http://www.youtube.com/watch?v=Xyu0gdlKlcw
Ferne Geräusche und sanfter Wind waren das Erste, dass er wahrnahm.
Das Scharben von Kakerlaken... nein, das fröhliche Zwitschern unbeschwerter Vögel. Eine unwirkliche Wärme umgab seinen Körper und er fühlte sich seltsam... glücklich.
Unendlich langsam öffnete Noel seine dunklen Augenlider, es brauchte ein enormes Maß an Kraft, doch es war ihm egal; er wollte es sehen. Sein Verstand hatte noch nicht realisiert, dass er gerade gestorben war. Seine Augen öffneten sich beheblich und sein Blick wurde klar. Grüngraue diamantengleiche Pupillen, versteckt hinter wundervollen, roten Haaren, gleich leidenschaftlichem Feuer, verziert von einem liebevollen Lächeln sahen ihm entgegen.
Noels Verstand war nicht in der Lage, es zu begreifen, es zu verarbeiten. Träumte er? War er im Himmel? Nein, jemand wie er würde unmöglich dorthin kommen...
"Mama...?"
Die ihm so vertraute Frau über ihm schloss sanft die Augen, ihr Lächeln wurde breiter. Erst jetzt bemerkte Noel, dass sein kopf auf ihrem Schoss lag. Etwas nervös schreckte der Junge auf, besah sich seines Umfeldes:
Noel befand sich in einem sonnendurchflutetem Waldstück, seine Mutter saß vor einem großen Baum, das Grün des Lebens war hier zahlreich und in vielfacher Form vertreten, das melodische Singen hunderter Vogelfamilien unterstrich zart die friedliche Atmosphäre, goldene Schmetterlinge säumten die Wiesen. Ein Stück weit entfernt zog ein breiter, flacher Fluß seine Bahnen, in dem zwei Gestalten ausgelassen herumtollten.
"Unmöglich...!"
Noel hauchte mehr, als dass er sprach. Seine Augen waren ängstlich und unsicher geweitet, versuchten ihm ein Bild zu vermitteln, dass sein Gehirn blockierte.
Es waren Valan und Luise, die im Fluß herumtanzten und sich lachend mit Wasser bespritzten.
Verwirrt wandte sich Noel, der ebenso wie Alisia im weichen Gras saß, ebendieser zu, die ihn nach wie vor stolz anlächelte.
"Mama... was... wo..."
"Psscht... ist gut, mein Schatz. Du hast es geschafft. Du musst jetzt nicht mehr leiden, nie mehr."
Liebevoll umarmte sie ihren zitternden Sohn, der nach wie vor vor Angst bebte, dies könnte nur ein wunderschöner Traum sein. Behutsam flüsterte sie in sein Ohr.
"Du träumst nicht, Noel. Dein Leben auf der Erde mag vorbei sein... aber ab jetzt hast du die Chance, für immer hier im Wald mit mir, Luise und Valan zusammenzuleben. In Frieden."
"Was...?"
"Heeeeeeeeeey! Noel, komm her und spiel mit! Zu dritt macht es bestimmt viel mehr Spaß!"
Luise hatte entdeckt, dass er erwacht war und winkte ihm lachend zu. Auch Valan, dessen Hemd und braunweiße Haare vom Flusswasser durchnässt war, lächelte ihm seicht entgegen.
"Meine Güte, was für ein Problemschüler... du hast wirklich lange gebraucht, um herzukommen, was? Aber jetzt bist du ja hier..."
Alisia, die neben ihrem Sohn im Gras saß und Luise zuwinkte, legte ihren Kopf auf Noels Schulter und flüsterte ihm, mit sanftem kichern, etwas ins Ohr.
"Davon hast du immer geträumt, nicht wahr, Noel?"
Ja, davon habe ich immer geträumt. Ich habe mir immer so sehr gewünscht... mit euch in Frieden zusammenleben zu können. Doch, so dachte ich, dieser Traum wäre in unerreichbarer Distanz... und jetzt... und jetzt...
Noels Augen verwandelten sich in flüssige Kristalle und das erste Mal in seinem Leben weinte er vor Glück. Schimmernde Tränen liefen leise seine blassen Wangen herunter, als er nach wie vor wie versteinert ungläubig auf Luise und Valan blickte. Dann näherte sein Blick sich erneut der Person neben ihm, dessen Existenz er erst jetzt in vollem Maße begriff. Ein Affekt war es, der ihn aufspringen und sie krampfhaft umarmen ließ, während er weinend losbrüllte.
"MAMA!... Ma...ma... Mama, ich habe dich so vermisst... ich habe... dich so sehr..."
Wie ein kleiner Junge, der dass erste Mal seit Ewigkeiten seine Mutter sah, lag Noel in Alisias' Armen, färbte ihre Kleidung dunkel mit den zahlreichen Tränen, die er nicht zurückhalten konnte. Nun, eigentlich war Noel genau das.
Ein Kind, dass seine Mutter wiedertraf.
Liebevoll strich ihm Alisia Noel den Kopf, sie sagte nichts, es bedarf jetzt keiner Worte. Einige Minuten saßen Mutter und Sohn einfach nur eng umschlungen beieinander, genoßen die genseitige Wärme zusätzlich zu den milden Sonnenstrahlen, die sie in ein goldenes Gewand tauchten.
"Ich habe dich auch vermisst, meine kleine Heulsuse... mehr, als ich es mit Worten ausdrücken könnte... aber du hast dich genug gequält. Jetzt ist Alles gut. Ich bin ja da."
"Mama! Mama... Ma... ma..."
"Oh, w-warum ist Noel denn plötzlich so traurig? H-habe ich vielleicht etwas Falsches gesagt?"
Besorgt hielt Luise sich den Zeigefinger an die Lippe, sah zu, wie der rothaarige Junge in Tränen ausgebrochen war.
Valan hingegen schüttelte nur unmerklich den Kopf, lächelte in den wolkenfreien himmel hinauf.
"Nein, du hast nichts falsch gemacht, Luise... du hast nichts falsch gemacht."
Das habe ich mir immer gewünscht. Mit den drei Menschen, die ich über Alles liebe, friedlich zusammenleben zu können. Ohne Leid. Ohne Gewalt. Ohne Morde, Kriege oder Missgunst.
Ich bin so... glücklich.
Es waren einige Tage vergangen. Obwohl Noel sich da nicht ganz sicher war... die Sonne ging hier nicht unter. Er hatte nicht realisiert, dass er gestorben war, erinnerte sich nicht bewusst an sein Leben vor diesem Wald. Warum, darüber dachte er nicht nach. Er war hier endlich glücklich, er war im Paradies angekommen. Das war alles, was zählte.
Der rothaarige Junge saß an einem der vielen Bäume dieses Wäldchens, Luise befand sich neben ihm und hatte ihren kleinen Kopf an seine Brust gelehnt, leise konnte Noel sie atmen hören; Anscheinend musste das Mädchen eingeschlafen sein. Erst ihn bitten, ihr die Haare zu streicheln und dann das...
Der Junge kicherte beinahe unmerklich.
Ohne, dass Noel Notiz davon nahm, löste sich aus dem Dickicht hinter ihnen eine gestalt, welche ohne jede Scheu neben sie trat und sich entspannt in das Gras legte. Noel schreckte auf, sein Herz schlug wieder schneller. Ja, sein Herz schlug noch. Er war am Leben.
"Deus...!"
Mit dem altbekannten Grinsen begrüßte der graue Wolf ihn, bevor dessen Blick auf Luise fiel.
"Wie ich sehe... genießt du dein Paradies. Das freut mich für dich. Das fehlende Tatoo in deinem Gesicht ist echt ein komischer Anblick."
Ja, genau... Seit Noel hier war, war das schreckliche, blaue Tatoo aus dem Blute seiner Mutter von seinem Gesicht verschwunden.
"Bin ich... im Himmel?"
"Erinnerst du dich an dein Leben? An mich?"
"Ja... ähm, nein... ich weiß nicht genau..."
Kläffend lachte der Gott auf.
"Keine Sorge, das ist völlig normal... du bist gestorben, Noel. Und das hier ist dein persönliches Paradies."
Das Spiel der Deuses. Er erinnerte sich, stoppte darin, Luise die roten Haare zu streicheln.
"Persönliches... Paradies...?"
Deusexus räusperte sich, bevor er mit Blick auf die umliegenden Wälder zu erklären begann.
"Das Spiel der Deuses... die Menschen, mit denen wir spielen, verlieren durch uns ihr Leben, weil sie sich gegenseitig ermorden. Das ist wahnsinnig und grausam. Doch seit jeher gibt es dafür immerhin eine geringe Entschädigung. Jeder Teilnehmer eines solchen Spieles kommt nach seinem Tod nicht in Himmel oder Hölle... sondern in ein ewiges Paradies, welches sich ganz alleine nach den Wünschen und Sehnsüchten des Menschen richtet."
Nachdenkend sah sich Noel zuerst im Wald um, bis sein Blick auf das schlafende Gesicht der lächelnden Luise fiel, die weniger wie eine Elfe als mehr wie ein Engel aussah. Sein Verstand war jedenfalls noch der Selbe, und so brauchte er nicht lange, um die logischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Behutsam lehnte er Luise an einen Baum, weg von seiner Brust.
Es war auch zu schön, um wahr zu sein.
"Also ist das hier nur eine Illusion. Ein Kaspertheater der Deuses, um uns auch über ihr Spiel hinaus noch die ewige Ruhe zu verwehren und uns zu foltern, in dem sie uns ein Paradies vortäuschen."
Bitterkeit und Anklage lagen in Noels' stimme, obgleich er wusste, dass sein Freund keine Schuld traf. Seine Reaktion war dennoch unerwartet: Deus lächelte ihn nur seelig an.
"Was bedeutet schon Illusion? Was Realität? In diesem Moment ist das hier deine Realität, Noel. Du bist gestorben, es ist dein Himmel. In diesem Moment ist diese Luise dort die echte und einzige Luise deines Paradieses. Das Selbe gilt für deine Mutter und Valan. Das hier ist nun deine Realität.
Keine Illusion."
Schweigend ließ Noel sich die angenehme Brise durch sein langes Haar wehen, als er über Deus' Worte nachdachte.
"Also kann ich für immer hier bleiben? Es ist kein Traum und ich kann für immer mit Luise, Valan und Mama zusammensein?"
"Sag mir Noel... bist du glücklich?"
Ohne zu zögern verwandelte sich Noels dürres, blasses Gesicht in einen Hort der Lebensfreude.
"Ja, Deus. Das bin ich."
"Hm... das ist schön. Ich habe lange gewartet, dich das Mal sagen zu hören."
Eine Weile saßen die beiden Freunde einfach schweigend auf der leuchtendgrünen Blumenwiese, der Wind fuhr durch die hohen Baumkronen wie auch durch ihre Haare, das nahe Plätschern des Flußses entspannte sie ungemein, als Deus wieder zu sprechen begann.
"Noel, mein Freund. Ich bin heute, um der Wahrheit eine Chance zu geben, nicht nur hier um dich zu treffen und dich über dieses Paradies aufzuklären."
Etwas Bitteres, Nervöses lag in Deus' Stimme, etwas, dass Noel zutiefst beunruhigte.
"Was meinst du...?"
Zögerlich sah der Wolf Noel einige Momente lang tief in die Augen.
"Was ich zu sagen habe, könnte dir dieses wundervolle Paradies für immer zerstören. Ich tue es einzig aus dem Grund, weil ich denke, dass du es wissen wölltest. Es ist an und für sich streng untersagt, einen Teilnehmer in seinem Paradies noch einmal mit irdischen Dingen zu konfrontieren, aber da ich ohnehin sehr bald kein Deus mehr bin..."
Irdische Dinge... er meint doch nicht...
Deus konnte aus Noels Blick herauslesen, was er dachte, und seine Augen fielen ebenfalls auf die schlafende Luise.
"Mach dir eines klar, mein guter, tiefer Freund. Diese Luise dort ist Luise, wie du sie kennst. Sie ist Luise, deine kleine Elfe, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Doch natürlich... gibt es die irdische Luise. "
Noels Herz raste wie verrückt, warmer Schweiss bedeckte seine Stirn und sein Hals wurde trocken.
"Was ist mit... Luise, Deus?"
Der Blick des Wolfes sank in den Boden.
"Ich müsste es... dir zeigen. Doch du kannst es dir vorstellen."
Noels Atem stockte. Obgleich es so wundervoll warm war, begann sein Körper leicht zu zittern.
"Zeig es mir."
"Noel, dich wiederzubeleben, ist nicht möglich. Ich würde nur ein sehr begrenztes Gefäss für deine Seele auf der Welt erschaffen. Und lass dir gesagt sein, dass dies eines der schlimmsten Verbrechen gegenüber Gott selbst wäre, wenn man mich entdeckt. Und nicht zuletzt..." ,
Deus Blick wanderte ein letztes Mal traurig zu der schlafenden Luise, "wirst du nie wieder hierhin zurückkehren können, wenn du nun mit mir kommst, um das tragische Schicksal der dir bekannten Luise mit eigenen Augen zu sehen. Es ist nicht nötig. Du kannst friedlich in deinem Paradies leb-"
"Nein!"
Deus schreckte zurück. Noel war aufgesprungen, jegliche Entspannung schien wie fortgetragen.
"Ich bin glücklich, Deus... die kurze Zeit, die ich hier verbringen durfte, war die Wundervollste meines Lbens, und ich würde Alles dafür geben, hierbleiben zu können... aber letztendlich bin ich kein Narr. Das sind nicht Mama, Valan und Luise. Es sind Schemenbilder nach meiner Vorstellung. Ich habe Luise ein Versprechen gegeben. Und ich werde es einhalten. Und wenn ich mich dafür mit Gott persönlich anlegen muss!"
Deus konnte darauf nichts mehr erwiedern.
Es stand ihm auch nicht zu. Fragend sah er tief in Noel hinein; Zweifelsohne, er hatte seine Entscheidung getroffen.
Was bist du nur für ein Narr, Deus... du hättest es wissen müssen.
Wie aufopferungsvoll... wie aufopferungsvoll muss ein Mensch sein, um so etwas fertigzubringen? Er hat die Wahl, für immer mit den Personen die er liebt und braucht, in Frieden zusammenzuleben oder der schrecklichen Realität einmal mehr ins Angesicht zu sehen und entscheidet sich für den qualvollen Weg...? Das ist eine Fähigkeit, die sogar die Kräfte der Deuses übersteigt.
"Ich verstehe. Möchtest du dich noch verabschieden?"
Lächelnd wandte Noel sich um und kniete sich vor der schlummernden Luise nieder.
"Nein. Denn immerhin wäre das kein Abschied an die Personen, für die er gedacht ist."
Behutsam näherte sich Noels Gesicht dem des Mädchens, als er mit seinen dünnen Fingern sacht ihre weichen Haare berührte und Luise einen zarten Kuss auf die Stirn drückte.
Dann wandte er sich wieder Deus zu, einen entschlossenen Blick in den Augen.
"Lass uns gehen."
"Hm.
Es tut mir leid, Noel. Von ganzem Herzen."
"Was... meinst du?"
Es war noch früher Morgen, als Noel, angeführt von Deus, das Dorf Düsterwald betrat. Zumindest schloss er das anhand der schwachen morgenröte, die in dem grauen Wolkenhimmel beinahe unterging. Überrascht sah er sich seine Hände an - das war sein Körper. Doch von dem Stich im Hals nichts zu spüren. Als er in einem vorbeiziehendem Fenster sein Spiegelbild betrachtete, stellte er zu seinem Leidwesen fest, dass das Tatoo wieder auf seiner linken Wange prankte.
Eine Weile dauerte es, bis Noel begriff, wohin Deus mit ihm lief - Zum Veilchenfeld, nicht weit entfernt von dem abgelegenen Waldstück, dass sein einstiges Haus umgab. Das Dorf war nach wie vor vollkommen ausgestorben, aber das mochte auch nur an der unwirtlichen Zeit liegen.
Dann kam sie in sein Blickfeld. Luise. Sie lag, friedlich schlummernd, im Veilchenfeld, ihre wundervollen Haare gleich einer Wolke um sich ausgebreitet, die zarten Hände auf der Brust gefaltet. Erleichtert stürmte Noel, so schnell er nur konnte, zu ihr, Deus blieb stumm zurück. Als er über ihr stand, sah Noel ihr einen Moment ins Gesicht, musste sich die Freudentränen verkneifen.
"Luise..."
Keine Reaktion.
Noel versuchte es erneut, diesmal deutlich lauter.
Keine Reaktion.
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Unruhig drehte Noel sich zu Deus um, suchte seinen Blick - doch er wich ihm aus.
Zitternd fiel er vor dem schlafenden Mädchen auf die Knie und umfasste behutsam ihre Schultern.
"Luise... wach auf. ich bins. Ich hab dir doch versprochen, ich komme zurück und mache alles wieder gut, nicht? Also wach auf und sag etwas!"
Keine Reaktion. Nicht das allergeringste Zucken, nicht die allerkleinste Bewegung.
Noels Herzschlag stoppte und ein taubes, eisiges Gefühl überfuhr erst seine Finger an dem zierlichen Mädchen und kämpfte sich geschwind durch seinen ganzen Körper. Seine Augen trännten. Warum tränten seine Augen? Dazu hatte er doch keinen Grund?!
"Deus... was... was ist mit Luise...?"
Er antwortete nicht.
"Deus! WAS IST MIT LUISE?!"
"Sie ist t"
"NEIN! ich sehe keinerlei Wunden, das kann nicht sein,
lüg mich nicht an du Sohn einer ••••!"
Sein Blick fiel wieder auf das makellose, lächelnde Gesicht des Mädchens, es war, als würde sie friedlich schlafen. Und doch hatte sein Verstand längst begriffen, was sein Geist nicht begreifen konnte. Und nie würde.
"Sie hat sich selbst das Leben mit einem Trank genommen. Es war ihr eigener Wille."
Noel zerbrach. Sein Geist, aber auch sein Verstand. Er glaubte, sich schreien zu hören, doch er war sich nicht sicher. Seine Wahrnehmung war kaum mehr als eine vernebelte Hölle aus unbeschreiblichen Schmerzen. Doch konnte er spüren, wie er das Mädchen in eine Umarmung riss und heisse Tränen flutartig sein Gesicht bedeckten.
"LUISE! NEIHEIN! Luisee.... LUISE!!!.... Luise.... LUISEEE!"
Weinend und schreiend wie ein kleines Kind klammerte sich Noel an das Mädchen, presste seine Wange an die ihrige, unbarmherzige, finstere Tränen tropften auf ihr engelsgleiches Gesicht, als der mann über ihr wie in schrecklichster Folter schrie und schluchzte.
"ES TUT MIR SO LEID! ES TUT MIR SO LEID, LUISE, ES TUT MIR SO UNENDLICH LEID!"
Er ertrug es nicht mehr. Taumelnd wich Noel zurück, ließ den von Salzwasser benetzten Körper Luises zurück ins Veilchenfeld sinken. Er konnte ihr nicht mehr ins Gesicht sehen. JGenau in diesem Moment fing es an, wie aus Eimern zu regnen.
Deus, der das Geschehen nur bedrückt mit ansah, verfluchte den Himmel für diese Geste unnötiger Dramatik.
In jeder Literatur regnet es nur, wenn etwas Schlimmes passiert oder ein Charakter verstirbt. Aber das hier ist die Realität. Und dennoch...
Noel kniete winselnd wie ein geprügelter Hund im Schlamm, war in seine Arme zusammengesunken und zog sich krampfhaft an den Haaren, als er sich wie im Affekt aufrichtete und schrie, wie er es nie zuvor getan hatte. Salziges Kristallwasser zeichnete ungebrochen seine Wangen, und es schien nicht, als würde es sobald verschwinden. Wie in Trance griff Noel mit einer Hand zu seinem Gürtel - der Dolch war noch da. Wie im Wahn stoch sich der völlig verstörte Junge immer wieder in den Hals, Blut spritzte heraus, verteilte sich um ihn herum auf dem schlammigen Boden, bevor es vom schwarzen Regen hinfortgespült wurde. Egal, wie oft Noel zustach, er spürte weder etwas noch starb er. Aber das hielt ihn nicht davon ab, sich unter Tränen immer und immer wieder den Dolch in die Kehle zu rammen, schien ihm das doch die einzige Möglichkeit, dieser Situation in irgendeiner Weise zu entkommen.
"Das ist nur ein Homunculus, kein echter Körper. Du kannst so nicht sterben..."
Noel warf den Dolch weg. Schluchzend stolperte er wieder zu den durchtränkten Veilchen hinüber, fiel mehrere Male in den tiefen Schlamm, bevor er erneut Luises Körper erreicht hatte und ihn wieder, diesmal deutlich weniger kraftvoll, umarmte und ihre Haare umfasste.
"Lhuife... 'uise.... L....Luise....Lhu....ihf..."
Immer noch weinte er wie ein kleines Baby, konnte kaum noch sprechen vor lauter Rotz und Wasser, dass sich in seinem Mund angesammelt hatte, der prasselnde Regen, der auf ihn herniedersauste, kam erschwerend hinzu.
Sicherlich würde sie ihn auslachen, wenn sie den großen Möchtegern-Einzelgänger jetzt so sehen würde. Ja, sicherlich würde er sich selbst auslachen.
"Es fhud mir leid... es fhud mhir fo unenfhlich leid....iff whollfe dich beschützen, aber... ich... Luise... Lui...se..."
Immer noch gebrochen, aber rationaler, blickte Noel in ihr schlafendes Gesicht, welches durch ihn vom Regen verschont gelieben...und doch ganz und gar nass war. Zitternd strich er ihre Haare vorsichtig beiseite, legte seine Stirn an die ihrige.
Wieder flossen Tränen an seinem Gesicht hinunter, welche sich nun am Gesicht des Mädchens teilten.
Er wollte etwas sagen, Irgendetwas, aber es ging nicht, seine letzten Kräfte verließen ihn vollends und Noel brachte nur noch jämmerliches Geschluchze und jammerndes Gebitte hervor, dies möge nicht wahr sein.
"Luise....luise.... Lui...se....Luifhe...."
Wie konnte es nur so enden? Hatte er nicht Alles aufgegeben, um dieses Mädchen zu beschützen? Hatte er an jenem Tag nicht hoch und heilig auf den Namen seiner Mutter geschworen, sie vor allem Unheil zu beschützen?
"VERFHLUCHT, ICH HFFATTE DOCH NUR FIESEN EINEN WUNSCH! WAR DAS ZU VIEL VERLANGT?!"
Aufgelöst richtete Noel seinen grenzenlosen Zorn und seine allesverdrängende Verzweiflung gegen den düsteren Himmel, hoffte, seine Worte mögen Gott erreichen. Es musse ihn geben. Immerhin gab es auch Deuses.
"Du elendes Schwein! Was habe ich dir angetan, dass du mir das antust?! MACHT DIR DAS SPASS?! BEREITET ES DIR FREUDE, DEINE EIGENEN KINDER IN DEN TOD ZU SCHICKEN? DU DRECKIGER BASTARD, Komm hier runter und ich reiss dir eigenhändig den Schädel von den Schultern!"
Tränenverschmiert ließ Noel den Körper der kleinen Luise an einen kleinen Baum auf dem Veilchenfeld sinken und legte seinen Kopf an ihre Brust - schluchzte stumm in ihre durchnässte Kleidung hinein, immernoch ihre Schultern umarmend.
Deus saß einfach nur entfernt und wartete ab, bis noel sich beruhigt. hatte. Es würde seine Zeit dauern, doch er würde zu Sinnen kommen. Er musste ihm diese Zeit geben und einfach noch besser darauf achten, dass Noels' Präsenz von den anderen Deuses nicht wahrgenommen wurde.
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Es wurde langsam Abend im Dorfe Düsterwald.
Und wie auch der starke Regen den ganzen Tag angehallten hatte, so hatte auch der junge Noel, der mittlerweile nur noch ein zutiefst erbärmliches Bild abgab, Luise den ganzen Tag über nicht ein einziges Mal losgelassen, noch hatte er aufgehört, Tränen zu vergießen. Seine ganze, dünne Kleidung war bis auf die Haut durchnässt und vollgesogen mit Regen, dass der Junge erbärmlich frieren musste, sein ganzes Gesicht war fast so rot wie dass Haar, dass ihm in selbigem klebte.
Stumm schluchzend saß er neben Luise am Baum, ihren toten Körper an seine Brust gelehnt streichelte er wimmernd ihre roten Locken.
"Luise.... Luise... Lui...se...Luiseee...."
Deus hatte gewartet. Er hatte zwar erwartet, dass Noel lange brauchen würde, um zu klarem Geiste zu kommen, aber auch nach weit mehr als zehn Stunden war nicht der geringste Funke Licht am Tunnelende zu erkennen. Das war nicht gut.
Weniger, wegen der Gefahr erwischt zu werden als mehr wegen dem immer weiter steigenden Risiko, dass der Junge nie mehr zu sich finden würde. Wie ein Besessener streichelte er weinend das Mädchen gleich einer zerstörten Puppe.
Und so sehr es ihm das alte Herz brach, er musste jetzt einschreiten.
"Noel. Lass es gut sein. Luise ist tot."
Wieder vergrub er sein Gesicht in ihren Haaren, sein Körper bebte und zitterte, dass es nicht mit anzusehen war. Da tat Noel etwas unerwartetes: Er legte Luise beiseite und kroch auf allen Vieren auf ihn zu. Dann riss er ihn mit beiden Händem am durchnässten Fell, ihm einen hoffnungsvollen, wenngleich zerstörten Blick zuwerfend.
"Dfeus...Dfeuf, du kannft sie doch... du kannst sie doch wfieder lebendig machen, ofer? DAS KANNFT DU DOCH, ODER DEUHF?!"
Noels Blick war flehendlich. Er flehte ihn stumm an wie ein Kind, dass nicht enttäuscht werden wollte. Dennoch konnte Deus nur schweigend den Kopf schütteln.
"Tote kann man nicht lebendig machen. Ausgeschlossen."
"GHH......!"
Noel sprang auf und schlug dem Wolf die Faust ins Gesicht, dass er wenige Meter weit flog. Irritiert von dieser Aktion brauchte der Gott einige Sekunden, bis er sich gesamelt hatte. Plärrend und tobend gestikulierte Noel sich vor ihm, brüllte und schrie in an wie im Wahn.
"IHR DEUSES SEID DOCH GÖTTER, ODER? IHR SEID DOCH SO TOLLE GÖTTER, DIE SICH HERAUSNEHMEN, MIT DEN MENSCHEN SCHACH ZU SPIELEN, DA WERDET IHR DOCH WOHL EINE FIGUR ZURÜCKBRINGEN KÖNNEN!"
"NOEL, VERDAMMT NOCHMAL, MAN KANN KEINE TO-"
"BIITTEE!"
Jammernd und weinend warf sich Noel vor dem Wolf auf die Knie, drückte seine Stirn in den kalten Schlamm vor Deus' Pfoten.
"MACH IRGENDWAS! Ich flehe dich an, Deus, wenn du es kannst, mach irgendetwas! Bitte! Bitte! Bitte, Deus! Mach Luise wieder lebendig! Ich will auch nicht in mein Paradies zurück oder weiterleben! Nimm meine Seele! Tu Irgendetwas! Nur mach Luise wieder lebendig! Bitte!"
Es war erbärmlich, nein, das war das falsche Wort... auf eine bittere Weise zutiefst mitleiderregend. Aber sehr viel schlimmer war: Noel Geist war dabei, zu verblassen. Wenn er nichts unternehmen würde, wäre er für den Rest seines lebens ein stummer, apathischer Gebrochener, der nur noch mit leeren Augen aus dem Fenster seiner Zelle starren würde. Da kam ihm ein Gedanke.
"Es gäbe da vielleicht... eine Möglichkeit..."
"W-WHAS?! WFIRKLICH?!"
Das erste Mal seit Stunden weiteten sich Noels' verquollene Augen und er riss wieder aufgeregt an Deus' Fell herum.
"Hör mir zu, Noel. Ich bin sehr bald kein Deus mehr. Wie du weißt, habe ich die Regeln des Spieles gebrochen und wurde dafür von den anderen Deuses zur Sterblichkeit als Mensch veruteilt. Es gibt aber noch eine andere Option."
Einen Moment lang sah er seinem Schützling, welcher ihm als einziger von so vielen Avataren in 2000 Jahren wirklich wichtig geworden war, tief in die Augen, bevor er weitersprach.
Ich kann einen Nachfolger bestimmen. Ein Mensch, der meinen Posten als Deus weiterführt. Der Haken ist, ich muss diesem Menschen all meine Kraft übertragen und... nunja... du kannst dir vorstellen, wo ich dabei bleibe."
Erschrocken flackerten Noels Gedanken auf, sein Verstand, der überflutet und zerquetscht war von Trauer, brauchte Minuten, um Deus' ganze Aussage zu begreifen.
"A...Aber whaf würde es mir bringen, ein Dheuf zu werden?!"
"Das Spiel der Deuses. Ich habe dir doch gesagt, die gewinnenden Deuses bekommen... "Privilegien", nicht?"
Stumm sahen sich die beiden in die Augen, bevor Noel den Gedankengang in Worte fasste.
"Was für... Privilegien sind das?"
Ein Moment Stille, nur durchbrochen vom Prasseln des Regens.
"Gewinnt ein Deus, kann er sich etwas wünschen."
"Von wem?"
"Von Gott."
Wieder standen bzw. knieten sich die beiden still gegenüber. Diesmal nicht, weil Noel es nicht verstanden hatte, sondern weil er versuchte, es zu verstehen.
"Also... gibt es Gott wirkich?"
"Ja. Wir wissen über ihn allerdings auch nur das. Er erfüllt siegenden Deuses genau einen Wunsch."
Noels Blick fuhr blitzartig zu Luise' Leiche.
"EGAL, WAS?!"
"Egal, was.
Nun, ich denke, man kann sich nicht Sachen wie "Ich will Gott werden", 1000 Wünsche mehr" oder "zerstöre die Welt!" wünschen, aber für DEINEN Wunsch..." , Deus' Blick streifte ebenfalls das Mädchen, "sollte es alle Mal reichen."
Einen Moment hatte Noel ernsthaft darüber nachgedacht. Am widerlichen Spiel der Deuses teilnehmen und Luise wieder...Luise wieder...Luise...
"Das geht nicht... ich kann nicht dein Leben dafür f-fordern, Deus... du bist immerhin wie ein Vater für mich."
Energisch schüttelte der silberne Wolf den Kopf.
"Nein, Noel. Ich habe lange genug gelebt. Ich bin... müde. Und ich bin dieser Welt überdrüssig. Meine Existenz aufzugeben, um dir deinen sehnlichsten Wunsch erfüllen zu können, das wäre etwas, dass mich glücklich machen würde. Und glaub mir, so eine kitschige Scheiße gebe ich nicht oft von mir."
Der Wolf bleckte die Zähne, doch Noel zögerte. Abermals streifte sein Blick Luise, als er zu ihr hin schlurfte. Der Junge hatte sich etwas beruhigt. Zwar war sein Gesicht noch immer verheult, doch die Tränen waren endlich versiegt, sein Schluchzen abgeklungen. Liebevoll strich er Luise mit den Fingerspitzen über die zarte Wange, ein kleines, trauriges Lächeln schenkte er ihrem schlafenden Gesicht.
"Ich werde dich zurückholen, Luise... und dir ein Zuhause schaffen."
Stumm erhob sich Noel und trat dem Wolf gegenüber. Ein leichtes Nicken genügte.
Damit war es entschieden.
Sie waren umgeben von unendlicher Weiße abseits jeder Existenz.
Noel kniete mit geschlossenen Augen vor Deus, der ihm nun seine Pfote auf den Kopf legte.
"Hiermit ernenne ich, Deus Ex Machina,
Deus der Menschlichkeit,
Gott 3.Ranges,
dich, Noel De'chrones'tulem,
menschliche Seele,
zu meinem Nachfolger und damit zum Deus 5.Ranges.
Etwas passierte mit Noels Körper. Abgesehen davon, dass ihn eine innerliche Macht erfüllte, die man mit keinem Wort menschlicher Sprache erklären konnte, schimmerten seine Haare nach Sekunden in einem silbernen Grau, das Tatoo auf seinem Gesicht hatte sich über seinen gesamten Körper ausgebreitet und bedeckte Noel nun beinahe vollständig, außerdem wuchsen seine weißen Haare mehr und mehr, bis sie dem Jungen Gott schließlich bis zu den Füßen herabhingen. Seine Iris war von einem stechenden Gelb, spitze Pupillen waren in ihrem Zentrum zu sehen.
Erhebe dich, Deus Ex Chronestulem.
Dankbar lächelnd stand Chronestulem, der nun selbst ein Gott war, seinem Mentorem, seinem Freund... seinem Vater gegenüber, der sich bereits aufzulösen begann.
"Danke... für Alles, Deus."
"Alexander".
"Hm?"
"Das war mein Name, als ich einst noch ein Mensch war. Er ist das Einzige, an dass ich mich erinnere."
"Nun, dann... hab meinen tiefsten Dank, Alexander. Ich werde deine Kraft nutzen, versprochen."
"Da bin ich sicher... Knirps. Ha ha ha.
Die letzten Funken verblassten und Deus war nicht mehr.
Nun gab es einen neuen Deus. Mit nur einem Ziel.
Hunderte Jahre später...
http://www.youtube.com/watch?v=eZNnuRvrZDU
Ich hatte mich an meine Existenz als Deus schnell gewöhnt, doch ich musste auf das nächste Spiel warten... das Spiel der Deuses fand nur aller paar Hundert Jahre statt, und so verachtenswert es auch sei, es war mein einziger Hoffnungsschimmer, sie je wiederzusehen... wie lange ich wohl zu warten hatte? Dreihundert Jahre? Fünfhundert? Tausend?
Wenn ich so zurückdenke... waren die ersten hundert Jahre wohl die
Schlimmsten.
Weinen und Schlafen.
Ersteres sollte ein Deus nicht und Zweiteres sollte er nicht müssen.
Und doch weinte ich mich in den Schlaf.
Jeden Tag, jede Nacht, jedes Jahr, jedes Jahrzehnt, aus der Sehnsucht, dein Lächeln nur ein einziges weiteres Mal zu sehen. Es zerriss mich. Egal, wie viele Stunden ich damit verbrachte, die Tränen, die ich nicht mehr besitzen sollte, hinauszulassen und an Fassung zu gewinnen, ich versank immer und immer mehr in purer Verzweiflung. Und dass, wo wir uns nur zwei Jahre gekannt hatten und du mich nie sonderlich mochtest. Schon seltsam, hm?
Geräuschvoll öffneten sich die die großen, silbernen Türen, durch die eine einzige, kleine Gestalt trat. Kaum war sie hindurchgeschritten, schlossen sich diese wieder und es herrschte erneut Stille in dem kleinen Tempel.
Traurig lächelnd, wie jeden Tag, wenn Chronestulem hier war, trat er in den kleinen Garten, den er im Inneren seines persönlichen Tempels errichtet hatte, und ging auf dessen Zentrum zu - ein kleiner, goldener Baum, an dem ein rothaariges Mädchen, scheinbar mit der Baumrinde verwachsen, lächelnd und friedlich schlief, die Hände vor der Brust gefaltet.
"Hallo, Luise..."
Mit einem kurzen Gedanken begann Noel zu schweben, so dass er sich dem Körper des Mädchens näherte, welches einige Meter über dem Boden hing.
Sanft strich er ihr durch das Haar, daran denkend, wie er dies möglich gemacht hatte.
Ich habe deinen Körper mit den göttlichen Kräften, die man als Deus 5.Ranges schon besitzt, versiegelt und somit vor zeitlichen Einflüssen vollkommen bewahrt. Damit bleibt nicht nur das Bildnis deiner Anmut, Reinheit und Zerbrechlichkeit bestehen, nein, du wirst auch sofort in deine Hülle zurückkehren können, so der Tag kommt, an dem ich dich zu neuem Leben erwecke.
"Bald, Luise... halt nur noch ein wenig aus. Ich habe dir doch vom Spiel der Deuses erzählt, nicht? Es kann nicht mehr lange dauern. Ich habe schon einen vielversprechenden Avatar gefunden. Bald wirst du wieder leben... und dann kann ich endlich wieder dein Lächeln sehen..."
Behutsam drückte Chronestulem dem Mädchen einen vorsichtigen Kuss auf die immer noch warmen Lippen, bevor er wieder zurück auf den Erdboden sank und sich, wie immer, daran machte, den Tempel wieder zu verlassen.
"Bis Morgen, Luise... ich komme Morgen wieder!"
So ging das über fünfhundert Jahre lang. Meine Zerrissenheit und mein Leid versteckte ich vor dir, wenn ich dich besuchen kam. Und obgleich mir deine Hülle unersetzbaren Trost spendete, war sie doch auch eine Folter ansich. Wie oft habe ich wohl schluchzend vor deinem Baum gesessen? Wie oft deine schönen Kleider mit meinen Tränen getränkt? Ich habe aufgehört, zu zählen. Doch es wird nicht mehr lange dauern, da ich dich retten werde.
Und wenige Jahre später war es soweit. Zusammen mit zwanzzig anderen Deuses nahm der noch junge Gott Noel an einem erneuten Spiel teil. Er hatte sich Jahrhundertelang strebsam auf genau diesen Tag vorbereitet, hatte jahre dafür aufgebracht, den vielversprechendsten Avatar zu finden, und ihm wäre jedes Mittel recht, zu gewinnen - Und wenn er schummeln müsse. Er ertrug es keinen einzigen Tag länger ohne Luise.
Und Noel war erfolgreich. Ein Avatar nach dem anderen fiel. Seine Erfahrung als ehemaliger Avatar machte sich bezahlt. Tag für Tag leitete er seinen Schützling zielstrebig an, die ganze Zeit nur ein Gesicht vor Augen.
Er kam unter die letzten vier. Der Wunsch war zum greifen nahe. Er würde Luise wiedersehen. ihre Stimme hören. Ihr Lächeln. Noch heute.
Er scheiterte. Sein Avatar verlor in der letzten Runde gegen die Gegenseite und damit hatte der Wunsch sich für das nächste Jahrtausend erledigt.
Verzweiflung war kein Ausdruck für das, was ein Individuum in dieser Situation empfinden konnte. Wenn Noel das Gefühl hatte, er hatte in den vergangenen Jahrhunderten viele Tränen vergißen, so waren es an diesem Tag allein wohl doppelt so viele. Monatelang versank er vollkommen in Depressionen und Trauer, konnte seinen Tempel nicht betreten, war dem endlosen Wahnsinn nahe. Doch er stand wieder auf. Noel hielt durch, mit dem Gedanken, dass es ein nächstes Spiel geben würde. Er müsse sich dieses Mal nur besser vorbereiten. Was waren schon 500 Jahre? Nichts gegen den Tag, an dem Luise die Augen öffnen würde.
Doch Noel scheiterte wieder.
Und wieder.
Und wieder.
Und wieder.
Jedes Mal, wenn ein Teil von ihm dachte, nachdem er tagelang vor Luise' Leiche weinend, schluchzend, schreiend zugebracht hatte, sich mit Selbsthass übergiessend für ein weiteres Versagen und wieder ein halbes Jahrtausend ohne Hoffnung auf Erlösung, spottete ein anderer Teil ihm, indem er ihn wieder aufstehen ließ.
Der Gott gab nicht auf. Er arbeitete sich hoch, Rang um Rang, bis er schließlich als Deus 1.Ranges sogar Alexander um weiten übertroffen und die besten Voraussetzungen für das Spiel der Deuses hatte. Dennoch scheiterte er wieder.
Vielleicht lag es daran, dass sein Verstand mit jedem Jahrhundert zusehends verblasste. Doch irgendwann hatte er es geschafft. Noel hatte als einziger Deus bei einem Spiel gewonnen.
Er hatte sein Ziel erreicht und durfte vor Gott einen Wunsch äußern.
Und genau das tat er. Noel bekundete den Wunsch, für den er über 3000 Jahre lang gelitten hatte.
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Das rothaarige Mädchen stand dem lächelnden, jungen Mann gegenüber, die Mundwinkel zu einem sanften Grinsen geformt. Auch der Deus lächelte, doch liefen Tränen seine Wangen herunter. Vielleicht waren es Tränen des Glückes.
Das Mädchen indessen konnte darauf nicht reagieren.
Denn, so schien es, es schlief.
Mit leichtherzig befreitem und doch traurigem Lächeln nahm Noel Luise in eine tiefe Umarmung und flüsterte ihr unter zurückgehaltenen Tränen ins Ohr.
"Luise... ich... ich habe es geschafft.
Ich habe dem Spiel der Deuses ein Ende bereitet.
Es gibt dieses grausame Spiel nicht mehr.
Es wird es nie wieder geben."
NENNE DEINEN WUNSCH, DEUS EX CHRONESTULEM.
Noel war dabei, es auszusprechen, als er, ohne recht zu wissen warum, wie so oft in seinem langen Leben einem Affekt folgte.
"Bereite dem Spiel der Deuses ein Ende.
Ein solches Spiel soll nie wieder ausgetragen werden."
Mit zitternder Stimme strich er ihr über den Kopf, wissend, dass sie es nicht fühlen konnte. Noel weinte. Doch dieses eine Mal nicht aus Verzweiflung.
"Das... das habe ich doch richtig gemacht, nicht wahr?
Du hättest das doch sicher gewollt, nicht?
Du... du bist doch stolz auf mich... oder Luise?"
Schluchzend versank sen Gesicht in ihren Haaren. Es war vorbei.
Luise würde nicht wieder ins Leben zurückkehren. Nie wieder.
Warum Noel sich letztendlich entschieden hatte, das Spiel der Deuses zu vernichten statt Luise ins leben zurückzuholen?
Du hast mich doch... so sehr gehasst. Du hasstest mich. Und du hast jeden verloren, der dir wichtig war. Durch mich. Ich bin sicher, da, wo du jetzt bist, bist du viel glücklicher, als du es hier in meiner Gefangenschafr währest... nicht wahr, Luise?"
Stumm sank noel auf die Wiese zurück. Lächelnd wusch er sich die Tränen vom Gesicht und sah Luise noch einmal in die geschlossenen Augen.
"Ich werde meine Existenz dieser Welt widmen, die du so geliebt hast, Luise. Das Spiel der Deuses gibt es nicht mehr, aber trotzdem existiert so viel Leid und Hass auf der Erde... ich werde von nun an jeden Tag dafür kämpfen, dass Familien wie die deinige nicht mehr zerrissen werden und die Zwietracht zwischen den Menschen auhört. Ich werde das Zuhause erschaffen, nach dem du dich immer gesehnt hast... also bitte... sieh mir zu, ja?"
Lächelnd verließ Noel seinen Tempel. Es gab viel zu tun.
Viele Jahre später
Sie war genervt.
Gut, sie kannte ihn ja, es war normal für Chron, in seiner Freizeit nächtelang in seinem kleinen, muffigen Tempel herumzuhocken. Aber WIEDER hatte ER ihr Treffen ausgemacht, diesmal ging es ihm um den Krieg der beiden Planeten Eonetos und Erde, dessen Völker in einen heftigen Streit geraten waren, und WIEDER war ER es, der zu spät kam!
Ihre Adern kochten, als Yandera daran dachte. Wutschnaufend stieß sie die hohen Tore seiner Stätte auf, betrat sausend die grüne Wiese, und natürlich: Er schwebte wie immer ruhig vor dem Mädchen.
"CHRON! Bei allen Sternenlichtern Aristas', ich respektiere deine Bräuche, aber Amaterasu und Toffirife warten auf uns! Wir sind deine Freundinnen und Geduld ist eine schöne Sache, aber langsam, so wahr Gott mir helfe-"
"Tut mir leid, Deus Ex Yandera. Verzeih vielmals. Ich bin sofort da."
"WIE OFT MUSS ICH ES DIR NOCH SAGEN, YANDERA REICHT!
IDIOT!
Wutschäumend stürmte das schwarzhaarige Mädchen aus dem Tempel und ließ den grauhaarigen, jungen Mann mit seiner "Puppe" zurück.
Noel legte Luise gerade lächelnd eine Kette, gemacht aus Silber und Veilchen, um den Hals.
"Gefällt sie dir? Die mochtest du doch immer...
Also, Luise..."
Er nahm die Hand von ihrer zarten Wange und strich ein letztes Mal für die nächste Zeit durch ihr Haar.
"Ich muss dann Mal wieder los... du weißt schon. Aber in ein paar Wochen bin ich wieder da, versprochen? Also halte schön aus..."
Liebevoll drückte er ihr einen leichten Kuss auf die Lippen, bevor er herabschwebte und sich daranmachte, den Tempel zu verlassen.
"Bis bald... kleine Elfe."
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Ich lebe weiter, für dich.
Ich habe diese Welt lieben gelernt und kämpfe mit meinen Freunden jeden Tag dafür, sie ein bisschen besser für die Menschen zu machen, die in ihr leben.
Weil ich weiß, dass du es genau so gewollt hättest.
Ich möchte, dass du stolz auf mich sein kannst, Luise.
Auch, wenn wir uns nur eine kurze Zeit kannten und ich mich an mein altes Leben schon lange nicht mehr erinnere... ich werde dich niemals vergessen.
Die Erinnerung an dich ist tief in meinem Herzen eingeschlossen und hilft mir, zusammen mit deinem sterblichen Abbild, weiterzumachen.
Sag mir, Luise... bist du stolz auf mich?
Selbst wenn dieser Körper zu Asche zerfallen würde, würde ich dich niemals verlassen.
- Deus der Aufopferung, Chronestulem.