Völlig verunsichert und verschreckt hatte Viktoria sich in ihrer Kammer verbarikadiert. In ihrem Kopf waren nur noch Bilder von toten unschuldigen Menschen.
Sie sang vor sich hin und sah rote, unterlaufene Augen die um sie herum schweben.
Sie wollte, dass sie sie in Ruhe ließen.
Völlig verwirrt stolperte sie, sich selbst hörend, wie sie laut schrie, in Richtung Fenster.
"Was wollt ihr von mir??? Ich habe nie jemandem etwas angetan????"
Sie schlug um sich und völlig neben der Spur erbickte sie das Veilchenbett, das direkt unter ihrem Kammerfenster lag.
Sie atmete schwer und wieder liefen Tränen über ihre Wangen.
Dann rannte sie zum Dorfplatz. "Ich bin die rote Viola!", rief sie jedem zu den sie traf. Auf dem Dorfplatz angekommen, schrie sie es laut heraus, "ICH BIN DIE ROTE VIOOOLAAA"
Als sie sich umsah, sah sie ihre Mutter die sie wütend anstarrte.
Jetzt kannte sie ihr Geheimnis. Jeder kannte es.
Sie rannte zurück. Ihre Mutter lief ihr hinterher und ihr Gesicht schien vor Wut zu glühen.
Heiße Tränen und lautes Schluchzen, drangen aus Viktorias Leib.
Doch das spürte sie nicht mehr.
"Viktoria! Bleib stehen. Dein Vater hätte so etwas nie gewollt! Er wollte das du eine anständige, junge Dame wirst!"
Viktoria hielt inne. Sie sah zurück, ihre Mutter stand nun hinter ihr. Noch immer brannte Wut in ihrem Gesicht.
"Mein Vater, war glücklich wenn wir es auch waren. Du hast uns unglücklich gemacht in dem du mich gezwungen hast, so zu leben, wie ich es nicht für richtig halte..."
"Viktoria Valeria von Eichenstein!"
"NEIN! Es ist vorbei, ich möchte nicht mehr so leben!! Du hast mir all die Jahre nichts erlaubt und du schützt mich nichtmal jetzt, wo so viele Menschen in unserem Dorf umkommen. Ich soll auch in dieser Zeit in der Schneiderei sitzen und meine Arbeit erledigen. Was bist du eigentlich für eine Mutter?!" Wieder floß ein Schwall von Tränen aus ihren Augen. "Das ist vorbei! Ich mache das nicht mehr mit"
Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern.
Dann lief Viktoria weiter.
Ihre Mutter blieb sprachlos zurück.
Hatte sie doch alles getan, was gut für ihre Tochter sein sollte, dennoch war es falsch. Sie sah es ein, senkte die tränennassen Augen auf ihre Füße und hoffte das Viktoria nach dieser Nacht zurückkehren würde....dann würde sie alles anders machen.

Viktoria war inzwischen tief im Wald angelangt und so sehr sie merkte, dass sie eine Pause von ihrem schnellen Laufen brauchte, sie raste weiter.
Sie spürte nichts mehr. Ihre Gedanken kreisten nur noch um ihr Dorf. Die Menschen die starben. Unschuldige!
Tränen floßen, ihr Gesicht glühte vor Auffregung, doch sie lief und lief.
Plötzlich blieb ihr Fuß an etwas hängen und es rieß ihr den Boden weg.
Schreiend lag sie dort. Unglaubliche Schmerzen zogen sich durch ihren Fuß bis rauf in ihren Oberschenkel.
Vor Schock blieb sie eine Weile liegen.
Dann setzte sie sich vorsichtig und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf,
Sie war an einer Wurzel hängen geblieben und weitere Wurzeln hatten ihr anscheinend tief in das Fleisch ihres Oberschenkel geschnitten.
Sie weinte wieder auf,
So viel Leid und Schmerz auf einmal zu tragen.

Als sie aufwachte, wurde sie durch ein Geräusch geweckt.
Es war inzwischen dunkel und sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, jedoch hatte es gut getan, da sie den Schmerz, der sich jetzt wieder glühend durch ihr Bein zog, verdrängen konnte.
Da knisterte es wieder hinter einem Busch.
Das große Gesicht eines Wolfs tauchte dahinter auf.
Viktoria schrie und versuchte ihren kaputten Fuß, aus der Wurzel zu ziehen.
Sie zerrte an ihm und der Schmerz flammte erneut auf.
Viktoria wimmerte auf und der Wolf kam noch immer langsam und bedrohlich auf sie zu.
Er leckte sich die Lippen.
Sie versuchte noch einmal, ihren Fuß zu befreien.
Schaffte es, erhob sich und drehte sich um, als sie noch eine Menge weiterer Wölfe vor sich stehen sah.
Unvermittelt schrie sie auf.
Angst und Schmerz vermischten sich und dann stürzten alle Wölfe auf sie ein.
Viktoria schrie vor Schmerz auf, als sie spürte wie die Zähne der Wölfe sich in ihr Fleisch bohrten.
Ihr letzter Gedanke an ihr Dorf, wurde von heftigen Schmerzen unterstrichen.
Dann nahm sie nichts mehr wahr.