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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 2

Hybrid-Darstellung

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  1. #1


    Der Platz füllte sich langsam mit Menschen.
    Stimmen wurden lauter. Hunde bellten. Pferde wieherten.
    Und im Hintergrund erklang das stetige Lied des Regens. Das Geräusch unzähliger, fallender Tropfen, die auf der Erde landeten, sich in Pfützen sammelten oder von den Dächern herabrannen.

    Doch Luise hörte all das nicht. Die Geräusche waren nicht mehr als ein fernes Flüstern. Das aufgeregte Treiben nicht mehr als verschwommene Bewegungen in ihren Augenwinkeln.
    Es war ihr egal.
    Es war vorbei.
    Schwester Maria war tot.
    Konrad war fort. Zurückgelassen hatte er sie.
    Stets hatte er ihr ein frohes Gesicht gezeigt. Sie in den Arm genommen und sie getröstet, wenn es ihr schlecht ging. Sie beschützt.
    Sie glauben lassen, dass selbst sie, ein hässliches, schwaches Mädchen, gestraft mit feuerrotem Haar, dass selbst sie Liebe und Zuneigung verdiente.
    Konrad. Der Bruder, den sie nie gehabt hatte.

    Und nun hatte er Luise grausam zurückgelassen. Sie daran erinnert, dass sie letztendlich doch nur ein kleines, rothaariges Mädchen war.
    Allein war sie nun.
    So schutzlos.
    Zerbrechlich.
    Schwach.

    Einen langen Moment hatte sie nun verweilt, auf dem kalten Boden. Nur in ihre eigenen Gedanken, ihren Schmerz vertieft.
    War nicht auf die Annäherungen ihrer Umwelt eingegangen.
    Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass Rekon sich bemüht hatte, sie zu trösten.
    Doch nun hörte sie, wie er eine Rede hielt. Die Neuigkeiten einfach zusammenfasste und dann fortfuhr mit der Freiwilligensuche für Marias Beerdigung.
    Das Leben ging weiter.
    Und genau das war es, was den Verlust so schmerzhaft machte.
    Der Versuch, ein normales Leben zu führen - ungeachtet der Lücken, welche Menschen hinterließen, wenn sie fort waren.
    Der Versuch, eine Welt zu schaffen, in der sie nicht mehr gebraucht wurden.
    Die Wochen, während der man das Vergessen suchte und es nicht fand.
    Und dann, eines Tages die Erkenntnis, dass man bereits vergessen hatte. Dass nichts geblieben war von der einstigen Nähe und Wärme. Dass sogar das einstig geliebte Gesicht nur noch eine verschwommene Erinnerung unter vielen war.
    So war es mit Brida gewesen, nach ihrem Verschwinden. So würde es auch mit Maria und mit Konrad sein.
    Eines Tages würde Luise zurückdenken an diesen Tag und nichts fühlen. Eine Erinnerung von vielen.

    Still erhob Luise sich schließlich vom schmutzigen Boden und wandte sich um. Mit regloser, versteinerter Miene erblickte sie Noel, der gerade auf sie zuhielt.
    Blass war er. Noch mehr als sonst. Etwas schien ihn zu Boden geworfen haben, denn seine Kleidung war schlammbesudelt. Der Regen hatte sich in seiner Robe und den ins Gesicht fallenden Haarsträhnen gesammelt.
    Noel sah erbärmlich aus. Genau wie Luise selbst.
    Mit einem kläglichen Lächeln sagte sie: "Wir beide... wir sind uns gar nicht unähnlich." Keine Träne hatte sie bisher vergossen. Doch ihre Stimme klang brüchig. Falsch und kränklich in ihren eigenen Ohren. Mit jedem Wort musste sie kämpfen, bis es ihre Lippen verließ. So leise war ihre Stimme, dass sie benahe vom Regen fortgwaschen wurde. Dennoch wusste Luise, dass Noel sie gehört hatte. "Du verstehst es, nicht wahr? Du hast auch jemanden verloren." Eine Antwort darauf erwartete sie nicht wirklich. Was sollte man schon dazu sagen? Trotzdem schaute sie ihm weiter in die Augen. Die Miene regungslos, die Augen leer.

    Geändert von Zitroneneis (30.03.2013 um 00:25 Uhr)

  2. #2
    Szenentheme:
    http://www.youtube.com/watch?v=e9rMt-xtaxM

    Vom Regen durchnässt stand Noel Luise gegenüber, die sich jetzt ebenfalls wieder erhoben hatte und ihn mit einem Blick ansah, den er bisher nicht kannte. Dann lächelte sie erbärmlich und flüsterte ihm etwas zu.
    "Wir beide... wir sind uns gar nicht unähnlich.
    Du verstehst es, nicht wahr? Du hast auch jemanden verloren."


    Sie versuchte, zu lachen. Weinte immer noch nicht. Aber sie wollte es, das war mehr als offensichtlich. Die Regentropfen, von denen sich jeder Einzelne so schwer anfühlte wie ein reiner Saphirdiamant, kleideten die beiden gleichsam verwarlosten Gestalten in einen Umhang aus glänzenden Wasserfällen, als Noel, wie so oft einem Affekt folgend, seinen Verstand ausschaltete, auf Luise zuging und seinen Arm um sie legte. Stumm setzte er seinen Kopf auf den ihrigen und streichelte mit seiner anderen Hand behutsam ihre durchnässten Haare.
    "Es ist in Ordnung, kleine Elfe.
    Menschen weinen, wenn sie jemanden verlieren. Das ist... vollkommmen normal. Tu es einfach, wenn dir danach ist. Schau, ich stehe jetzt vor dir, es wird nicht einmal jemand sehen und durch den Regen auch nicht hören. Es ist in Ordnung. Danach wird es dir besser gehen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil. Letztendlich können nur Menschen weinen, die zu ihrer Schwäche stehen und Verluste akzeptieren.
    Ich habe... nie geweint. Nicht ein einziges Mal. Ich habe nicht geweint, als meine geliebte Mutter vor meinen Augen brutal vergewaltigt und abgeschlachtet wurde. Und auch nicht danach.
    ...Ich habe es mein Leben lang bereut. Die Tränen, die ich damals hätte vergiessen können, flossen in mein Inneres und wurden mehr und mehr zu einem widerlichen, schwarzen Klumpen Hass. Du hast jetzt die Chance, zu weinen. Nutze sie."


    Still nahm Luise hin, dass der junge Bibliothekar sie einfach so in die Arme schloss. Es war ihr nicht unangenehm.
    Im Gegenteil, seine Wärme war ihr ein Trost.
    Seine Stimme war bar jeder Verachtung und jeden Spottes. Luise war sicher, dass er wusste, wovon er sprach. Dass seine Worte von Herzen kamen. Weil auch er Verluste erlitten hatte.
    Doch Luise konnte nicht weinen. So sehr sie es auch wollte, keine Träne rollte über ihre Wange.
    Weinen hieß Loslassen. Die Löcher akzeptieren, welche Konrad und Maria zurückgelassen hatten. Die Gefühle von sich stoßen und all die gemeinsame Zeit zu verschwommenen Erinnerungen verkommen lassen.
    Sie war noch nicht so weit.
    Für eine Weile wollte Luise noch die Schatten der beiden spüren.
    "Ich kann nicht." Sanft löste sie sich von Noel, hielt nur seine Hand sanft fest. Mit dem traurig scheiternden Versuch eines dankbaren Lächelns blickte sie ihn an. "Danke... danke für deine freundlichen Worte... und für alles andere." Sie senkte den Kopf. "Aber... ich kann die beiden nicht loslassen. Noch nicht. Vielleicht... bestimmt wird es eines Tages soweit sein... und dann werde ich weinen." Ein wenig leiser fügte sie hinzu: "Und... mich würde nicht stören, würdest du es sehen." Sie blickte ihm wieder in die Augen. "Kannst du das verstehen?"

    Noel lächelte nicht, hielt einfach ihren Blick.
    Er hatte die kleine Elfe gerade umarmt und was sie zu ihm gesagt hatte... unter anderen Umständen wäre es für ihn das Glück auf Erden gewesen. Aber nun fühlte es sich seltsam... bedeutungslos an.

    "...ja. Ich verstehe, kleine Elfe."

    Noel ging in die Hocke, um mit Luise auf einer Augenhöhe zu sein, bevor er leise flüsterte, so nur sie seine Worte vernehmen konnte.
    "Konrad war ein großartiger Mann, nicht?
    Letztendlich... hat er sogar meinen Respekt gewonnen. Wenngleich ich seine Flucht nicht voll verstehen kann... ich nehme mir nicht raus, über ihn zu urteilen.
    Trauere auf deine Weise, Luise. Ich werde auf die meinige trauern."

    Nun lächelte Noel leicht, versuchte, die Kälte aus ihrer Seele zu treiben.
    "Aber verliere dich nicht in den bodenlosen Tiefen und den allesverzerrenden Schmerzen deiner Trauer. Sonst wirst du, ehe du dich versiehst, zu einer dämonischen Bestie, wie ich eine bin. Das werde ich nicht zulassen."

    Stumm sah Luise Noels Lächeln. Wollte es erwidern. Wollte ihm sagen, dass sie bestimmt nicht zu einer Bestie werden würde.
    Doch beides würde nicht wirklich ehrlich sein.
    Kein Lächeln wollte sich auf ihren ausgekühlten Lippen ausbreiten.
    Und eine Bestie war sie doch schon längst. Keine Elfe. Gott hatte Recht gehabt, sie mit diesem roten Haar zu zeichnen.
    Es war auch ihre Schuld gewesen, dass Merete unschuldig hingerichtet worden war.
    Weil Luise lieber die Meinung anderer übernommen hatte als selbst Verantwortung zu übernehmen.
    Und damit womöglich andere darin bestätigt hatte, ihrem Beispiel zu folgen.
    Was schließlich wahrscheinlich auch zu Marias Ermordung geführt hatte. Denn was konnte gefährlicher für die Lumianer sein, als eine Dienerin Gottes, der so viele Menschen vertrauten?
    Vielleicht war Konrads Verbannung auch eine weitere Strafe für Luises Fehltritt gewesen.
    Doch das alles bedeutete nicht, dass sie nun einfach aufgeben und sich dem Bedauern hingeben würde
    Fest blickte sie dem Bibliothekar in die Augen und sprach ruhig: "Mein Schmerz wird mich nicht verschlingen. Ich... ich werde ihn ertragen, bis ich für meine Fehler gebüßt habe. Und dann... dann werde ich loslassen können." Das Lächeln was sie ihm nun schenkte war um keinen Deut fröhlicher als die vorherigen. Aber es war zumindest einen Hauch selbstsicherer.
    "Ich... ich möchte dir noch einmal danken. Du bist sehr... großzügig und freundlich." Sie zögerte einen Moment, bevor sie fortfuhr: "Ich weiß nicht, warum du so sehr für mich sorgst... oder warum du so eine hohe Meinung von mir hast. Von einem ängstlichen Kind wie mir...mit solch teuflischem Haar..." Ihre Stimme ebbte ab. Eigentlich wollte sie diese Gedanken nicht nach außen tragen. Wollte die Welt nicht noch mehr auf ihr abstoßendes Haar aufmerksam machen. Doch nun war es ihr herausgerutscht. Und sie musste zurückdenken, an Noels allererste Worte an sie... deren Bedeutung sie bis heute noch immer nicht verstand.

    Noel lächelte weiter. Er wusste, was er ihr nun sagen würde.
    Seltsamerweise war er kein bisschen aufgeregt, sein Herz schlug vollkommen normal.
    "Es war jener Tag vor zwei Jahren... da ich dein wundervolles, rotes Haar das erste Mal sah."
    Auch wenn er versucht hatte, Luise' in die Augen zu sehen, sank sein Blick
    unsicher zu Boden.
    "Du bist ein wundervoller Mensch, kleine Elfe, und du hast wunderschönes Haar, Hör auf, dich dafür zu hassen.
    Ich weißt nicht... ich glaube, es dauerte einige Wochen. Es dauerte einige Woche, bis ich begriff, was ich für dich empfinde."

    Stumm lächelnd sah er ihr wieder in die Augen. Noel entschloss sich, es nicht direkt auszusprechen. Es war überflüssig, und gerade war ohnehin nicht der Zeitpunkt für solcherlei Gefühle.
    "Du bist mir sehr wichtig, Luise... mehr als Irgend etwas Anderes. Ich habe Konrad geschworen, dich nicht mehr zu belästigen, aber.." , seine Augenbrauen zogen sich schmerzhaft zusammen, "ich muss diesen Schwur brechen. Ich weiß nicht, ob ich der Richtige bin, um dich zu beschützen, kleine Elfe... aber ich mache es, weil ich es so will. Lass mich an Konrads statt dein Halt sein und dir einen Teil deiner Trauer und deines Schmerzes abnehmen. Würdest du das... akzeptieren?"
    Sich unsicher zu einem Lächeln zwingend, hatte Noel es ausgesprochen.
    Die beiden waren vollkommen vom Regen durchnässt, es schüttete so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Und doch, so schien es Noel und Luise, war es friedlich still.

    Luise konnte kaum glauben, was sie da hörte.
    Wie konnte es sein, dass jemand solch starke Gefühle für sie empfand? Dass sie ihm wichtig war, ohne dass er sie vorher gekannt hatte?
    Dass er ihr Haar mochte?
    Erst jetzt kam ihr in den Sinn, dass er seinen ersten Satz ernst gemeint hatte. Dass er ihre Haare tatsächlich schön fand.
    Sie wusste nicht, was sie auf seine Worte erwidern sollte.
    Ihr rotes Haar war abstoßend. Rot wie das Feuer der Hölle. Ein Merkmal der Hexen.
    Aber seine Worte klangen so ehrlich und offen, dass Luise ihm nicht widersprach.
    Stattdessen ging sie traurig auf seine Frage ein: "Du wirst Konrad nicht ersetzen können. Er ist mein Vetter... aber wir waren immer mehr wie Bruder und Schwester. Er hat nur zwei Jahre bei uns gelebt. Und dennoch... all die Zeit, die wir uns voher schon kannten... und besonders die letzten zwei Jahre... sie können nicht ersetzt werden - selbst wenn ich mich eines Tages nicht mehr klar an sie erinnern werde." Luise schwieg einen Moment, dann drückte sie sanft Noels Hand. "Aber... ich kann deinen Wunsch akzeptieren, mich zu beschützen. Ich weiß nicht, was genau dein Versprechen an Konrad war... aber er ist nun fort. Er hat mich zurückgelassen. Und du belästigst mich nicht. Du möchtest mich trösten und mich beschützen. Das kann nicht gegen Korads Willen sein. Ich danke dir dafür." Schließlich fügte sie noch hinzu: "Doch eine Bitte habe ich. Bitte... bitte achte auch auf dich selbst. Ich möchte nicht, dass meine Sicherheit auf dem Opfer anderer aufbaut..."
    Ein plötzlicher Windstoß fegte durch ihr nasses Haar und peitschte die Tropfen in ihr Gesicht. Und da erinnerte Luise sich wieder daran, dass sie mitten auf dem Dorfplatz stand, umgeben vom kalten Regen, und mit leerem Magen.
    Sie fühlte wieder. Die eingefrorene Zeit war aufgetaut und lief weiter.


    Grinsend schüttelte Noel den Kopf, sein blutrotes Haar wog im nassen Wind.
    "Selbstverständlich wird niemand Konrad ersetzen können.
    Ein Mensch ist einzigartig, könnte man sagen.
    Aber... ich danke dir für dein Vertrauen. Und deine Sorge um mich.
    Sie ehrt mich, kleine Elfe."


    Stumm sahen sich die beiden ungleichen Personen noch einige Momente in die Augen, bis Noel bemerkte, dass es Luise körperlich gar nicht gut ging.
    Stumm erhob er sich und legte ihr, wie am Vortag, ihren dicken Mantel um den schmächtigen Körper, obgleich er nur ein dünnes Hemd trug.

    "Hey... Luise.
    Weißt du was? Wenn das Alles vorbei ist... lass uns dieses Dorf gemeinsam verlassen.
    Lass uns zusammen durch die Welt reisen und nach Konrad suchen.
    Irgendwann werden wir ihn finden und zusammenleben. Das verspreche ich dir."


    Aufmunternd schenkte er ihr ein Lächeln, welches seinen Willen bezeugen sollte, mit ihr dieses Spiel zu überleben. Das war sein einziges Ziel.
    Wir beide werden überleben. Definitiv.

    Geändert von Holo (30.03.2013 um 18:38 Uhr)

  3. #3
    "Ok, dann steht es also fest, dass wir nicht darauf warten, dass der Pfarrer hier erscheint und sich die Leiche ansieht? Bis zum Abend ist glücklicherweise noch etwas Zeit, Zeit die wir nutzen sollten, um den Platz wieder freizuräumen. Das letzte, was wir brauchen, ist eine Leiche mitten auf dem Platz. Wenn schon gestern rege Aufregung herrschte, so sollen die restlichen Bürger nicht noch durch eine Leiche aufgeschreckt werden, denn das trübt nur ihr Urteilsvermögen, denn ja, heute muss ein Lumianer fallen und das bedeutet, jeder muss auf der Höhe seiner geistigen Kräfte bleiben." Ross überlegte kurz. "Notfalls packe ich mit an bei der Leiche, schließlich muss ein Hauptmann allen anderen ein Vorbild sein." na, wenn das der Pfarrer rauskriegt, würde es heftigen Ärger geben, das wusste Ross, aber es war ihm in dem Moment egal. Besser, als den Leichnam von ihm zerstückeln zu lassen, in der Hoffnung, irgendwas unheiliges zu entdecken, denn das hatte die Nonne nicht verdient. "Lasst uns anfangen; lieber früher als später, denn es wird nicht mehr lange so ruhig bleiben, fürchte ich."

    Geändert von R.F. (03.04.2013 um 14:42 Uhr)

  4. #4
    Die Augen nur einen Schlitz weit geöffnet wankte Lumi aus der Taverne heraus und sah sich um. Die Straßen wirkten wie leergefegt, während der Dorfplatz sich mit Menschen gefüllt hatte. "Eh, Djángo - was meinst du, ob es noch eine weiteres Zeichen gibt oder so?", nuschelte sie in den nicht vorhandenen Bart. Sie hörte Stimmen, die vom Dorfplatz aus erklangen. Der rothaarige Gesichtstattoo-Typ und das rohaarige Mädchen standen am Rande des Geschehens und sahen sich tief in die Augen, was die verkaterte Lumi nur mit einem "Scheiße Pärchen..." bedachte, als sie an ihnen vorbei trabte. Sie hielt nach Konrad Ausschau, aber er war nirgendwo zu sehen. Ob es ihn auch mittlerweile hingerafft hatte? Schlimme Gedanken mischten isch nun unter die Kopfschmerzen und die Übelkeit. Sie hatte gestern abend nichts getrunken, oder? Da war nur...
    Oh, das Wunderpulver, richtig.
    "Djángo, hat Mama nicht immer gesagt 'Werd' niemals benebelt von deine eigene Zeug.'? Jetzt ich weiß was sie meint...", sie reib sich etwas Schlafsand aus den Augen. "Scheise, niemals wieder mache ich Totenzeremonie bei Gegenwind..."

    Und dann stieg ihr dieser Geruch in die Nase. Ein sehr vertrauter Geruch.
    "Halál...", zischte sie. Tod. Sie stapfte mit schwerem Kopf und noch schwereren Augenlidern zur Mitte des Platzes, folgte dem Geruch. Stimmen drangen durch das Geraune der anderen an ihr Ohr.
    "Lasst uns anfangen; lieber früher als später, denn es wird nicht mehr lange so ruhig bleiben, fürchte ich."
    Horst packte die Füße der toten Nonne und war im Begriff, die Frau aus den Augen des Dorfes zu schaffen. Lumi stand da, bebende Lippen, Augen von einem Moment auf den nächsten weit aufgerissen. "Hallo.", sprach sie in emotionslosen Tonfall und brach damit eine mehrere Sekunden andauernde, peinliche Stille. "Ist... ist sie...?" Keine Antwort. Also ja. "Ich weiß nicht, aber...", sie stockte. "... aber ich werde jetzt zurückgehen. Tschuldige für Störung, frohes Weihnachten, ich geh' 'ne Runde kotzen."

    Und genau als sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, wurde ihr speiübel. Der Geruch, die unzählig scheinenden Stichwunden, das Blut, Horsts selten dämlicher Gesichtsausdruck - sie stürzte durch die endlos lang erscheinenden Gasse mit all den Bildern im Kopf, übersah mit ihrem schlechten Auge eine halboffene Haustür und nahm die Kante mit ihrer Stirn mit. Vor dem Gasthof angekommen, spürte sie das kaltnasse Wasser in ihrem Nacken als ein Strahl, der aus dem Frühstück des Vortags bestand, aus ihrem Mund entwich, gefolgt von einem unbändigen Hustenanfall. Tränen schossen ihr in die Augen, der unangenehme Geruch des Todes mischte sich mit dem noch unangenehmeren Geruch ihres Erbrochenen. Sie wollte schreien, aber da war einfach nichts was ihr spontan einfiel. Djángo rannte ihr um die Beine, fiepste nervös, kratzte sanft mit seinen Krallen an ihrem Schienbein herum um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Aber nicht einmal der Marder konnte ihr gerade die Laune aufhellen.

    "Megölték őt! Ezek a kurvára megölte!" [Die haben sie umgebracht! Die haben sie scheiße nochmal umgebracht!], keuchte sie, Speichel tropfte ihr aus dem Mund, als sie schwer atmend diese Worte immer und immer wieder wiederholte, immer weiter im regennassen Schlamm mit den Füßen einsackte. Und wenn's die Nonne erwischt hatte, dann auch Konrad.

    Die Geschichte spielte sich von vorne ab. Alles was vor drei Jahren geschah, geschah nun noch einmal.

    Gut, ruhigbleiben, Luminitsa. Du kriegst das hin., dachte sie bei sich. Geh' einfach zurück zum Platz, schau' was du finden kannst. Alles wird gut.

    Sie atmete durch die Naser ein, durch den Mund wieder aus, wischte sich zwischendrin mit dem klatschnassen Ärmel ihres Umhangs den Speichel von den Lippen und das Blut von der Stirn, das aus der klaffenden Platzwunde floss, und stapfte durch den Matsch zurück zum Dorfplatz, ein leises "Scheiße." von sich gebend, jetzt wo ihre Kopfschmerzen noch schlimmer geworden waren.

    [Sie betrachtet die Hinweise, sieht dass Konrad nicht tot, sondern "nur" verflucht und abgehauen ist und betrachtet die Leiche.]

    Sie lief auf und ab, rannte eine sprichwörtliche Kerbe in den Schlamm, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen ihr Kinn. Dachte nach. Merkte nicht, wie die Platzwudne wieder anfing zu suppen. Dachte daran, sich vielleicht ein Schwert zuzulegen für alle Fälle. Dachte nach, wem sie ein Schwert klauen könnte. Oder eine Armbrust. Oder eine dieser lauten Teile, die so laut knallen wie das Aufbäumen von tausend Kriegstrommeln. Die Dinger, die die Briten damals "Boomsticks" nannten. Ja, so ein Teil wäre jetzt das Bestmögliche. Aber woher...?
    "Nem, nem, nem... [Nein, nein, nein] Ich brauch' kein Waffe. Ich bekämpfe bösen Scheiß ausschließlich mit die Gehirn.", murmelte Lumi und verwarf die Idee mit der Waffe.
    Die Nonne war erdolcht worden, direkt ins Herz. Entweder war es jemand, der extremen Groll gegen Gott und die Welt hegte (vor allem Gott), oder sie war ihm nicht göttlich genug.
    Aber eine Nonne...? Wer erdolcht eine Nonne?
    Einen Priester erdolchen - das war mehr als in Ordnung wenn es nach Lumi ging (weil die meisten Priester Flach••••••• vor dem Herren waren). Aber eine Nonne...
    "Wer würde ein Nonne erdolchen? Muss ja selber sein der Analbert vergiftet hat...", sprach die Zigeunerin es halblaut aus, während sie eine weitere Kehrtwende auf dem Absatz machte und dabei Schlamm hochwirbelte, der dem oder anderen Umstehenden wohl an die Klamotten klatschte. Egal.
    "Kann nicht sein wie letzter Typ oder?", fragte Lumi in Richtung ihres Beutels. Djángo gab keinen Laut von sich, sondern vergrub sich noch weiter im Inneren der Tasche. "Wenn du damit sagen willst 'Nein.', bin ich deine Meinung." Es würde wohl wieder auf eine Wahl hinauslaufen, wieder würde eienr hängen, wieder würden die Karten sprechen müssen.

    Nur vielleicht würde Lumi dieses Mal die Karten zinken, wo sie doch schon eine Ahnung hatte wer es gewesen sein könnte...

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (31.03.2013 um 14:44 Uhr)

  5. #5

    Einige Zeit nach Rekons Rede meldete sich die Wirtin des Dorfes. “Ich werde sie mitragen, auch wenn ich ihrer unwürdig bin…es ist das Mindeste, was ich jetzt für sie tun sollte.“ sagte sie. Eine Person sollte nur nicht ausreichen, weswegen Rekon und Brunhild weiterhin warten mussten, bis sich ein zweiter Freiwilliger meldet. Nach Stille, die nie enden wollte, meldete sich der neue Hauptmann zu Wort. "Notfalls packe ich mit an bei der Leiche, schließlich muss ein Hauptmann allen anderen ein Vorbild sein. Lasst uns anfangen; lieber früher als später, denn es wird nicht mehr lange so ruhig bleiben, fürchte ich." sagte er, während er zusammen mit Brunhild die Leiche der Nonne nahm. Rekon nahm seine Schaufel und ging mit den zweien und jedem der ihnen folgen wollte zum Friedhof. Stille begleitet die Gruppe ebenfalls. Die Trauer jeder einzelnen Person war zu spüren. Die Stimmung im Dorf war bisher nie trauriger. Als sie am Friedhof ankamen, begann Rekon direkt zu schaufeln. Niemand wagte es auch nur ein Wort zu sprechen. Es dauerte lange, bis ein ordentliches Grab geschaufelt war, denn der Regen spülte oftmals Erde wieder in das Loch. Der Regen, eine Tote und eine Stille, die selbst Tote in den Schatten stellte. All dies schuf eine sehr traurige Atmosphäre. Rekon schaufelte und schaufelte. Nach langer Zeit war das Grab einer Nonne würdig. Vorsichtig gingen Brunhild und Ross an die Leiche. Noch immer ist kein Wort gefallen. Maria, die Person, welche Gott am nächsten stand, ist ins Paradies eingezogen. Ihren Körper ließ sie hier und die Dorfbewohner geben dem seelenlosen Körper ein würdiges Begräbnis. Die Tote war nun in dem Grab. Ross, Brunhild und Rekon begannen zu beten... Für Maria, die nonnigste Nonne des Dorfes. Diese Seele ist an einem besseren Ort. Dieser Körper ist nun in seine letzte Ruhestätte getreten...

    Geändert von Zirconia (31.03.2013 um 18:08 Uhr)

  6. #6
    "Danke, Noel", sagte Luise und meinte damit nicht nur seine aufmunternden Worte sondern auch den warmen Mantel, den er um ihre Schultern gelegt hatte. Die nasse Kälte hier draußen war mittlerweile beinahe unerträglich und ein Zittern durchlief ihren Körper. Und wenn sie Noel in seinem dünnen Hemd so betrachtete, bekam sie direkt ein schlechtes Gewissen. "Ähm... ich weiß nicht, w-wie es mit dir aussieht, a-aber ich würde gerne ins W-warme und etwas essen. W-wenn du magst können wir ja ins Wirtshaus gehen."
    Als sie die Tür zur Schankstube öffnete, war von Brunhild trotz der Uhrzeit nichts zu sehen. Überhaupt war der Raum menschenleer, nicht einmal Rüdiger war zu sehen.
    Eigentlich nicht überraschend, immerhin hatten die meisten Menschen sich zum Dorfplatz begeben. Wahrscheinlich war man schon mit Marias Beerdigung beschäftigt.
    Aber Luise wollte daran nicht teilhaben. Sie wollte nicht sehen, wie die leblose Nonne von der kalten Erde verschluckt wurde. Irgendwann, vielleicht in wenigen Tagen, vielleicht in einem Monat oder in einem Jahr, würde sie in Ruhe Abschied von Maria nehmen. Dann würde sie auf ihrem Grab die schönsten Blumen anpflanzen und sie um Vergebung bitten. Und weinen würde sie.
    Aber dieser Zeitpunkt war nicht jetzt. Noch konnte Luise nicht völlig loslassen.
    Ihr Blick fiel auf die den Fußboden und erschrocken zuckte die Apothekertochter zusammen als ihr eine Erkenntnis kam.
    "S-sieh mal, Noel", wisperte sie und beugte sich nieder, um die Flecken zu begutachten. Es handelte sich um Blut, zweifelsohne. Aber die Frage war, um wessen Blut.
    Besorgt und nervös folgte Luise der Spur, welche zur Treppe führte. Maria lebte doch im Kloster. Hatten die Lumianer womöglich doppelt zugeschlagen?
    Brunhild? Lumi? Ging es den beiden gut?
    Noel gar nicht weiter Beachtung schenkend, folgte Luise der Blutspur und eilte die Treppe hoch. Sie war noch nie hier gewesen, also wusste sie nicht, wessen Zimmer es war, vor dessen Tür die Spur verschwand.
    Zaghaft drückte Luise die Tür auf, mit dem Schlimmsten rechnend.
    Was sie fand, war in der Tat alles andere als ein schöner Anblick. Der Raum wirkte, als hätte jemand versucht, ihn Rot zu streichen und dabei auf sehr unglückliche Weise den Farbeimer umgeworfen.
    Blut war auf dem Boden, auf dem Bett und selbst die Wände wiesen Spritzer auf.
    Die Luft war erfüllt vom unverkennbaren, übelkeiterregenden Geruch.
    Aber niemand war zu sehen. Kein regloser Körper lag irgendwo herum und die Spuren wiesen drauf hin, dass die Leiche bereits weggeschafft worden war. Hatte Maria etwa im Wirthaus die Nacht verbracht?
    Bestätigt wurde Luises Verdacht, als sie einen glänzenden Gegenstand auf dem Boden entdeckte. Einige rote Tropfen waren auf das silbrige Metall gespritzt, aber es handelte sich eindeutig um Marias Kreuz. Es war wohl während des Überfalls der Lumianer von ihrem Hals gerissen worden.
    Die Nonne hatte Luise einst erzählt, dass es ein Erinnerungsstück an ihre Mutter war, der es vor deren Tod gehört hatte. Maria hatte es immer getragen. Sie hatte lächelnd gesagt, dass es ein Symbol dafür war, dass sowohl Gott als auch ihre Mutter immer über sie wachten.
    Vorsichtig griff Luise nach dem Schmuckstück und wischte mit ihrem Ärmel das Blut ab. Dann legte sie sich das schmale Kettchen mit dem kleinen Anhänger um den Hals.
    Es würde ihr eigenes Erinnerungsstück an Maria sein. Es würde zeigen, dass ein Stück von ihr in dieser Welt geblieben war. Es würde verhindern, dass die nonnige Nonne einfach in Vergessenheit geriet.
    Und es würde auch eine Mahnung an Luise selbst sein. Damit sie stets daran dachte, so zu handeln, wie Maria es gewollt hätte.
    Das war sie ihr schuldig.
    Zitternd richtete Luise sich wieder auf. Sie hatte während ihrer Hilfsstunden in der Apotheke schon viel Blut gesehen, aber niemals so viel auf einmal. Und niemals in einem derart abstoßenden Zusammenhang. Sie wollte den Raum einfach nur verlassen.
    An Noel gewandt sprach sie: "W-wir müssen Brunhild finden. B-bestimmt hat sie das hier noch nicht gesehen u-und s-sie sollte es bald erfahren."

    Geändert von Zitroneneis (01.04.2013 um 13:40 Uhr)

  7. #7
    Vom Regen bis in alle Poren durchnässt sah Brunhild zu, wie Marias sterbliche Überreste in Gottes heiligen Acker beigesetzt wurde. Rekon hatte gerade das Grab ausgehoben, als vom Kloster her sämtliche Nonnen und Mönche herankamen, um die nonnigste unter ihnen zu verabschieden. Bruder Justus schloß als Letzter auf und hinkte merkwürdig. Ihre Blicke trafen sich und in den Augen des Mönches blitzte einen Moment Grimm und Verachtung auf, ehe er sich von der Wirtin abwandte.
    Das verwirrte sie. Weshalb hatte er ihr gegenüber auf einmal solch eine Abneigung? Ob es an den Bieren lag, die er gestern zusammen mit Konrad gehoben hatte und ihn heute verkatert aus dem Bett stiegen haben lassen? Es schien ihr die einzig logische Erklärung, auch wenn sie sich da keine Vorwürfe machen lassen würde. Sie konnte schließlich Nichts dafür, wenn ein Mönch, gerade während der Fastenzeit, auf seine Enthaltsamkeit pfeift…
    Der Regen schien nicht enden zu wollen. Es war, als ob Gott selbst auf die Erde darnieder Tränen um seine so treue Nonne schickte. Der Priester endete gerade seine Abschiedspredigt, sie bekreuzigte sich mit allen Anderen.
    Brunhild wandte sich zum Gehen. Träge schmatzten ihre Schritte durch den Schlamm. Wie sollte man weitermachen? Man konnte doch nicht einfach den alltäglichen weiter nachgehen, als wäre Nichts geschehen oder als würde einen der Tod kaum kümmern. Doch was war die Alternative? Sollte man sich hinhocken, starr vor Trauer, Angst und wachsender Verzweiflung und darauf warten, dass man selbst mit einem Dolch im Herzen auf dem Dorfplatz gelegt wird? Auf dem Dorfplatz hielt gerade Ross eine kleine Ansprache und bezichtigte Peter, bereits zur Mittagsstunde. Er schien die Abstimmung wohl nicht bis zum Abend abwarten zu können.
    Und das war wohl der einzige Weg. Auch wenn sie Schande über sich bringen würde, musste die Wirtin doch abstimmen, damit es wenigstens etwas Hoffnung gab. Hoffnung, das weitere Morden zu stoppen. Sie musste durchhalten, musste stark ssein für die Anderen. Unnütz rumsitzen würde auch nicht helfen. Dagegen zu wirken würde sie gleich anfangen. Mit geballten Fäusten stapfte sie durch den aufgeweichten Boden auf den großen Wasserkübel bei den Ställen zu, mit denen die Pferde immer getränkt wurden.
    Dort angekommen stellte Brunhild verwundert fest, dass Kobold nicht da war. Bommel wieherte ihr zu und stubste sie hungrig an. Konrad konnte unmöglich noch auf seinem Wanderritt sein. Ob ihm etwas im Wald zugestoßen war, ging es ihr fröstelnd durch den Kopf, während sie den braunen Wallach fütterte und putzte. Von den wilden Tieren könnte er angefallen worden sein und nun schwerverletzt daliegen, weil ihm Kobold durchgegangen war oder noch Schlimmeres!
    Nein, das durfte sie garnicht denken, die Situation im Dorf ließ sie gleich den Teufel an die Wand malen. Vielleicht war er nur in die nächste Stadt geritten, um Beistand und Hilfe für sie alle zu erflehen, deswegen war er auch schon in den frühen Morgenstunden aufgebrochen. So musste es sein! Sie durfte nicht verzagen, musste vorwärts blicken…
    Mit einem letzten Klaps auf Bommels Kruppe verließ sie die Stallungen, den Kübel im Schlepptau in Richtung Brunnen. Ihr Haus war immernoch befleckt vom reinen Blut der verblichenen Maria und sie könnte es nie wieder betreten, wenn es so bliebe. Allein beim Gedanken an ihr (nun ehemaliges) Schlafgemach schauderte es ihr und schnell bekreuzigte sie sich, bevor sie das Wasser aus dem tiefen Schacht schöpfte.
    Schwer beladen wankte sie in’s Wirtshaus und warf sich gleich die durchnäste Heuke vom Leib. Ein übler Geruch nach verbranntem Mehlbrei stieg ihr in die Nase. So hastete sie schnell zu der Feuerstelle und hob den Kessel mit der nun schwarzen Masse an, um ihn gleich darauf draußen vor die Tür zu stellen. Dort störte der Gestank nicht weiter und der Regen konnte schon erste Spülarbeiten verrichten.
    Noch immer war von Rüdiger keine Spur, etwas wie Sorge um ihn machte sich in ihr breit. Merkwürdig, wo sie doch eigentlich froh sein müsste, wenn er endlich aus ihrem Leben verschwunden war….
    Sich einredend, dass sie sich sicherlich nicht um den alten Flopelz sorgte, sondern nur vor Hunger Magenschmerzen bekommen hatte, holte die Wirtin ihre Schrubbbürste und ein Stück Seife hervor, von welcher sie einige Späne in das Wasser schnitt. Nach kurzem Überlegen machte sie sich auf zur Treppe, es wäre besser, wenn sie das Schlimmste gleich hinter sich brächte, auch wenn der Schankraum den abendlichen Gästen wegen auf jeden Fall wieder sauber werden musste.
    Mühsam hiefte sie den schweren Kübel nach oben, den Blick auf ihre Füße gerichtet, um nicht auf den abgetretenen Stufen auszurutschen. Oben angekommen stellte sie ihre Last zum kurzen Verschnaufen ab und wollte sie gerade erheben, um die müden Knochen zu strecken, als sie die zwei Gestalten vor ihr erblickte.
    Mit einem erstickten Schrei zuckte sie zusammen, machte einen Satz nach hinten und stieß dabei den Kübel an, der gefährlich schwapperte. Gegen die Wand gepresst fasste sie sich ans Herz und ging die beiden Eindringlinge an:
    “Heilige Maria und Joseph, was fällt Euch ein, durch fremde Häuser zu schleichen wie die Diebe?! Das Wirtshaus hat erst abends geöffnet, ganz sicher aber noch nie zur Mittagsstunde! Und selbst wenn es geöffnet wäre, habt ihr Nichts hier oben zu suchen!!! Hinausprügeln müsst ich Euch, jawoll!“
    Keuchend und den Schreck noch immer in allen Gliedern spürend klärte sich ihre Sicht soweit, dass sie die Gestalten als Noel und Luise erkennen konnte, die auf dem Dorfplatz vorhin so turtelnd voreinander gestanden hatten. Schnell legte sich die erredete Rage und sie winkte ab.
    Ach, verzeiht, es ist nur… der heutige Tag ist wie verhext. Heute in den frühen Stunden glaube ich von diesen Sektenheinis heimgesucht zu werden, und hätte beihnahe den guten Konrad erschlagen; dann werde ich von diesen Gottlosen heimgesucht, ohne es zu merken und sie nehmen Maria mit sich, obwohl sie mich wollten…, mit einer Geste wies sie in das Blutkabinett hinter den beiden, doch an Luischens Miene konnte sie ablesen, dass sie es bereits gesehen hatten,…und jetzt schleicht ihr Euch hierein und ich dachte schon, jetzt sind sie wiederhekommen, um mich zu holen, bei hellichten Tage, um nicht nochmal zu fehlen…Ich glaube, ich bin bereits zu alt für das Alles…“
    Seufzend lehnte sie sich gegen die Wand und wischte sich den Angstschweiß von der Stirn.

  8. #8
    "Danke, Noel"

    Noel lächelte nur stumm, um Luise klarzumachen, dass es selbstverständlich wäre.
    Als nächstes schlug sie vor, ins Wirtshaus zu gehen - eine angebrachte Idee. Zwar war es ihm recht, vollgeregnet und durchnässt zu werden, wenn seine kleine Elfe es dafür warm hatte, aber angenehm war es Noel auch nicht. Stumm setzten die beiden sich also Richtung Wirtshaus entgegen. Was sie darinnen erwartete, war nicht das, was Noel sich erhofft hatte.
    "S-sieh mal, Noel",

    Sie hatte das Blut auch gesehen. Stumm sah der rothaarige Junge dabei zu, wie sie der Blutspur folgte, um sich schließlich daran zu machen, in den ersten Stock zu eillen.
    Noel wollte sie noch aufhalten, aber da schritt Deus ihm vor die Füße.
    Schon gut. Da oben ist nichts außer ein bisschen Blut. Luise ist nicht in Gefahr.

    Irrelevant! Wenn sie soviel Blut sieht, muss ich bei ihr sein, sonst-

    Noel, beherrsch dich. Wenn du dich zu sehr an sie klammerst, wirst du sie verlieren. Hast du das immer noch nicht verstanden? Lass sie alleine damit zurecht kommen. Blut ist etwas, dass die kleine Elfe in den kommenden Tagen noch öfter sehen wird...

    "Gh...!"
    Störrisch blieb Noel am Absatz stehen, den Blick von den verschwindenden, roten Haaren abwendend.
    Deusexus hatte ja recht. Wenn er seinen Beschützerinstinkt die Oberhand gewinnen ließ, wäre das nicht besser, als die kleine Elfe in einen Käfig zu sperren. Das durfte nicht passieren.

    Nach einer schier endlosen Ewigkeit kam Luise wieder ins Erdgeschoss, ihr Kleid war blutgbefleckt und sie trug das Amulett Marias um den Hals.
    Mit besorgtem Blick musterte Noel ihr Gesicht, wollte fragen, ob Alles in Ordnung sei; aber er schluckte es herunter.

    "W-wir müssen Brunhild finden. B-bestimmt hat sie das hier noch nicht gesehen u-und s-sie sollte es bald erfahren."

    "Hmh..."
    Halbherzig nickte er, just in diesem Moment öffnete sich die Eingangstür des Wirtshauses. Bevor Noel die Person vor sich als Brunhild erkennen konnte, brüllte diese auch schon los:
    “Heilige Maria und Joseph, was fällt Euch ein, durch fremde Häuser zu schleichen wie die Diebe?! Das Wirtshaus hat erst abends geöffnet, ganz sicher aber noch nie zur Mittagsstunde! Und selbst wenn es geöffnet wäre, habt ihr Nichts hier oben zu suchen!!! Hinausprügeln müsst ich Euch, jawoll!“

    Stumm und schwach amüsiert wartete er ab, bis das Weib sich beruhigt hatte, legte dabei lediglich seiner kleinen Elfe eine Hand auf die Schulter. Man wusste ja nie, wann solche Leute handgreiflich wurden.

    Nachdem sie geendet und die beiden einige Sekunden verdattert beäugt hatte, winkte sie seufzend ab.
    Ach, verzeiht, es ist nur… der heutige Tag ist wie verhext. Heute in den frühen Stunden glaube ich von diesen Sektenheinis heimgesucht zu werden, und hätte beihnahe den guten Konrad erschlagen; dann werde ich von diesen Gottlosen heimgesucht, ohne es zu merken und sie nehmen Maria mit sich, obwohl sie mich wollten……und jetzt schleicht ihr Euch hierein und ich dachte schon, jetzt sind sie wiederhekommen, um mich zu holen, bei hellichten Tage, um nicht nochmal zu fehlen…Ich glaube, ich bin bereits zu alt für das Alles…“

    Noel spürte durch seine Hand deutlich, wie seine kleine Elfe bei der Erwähnung Konrads' Namen zusammenzuckte und ihr Blick wieder abwesend zu Boden sank. Gereizt ging er einen Schritt auf die Wirtin zu, starrte sie unabsichtlich mit leicht zornigem Blick an.

    "Wärt Ihr wohl so freundlich..." ,
    Noel unterdrückte seine Stimme, "diesen Namen nicht mehr in Anwesenheit dieses Mädchens zu sprechen? Sie hat eine tiefe Wunde durch seinen Verlust erlitten, wie Ihr euch denken könnt."

    Noel beruhigte sich wieder einige Momente lang, bevor er gewohnt kühl mit einer Bitte an die Wirtin herantrat.
    "Uns ist kalt und wir würden uns an eurem Kamin gerne etwas aufwärmen. Ein wenig Schwarztee und Suppe wäre wundervoll. Zudem wäre ich euch persönlich tief verbunden, wenn ihr Luise aus ihren nassen Kleidern schälen und ihr ein paar Neue zur Verfügung stellen könntet. Meint Ihr, das wäre denkbar? Natürlich bezahle ich Alles im vorraus.
    Mit einer leichten Verbeugung beendete Noel seine vorgetragene Bitte.

    Geändert von Holo (01.04.2013 um 16:01 Uhr)

  9. #9
    "Endlich ist er fertig!", dachte sich Tyrell laut und freudig, als er direkt nach dem Aufwachen seinen Blitzfänger betrachtete und der Tag wie dafür gemacht war, ihn auszuprobieren. Tyrell schnappte ihn sich schnell und lief raus. Er versuchte dabei, möglichst ungesehen zu bleiben. Die Gottesgläubigen würden ihn sonst noch verpöhnen und ihn als Rebell gegen Gottes Macht aus dem Dorf lynchen. Aber umsonst gefürchtet. Da kam kein Blitz. Es hat nur geregnet. Verärgert ging er ins Wirthaus, nachdem er minutenlang etwas weiter weg von einem Baum stand und sich hatte nass spülen lassen.

    Da erblickte er auch schon die erste Teilmenge der Leute, die sich für das Schicksal des Dorfes einsetzen wollten. Na ja, lief nicht sehr gut. Insgesamt zerbrach er sich etwas den Kopf darüber. Was waren das für Leute, die Meretes Selbstnominierung zum Wohle des Dorfes derart in das Schlechte umwandelten? Ein Mensch starb, der nicht hätte sterben müssen. Nicht hätte sterben sollen. Er war wütend. Als er Luises Gesicht erblickte, wusste er nicht, was er dazu sagen sollte. Sie war sogar mit Noel unterwegs. Er dachte sich einfach, dass er nichts dazu sagen sollte.Luise war immerhin mitverantwortlich für Meretes sinnlosen Tod und Noel wollte Tyrell sterben sehen.

    "Na super... ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann mal so gar keine Lust mehr auf dieses Dorf hätte...", murmelte er leise vor sich hin, darauf achtend, dass ihn niemand hören würde. Er setzte sich hin und überlegte eine Weile. Heute muss ja jemand anderes sterben. Eigentlich wollte er das nicht, aber man musste Konsequenzen ziehen. Immerhin würden die Lumianer nicht zögern... oder etwa doch? Jedenfalls dachte er scharf nach, setzte seine Mütze ab und kratzte sich mehrmals in den Haaren. Luise wollte er erstmal dafür verzeihen. Sie war bisher ein liebes Mädchen und diesen einen Fehler würde er nicht mit ihrem Tod bestrafen wollen. Noel wollte er auch erstmal verschonen. Seine Verhaltensweise ist immerhin nicht sonderlich praktisch für einen Lumianer, gar zu offensichtlich und so dumm können die doch nicht sein. Oder war dies wiederum nur eine List von ihm, für Leute, die nicht einen zweiten Schritt weiterdenken können? Aber für's erste war dies zu unsicher.

    Ross war ihm da schon einen Schritt weniger koscher, wie er als Hauptmann nämlich einen eher mieseren Job erledigte. Seine nahezu unbegründete Nominierung für Merete und vor allem jetzt noch für Peter war ihm etwas vorschnell und nicht gut überlegt. Vielleicht war es ja auch eher gut für die Lumianer, dass das Dorf so einen unfähigen Hauptmann hatte und sie wollten ihn deshalb am Leben lassen, möglicherweise ist das aber auch der Plan, dass man ihn eben für einen Bürger hielt und deswegen verschonen würde. Seine Gedanken schwebten um ihn herum, ohne dass er wirklich zu einem klaren Ergebnis kam. Aber das war auch leider Gottes nicht möglich. Ein gefährliches Katz- und Mausspiel, bei dem die Gesichter verdeckt blieben.

    Noch unsicherer war er allerdings bei diesem kleinen Mädchen mit dem seltsamen Akzent, Luminitsa (steel). Sie hatte den Anschein, als würde sie dem Dorf nichts Böses wollen, er erwischte sie aber mehrmals dabei, wie sie scheinheilig für sich selbst grinste. So sieht nur jemand aus, der etwas Böses im Sinn hatte. Die sinnlose Nominierung von ihr an ihn hätte ihn auch leicht das Leben kosten können. Nach dem Prinzip "Irgendjemanden-muss-es-ja-treffen" kann man bei sowas nicht gehen. Nur, wenn man dem Dorf etwas antun wollte, wär' diese Einstellung nicht ganz unpraktisch und genau das schien sie wohl zu Planen.

    Eine Wildfremde, die plötzlich ins Dorf kommt und sich in dessen Gelegenheiten einmischt, wo es um Leben und/oder Tod ? Wo in aller Welt gibt es bitte solche gutherzigen Menschen? Nirgends, und deswegen fürchtete Tyrell sich ein wenig vor ihr. Wenn es später zur Abstimmung kommen würde, dann würde seine Wahl wohl eindeutig auf ihr fallen.

    "Na... hoffentlich fallen mir meine Überlegungen dann auch wieder ein... es ist schwierig, so etwas überzeugend zu den Bewohnern zu übermitteln...", dachte er sich dann nur noch.

  10. #10
    "E-es tut mir Leid, d-dass ich einfach s-so hier eingedrungen bin. Ähm... i-ich habe mir Sorgen gemacht u-und
    n-nicht überlegt. I-ich b-bin sehr d-durcheinander... E-entschuldige b-bitte."
    , kam es schüchtern von Luise kurz nachdem die Wirtin zu sprechen geendet hatte.
    Mit einem milden Lächeln den Kopf schüttelnd gab sie dem Mädchen zu verstehen, dass es sich für Nichts zu entschuldigen brauchte.
    Der selbsternannte Leibwächter Luises jedoch taxierte sie mit zornigem Blick und presste, seine Wut sichtlich unterdrückend, hervor:
    "Wärt Ihr wohl so freundlich... diesen Namen nicht mehr in Anwesenheit dieses Mädchens zu sprechen? Sie hat eine tiefe Wunde durch seinen Verlust erlitten, wie Ihr euch denken könnt."

    Das junge Mädchen erwiderte darauf tonlos in langsamer Weise, wie Brunhild es noch nie von ihr gehört hatte:
    "Es... es ist nicht nötig, solche Rücksicht zu nehmen... das ist nichts, was ich verdiehnt hätte. Ich... ich kann nicht darüber sprechen... aber ich kann andere nicht daran hindern, es zu tun."
    Unverständig glotzte sie die Beiden an. Dass sie nicht weiter auf Marias Verscheiden eingehen sollte, wäre ihr durchaus verständlich. Das Kind hatte ihre Obernonne wahrhaft gemocht und ihr fast schon bedingungslos vertraut. Doch warum sagte er dann „seinen“ Verlust? Konrad konnte er kaum meinen, denn ein langer Ritt zur Stadt würde von seiner Cousine kaum als Verlust angesehen werden und wenn Konrad ebenfalls der Sekte oder den Tieren des Waldes zum Opfer gefallen wäre, wäre dies inzwischen längst Dorfgespräch und seine Beerdigung wie die Marias schon abgehalten.
    Doch ehe sie ihre Verwunderung aussprechen konnte, fuhr Noel auch schon fort:
    "Uns ist kalt und wir würden uns an eurem Kamin gerne etwas aufwärmen. Ein wenig Schwarztee und Suppe wäre wundervoll. Zudem wäre ich euch persönlich tief verbunden, wenn ihr Luise aus ihren nassen Kleidern schälen und ihr ein paar Neue zur Verfügung stellen könntet. Meint Ihr, das wäre denkbar? Natürlich bezahle ich Alles im vorraus.
    Eine leichte Verbeugung folgte seiner Ansprache.
    Einige Augenblicke betrachtete sie ihn weiter, als wäre er der erste Gesichtsbemalte, dem sie je begegnet war (-nun, an sich war er das tatsächlich, aber das tat hier im Moment nichts zur Sache-), ehe seine Worte vollends die vorigen in die hinteren Teile ihres Bewusstseins geschoben hatten.
    Energisch schüttelte sie den Kopf. Es kommt gar nicht in Frage, dass ich Geld dafür annehme, Euch beide hier aufwärmen lassen. Zu Essen und zu Trinken gibt es hier jedenfalls reichlich, da zauber ich Euch schon schnell was zusammen…
    Skeptisch betrachtete sie Luise, kurz auch Noel, ehe sie fortfuhr:
    In ihrer Größe werde ich kaum Etwas haben, aber wir kriegen sie schon wieder in trockene Tücher…
    Damit holte sie, auf Zehenspitzen dem Blute ausweichend, aus ihrem Schrank nach einigem Wühlen einige Kleidungsstücke und Decke hervor. Letztere drückte sie Noel bis auf eine in die Hand.
    Nimm die schonmal mit nach unten, vielleicht wollt Ihr euch dann noch zusätzlich wärmen… Komm, mein Kind.. Sanft, aber bestimmt drückte sie das Mädchen in Richtung des elterlichen Schlafzimmers, welche es still geschehen ließ.
    Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Bursche sich bereits abwendete, darum meinte sie nur: Einen Augenblick noch… ehe sie im Zimmer verschwand, um kurz darauf mit einem alten Hemd samt Hose wieder zu erscheinen. Sie warf es ihm zu.
    “Hier, die gehörten meinem alten Vater. Sind schon lange nicht mehr getragen worden, aber meine Mutter hatte sie bis zu ihrem Tod immer in Stand gehalten und gepflegt. Du musst sie nicht anziehen, aber an Deiner Stelle würde ich die nassen Sachen nicht anlassen…“ Die Tür wurde hinter ihr geschlossen.
    Rasch und mit geübter Hand entledigte die Wirtin das durchnässte Kind all seiner Kleider und begang darauf, den jungen Körper mit der verbliebenen Decke trockenzureiben. Luise blickte nachdenklich auf das Kreuz, welches sie um den Hals trug. Auf eine Nachfrage diesbezüglich meinte das Mädchen nur knapp, es stamme von Maria und sie habe es aus dem Schlafzimmer als Andenken genommen. Danach blickte sie wieder ausdruckslos ins Leere, als würde sie gedanklich weit, weit weg sein. Tiefe Sorgenfalten zogen sich durch Brunhilds Stirn. Die Persöhnlickeit und Gefühlswelt des Mädchen war so empfindlich und zerbrechlich wie Kristall, schien es ihr mehr und mehr. Schon gestern war sie wegen Konrads Nominierung so gewesen und musste von ihr aufgepäppelt werden. Und heute ob des Todes von Schwester Maria schon wieder. Wenn das so weiter ginge, würde es ihre kleine Seele und infolgedessen auch der zierliche Körper nicht mehr lange machen, dachte die Wirtin kummervoll, während sie Luise eines ihrer Kleider überwarf. Mit Bändern versuchte sie den überschüssigen Stoff einigermaßen an den schmalen Körper zu binden, sodass sie vorzeigbar würde. Nach einer Weile schien sie zufrieden mit dem Ergebnis und meinte, um die erdrückende Stille zu durchbrechen: Zum Maitanz würde ich Dich damit zwar nicht lassen, aber Du musst Dich erstmal nicht schämen, Dich so vor Anderen zu zeigen, meine Liebe…
    Eine Antwort erwartete sie garnicht, sondern ging, Luischen führend, hinunter in die Schankstube.
    Dort angekommen setzte Brunhild sie an den Tisch, an dem Noel es sich bequem gemacht hatte. Mit leicht mürrischer Miene sah sie, dass der Bursche sich wohl zu fein gewesen war, trockene Kleider, die etwas älter waren anzuziehen ,ehe sie sich umwand und zwei Kochtöpfe über die Feuerstelle hing. Während das Teewasser anfing zu brodeln, mischte sie, den Wünschen des ach so vornehmen Herren folgend, ein Süppchen mit Speck, Töften, Rüben und einigen Kräutern zusammen. Als sie sowohl den fertigen Tee als auch die Suppe dampfend in jweils zwei Becher und zwei Schalen abfüllte, fiel ihr Blick auf den Schaffellüberwurf, den sie am Morgen auf dem Tresen liegen gelassen hatte. Nach kurem Überlegen, verbarg sie sie vorsichtig hinter dem Tresen. Luise würde sie sicher als Konrads wiedererkenne und ,warum auch immer sie momentan nicht an ihn erinnert werden wollte, dies musste ja nicht unnötigerweise provoziert werden.
    Beladen ging sie zu den beiden hinüber, um ihnen Speis und Trunk vorzulegen.
    Es betrübt mich, Dir sagen zu müssen, dass das Haus keinen Schwarztee führt, da dieser sehr teuer ist. Der Herr möge sich hoffentlich mit gesüßtem Kräutertee zufrieden geben, der ist sowieso besser gegen die Kälte und Nässe…
    Das hatte sie sich nicht verkneifen können und wollen. Noel mochte ein Junge mit einer schlimmen Vergangenheit sein, auch wenn sie diese nicht kannte, und deswegen verschlossen und grimmig gegen jeden außer Luise, aber sein überheblicher Ton gerade ihr gegenüber schmeckte ihr gar nicht. Schon dieses andauernde förmliche „Euch“, mit dem er sie ansprach. Nach den Jahren waren sie wohl kaum mehr Fremde und sie redete mit anderen Dorfbewohner erheblich weniger als mit ihm und wurde von denen geduzt.
    Ihren Grimm hinunterschluckend, strich sie Luise sanft über die Wange und stapfte wieder nach oben, schließlich galt es noch ihr ehemaliges Schlafzimmer zu reinigen.
    Ihren Brechreiz beim Anblick und vor allem dem Geruch des Blutes herunterwürgend ging sie in die Knie und begann zu schrubben.

  11. #11
    "Maria... warum ausgerechnet Maria?" Peter stand an dem gerade frisch zugeschütteten Grab und ballte die Hände zu Fäusten. Er spürte wieder diese Wut in sich aufkommen, eine Wut die er doch so lange verborgen hatte, seiner Frau, den Kindern und nicht zuletzt ganz Düsterwald zuliebe. Das schlimmste daran war: er wusste noch nicht einmal so recht, auf wen er eigentlich wütend war. Auf die Lumianer, diese Sekte, natürlich! Aber wer gehörte zu diesen Ketzern? Während er darüber nachdachte, wurde ihm auch bewusst, warum es ausgerechnet Schwester Maria, die gläubigste und gottesfürchtigste Person, die Peter kannte, die nonnigste aller Nonnen, getroffen hatte: sie war offensichtlich eine Gefahr gewesen. Die Lumianer fürchteten von ihr entdeckt zu werden. Und Maria hatte eine sehr respektable Stellung im Dorf gehabt, viele vertrauten auf ihr Urteil. Wen hatte sie gestern verdächtigt? überlegte Peter und kratze sich am Bart, bis ihm einfiel, dass die Nonne Merete angeklagt hatte, welche sich als unschuldig erwiesen hatte. "Mist, so komme ich auch nicht weiter!" fluchte er leise, besann sich jedoch kurz darauf wo er war, senkte den Kopf und murmelte "Verzeih mir Herr für diesen Ausdruck".

    Den Hut tief in die Stirn gezogen verließ er den Friedhof und machte sich auf den Weg zurück ins Dorf. Vielleicht hatte Brunhild den Gasthof schon aufgemacht? Er wollte sich mit einigen anderen Dörflern austauschen, bevor er eine vorschnelle Wahl traf.

    Geändert von Layana (03.04.2013 um 15:38 Uhr)

  12. #12
    Die noch etwas perplexe Brunhild besah die beiden noch eine Weile mit ziemlich dämlichem Gesichtsausdruck. Nun, wenn Noel so darüber nachdachte, war das bei ihr Dauerzustand. Sich wie ein kleiner, unreifer Junge das Grinsen verkneifend, wartete er ihre nächsten Worte ab.

    Es kommt gar nicht in Frage, dass ich Geld dafür annehme, Euch beide hier aufwärmen lassen. Zu Essen und zu Trinken gibt es hier jedenfalls reichlich, da zauber ich Euch schon schnell was zusammen…
    Da schoss das beleibte Weib schon von dannen. Zeche prellen? Nein, das war etwas, dass Noel überhaupt nicht mit seiner Einstellung und Würde vereinbaren konnte, dreimal nicht, wenn seine kleine Elfe dabei war. Also ließ er, bevor Brunhild außer Griffweite war, ein kleines Säckchen Silbermünzen in ihre Rocktasche gleiten. Wahrscheinlich einiges zu viel, aber der Abend war ja noch lang. Nach wenigen Uhrenschlägen kam sie wieder heran, drückte Noel einige widerlich verfilzte Decken in die Hand.
    Nimm die schonmal mit nach unten, vielleicht wollt Ihr euch dann noch zusätzlich wärmen… Komm, mein Kind..
    Behutsam legte sie Luise eine Hand auf die Schulter und machte sich auf in ein Gästezimmer.

    Hey, hey, Noel, lass uns hinterherschleichen, vielleicht bekommen wir einen Blick auf... du weißt schon... Hast doch sicher Lust, alter Steche-


    Hast du es so eilig, zu sterben?
    Ich hatte nie ernsthaft das Bedürfnis, dich zu töten, aber jetzt gerade im Moment bin ich wirklich kurz davor, es zu wollen.


    Einige Sekunden lang sah Deus enttäuscht der kleinen Luise hinterher, bevor er grummelig die Ohren sinken ließ und Noel wie als wäre er sein Herrchen, ins Erdgeschoss hinterhertapste.

    Einen Augenblick noch…


    Mondgesegneter Saix, was denn jetzt noch?!
    Genervt verdrehte Noel die Augen, bevor er sich ein weiteres Mal zur redseligen Wirtin umdrehte.

    “Hier, die gehörten meinem alten Vater. Sind schon lange nicht mehr getragen worden, aber meine Mutter hatte sie bis zu ihrem Tod immer in Stand gehalten und gepflegt. Du musst sie nicht anziehen, aber an Deiner Stelle würde ich die nassen Sachen nicht anlassen…“
    Lächelnd warf sie ihm ein Bündel Kleider zu und Verschwand in einem der Zimmer. Einen Moment hielt Noel die Sachen zwischen zwei Fingerspitzen und beäugte sie wie einen Haufen Krokodilscheiße - nun, zumindest rochen sie in etwa so. Kopfschüttelnd öffnete er die Tür, die ihm am nächsten war - das Abort - und warf ohne hinzusehen die Kleider hinein. Ein kurzes Platsch mögen einem Zuschauer eine Ahnung gegeben haben, wo sie gelandet waren. Ein passender Ort, wie Noel zufrieden befand.

    Eine ganze halbe Stunde verging, Noel hatte es sich an einem der Tische gemütlich gemacht, während Deus sein Fell am Kamin wärmte. Dann, als der rothaarige Junge sich schon anfing zu fragen, ob Brunhild seine kleine Elfe entführt hatte, kamen die beiden die Treppe hinunter, Luise war gekleidet in ein bezauberndes Herbstkleid. Es sah an ihr einfach wundervoll aus und betonte mit seinen braunorangenen Tönen perfekt ihre Haarfarbe, nun war sie wirklich eine Kleine Elfe. Schwach lächelnd und mit gesenktem Kopf setzte sie sich ihm an den Tisch, als Noel ihr grinsend etwas ins Ohr flüsterte.
    Das steht dir ungemein, kleine Elfe.
    Du bist märchenhaft schön.


    Luise, die unter seinem Kommentar mit brennendem Gesicht zusammenzuckte war kein Vergleich zu Deus, welcher am Kamin lag und mit seiner linken Pfote auf seinen offenen Mund deutete als würde er sich erbrechen müssen, woraufhin Noel ihm einen ganz bestimmten Finger zeigte.

    Schließlich kam die Wirtin an den Tisch, sie zu... nun... bewirten.
    Es betrübt mich, Dir sagen zu müssen, dass das Haus keinen Schwarztee führt, da dieser sehr teuer ist. Der Herr möge sich hoffentlich mit gesüßtem Kräutertee zufrieden geben, der ist sowieso besser gegen die Kälte und Nässe…

    Noel war der gehässige Unterton nicht entgangen, kalt lächelnd nahm er Brunhild die Sachen ab.
    "Oh, kein Problem, ich liebe süße Sachen.
    Und nun... habt ihr nicht noch etwas zu tun? Da wartet eine Pfütze vergorrenen Blutes auf euch."

    Sein Lächeln war so falsch und seine Stimme so süffisant fröhlich, dass Noel sich dafür selbst applaudieren wollte.
    Mit hochrotem Kopf sauste die Wirtin von dannen, und so konnte Noel, nachdem er einen Schluck des Tees genommen und dessen Geschmack affektiv mit "Kamelpisse" verglichen hatte, mit Luise über das vor ihnen Liegende sprechen.
    "Kleine Elfe..." ,
    Lächelnd legte Noel seine blasse Hand auf die Ihrige, "wir sollten jetzt über die Nominierungen dieses Abends sprechen. Ich möchte dir erklären, wen und warum ich nominiere..."

    Das Kleid, in welches man Luise gesteckt hatte war in der Tat viel zu groß. Allerdings war es wundervoll warm und Brunhild hatte gute Arbeit geleistet, es mit einigen Bändern zurecht zu zurren.
    Außerdem hatte es einen angenehmen, tröstlichen Geruch.
    Und das war ihr mehr als genug. Dafür nahm sie sogar in Kauf, dass der Farbton ihr wirres, rotes Haar so sehr betonte.
    Es war Luise im Augenblick egal, wie man sie sah. Ihre Gedanken wanderten.
    So sehr sie auch an etwas Angenehmeres denken wollte, immer wieder kam sie zurück zu der Frage, wer für all die schrecklichen Geschehnisse im Dorf verantwortlich war.
    Wer waren diese Lumianer, die Maria auf so schändliche, feige und unwürdige Weise ein Ende bereitet hatten? Waren sie auch für das Gerede über Konrad verantwortlich? Und wie viele gab es überhaupt von ihnen?
    Stumm nahm Luise das Kreuz zwischen ihre Finger und betrachtete es. Es war dabei gewesen, als Marias Mörder zugeschlagen hatten. Wenn es nur eine menschliche Stimme hätte, dann könnte es ihr Antworten geben.
    Aber Kreuze sprachen nicht. Sie waren lediglich leblose Gegenstände, welche den Glauben an Gott symbolisierten. Und der Vater, dem ihre Träger dienten, sprach selten in direkten Worten zu seinen Kindern.
    Luise würde ihre Antworten selbst finden und womöglich erkämpfen müssen. So sehr es ihrer Natur auch widersprach.

    Schweigend war sie der Wirtin nun in den Schankraum gefolgt. Nachdem Brunhild sie an einen der Tische geführt hatte, wurde das Mädchen jäh aus seinen Gedanken gerissen, als es Noels leise Komplimente in ihrem Ohr vernahm.
    Erschrocken und mit rotem Gesicht zuckte Luise zusammen. Schnell versteckte sie ihre plötzlich zitternden Hände in den Falten des Kleids. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Noels Grinsen beunruhigte sie und die vertrauliche, nahe Art, mit der er seine Worte sagte wollte ihr gar nicht gefallen. Die ganze Situation war ihr auf einmal unangenehm.
    Starr saß Luise auf dem Stuhl, den Kopf gesenkt. Angespannt bemühte sie sich, ihre Nervosität für sich zu behalten.
    Es schien ganz gut zu funktionieren, Noel kommentierte ihr Verhalten nicht. Stattdessen konnte Luise aus dem Augenwinkel sehen, wie er immer wieder zum Kamin schaute. Einmal meinte sie sogar, dass er eine Handgeste in diese Richtung machte. Genau erkennen konnte sie es jedoch nicht. Abgesehen davon, dass niemand sonst im Raum war.
    Schließlich kehrte Brunhild mit dampfenden Suppenschüsseln und außerdem heißen Tee zurück.
    Mit leisen Worten bedankte Luise sich. Sie schienen aber in dem kleinen, alles andere als freundlich klingenden Dialog zwischen der Wirtin und dem Bibliothekar unterzugehen.
    Noch immer nervös nahm Luise einen Schluck des angenehm duftenden Tees und entspannte sich ein wenig, als sie spürte, wie die Wärme sich in ihrem Mund ausbreitete.
    Als sie sich dann an die köstliche Suppe heranmachte, brach Noel auch schon das unangenehme Thema an, dass Luise schon eben verfolgt hatte.
    Sie wusste, wie wichtig es war, darüber zu sprechen. Dennoch wurde ihr Blick etwas starrer, als Noel von seiner Nominierung berichten wollte.
    Mit leiser, gedrückter Stimme erwiderte sie: "Es... es bleibt wohl keine andere Wahl, nicht wahr?" Es schmerzte sie, eingestehen zu müssen, dass mindestens einer unter all den freundlichen Dorfbewohnern zu dieser schrecklichen Sekte gehörte. Aber nach dem heutigen Tag musste Luise mit dem Schlimmsten rechnen.

    Wieder keimte das vertraute Gefühl des Mitleides in Noel auf, wieder sanken seine entschlossenen Augenbrauen in sich zusammen. Mit ruhigem, verständnisvollem Tonfall flüsterte er auf Luise ein.
    "Luise..." ,
    er lächelte schmerzlich, "Menschen tragen Masken. Ich bin das beste Beispiel dafür. Ich habe mein Leben lang eine Maske getragen und auch dich getäuscht."
    Etwas Bedauerndes lag in Noels Stimme, aber er gab Luise keine Zeit, darüber nachzudenken.

    "Du magst es mir glauben oder nicht: Ich schätze dieses Dorf als Heimat unsagbar. Es wird mir schwer fallen, es einst mit dir zu verlassen, da wir aufbrechen, Konrad zu finden. Und so kann ich dir versichern, dein Schmerz, wenn du mit dem Gedanken schwanger gehst, einen Dorfbewohner zu nominieren, ist mein Schmerz.
    Ich tue es nicht gerne... aber ich will die Lumianer richten.
    Um dich zu beschützen, verstehst du?
    Dafür ist mir jedes Mittel recht.
    Jedes."
    Ruhig ließ er seine Worte auf die kleine Elfe wirken, er hatte penibel darauf geachtet, sie nicht zu bedrängen oder zu offensiv zu reden.
    Er stand Luise jetzt näher, aber das bedeutete gar nichts. Er war ihr Schutz, nichts weiter. Das musste Noel sich vor Augen halten.

    Nach einigem Zögern sah sie ihm in die Augen, atmete tief aus und begann mit ihrer melodischen Stimme, zu flüstern.
    "Also gut... was glaubst du?" Aufmerksam betrachtete sie Noel und wartete seine Antwort ab.

    Noel lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schloss die Augen und erschuf wie immer, wenn er nachdachte, ein Schachbrett in seinem Kopf. Zug um Zug bewegten sich die Figuren, Schwarz gegen Weiß, A gegen B, Dorf gegen Lumianer. Bis er am jetzigen Zeitpunkt angekommen war und sein Gegner offensichtlich schien.
    Ruhig begann er, zu sprechen.
    "Luise. In meinen Jahren als... als Soldat konnte ich viel über die Menschen lernen. Menschenkenntnis ist sehr wichtig in einem solchen Spiel. Doch glaube meinen Worten, wenn ich dir sage, dass man kein Experte sein muss, um zu sehen, dass Tyrell den Lumianern angehört.
    Es ist eher, gelinde gesagt, unbeschreiblich offensichtlich."


    Luise wollte schon aufgeregt etwas erwidern, als Noel ihr, sich selbst in Gedanken dafür ohrfeigend, eine Hand vorhielt und ihr das Wort abschnitt.
    "Warte. Bevor wir weiter darüber reden, beantworte mir eine Frage. Ich möchte, dass du nur mit Ja oder nein antwortest. Versprichst du mir das?
    Stumm wartete er, bis sie nickte.

    "Sag mir, Luise... vertraust du mir?"
    Und mit diesen Worten ließ Noel sich ruhig in seinen Stuhl zurückfallen.

    Luise war bei seiner Anschuldigung Tyrells ein wenig zurückgewichen - aber seine Frage kam unerwartet.
    Ob sie Noel vertraute?
    Er schien um sie besorgt zu sein, das stimmte. Luise glaubte ihm sogar, dass er sie retten wollte.
    Aber warum?
    Alle hatten Luise schon vor ihm gewarnt. Adalbert, Tyrell, Lumi - sogar Konrad war nie besonders begeistert gewesen, ihn in ihrer Nähe zu sehen. Und gerade hatte Noel selbst noch erklärt, dass er etwas anderes war, als er vorgab, und auch sie getäuscht hatte.
    Und dann war da noch immer dieses seltsame Gefühl, welches er seit seiner ersten Begegnung mit ihr in Luise auslöste. Dieses beunruhigende Gefühl, was in manchen Momenten vollkommen verschwand, nur um in anderen wieder aufzutreten. Das Gefühl, was sie davon abhielt, ihm voll und ganz zu vertrauen.
    Diese Art, wie er anderen Menschen als Luise gegenübertrat war sicher eine Sache - aber Luise konnte sich trotz Noels Beteuerungen, wie wichtig sie ihm sei, nicht dem Eindruck erwehren, dass er etwas verbarg. Und manchmal, wenn er mit so freundlicher Stimme und süßen Worten zu ihr sprach, hatte sie den Eindruck, dass er im Grunde eigennützige Gedanken hatte.
    Aber nichts davon wollte Luise ihm nun erzählen. Nicht nur, weil es wirklich unhöflich wäre, sondern auch, weil sie ihm vertrauen wollte - weil sie nicht glaubte, dass er ein Lumianer war. Und auch, weil sie ihm glaubte, dass er sie beschützen wollte. Wenngleich sie sich nicht über seine Motivationen im Klaren war.
    Nach einigen Augenblicken der Stille atmete das Mädchen tief ein und betrachtete Noel. Versuchte, in seinem Gesicht seine Gedanken zu lesen. Natürlich war das unmöglich, also beantwortete sie leise seine Frage: "Das ist eine... große Anforderung. Ich weiß nicht, ob ich sie erfüllen kann." Sie trank nachdenklich einen Schluck Tee und fuhr dann fort: "Ich vertraue dir... insofern, dass ich dir glaube, wenn du sagst, dass du nicht zu der Sekte gehörst. Und auch, dass du mich beschützen möchtest." Sie versuchte, ihre angespannte Mimik durch ein Lächeln aufzulockern. Soch selbst Luise bemerkte, dass es nicht im Einklang, mit ihrem stumpfen Blick stand. "Aber... ich vertraue dir nicht so sehr, dass ich mein ganzes Urteil in deine Hand legen würde. Ich habe diesen Fehler schon begangen... gestern, indem ich M-marias Stimme g-gefolgt bin..." Ihre Stimme begann zu zittern. Sie wollte nicht an den gewaltigen Fehltritt von gestern denken. "Ich... ich mag b-bei weitem nicht s-so weltgewandt sein, wei d-du. A-ber ich g-glaube, d-dass auch du dich vertun k-kannst..." Sie brach ab. Scheu blickte sie in die Tasse in ihren Händen. "Ich vertraue dir. Aber ich werde nicht vorbehaltslos einem anderen Menschen die Stimme geben, welche ihn zum Tode verurteilen kann."

    http://www.youtube.com/watch?v=u_0dGdYh6ec

    Das kam unerwartet. Regungslos blieb Noel angelehnt sitzen, versuchte, das Gesagte zu verarbeiten.
    Oh scheiße.

    Deus machte einen Gesichtsausdruck, als hätte er gerade dabei zugesehen, wie ein Kämpfer bei einem Straßenkampf eine Faust ins Gesicht bekommen hätte.
    Na ja, der Schmerzlevel war wohl in etwa der Selbe. Mindestens.

    Okay, nein, ist in Ordnung. Sie hat nicht gesagt, sie vertraut dir nicht, deine kleine Elfe ist intelligent und hat nur Sinnvolles von sich gegeben. Du darfst nicht erwarten, dass sie so naiv ist, dir von jetzt auf gleich zu vertrauen. Ganz langsam. Du hast Zeit, alle Zeit der Welt. Überzeuge sie vom Märchen. Immerhin hast du es geschrieben. Jetzt liegt es an ihr, es zu erfüllen.

    Aber Schritt für Schritt.


    Tyrell... der Junge ist ein Lumianer. Das war todsicher. Noel besaß Menschenkenntnis und er besaß einen Verstand, nicht so stumpf wie ein Stück Holz. Der Junge war ein Lumianer, das war so sicher wie Luises rotes Haar, darauf gab Noel seinen Dolch.
    Das Problem war, diese Tatsache Luise, gerade Luise, dieser wundervollen, unschuldigen Elfe klarzumachen, welche eine Freundschaft zu dem Knaben hegte, und da war sie im Dorf nicht die Einzige.
    Genau das war das Lästige an Optimisten. Widerlich.
    Der Bengel wäre ein sicherer Erfolg, ein schachmatt per Excellance, aber dafür bedarf es noch vieler, schwieriger Züge.

    "Hah..."
    Etwas entkräftet atmete Noel aus, bevor er sich wieder zum sprechen aufraffte.
    "Luise, hör mir zu.
    Ich möchte nicht, dass du mir blind vertraust. Du sollst aus eigener Überzeugung handeln.
    Denn das macht dich zu einem Menschen.

    Desweiteren... ist es nicht wahr, dass du weniger redegewandt bist als ich. Du sprichst auf deine Art, ich auf die Meinige. Bitte denke nicht von mir, ich erachte meine Ansicht als in irgendeiner Weise gewichtiger als die Deine. Das stimmt nicht.

    Und letztendlich... kann ich mich irren. Ich habe mich bereits viele male geirrt, den ich bin ein Mensch."

    Noel hatte die Augen krampfhaft geschlossen, dachte intensiv nach. In seinem Kopf rückten die Figuren ein Feld ums andere vor, drängten den König in die Ecke.

    "Aber...!"
    Bald ist es soweit. Schach.

    Noel sah Luise tief in die Augen und umfasste ihre Hände mit den seinigen, als er, so überzeugend er konnte, mit ihr sprach.
    "Du MUSST mir in dieser Sache vertrauen, ich BITTE dich darum. Ich weiß, welches Band zu zu Tyrell hegst und ob der Schwere, die die diese Entscheidung kostet... aber bitte, zu unser aller Wohl, wenn du begehrst, irgendwann Konrad wiederzusehen... dann bitte ich dich, nominiere den Burschen Tyrell.
    Ich möchte dir nahebringen, warum dieser Junge ein Lumianer ist.
    Er war ein häufiger Besucher in eurer Apotheke, nicht? Selbst ich, der ich nicht oft im Dorf war, weiß, dass er jeden Tag gern gesehen im Zentrum war. Ein aktiver, gesprächiger Junge.
    Doch seit dieser Lumianersache... ist er wie vom Erdboden verschluckt, hat sich verändert, ist viel kälter und einzelgängerischer in seinem Verhalten geworden.
    Ich verlange nicht, dass du es vollkommen verstehst oder gerne tust... aber bitte, Luise: Tyrell ist einer jener Männer, die Meretes und Marias Tod auf dem Gewissen haben. Und Konrads Verschwinden, natürlich. Wenn du Gerechtigkeit möchtest... muss dieser Junge gerichtet werden. Glaub mir."


    Erschöpft sank Noel zusammen. Er hatte viel geredet, aber er hatte seine ganze Seele, Alles an Überzeugungskunst hineingelegt. Deus sah dem Treiben nur interessiert zu.
    Wenn das nicht reicht... ist es aus. Dann habe ich versagt. Dann... kann ich mein Leben auch beenden.
    Noels Augen weiteten sich und ihm kam eine Idee. Nein, keine Idee. Er traf eine Entscheidung. Einige Zeit war vergangen, das Wirtshaus war mittlerweil gut gefüllt, sicherlich schon die Hälfte des Dorfes war hier, dem Regen seis geschuldet. Vermutlich würde die Wahl heute hier stattfinden.

    Stumm stand Noel auf, hustete geräuchvoll, so dass eine Sekunde später nicht nur der Blick der kleinen Elfe, sondern der der meisten Dorfleute auf ihm lag.
    Um den gegnerischen König zu bekommen... muss man mitunter den eigenen riskieren... nicht wahr? So funktioniert Schach doch...Valan?

    "Ich, Noel de'chrones'tulem, nominiere hiermit den Jungen Tyrelals Lumianer, da er mit geradezu lächerlicher Offensichtlichkeit dieser Sekte angehört. Ich war mir nie in meinem Leben bei einer Sache so sicher. Und um das zu beweisen..." ,
    Noel zog seinen Dolch, ein erschrockenes Raunen ging um die Menge, bevor er ihn sich an den eigenen Hals hielt, "verspreche ich hiermit auf meinen Namen, dass ich mich sofort selbst richten werde, sollte Tyrell unschuldig gehängt werden!"

    Erstauntes Flüstern, ungläubige Blicke, nervöse Gesichter... Noel sah Luise ein letztes Mal eindringlich und beinahe flehendlich in die Augen, bevor er auf seinem Stuhl zusammensank und die Eigenen schloss.




    Schachmatt.
    Die Frage ist... wessen König ist gefallen?

    Geändert von Holo (03.04.2013 um 16:51 Uhr)

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