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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 2

Hybrid-Darstellung

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  1. #1
    http://www.youtube.com/watch?v=hORxGgbioWc

    Ihre Blicke und ihre Tatenlosigkeit verrieten es.
    Sie glaubten ihr nicht.
    Hielten sie für eine Lügnerin.
    Eine Mörderin.
    Brunhild, die noch nie in ihrem Leben gelogen hatte.
    Für die das Lügen nach dem Töten die größte Sünde war.

    Vollkommen die Kontrolle über sich verlierend zuckte ihr Körper bei jedem Schluchzen, als ob sie einen Anfall erleiden würde.
    Krampfhaft japste sie nach Atem, doch ihre Lungen wollten sich nicht mit Luft füllen.
    Ihr Fleisch konnte die Entscheidung ihres geliebten Dorfes nicht begreifen. Sie waren ihr Ein und Alles gewesen. Ihre Freunde. Ihre Familie. Es gab nur eine Person auf Gottes schönen Erdenrund, die ihr noch wichtiger geworden war. Und diese würde sie nie wieder sehen.
    Ihr war, als ob sie Konrads starke Arme wieder um sich spüren würde. Wie heute morgen fühlte sie eine ungeheure Wärme durch sich strömen- heute morgen. Es schien ihr auf einmal, als wären Äonen seither vergangen.
    Innerhalb weniger Stunden ist ihr gesamtes Leben langsam aber sicher den Abgrund entgegen geglitten und sie hatte es nicht bemerkt.
    Und doch…
    Diese unbeschreibliche Wärme ließ Luft in ihre zusammengefallenen Lungen strömen.
    Beendete die unkontrollierten Spasmen.
    Nahm ihr alle Angst.

    Langsam wischte sie sich die Tränen vom Gesicht.
    Keiner sollte sie als bekümmerte, vollkommen verzweifelte Brunhild in Erinnerung behalten, sondern so, wie sie immer gelebt hatte: als die herzliche, gutmütige Wirtin.
    Langsam erhob sie sich, vollkommen entspannt. Ein mildes Lächeln im Gesicht.
    Ihr Blick fiel zuerst auf Noel.
    Noch vor wenigen Minuten hatte sie ihm aus lauter Abscheu mit Unrat übersäht.
    Das tat ihr bei Gott nicht leid, er hatte es verdient. Doch empfand sie nun seltsamerweise keinerlei Hass mehr für ihn. Nur tiefstes Mitleid.
    Vor ihn tretend meinte sie: “Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung vom Schachspiel, doch glaube ich, dass Du Deines noch verbessern kannst.“
    Ein kurzes Kichern entrang ihrer Kehle. Dann umfasste sie sein Gesicht vorsichtig mit ihren Händen und legte ihre Stirn an die seine:
    “Ich wünsche so sehr, dass Du Dich von den Dämonen der Vergangenheit, die Dich so werden ließen, irgendwann befreien und Dein Leben endlich genießen kannst. Wenn ich mich nicht vollkommen in Deine Lauterkeit täusche, dann halte bis zum Ende durch, wie auch immer es kommen mag. Bitte“
    Sacht löste sie sich wieder und ging zu Tyrell und wuschelte ihm dankbar für seinen Zuspruch durch’s Haar, ehe sie auf Luminista zusteuerte.
    Aus ihrer Schürze holte sie die Schlüssel für die Vorratskammer, die Brauerei und das Wirtshaus hervor und legte sie in ihre kleinen Hände.
    “Du hast ein gutes Herz, deswegen sollst Du ein gutes Heim und ausreichend Verpflegung haben, solange Du hier sein möchtest. Bitte sorge besonders dafür, dass gerade Patricia und Tyrell immer ordentlich zu essen haben, du kannst ihnen ja einfach die Kammer öffnen. Wenn Du unser Dorf wieder verlässt, vertraue ich Dir, dass Du redlich entscheiden wirst, was mit dem ganzen Besitz meiner Familie geschehen soll…
    Dann ging sie zum Tresen, schenkte dem trunkenen Peter eine Maß nach und holte den Schafsfellüberwurf hervor, den sie sich gleich umtat.
    Ein beruhigender Duft nach Kiefern, Muskat und Pferden umfing sie.
    Die Wärme in ihr vertausendfachte sich.

    Den Regen, der beim Hinausgehen auf sie niederprasselte, bemerkte sie kaum. Das gesamte Dorf strömte aus dem Wirtshaus hin zum Galgen.
    Eine Gasse bildete sich für sie, noch nie war ihr je soviel Beachtung zuteil geworden. Welch Ironie, früher hätte einmal alles darum gegeben, doch nun schien es ihr so seltsam unwichtig.
    Als sie an Ross Fäller vorbeikam, hielt sie kurz an, blickte ihm geradewegs in die Augen. So als wöllte sie direkt in seine Seele blicken. Doch entgegen der Worte blieb die Herzlichkeit in ihrer Stimme und das Lächeln auf ihren Lippen:
    “Wenn Gott Gnade mit dem Dorf hat, wird Dir morgen der Strick um den Hals gelegt und Du und alle die mit Dir dieser Sekte angehören in der Hölle schmoren. Gott schütze Dich.“
    Geradezu lächerlich schnell waren die letzten Meter zur Empore mit dem dort aufgebauten Galgen überwundern.
    Als sie gerade auf die erste Stufe trat, besann sie sich auf eine der wichtigsten Personen für sie und wand sich um.
    Luise stand direkt vor ihr. Behutsam nahm sie das noch erstaunlich trockene Schafsfell von den Schultern und legte es um die ihren. Dann schloss sie das Mädchen fest in die Arme:
    “Du gutes Kind, er hätte sicher gewollt, dass ich es Dir gebe. Bitte lass Dich nie vom Bösen verleiten. Wenn mir je eine Tochter vergönnt gewesen wäre, sie hätte exakt Dein Ebenbild in Äußerem wie Innerem sein sollen.“
    Widerwillig löste sie sich nach Langem endlich und schritt hinauf zum Galgen.
    Des Henkers bester Freund wartete bereits ungeduldig und schnalzte entnervt mit der Zunge, als sie endlich bei ihm war.
    “Ist ja schon schade um Dich, Deine Lauchsuppe war ein Traum. Und mit dem Bier hätte man Könige tränken können. Aber, wie heißt es so schön? Nur eine gehängte Frau ist eine gute Fraue, Kehehehehe…“
    Der Strick wurde ihr umgelegt.
    Ihre weiche Haut aufgerieben.
    Aus der Ferne ein sich näherndes Bellen und Knurren.
    Erstaunt, aber doch sichtlich erleichtert erblickte Brunhild ihren alten Schäferhund, der über den Dorfplatz gerannt kam, eine klaffende Wunde in der Seite. Ein hinkender Schemen verschwand hinter dem Apothekershaus. Deswegen also der Blick.
    Rüdiger preschte durch die Menge, hin zu dem ehemaligen Holzäller und biss ihm kräftig in’s Bein. Seit heute morgen hatte er einige Übung erlangt, was das anging. Dann erblickte er sein Frauchen und sprang ruteschwingend auf die Bühne.
    Überschwenglich kraulte und knuddelte sie ihn, soweit es das Seil um ihren Hals zuließ.
    “Das es achtzehn Jahre dauern würde, ehe aus Dir ein ordentlicher Wachhund wird…Bitte füttert ihn ordentlich und lasst ihn weiter an meinem Kamin schlafen, dann wird er mich nicht so vermissen.“
    Mit einem Fingerzeig gemahnte sie ihren Rüdengreis Platz zu machen.
    Dann richtete Brunhild ihren Blick auf einen Punkt, den nur sie sehen konnte und sprach mit leiser, aber doch fester Stimme:
    “Mein guter Herrgott, bitte hab Erbarmen mit den guten Bürgern dieses Dorfes. Lass die Sekte nicht weiter morden, schon zuviel unschuldiges Blut wurde vergossen. In diesem Dorf leben die wunderbarsten Deiner Kinder und sie mögen noch ein langes und erfülltes Leben haben.
    Ich weiß, dass ich nur eine arme Sünderin bin und nicht würdig bin, in Dein Reich einzukehren, aber bitte gewähre einer Sterbenden ihren letzten Wunsch.
    Wache auch über den guten Konrad und hilf ihm, seinen Fluch zu brechen, denn er hat von allen Menschen die Erlösung am meisten verdient. Und bitte lasse ihn wissen, dass ich ihn-„

    Sie verlor den Halt unter den Füßen, der Strick brach ihr fast augenblicklich das Genick.
    “-liebeee…
    Die Wärme stieg ins Unendliche und nahm sie mit sich fort.

    Geändert von Mephista (03.04.2013 um 21:40 Uhr)

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