilkas.
    Nur knapp wich sie seinem Schildschlag aus und fing sein Schwert mit den gekreuzten ihren ab. So verkeilt hielten die Beiden vorrübergehend inne, bevor sie sich gegenseitig wegzustoßen versuchten und abermals Abstand nahmen. Sie keuchten und Schweiß rann ihnen trotz der frischen Luft in Strömen über die Haut. „Also“, setzte der Nord erneut an. „Was genau – ist in der – Drachen-feste – geschehen?“, fragte er.
    „Hrothluf“, stieß sie aus und suchte fieberhaft eine Lücke in seiner Deckung. Der hohe Blutdruck, der in ihren Ohren rauschte und die Umgebungsgeräusche trotz ihrer Überempfindlichkeit übertünchte, brachte außerdem ihre Kopfschmerzen zum Anschwellen. Heftige Stiche durch die Schläfen ließen sie leise aufstöhnen und die Sicht einseitig kurzzeitig verschwimmen.
    „Wie, Hrothluf?“, hakte Vilkas in der Zwischenzeit nach.
    Von den Schmerzen im Schädel nur noch weiter aufgebracht, versuchte Vesana aber gleich darauf noch einen Angriff. „Er“, presste sie heraus, während sie einen Schlag gegen sein Knie führte. „Bezichtigt“, folgte mit dem nachgezogenen zweiten Schwert auf gleicher Höhe. „Mich“, sie rollte sich unter seinem Hieb auf die Brust hindurch ab. „Der“, noch im Aufstehen trat sie ihm von hinten in das rechte Knie. „Mittäterschaft!“ Vilkas sackte zusammen und ließ sich weiter nach rechts fallen, um die parallel geführten Schwerter, die auf seinen Hals zielten, mit dem Schild abzufangen und nach einer aus der Bewegung folgenden Rückwärtsrolle wieder auf die Füße zu kommen. Eine Pause hielt Einzug.
    „Absurd!“
    „Das sagte ich Elgryr auch.“
    „Elgryr?“
    „Der Justiziar des Jarls.“
    „Aber?“
    „Er scheint nicht überzeugt und ließ mich nur gehen, weil Hrothlufs Aussage allein steht, meine jedoch dank euch hier und Zeugen auf dem Weg überprüfbar ist.“
    „Hmpf.“
    Diesmal war es der Nord, der attackierte. Mit dem Schild frontal zustoßend sah sich die Kaiserliche gezwungen näher an die Außenmauer Weißlaufs auszuweichen, die ihre nötige Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. Den Hieb ihres Kontrahenten lenkte sie im letzten Moment am, doch baute sich Vilkas gleich darauf wieder vor ihr auf und streckte ihr den Schild entgegen. Bevor er ein weiteres Mal nach ihr zu schlagen vermochte trat sie nach hinten aus gegen die Wand, hieb gleichzeitig gegen seinen Kopf und zwang ihn das schützende Stück Holz zu heben. In dem Moment drückte sich die Jägerin von einem der groben Steine in der Stadtmauer ab und warf sich auf den über sein Haupt erhobenen Rundschild. Mit dem Rücken darüber rollend kam sie hinter dem Nord auf die Füße und brachte schnell einige Schrittlängen zwischen sie beide.
    „Stehen denn Zeugen in Aussicht, die Hrothlufs Geschichte unterstützen?“
    „Nicht, wenn er den Empfänger der Waren nicht preisgibt.“
    „Mich wundert, dass der Justiziar überhaupt soweit mitgeht, seine Geschichte für möglicherweise wahr zu halten.“
    „Hrothluf hat einen Brief.“
    „Was für einen Brief?“
    „Keine Ahnung, von wem – vielleicht sein Geschäftspartner, wie weiß. Er ist mit N. unterzeichnet und besagt, dass Hrothluf den Absender in einer Woche in Windhelm treffen soll“, berichtete die Kaiserliche.
    „Und was hat das mit Dir zu tun?“
    „Du weißt, wie ich mich auf Reisen nenne.“
    „Oh.“ Für einen kurzen Moment erschlafften die Muskeln des Nords sichtbar, als er die Überraschung dieser Nachricht verdaute. Vesana nutzte diese Gelegenheit nicht, sondern ließ ihr Gespräch zunächst fortlaufen. „Und ich nehme an, er hat sich bereits eine ansonsten ganz gut passende Geschichte ausgedacht?“
    „Das hat er in der Tat. Besonders, da er auf der Reise mehr Fragen gestellt hat, als ich zu ignorieren in der Lage war.“ Mit neuerlich aufquellender Wut und einem tiefen, animalischen Grollen in der Kehle ging sie abermals ohne Vorwarnung in den Angriff über. Erst sprang sie hoch und stach nach Vilkas. Der blockte, geriet jedoch ob der Wucht aus dem Gleichgewicht und taumelte. Nach der Landung wirbelte Vesa fast ausschließlich um die eigene Achse, dass die Umgebung zu einer einzigen Masse verschmolz. Umdrehung für Umdrehung prasselten ihre Holzklingen gegen Schild und Schwert ihres Freundes, der nicht einmal daran denken konnte, anzugreifen und in der Defensive festgenagelt war. Sie entließ den Zorn, der in ihr aufquoll, baute den Druck ab und befreite sich von der emotionalen Fessel, die sie seit der Befragung gefangen hielt. In diesem Sturm blieb nichts von der sonstigen Finesse und tänzerischen Eleganz, die die Jägerin normalerweise in ihre Kampfbewegungen legte und sich so geschickt an ihren Widersachern vorbeidrehte um von allen Richtungen anzugreifen. Lange ließ sich dieser Wirbelwind aus Hieben allerdings nicht aufrechterhalten, denn durch die zahlreichen einseitigen Drehungen setzte alsbald der Schwindel ein und sie taumelte vor ihrem Kontrahenten zurück. „Erinnere mich daran, Dich niemals wütend zu machen“, keuchte Vilkas nach Ende des Hagels und holte seinerseits zu einem hohen Hieb aus. Mit den gekreuzten Klingen fing Vesa ihn ab, musste jedoch auf ein Knie hinabgehen, um gleichzeitig noch das angeschlagene Gleichgewichtsempfinden zu kontern.
    Als Folge gingen sie wieder auseinander, nur um im Anschluss gleichzeitig aufeinander los zu spurten. Mit der linken Waffe lenkte sie den Stich des Nords ab während sie mit der Rechten ihrerseits zustach und unglücklicherweise an der Hand des Mannes vorbei in den Griff an der Innenseite seines Schildes einfädelte. Die so verkeilten Kampfmittel ließen sie fallen und standen sich deshalb nur noch mit jeweils einer einfachen Holzklinge ausgestattet gegenüber. Die Kaiserliche, die mit beiden Händen gleichermaßen gut umzugehen vermochte und sogar ohne Probleme mit Links eine Feder führte, behielt ihre Waffe vorläufig in der Linken und hob sie hoch über den Kopf. Vilkas packte den Griff der seinen mit beiden Händen. Nun gleichstark bewaffnet lag der Vorteil auf seiner Seite und so nutzte er in auch aus. Vesa fand sich in der Defensive wieder und musste mehr parieren, als sie anzugreifen vermochte.
    Beide wirbelten nun umeinander und tauschten ohne Unterlass Schläge und Paraden aus. Die Kaiserliche wechselte gelegentlich noch die Schwerthand und die Führungsrichtung ihrer Klinge, aber der trotz seiner vergleichsweise geringen Größe kräftigere Nord verfügte über die bessere Kraftausdauer, während sie sich zuvor bereits erheblich verausgabt hatte. Seine Schläge waren zwar gröber, aber dafür auch wesentlich kraftvoller und mehr als einmal musste sie im letzten Moment zu Seite wegtauchen, weil ihre Deckung aufbrach.
    Abermals wechselte sie zur linken Hand und führte das Schwert am Unterarm entlang. Aus der Rechtsdrehung heraus schlug sie seine Klinge zur Seite und schob ihr Bein zwischen seine, den Fuß als Stolperfalle hinter den seinen stellend. Unglücklicherweise packte er sie in diesem Moment aus Reflex am freien Arm und zog sie mit sich, so dass sie auf ihm landete. Ihre Waffe saß an seiner Kehle als sie zum Liegen kamen, die Gesichter nah genug, dass sie seinen heißen Atem spürte. Die Rechte ruhte auf dem Boden neben seinem Kopf. Linksseitig über seinem Bein kniend, hielt sich das rechte lang gestreckt und unter seinem begraben. Für einen Moment blieben sie in der Überraschung regungslos und starrten sich an. Seine grauen Augen weit aufgerissen und das zerfurchte Gesicht mit dem stoppeligen Bart glitzerte vor Schweiß. „Gewonnen“, presste Vesana schließlich als erste hervor und wollte sich erheben, doch packte sie der Nord schnell und bestimmend am Arm.
    „Nicht so voreilig“, sprach er nur und plötzlich spürte die Kaiserliche einen unangenehm spitzen Druck in der linken Flanke. Schnell wandte sie den Blick dorthin und bemerkte erst jetzt, dass ihr Kumpan sein Schwert im Fallen nochmal erhoben haben musste, denn die Spitze seiner Klinge wies von unten auf ihren Brustkorb. Überrumpelt richtete sie ihre Augen wieder auf das Gesicht des unter ihr liegenden Mannes. Der zog amüsiert eine Augenbraue hoch. „Unentschieden“, mahnte er und ließ ihren Arm los. Es wäre auch zu schön gewesen, endlich einmal gegen den Nord zu gewinnen.
    Ein kurzes Schmunzeln stahl sich auf Vesas Lippen und sie ließ sich nach rechts neben Vilkas in den Dreck fallen. Schwer atmend blieben sie nebeneinander liegen und schauten in den Himmel. Die Wut war verflogen und räumte das Feld für eine Reihe anderer Gefühle, von denen sie nicht sicher zu sagen vermochte, ob sie ihr lieber waren. „Besser?“, wollte der Nord schließlich wissen.



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    Geändert von Bahaar (01.02.2014 um 19:22 Uhr)

  12. #12

    Cyrodiil, Kaiserstadt, Revans Kammer; Marktbezirk; Talos-Platz-Bezirk

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    Revan wachte erst am späten Vormittag des nächsten Tages auf. Der Wein hatte ihm einen tieferen Schlaf verschafft, wie er angenommen hatte. Schweigen betrachtete der Dunmer die kleine Kammer: Ein Bett, ein Schrank und ein Tisch mit 2 Stühlen. Im Schrank selbst befanden sich verschiedene Kleidungsstücke, die größtenteils arg in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Auch war ein verborgenes Schloss in der Seitenwand, welches die Rückwand des Schrankes öffnete und einen sehr kleinen Raum dahinter offenbarte. In diesem Raum wurde die Ausrüstung und Beute gelagert, solange es nichts zu tun gab bzw. es keinen Käufer für die Beute gab. Auf einem der Stühle lag seine Kleidung, die er momentan trug. Auf dem Tisch selbst lagen Nadel und Faden, diverse Messer, eine Flasche mit Hochprozentigem und eine dicke Kerze gab bei bedarf Licht. Es ist nicht viel, aber diese Kammer ist mein zu Hause. Revan lebte seit 20 Jahren hier und in dieser Zeit erging es ihm besser wie vielen Anderen. Trotzdem war er der Überzeugung, dass er noch besser leben konnte als er es jetzt ohnehin schon tat. Dafür musste aber auch etwas getan werden und sie hatten ja wieder einen Auftrag. Einen sehr Heiklen, da sie dafür den Zorn der Thalmor auf sich ziehen würden, aber die Möglichkeit diesem Mer das Haus auszuräumen war sehr verlockend und versprach viel Gold. Der Dunmer blieb noch einen Moment sitzen, dann stand er auf. Wohin zuerst? Ich könnte dem Alten einen Besuch abstatten, oder ich sehe mir mal dieses Haus an und schaue was ich im Rest der Stadt so tut. Schnell entschied er sich für letztere Möglichkeit, da er meistens nur im Hafenviertel unterwegs war. Wenige Minuten später hatte er seine Kleidung angelegt und verließ die Kammer.

    Auf der Straße empfing ihn das alltägliche Treiben der Kaiserstadt. Nach wenigen Schritten war er in der Menschenmenge untergetaucht und ging zielstrebig in den Marktbezirk. Die Masse an Menschen und Mer erschien in diesem Bezirk immer ein wenig erdrückend. Trotz verstärkter Präsenz der Wache konnte hier ein guter Taschendieb an einem einzigen Tag sehr viel verdienen. Allerdings war es immer ein Risiko. Zwar konnte man in der Masse gut verschwinden, wenn man allerdings entdeckt wurde, wiesen tausende Augen der Wache den Weg und dann hatte man keine Chance mehr. Revan war dieses Schauspiel sehr vertraut und er hatte es bis auf wenige Ausnahmen immer vermieden, hier irgendetwas zu stehlen. Nahrung an den Ständen zu stehlen war zwar nicht ganz so gefährlich, aber es war immer sicherer Geld in der Tasche zu haben, damit man zahlen konnte.
    Die Tavernen waren alle überfüllt, daher stellte der Dunmer sein Frühstück selbst zusammen: Ein Laib Brot, ein Stück Salzkäse, ein Apfel und ein Bier ergaben ein sättigendes Mahl. Während er das letzte Stück Käse aß, überlegte Revan wie er am besten an Informationen über den Besitzer und seine Haus herankommen könnte. Einen Diener zu bestechen wäre eine Möglichkeit, allerdings bestand da das Risiko, das er später erwischt wurde und etwas über ihn ausplaudern würde. Meistens war das Bestechungsgeld auch nicht gerade niedrig, da viele Diener es vorzogen nach dem Einbruch möglichst weit Weg von ihrem Herren zu sein. Da der Herr hier aber sehr wahrscheinlich den Thalmor angehörte oder zumindest mit ihnen zusammenarbeitete, war die Bestechung der Diener nicht sehr vielversprechend. Einzige alternative wäre ein ehemaliger Diener, der gefeuert worden war. Aber es war nicht leicht solche Leute zu finden. Wenn man genug Zeit hatte und den Einbruch über Monate plante, konnte man solche Personen finden. Dem Tipp des Informanten zu Folge würde der Einbruch, so schätze Revan, innerhalb der nächsten 1 bis 2 Wochen stattfinden. In diesem Zeitraum brauchte man viel Glück oder einen Bettler der viel wusste und da war wieder die Frage ob er das nicht an andere Leute ausplaudern würde, die einem später an den Kragen wollen. Bei Altmern allgemein und Thalmor im speziellen konnte man nie vorsichtig genug sein. Gefahrloser war da das beobachten des Hauses um sich einen Überblick über die Größe und die Umgebung zu verschaffen und zu prüfen ob es einen Ausgang zur Kanalisation hatte. Wobei ein solcher Ausgang wahrscheinlich bewacht wurde. Es wäre immerhin ein Anfang. Den letzten Apfel verspeisend ging Revan in Richtung Talos-Platz-Bezirk. Dort sollte seine Arbeit beginnen.


    Heute waren besonders viele Menschen in der Kaiserstadt unterwegs, daher benötigte der Dunmer mehr Zeit um den Talos-Platz zu erreichen. Dort angekommen sah er wie viele Neuankömmlinge erstaunt für ein paar Sekunden stehen blieben um die Statue in der Mitte des Platzes zu bestaunen. Der Drache war ein imposantes Bauwerk, den Dieb scherte das wenig. Er hatte diese Statue schon so oft gesehen, das er sie kaum noch beachtete. Trotzdem blieb auch er stehen, jedoch suchte er das Haus des Altmers. Nach wenigen Sekunden hatte er den Prunkbau gefunden, man konnte dieses Gebäude gar nicht übersehen, es stach aus den anderen Häusern am Platz hervor wie ein großes Juwel. Auf den ersten Blick erschien es sogar ein wenig unpassend, bei genauerer Betrachtung war es dann wiederum fast schon zu passend. Der Bau war angeblich, wie Revan einen reicheren Altmer einmal hatte sagen hören, im Stil der Ayleiden gehalten. Der Dunmer hatte nie eine ihrer Ruinen gesehen und außerdem fand er das Haus sehr protzig.
    Der Palast, diese Bezeichnung war treffender, besaß 2 Stockwerke, einen Keller und umfasste etwa ein Viertel des gesamten Platzes. Die Außenmauer bestand aus Marmor und entlang der Fassade lief ein imposanter Bogengang mit prächtig verzierten Säulen. Dahinter lag im Schatten das große Eingangsportal und der Dieb glaubte sogar Verzierungen aus Gold zu sehen. Als ob es nicht hinreichend bekannt wäre, dass der Kerl Geld zum Scheißen hat. Langsam suchte Revan einen Weg durch die Masse an Menschen und Mer auf dem Platz um die Villa besser beobachten zu können. Während der Dieb nach einem guten Platz suchte wo ihn die Wachen nicht gleich verjagen würden oder jemand misstrauisch wurde, warf er immer wieder einen Blick auf das Gebäude. Einzelheiten der Verzierungen auf den Säulen wurde sichtbar, die Fenster waren nun besser sichtbar und das Eingangsportal besaß nicht nur Verzierungen aus Gold, es waren außerdem verschiedene Edelsteine in die Doppeltür eingelassen worden. Neben dem ganzen Prunk wurden nun auch 4 Wachen sichtbar, die alle vergoldete Elfenrüstungen trugen. Für weitere Einzelheiten reichte die Zeit nicht, da es keinen brauchbaren Platz gab an dem Revan hätte verweilen können ohne sofort aufzufallen. Da sie ohnehin nicht durch die Vordertür spazieren wollten, war das nicht so schlimm. Der Dieb schob sich weiter durch die Massen und umrundete den Talosplatz, ehe er in einer Seitengasse verschwand um den Rest der Villa begutachten zu können.
    Die angrenzenden Gassen waren größer und breiter als im Rest der Stadt und konnten gut als eigene Straßen gelten. Somit war es nicht ohne weiteres möglich von einem Nebengebäude in die Villa einzudringen. Leider gab es auch keine Baugerüste die selbiges erleichtert hätten; weder an der Villa selbst noch an den angrenzenden Gebäuden. Selbst wenn es welche gäbe, würde der Altmer sie Nachts bewachen lassen. Die Seitenwände waren aus dem gleichen Material wie die Fassade und außer einigen prächtig verzierten Fenstern gab es nichts zu sehen. Die Fenster stellen auch keinen geeigneten Eingang dar. Dafür sieht man vom Platz noch zu viel und wahrscheinlich werden hier auch von ihm bezahlte Wachen patrouillieren; der kaiserlichen Wache traut er nicht......zu recht. Somit verblieb einzig die Rückseite der Villa als potenzieller überirdischer Einstieg. Der Dunmer wartete einen kurzen Moment um sich einer kleinen Gruppe von Boten und Dienern anzuschließen um wenigstens ein paar Blicke riskieren zu können ohne sofort entdeckt zu werden. Aber auch die Rückseite war keine Überraschung: Der Prunk setzte sich nahtlos fort, allerdings gab es hier auf beiden Stockwerken einen Bogengang. Der Garten war durch eine Mauer von der Straße getrennt, zusätzlich wuchsen verschiedene Sträucher und Bäume im Garten. Und natürlich standen auch hier Wachen. Das letzte was Revan erblicke bevor er in eine andere Menge von Menschen abtauchte und sich wieder von dem Garten entfernte, war ein Brunnen. Soviel zur Villa. Aber was will man erwarten? Wenn er wirklich die Geschäfte in der Unterwelt kontrollieren will, dann weiß er auf was er achten muss. Die Wachen stehen wahrscheinlich auf seiner persönlichen Gehaltsliste und folgen ihm wohl blind. Die Diener und Boten werden zu viel Angst haben. Jetzt blieb nur noch die Kanalisation als potenzieller Einstiegsweg. Aber das hatte noch ein wenig Zeit. Zuerst würde Revan der Taverne seines Vertrauens einen Besuch abstatten. Ihn hatte eine gewisse Unruhe ergriffen und seine Hände zitterten. Zeit für die tägliche Fütterung....


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    Geändert von Skyter 21 (04.08.2014 um 18:27 Uhr)

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