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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 4 und alle folgenden Tage

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    Irgendwas war faul. Es roch nicht gut. Es roch nach Ärger. Die Stille war ohrenbetäubend. Jedes klitzekleine Geräusch klang in ihren Ohren wie das Aufbäumen von Göttertrommeln. Lumi wusste nciht genau, was es bedeutete, aber sie war sich im Klaren darüber, dass der Falsche gerade draufgegangen war.

    Sie hatten Noel zum Sterben verdonnert. Und sie hatte ein seltsam beschissenes Gefühl dabei.

    Laut schmatzend tat sich Djángo am letzten übriggebliebenen Brötchen gütlich, die kleinen Knopfaugen stoisch auf das Futter gerichtet. Rudiger lag sichtlich erschöpft vor der Tür, schaute sie mit großen Augen an. Sie antwortete auf seinen Blick mit einem stummen Nicken. Luminitsa Szábo, versprengte Tochter eines der in ihren Augen größten Männer die auf der Erde wandelten, saß auf einem Stuhl zusammengekauert an einem der Tische, den Blick ins Nirgendwo gerichtet. Nichts war schlimmer, als auf den Moment zu warten. Der Moment, der vorherbestimmt ist für uns alle.

    Sie erwachte asu ihrer Lethargie, um Djángo übers wuschlige Fell zu streicheln, den Blick immer noch stur nach vorne gerichtet.

    Der Moment.

    Es war lange nicht vorbei. Das Schlimmste stand noch bevor und sie hatte Angst davor. Aber gleichzeitig schloss sie auch ab mit dem Gedanken, etwas Schlimmes zu erleben. Ein qequälter Schrei drang von draußen in die leere Taverne, eine schwache Windbrise folgte und wirbelte Staub auf. Das war es wohl für Noel, den verdammten Vollidioten. Er hätte es machen sollen wie sie es geplant hatte - abhauen. Etwas klapperte ein paar Meter entfernt von ihr. Die Tür eines kleinen Schranks war sperrangelweit geöffnet, knatschte laut vor sich hin.
    Quietsch. Auf. Quietsch. Zu.
    Ihr gutes Auge fixierte die Tür.
    Quietsch. Auf. Quietsch. Zu.
    Langsam stand sie auf, die Kälte des Holzbodens übertrug sich auf ihre Fußsohlen, als sie barfuß zur Kommode schlich.
    Quietsch. Auf. Quietsch. Zu.
    Sie legte den Kopf schief zur Seite. Hatte sie die Tür nicht richtig verschlossen?
    Quietsch. Auf.
    Sie beugte sich herunter und kramte zwischen all dem Unrat der sich dort wohl über die Jahre gesammelt hatte die Maske der Schwester der Rothaarigen hervor, betrachtete sie eingehend, rubbelte mit dem Ärmel ihres Umhangs darüber um den Staub zu entfernen. Eine wahrlich feine Handsarbeit. Sie schien fast emailliert zu sein an der Vorderseite, sehr edel. Was diese Maske wohl für einen Nutzen für das Mädchen hatte? Grünlich-weiß schimmernd spiegelte sich Lumis Gesicht wider, gedankenverloren betrachtete sie das Kusntwerk, was sie mir-nichts-dir-nichts in die Kommode verbannt hatte. Ein mildes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sich schöne Erinnerungen vor ihrem Auge abspielten. Tänzerinnen, die auf der Durchreise waren, im Szábo-Lager ein paar Kilometer südlich von Vienna Halt gemacht hatten, vor dem Lagerfeuer tanzten als gäbe es keinen Morgen mehr, pumpende Rythmen gingen von den Tamborins aus, genauso wie eine mystische Aura um jede einzelne von ihnen. Eines Tages wollte Lumi genau so eine mystische Aura um sich herum haben, genauso um ein Feuertanzen, Wahrheiten predigen, Geschichten zusammenstricken aus fern erscheinenden Bildern auf Tarotkarten, mit einem angeleinten wilden Tier die Hauptstraßen passieren. Und jeder würde sagen: "Schaut euch mal diese Frau an.". Doch alles was sie jetzt hatte waren ein blindes Auge, Tolpatschigkeit, einen schrecklichen Umgangston, statt Wahrheiten kam nichts als Scheiße aus ihrem Mund heraus wenn sie wahrsagen wollte, statt eiens wilden Tiers blieb ihr nichts außer einem Hermelin, statt eines Lagerfeuers brannten nur ein paar Kerzen die mehr schlecht als recht den Raum erhellten,und statt einer Hauptstraße war es dieses gottverlassene beschissene Kuhkaff in welchem sie jetzt war. In einer beschissenen menschenleeren Taverne. Sie war den Tränen nahe, als ihr innerhalb von wenigen Sekunden all diese Sachen durch den Kopf schossen.

    Der Moment in dem sie kommen würden, sie zu holen.

    Quietsch. Auf.
    Und plötzlich spiegelte sich etwas anderes wider in der Maske. Eine Gestalt, groß, kam näher. Sie wirbelte herum und es war Pjotr, der in majestätischer Pose vor ihr stand. Von hier unten am Boden aus schien er hundert Meter hoch zu sein, die kurzen braunen Haare, seine Kleidung, alles schien pechschwarz zu sein außer den funkelnden Augen, die auf sie herunterblickten.
    Sie öffnete den Mund, doch es kam nichts heraus. Kein Schrei, kein Fluch, kein Hilferuf, nur ein lautes Einatmen, als sie die Maske fallen ließ und in der Hocke den Halt verlor. Der Rücken schemrzte, als sie mit etwas Wucht gegen die Kommode knallte, die Augen weit aufgerissen vor schierer Panik. Er war nciht heir um über Gott und die Welt zu reden. Er war hier, um ihr begreiflich zu machen, was Gott udn die Welt für ihn war. Und Gott war für ihn, sie mit einer Hand am Haarschopf zu packen, hochzuhieven und von sich aus nach links zu schleudern, wo sie mit dem Rücken voraus gegen die Bartheke knallte. Eine der Kerzen wurde von der Wucht nach hinten hin umgestoßen, landete am kaltfeuchten Boden, die Flamme erlosch mit einem lauten Zischen. Zwei Äpfel fielen von der Anrichte nach vorne hin herunter, einer landete auf ihrem Kopf, kam halb zerborsten am Boden an. Instinktiv kroch sie nach links weg, wollte Pjotr ausweichen, die Treppe hochlaufen, doch er war schneller als sie und griff ein weiteres Mal nach ihr, diesmal umschlossen seine Hände ihre Kehle, schnürten ihr die Luft ab. Er kniete neben ihr, in seinem Blick gleichzeitig Wut und Trauer, die in ihrer jetzigen Mischung puren Wahnsinn ergaben. Es gab nur eine Möglichkeit. Sie dachte darüber nach. Ob es klappen würde...Seine Hände lagen wie ein Holzbalken auf ihrem Hals, sie schnappte hektisch nach Luft, dann endlich mobilisierte die Kärfte die ihr noch blieben udn trat Pjotr mit einem gezielten Kniehieb zwischen die Beine. Er gab einen jaulenden Schrei von sich, doch ließ nciht ab. Als oncoh einer. Und noch einer. Bis er endlich nach hinten hin Arsch voraus auf den Boden fiel und im Fall zwei Stühle umwarf.

    Langsam rappelte sie sich auf, hustete, keuchte, atemte schwer, krallte sich am Rand des Tresens fest, um Halt zu finden, während Pjotr ebenfalls langsam wieder aufstand. Rudiger, der beschissene feige Fellball, war indes abgehauen, zumidnest lag er nciht mehr vor der Tür und war auch sonst nicht in der Taverne zu sehen. Aber... wo war...?
    Mit einem Mal flog eine kleine, schattige Gestalt von rechts ins Bild, laut knurrend. Djángo biss sich in Pjotrs Hals fest, während dieser unter lautem Geschrei verscuhte, das Tier zu fassen zu bekommen. Lumi hechtete derweil unkontrolliert über den Tresen, riss eine weitere Kerze um. Kein Zischen. Egal. Sie rannte in die Küche, durchwühlte jeden Schrank, jede Schublade, während Pjotr weiterhin laute Flüche von sich gebend mit dem wilden Marder kämpfte. Dann fand sie endlich ein Fleischerbeil, das sie unter Aufwendung aller Kräfte aus dem Fleischerblock zog. Schwer lag das Gerät in ihrer Hand, doch sie fühlte sich nun um einiges sicherer, um einiges selbstbewusster - ja das könnte...

    Ein lautes, gequältes Quietschen.

    Abrupt blieb sie stehen, als sie gerade um den Tresen herumrennen und Pjotr drohen wollte, lehnte sich geschockt an der Wand neben ihr an.
    Sein Fuß.
    Auf ihm.
    Er zuckte noch.
    Ein Tritt.
    Dann verließ ihren treuen Begleiter jegliche Lebenskraft, schlaff hing die Zunge aus dem Maul, blutunterlaufene Augen starrten ins Leere so wei sie vorhin.
    Sie schluchzte auf. "Nem...", entglitt es ihr. "Djángo..." Tränen schossen ihr ins gute Auge. Ob das andere tränte, wusste sie nciht, sie fühlte nichts. Bis eben konnte sie noch spüren, dass es da war. Er war... er ist... er...
    Langsam blickte sie vom toten Frettchen auf zu Peter, der sichtlich geschockt da stand und nicht genau wusste, was er sagen sollte. Hatte es ihn übermannt? Dieses Gefühl, was sie gerade übermannte?
    "Du hast gerade...", fing sie an, wischte sich die Tränen mit der bloßen Hand aus dem Gesicht, Trauer wurde ersetzt durch blanken Hass. "Du hast gerade..." Pjotr zog selbst etwas metallenes von seinem Hosenbund her. Ein Messer? Ein Dolch?
    "... dein Urteil des Todes unterschrieben du Kurafi!". Mit beiden Händen umfasste sie das Fleischerbeil, trottete dem braunhaarigen Mann entgegen. "Fogok kurva ölni! [Ich werde dich verdammt nochmal umbringen!]", flüsterte sie. Die drei Worte wiederholte sie, immer aluter werdend. Sie sagte es, sie wollte es eigentlich nicht. Oder doch?
    "Fogok kurva ölni!"
    Gleichzeitig Trauer und Wut.
    "Fogok kurva ölni!"
    Wahnsinn.
    "Ich bring dich um du Luminaten-Schwein!"

    Sie rannte los, das Fleischerbeil hoch über ihrem Kopf ausholend. Als es niederschmetterte, wich Pjotr bereits aus, stolperte seinerseits allerdings über einen Stuhl. Im Fall fing er sich, hielt sich fest an einem der Tische, den er als Wegsperre vor Lumi umwarf. Fast stolperte sie selbst, doch mit vorgehaltener Klinge fiel sie ihrem Mörder in spé entgegen, verletzte ihn am Arm, nur ein kleiner Streif. Er konterte mit einem gezielten Stich in den linken Oberarm. Heiß brannte Schmerz, punktgenau am dünnlichen Bizeps. Sie schrie auf, wirbelte mit dem Beil in der rechten Hand einige Male vor sich, zerhackte zwei Krüge die splitternd auseinander zu explodieren schienen. Währenddessen knisterte es hinter ihr, was sie zum Blick nach hinten animierte. Der Bereich hinterm Tresen stadn lichterloh in Flammen, tauchte dieses Schlachtfeld in ein rot-orange flackerndes Licht.

    Ich tanze ums Feuer.

    Diesen Moment der Ablenkung nutzte Pjotr, um sie mit einem brutalen Schlag ins Gesicht für ihre Nachlässigkeit zu bestrafen. Sie taumelte nach hinten, Kopf zuerst in den Kamin schmetternd, eine Platzwunde nach sich ziehend. Die zweite die sie sich in diesem verkackten Dorf eingehandelt hatte. Von der blutigen Lippe ganz zu schweigen. Pjotrs Sillhouette sah gegen das Feuer gesehen noch bedrohlicher aus als sie es ohnehin schon war. Er keuchte, atemlos, erschöpft, blickte sie stumm an. Dann steckte er den Dolch wieder ein, als wäre nichts gewesen.
    "Ey!", rief Lumi, als er sich umdrehte und die restlichen Kerzen umwarf. Einige fielen auf den Boden, zischten, erloschen. Doch andere fielen auf Leinentücher und Holzmöbel, erzeugten erst kleine, dann größer werdende Flammen.
    "Wir sind noch nicht fertig, Pjotr!", schrie sie, wollte aufstehen, hämmerte mit dem Kopf gegen den scheiß Kamin, sodass ihr Kopf wieder herunterdonnerte.
    "Ich verfluche dich! Deine Kinder sollen an was unheilbaren erkranken und sollen dahinsiechen während du nur zuschaust du verfickter...!", rief sie und hielt sich die Hände vor den Kopf vor lauter Schmerzen. Sie robbte danach mit den Füßen zuerst etwas nach vorne, während er weiter in Richtung der Tür schritt. Sie begann wieder zu heulen, während sie in ihrem Wahn nach dem Fleischerbeil griff, das neben ihr auf dem Boden lag. "Ich werde dich finden, ja?", flüsterte sie halblaut, während sie auf allen Vieren in Richtung der Tür kroch. Zum Aufstehen war sie zu schwach, zum Aufgeben zu wütend. "Dich und deine anderen Kumpels und..." Sie hustete stark, der Rauch bildete sich schneller als sie gedacht hatte.
    "PJOTR!!!", schrie sie ihm hinterher. Doch er war bereits verschwunden, da waren nur noch Flammen, Rauch, Chaos. Erste Holzbalken an der Decke fielen um sie herum. Es waren nur noch wenigen Meter. Mit letzter Kraft robbte sie zum Ausgang, konnte die Luft an ihren Fingerspitzen spüren so wie die Brandwunden die sie sich auf dem Weg hierher eingefangen hatte. Doch da war noch ein anderer Schmerz. Ein kleiner an der anderen Hand, die nun schlaff neben ihr lag. Sie drehte den Kopf herum.

    Er war sichtbar angeschlagen, humpelte allerdings für seine Verhältnisse halbwegs munter auf drei Beinen laufend auf sie zu. Tot spielen war schon immer eine sehr gute Eigenschaft von ihm gewesen.
    "Nicht totzukriegen!", flüsterte sie freudig erregt. Rumms. Ein weiterer Balken fiel hinter herunter, verfehlte nur knapp ihre Beine.
    Djángo wiederzusehen, schien sie fast mit neuen Kräften zu füllen. Sein rechtes Auge war blutunterlaufen, das andere blickte allerdings so hell wie nie zurück, als sie mit einem Grinsen auf dem Gesicht mit ihrer schlaffen Hand seinen Körper umfasste, sachte zupackte und sich wieder den Weg nach vorne bahnte, das Frettchen hinter sich her schleppend. Hinter ihr stürzte derweil die Decke ein, Funken schlugen, das Feuer schien alles zu fressen was nicht angenagelt war.

    Nur noch ein Stückchen...

    Als das Wirtshaus in sich zusammenbrach, humpelte die lädierte Zigeunerin einfach geradeaus in Richtung des Waldes. Sie fuhr herum, schaute auf die lichterloh brennende Ruine. Die Freude über Djángos Überleben (und ihr eigenes) war groß, doch gleichzeitig war sie erschöpft, traurig, erschüttert, deprimiert. Nur ein Gedanke von vielen konnte laut ausgesprochen werden in diesem Moment: "Tut mir leid, Brunhilda. Tut mir leid wegen Feuer." Dann stapfte sie barfuß in den Wald, der finster in ihre Seele zu blicken schien. Finsterer als jeder Lumianer in seinem Tötungsrausch, finsterer als die gesamte militante Christenheit zusammen...

    Ein Jahr und jede Menge Kilometer des Reisens später
    "... und als ich durch den Wald ging, so, das war wie - kurva szellemek. Scheiße Geister, ich schwör! Ich habe mich voll gefühlt wie wenn jemand mich beobachtet! Und ich bin sicher, so, da war mindestens ein so... kurva róka, so ein scheiße Fuchs, der ist mir voll gefolgt durch ganze scheisendreck Wald. Und diese scheiße Wald war so elendig lang, aber irgendwann, so, war ich in andere Kuhkaff und, ohne Scheiß, haben irgendwas erzählt von wegen...", sie pausierte kurz, um ihre theatralische Geste vorzubereiten. Mit beiden Händen formte sie einen riesigen Kreis in der Luft und sprach mit kieksender Stimme weiter. "VER-FICK-TE WERWOLFS, haver [Alter]! Ich nur so 'Waaaas?' und die nur so 'Ey, dings, hier wir haben voll Problem mit Werwolfs, so, hilf uns oh große Luminitsa!' - ich schwör, die waren elbaszta [im Arsch]!"
    Mit gespanntem Blick sahen sie fünf Kinder an, allesamt Cousins und Cousinen.
    "Und... hast du geholfen?", fragte ein kleines blondes Mädchen, ihre ältere Cousine väterlicherseits.
    Lumi pausierte und antwortete laut und stolz. "Was denkst du wohl? Ein albernes Feuer macht Lumi nicht tot, ein Typ mit Dolch macht Lumi nicht tot - bassza meg, Typ mit Dolch, Feuer, alles, nichts macht selbst Djángo tot!" Djángo gab ein leises Fiepsen von sich, während er sich in Lumis Schoß zusammenrollte. Er humpelte immer noch, allerdings war seine Wunde am Auge fast komplett wieder verheilt. Lumis Wunde am Arm war immer noch da, heilte einfach nicht ordentlich zu. Eine Narbe blieb dort, ebenso unter der Lippe. Sie betrachtete ihn kurz, schaute dann wieder auf und verkündete mit trockenem Ton: "Natürlich hab' ich nicht geholfen - teste Glück einmal, passt schon. Zweimal, voll mutig. Dreimal? Niemand ist so dumm und macht sich selbst in so Situation dreimal. Bin nicht unsterblich, weißt du?"
    "Und was ist mit denen im anderen Dorf passiert?", fragte ein kleiner Cousin. Lumi wollte nicht mit "Alle tot" antworten. Eine gute Geschichte hat entweder einen guten Schluss der alle losen Enden hübsch miteinander verknüpft, oder einen Schluss der die Zuhörerschaft nach mehr verlangen lässt. Dies galt sowohl beim Kartenlesen als auch jetzt, wo sie ihre Geschichte in extrem blumiger Form an ihre kleinen Cousins und Cousinen weitergab. Sie war froh, dass das Ende ihrer Dorfgeschichte sie nciht nach mehr verlangen ließ. Sie hatte abgeschlossen, vieles verarbeitet, vieles allerdings brachte sie dazu, mitten in der Nacht aufzuwachen und zu denken, Pjotr stände in der Tür, Dolch gezückt.
    "Weiß nicht, ich glaube sie gehen ihrem Scheiß nach wie immer...", antwortete Luminitsa mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das schnell verflog, als die Hand ihres Vater sachte gegen ihren Hinterkopf schlug, was sie mit einem langgezogenen "Aaaaauuuutsch!" quittierte. János Luminitsa, ein stämmiger, breit gebauter Mann mit schulterlangen pechschwarzen Haaren und einem authoritären Blick sah zu ihr herunter und schüttelte nur den Kopf.
    "Lumi..."
    "Hey...", antwortete sie kleinlaut, als sie zu ihm hochschaute. Schnell setzte sie den Hundeblick auf.
    "Nein, nein, nein, Lumi! Kein Hundeblick! Ich hab' tausendmal gesagt du sollst nicht vor den Kindern soviel fluchen!"
    "Ich fluche nicht einfach nur so, ich benutze Fluchdings für sprachliche Wirkung und so'n Scheiß.". Wieder traf die Hand den Hinterkopf. "Aaaaauuuutsch!"
    "Nicht. Fluchen. Vor den Kindern!", rief er. Die Kinder schauten derweil perplex drein. "Wie oft muss ich es dir denn noch sagen, verdammte Scheiß-?" Er brach den Satz selbst ab und hielt sich die Hand vor den Mund.
    "Ach, also wenn du 'Scheiße' sagst ist's in Ordnung, aber wenn ich einmal eine Geschichte erzähle-"
    Er nahm die Hand wieder vom Mund und pöbelte lautstark zurück. "Kein 'Scheiße' vor den Kin-AAAAHHHH jetzt habe ich schon wieder 'Scheiße' ges-OH MANN daran bist du schuld!"
    "Kannst mich ja nochmal aus Familie verbannen wie das letzte scheiß Mal!"
    "Verdammte Scheiße, ich habe dir schon gesagt dass es mir leidtut dass wir dich vergessen haben!"
    "Das würde ich jetzt auch sagen!"
    "Scheiße, Lumi!", er machte mit beiden Händen eine abwinkende Geste. "Bassza meg, wir klären das nachher, ja?", rief er ihr im Gehen zu. Als er weit genug entfernt war, wandte sich Lumi wieder den Kindern zu.
    "Ich werde bis heute drauf bestehen dass sie mich wegen meines Namens ausgesetzt haben udn wegen der Sache mit Mama! Da lasse ich mir gar nicht reinreden!" Sie atmete entnervt aus. "Ich und mein Vater müssen uns noch richtig zusammenraufen... vielleicht könnt ihr uns ja dabei helfen, wo ihr schonmal hier angekommen seid, ja? Klingt gut?"
    Energisch nickten die Kinder, jedes ein Strahlen auf dem Gesicht.
    "Gut! Aber vorher könnt ihr ja Kosenga Lumi dabei helfen, was zu essen zu suchen damit wir nachher was leckeres kochen können für Onkel János!"
    Wieder kam energisches Nicken zurück.
    "Rendben! [Alles klar!] Auf geht's!"
    Sie sprangen auf und rannten vor in Richtung der Stadt. Vienna. Schon wieder. Ein paar Kilometer südlich von der schönsten Stadt die Lumi kannte - sie war schön, jetzt wo sie wusste, wie ein hässliches Dorf aussah. Langsam rappelte sie sich auf, bis sie nun stolz da stand. Der Umhang flatterte in der sanften Sommerbrise, Djángo turnte freudig erregt um ihre Beine, nur nicht mehr ganz so tobend und energiereich wie zuvor.
    "Komm' her!", sagte sie, bückte sich und hob das Frettchen hoch, um es in ihrem Beutel verschwinden zu lassen. Ein weiterer Blick auf die Stadt, die etwas weiter unten im Tal majästetisch erhaben auf sie heraufschaute. Sie hoffte so sehr darauf, hier bleiben zu können. Bis die Tänzerinnen zurückkämen. Ums Feuer tanzen mit all ihrer Mystique.
    "Hier wird es uns gutgehen, Djángo...", sagte sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Die Ereignisse im Dorf würden bald vergessen sein, wie Tränen im Regen. Und niemals wieder-

    Eines der Mädchen rannte zurück zu ihr, mit beiden Händen etwas hinter ihrem Rück haltend. Lumi beugte sich zu ihr herunter. "Was hast du da hinter dein Rücken, hä?"
    Grinsend hielt das Mädchen ihr das vors Gesicht, was sie-
    Grün-weiß.
    Emailliert.
    Edel glänzend.
    Lumis Gesicht widerspiegelnd, das nicht so recht wusste, ob es im Lächeln verharren oder sich verfinstern sollte.
    Vielleicht war das Brunhildas Art und Weise, ihre Entschuldigung anzunehmen, denn die Maske wirkte fast völlig unversehrt. Immer noch lächelnd und mit ruhiger Tonlage fragte sie ihre Cousine, wo sie das denn herhätte. Sie zeigte nur mit ausgestrecktem Arm auf jemanden, der Lumi bekannt vorkam.

    Jemand, an den sie erst vor kurzem wieder gedacht hatte.

    Sie lächelte nun noch breiter, noch freudig erregter, in ihrem Auge schien es zu blitzen. Vielleicht war es auch nur eine Illusion. Aber wenn, war es eine wunderbare.

    "Was hat Djángo dir diesmal geklaut...?"

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (11.04.2013 um 19:36 Uhr)

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