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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 2

  1. #21
    "E-es tut mir Leid, d-dass ich einfach s-so hier eingedrungen bin. Ähm... i-ich habe mir Sorgen gemacht u-und
    n-nicht überlegt. I-ich b-bin sehr d-durcheinander... E-entschuldige b-bitte."
    , kam es schüchtern von Luise kurz nachdem die Wirtin zu sprechen geendet hatte.
    Mit einem milden Lächeln den Kopf schüttelnd gab sie dem Mädchen zu verstehen, dass es sich für Nichts zu entschuldigen brauchte.
    Der selbsternannte Leibwächter Luises jedoch taxierte sie mit zornigem Blick und presste, seine Wut sichtlich unterdrückend, hervor:
    "Wärt Ihr wohl so freundlich... diesen Namen nicht mehr in Anwesenheit dieses Mädchens zu sprechen? Sie hat eine tiefe Wunde durch seinen Verlust erlitten, wie Ihr euch denken könnt."

    Das junge Mädchen erwiderte darauf tonlos in langsamer Weise, wie Brunhild es noch nie von ihr gehört hatte:
    "Es... es ist nicht nötig, solche Rücksicht zu nehmen... das ist nichts, was ich verdiehnt hätte. Ich... ich kann nicht darüber sprechen... aber ich kann andere nicht daran hindern, es zu tun."
    Unverständig glotzte sie die Beiden an. Dass sie nicht weiter auf Marias Verscheiden eingehen sollte, wäre ihr durchaus verständlich. Das Kind hatte ihre Obernonne wahrhaft gemocht und ihr fast schon bedingungslos vertraut. Doch warum sagte er dann „seinen“ Verlust? Konrad konnte er kaum meinen, denn ein langer Ritt zur Stadt würde von seiner Cousine kaum als Verlust angesehen werden und wenn Konrad ebenfalls der Sekte oder den Tieren des Waldes zum Opfer gefallen wäre, wäre dies inzwischen längst Dorfgespräch und seine Beerdigung wie die Marias schon abgehalten.
    Doch ehe sie ihre Verwunderung aussprechen konnte, fuhr Noel auch schon fort:
    "Uns ist kalt und wir würden uns an eurem Kamin gerne etwas aufwärmen. Ein wenig Schwarztee und Suppe wäre wundervoll. Zudem wäre ich euch persönlich tief verbunden, wenn ihr Luise aus ihren nassen Kleidern schälen und ihr ein paar Neue zur Verfügung stellen könntet. Meint Ihr, das wäre denkbar? Natürlich bezahle ich Alles im vorraus.
    Eine leichte Verbeugung folgte seiner Ansprache.
    Einige Augenblicke betrachtete sie ihn weiter, als wäre er der erste Gesichtsbemalte, dem sie je begegnet war (-nun, an sich war er das tatsächlich, aber das tat hier im Moment nichts zur Sache-), ehe seine Worte vollends die vorigen in die hinteren Teile ihres Bewusstseins geschoben hatten.
    Energisch schüttelte sie den Kopf. Es kommt gar nicht in Frage, dass ich Geld dafür annehme, Euch beide hier aufwärmen lassen. Zu Essen und zu Trinken gibt es hier jedenfalls reichlich, da zauber ich Euch schon schnell was zusammen…
    Skeptisch betrachtete sie Luise, kurz auch Noel, ehe sie fortfuhr:
    In ihrer Größe werde ich kaum Etwas haben, aber wir kriegen sie schon wieder in trockene Tücher…
    Damit holte sie, auf Zehenspitzen dem Blute ausweichend, aus ihrem Schrank nach einigem Wühlen einige Kleidungsstücke und Decke hervor. Letztere drückte sie Noel bis auf eine in die Hand.
    Nimm die schonmal mit nach unten, vielleicht wollt Ihr euch dann noch zusätzlich wärmen… Komm, mein Kind.. Sanft, aber bestimmt drückte sie das Mädchen in Richtung des elterlichen Schlafzimmers, welche es still geschehen ließ.
    Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Bursche sich bereits abwendete, darum meinte sie nur: Einen Augenblick noch… ehe sie im Zimmer verschwand, um kurz darauf mit einem alten Hemd samt Hose wieder zu erscheinen. Sie warf es ihm zu.
    “Hier, die gehörten meinem alten Vater. Sind schon lange nicht mehr getragen worden, aber meine Mutter hatte sie bis zu ihrem Tod immer in Stand gehalten und gepflegt. Du musst sie nicht anziehen, aber an Deiner Stelle würde ich die nassen Sachen nicht anlassen…“ Die Tür wurde hinter ihr geschlossen.
    Rasch und mit geübter Hand entledigte die Wirtin das durchnässte Kind all seiner Kleider und begang darauf, den jungen Körper mit der verbliebenen Decke trockenzureiben. Luise blickte nachdenklich auf das Kreuz, welches sie um den Hals trug. Auf eine Nachfrage diesbezüglich meinte das Mädchen nur knapp, es stamme von Maria und sie habe es aus dem Schlafzimmer als Andenken genommen. Danach blickte sie wieder ausdruckslos ins Leere, als würde sie gedanklich weit, weit weg sein. Tiefe Sorgenfalten zogen sich durch Brunhilds Stirn. Die Persöhnlickeit und Gefühlswelt des Mädchen war so empfindlich und zerbrechlich wie Kristall, schien es ihr mehr und mehr. Schon gestern war sie wegen Konrads Nominierung so gewesen und musste von ihr aufgepäppelt werden. Und heute ob des Todes von Schwester Maria schon wieder. Wenn das so weiter ginge, würde es ihre kleine Seele und infolgedessen auch der zierliche Körper nicht mehr lange machen, dachte die Wirtin kummervoll, während sie Luise eines ihrer Kleider überwarf. Mit Bändern versuchte sie den überschüssigen Stoff einigermaßen an den schmalen Körper zu binden, sodass sie vorzeigbar würde. Nach einer Weile schien sie zufrieden mit dem Ergebnis und meinte, um die erdrückende Stille zu durchbrechen: Zum Maitanz würde ich Dich damit zwar nicht lassen, aber Du musst Dich erstmal nicht schämen, Dich so vor Anderen zu zeigen, meine Liebe…
    Eine Antwort erwartete sie garnicht, sondern ging, Luischen führend, hinunter in die Schankstube.
    Dort angekommen setzte Brunhild sie an den Tisch, an dem Noel es sich bequem gemacht hatte. Mit leicht mürrischer Miene sah sie, dass der Bursche sich wohl zu fein gewesen war, trockene Kleider, die etwas älter waren anzuziehen ,ehe sie sich umwand und zwei Kochtöpfe über die Feuerstelle hing. Während das Teewasser anfing zu brodeln, mischte sie, den Wünschen des ach so vornehmen Herren folgend, ein Süppchen mit Speck, Töften, Rüben und einigen Kräutern zusammen. Als sie sowohl den fertigen Tee als auch die Suppe dampfend in jweils zwei Becher und zwei Schalen abfüllte, fiel ihr Blick auf den Schaffellüberwurf, den sie am Morgen auf dem Tresen liegen gelassen hatte. Nach kurem Überlegen, verbarg sie sie vorsichtig hinter dem Tresen. Luise würde sie sicher als Konrads wiedererkenne und ,warum auch immer sie momentan nicht an ihn erinnert werden wollte, dies musste ja nicht unnötigerweise provoziert werden.
    Beladen ging sie zu den beiden hinüber, um ihnen Speis und Trunk vorzulegen.
    Es betrübt mich, Dir sagen zu müssen, dass das Haus keinen Schwarztee führt, da dieser sehr teuer ist. Der Herr möge sich hoffentlich mit gesüßtem Kräutertee zufrieden geben, der ist sowieso besser gegen die Kälte und Nässe…
    Das hatte sie sich nicht verkneifen können und wollen. Noel mochte ein Junge mit einer schlimmen Vergangenheit sein, auch wenn sie diese nicht kannte, und deswegen verschlossen und grimmig gegen jeden außer Luise, aber sein überheblicher Ton gerade ihr gegenüber schmeckte ihr gar nicht. Schon dieses andauernde förmliche „Euch“, mit dem er sie ansprach. Nach den Jahren waren sie wohl kaum mehr Fremde und sie redete mit anderen Dorfbewohner erheblich weniger als mit ihm und wurde von denen geduzt.
    Ihren Grimm hinunterschluckend, strich sie Luise sanft über die Wange und stapfte wieder nach oben, schließlich galt es noch ihr ehemaliges Schlafzimmer zu reinigen.
    Ihren Brechreiz beim Anblick und vor allem dem Geruch des Blutes herunterwürgend ging sie in die Knie und begann zu schrubben.

  2. #22
    "Maria... warum ausgerechnet Maria?" Peter stand an dem gerade frisch zugeschütteten Grab und ballte die Hände zu Fäusten. Er spürte wieder diese Wut in sich aufkommen, eine Wut die er doch so lange verborgen hatte, seiner Frau, den Kindern und nicht zuletzt ganz Düsterwald zuliebe. Das schlimmste daran war: er wusste noch nicht einmal so recht, auf wen er eigentlich wütend war. Auf die Lumianer, diese Sekte, natürlich! Aber wer gehörte zu diesen Ketzern? Während er darüber nachdachte, wurde ihm auch bewusst, warum es ausgerechnet Schwester Maria, die gläubigste und gottesfürchtigste Person, die Peter kannte, die nonnigste aller Nonnen, getroffen hatte: sie war offensichtlich eine Gefahr gewesen. Die Lumianer fürchteten von ihr entdeckt zu werden. Und Maria hatte eine sehr respektable Stellung im Dorf gehabt, viele vertrauten auf ihr Urteil. Wen hatte sie gestern verdächtigt? überlegte Peter und kratze sich am Bart, bis ihm einfiel, dass die Nonne Merete angeklagt hatte, welche sich als unschuldig erwiesen hatte. "Mist, so komme ich auch nicht weiter!" fluchte er leise, besann sich jedoch kurz darauf wo er war, senkte den Kopf und murmelte "Verzeih mir Herr für diesen Ausdruck".

    Den Hut tief in die Stirn gezogen verließ er den Friedhof und machte sich auf den Weg zurück ins Dorf. Vielleicht hatte Brunhild den Gasthof schon aufgemacht? Er wollte sich mit einigen anderen Dörflern austauschen, bevor er eine vorschnelle Wahl traf.

    Geändert von Layana (03.04.2013 um 15:38 Uhr)

  3. #23
    Die noch etwas perplexe Brunhild besah die beiden noch eine Weile mit ziemlich dämlichem Gesichtsausdruck. Nun, wenn Noel so darüber nachdachte, war das bei ihr Dauerzustand. Sich wie ein kleiner, unreifer Junge das Grinsen verkneifend, wartete er ihre nächsten Worte ab.

    Es kommt gar nicht in Frage, dass ich Geld dafür annehme, Euch beide hier aufwärmen lassen. Zu Essen und zu Trinken gibt es hier jedenfalls reichlich, da zauber ich Euch schon schnell was zusammen…
    Da schoss das beleibte Weib schon von dannen. Zeche prellen? Nein, das war etwas, dass Noel überhaupt nicht mit seiner Einstellung und Würde vereinbaren konnte, dreimal nicht, wenn seine kleine Elfe dabei war. Also ließ er, bevor Brunhild außer Griffweite war, ein kleines Säckchen Silbermünzen in ihre Rocktasche gleiten. Wahrscheinlich einiges zu viel, aber der Abend war ja noch lang. Nach wenigen Uhrenschlägen kam sie wieder heran, drückte Noel einige widerlich verfilzte Decken in die Hand.
    Nimm die schonmal mit nach unten, vielleicht wollt Ihr euch dann noch zusätzlich wärmen… Komm, mein Kind..
    Behutsam legte sie Luise eine Hand auf die Schulter und machte sich auf in ein Gästezimmer.

    Hey, hey, Noel, lass uns hinterherschleichen, vielleicht bekommen wir einen Blick auf... du weißt schon... Hast doch sicher Lust, alter Steche-


    Hast du es so eilig, zu sterben?
    Ich hatte nie ernsthaft das Bedürfnis, dich zu töten, aber jetzt gerade im Moment bin ich wirklich kurz davor, es zu wollen.


    Einige Sekunden lang sah Deus enttäuscht der kleinen Luise hinterher, bevor er grummelig die Ohren sinken ließ und Noel wie als wäre er sein Herrchen, ins Erdgeschoss hinterhertapste.

    Einen Augenblick noch…


    Mondgesegneter Saix, was denn jetzt noch?!
    Genervt verdrehte Noel die Augen, bevor er sich ein weiteres Mal zur redseligen Wirtin umdrehte.

    “Hier, die gehörten meinem alten Vater. Sind schon lange nicht mehr getragen worden, aber meine Mutter hatte sie bis zu ihrem Tod immer in Stand gehalten und gepflegt. Du musst sie nicht anziehen, aber an Deiner Stelle würde ich die nassen Sachen nicht anlassen…“
    Lächelnd warf sie ihm ein Bündel Kleider zu und Verschwand in einem der Zimmer. Einen Moment hielt Noel die Sachen zwischen zwei Fingerspitzen und beäugte sie wie einen Haufen Krokodilscheiße - nun, zumindest rochen sie in etwa so. Kopfschüttelnd öffnete er die Tür, die ihm am nächsten war - das Abort - und warf ohne hinzusehen die Kleider hinein. Ein kurzes Platsch mögen einem Zuschauer eine Ahnung gegeben haben, wo sie gelandet waren. Ein passender Ort, wie Noel zufrieden befand.

    Eine ganze halbe Stunde verging, Noel hatte es sich an einem der Tische gemütlich gemacht, während Deus sein Fell am Kamin wärmte. Dann, als der rothaarige Junge sich schon anfing zu fragen, ob Brunhild seine kleine Elfe entführt hatte, kamen die beiden die Treppe hinunter, Luise war gekleidet in ein bezauberndes Herbstkleid. Es sah an ihr einfach wundervoll aus und betonte mit seinen braunorangenen Tönen perfekt ihre Haarfarbe, nun war sie wirklich eine Kleine Elfe. Schwach lächelnd und mit gesenktem Kopf setzte sie sich ihm an den Tisch, als Noel ihr grinsend etwas ins Ohr flüsterte.
    Das steht dir ungemein, kleine Elfe.
    Du bist märchenhaft schön.


    Luise, die unter seinem Kommentar mit brennendem Gesicht zusammenzuckte war kein Vergleich zu Deus, welcher am Kamin lag und mit seiner linken Pfote auf seinen offenen Mund deutete als würde er sich erbrechen müssen, woraufhin Noel ihm einen ganz bestimmten Finger zeigte.

    Schließlich kam die Wirtin an den Tisch, sie zu... nun... bewirten.
    Es betrübt mich, Dir sagen zu müssen, dass das Haus keinen Schwarztee führt, da dieser sehr teuer ist. Der Herr möge sich hoffentlich mit gesüßtem Kräutertee zufrieden geben, der ist sowieso besser gegen die Kälte und Nässe…

    Noel war der gehässige Unterton nicht entgangen, kalt lächelnd nahm er Brunhild die Sachen ab.
    "Oh, kein Problem, ich liebe süße Sachen.
    Und nun... habt ihr nicht noch etwas zu tun? Da wartet eine Pfütze vergorrenen Blutes auf euch."

    Sein Lächeln war so falsch und seine Stimme so süffisant fröhlich, dass Noel sich dafür selbst applaudieren wollte.
    Mit hochrotem Kopf sauste die Wirtin von dannen, und so konnte Noel, nachdem er einen Schluck des Tees genommen und dessen Geschmack affektiv mit "Kamelpisse" verglichen hatte, mit Luise über das vor ihnen Liegende sprechen.
    "Kleine Elfe..." ,
    Lächelnd legte Noel seine blasse Hand auf die Ihrige, "wir sollten jetzt über die Nominierungen dieses Abends sprechen. Ich möchte dir erklären, wen und warum ich nominiere..."

    Das Kleid, in welches man Luise gesteckt hatte war in der Tat viel zu groß. Allerdings war es wundervoll warm und Brunhild hatte gute Arbeit geleistet, es mit einigen Bändern zurecht zu zurren.
    Außerdem hatte es einen angenehmen, tröstlichen Geruch.
    Und das war ihr mehr als genug. Dafür nahm sie sogar in Kauf, dass der Farbton ihr wirres, rotes Haar so sehr betonte.
    Es war Luise im Augenblick egal, wie man sie sah. Ihre Gedanken wanderten.
    So sehr sie auch an etwas Angenehmeres denken wollte, immer wieder kam sie zurück zu der Frage, wer für all die schrecklichen Geschehnisse im Dorf verantwortlich war.
    Wer waren diese Lumianer, die Maria auf so schändliche, feige und unwürdige Weise ein Ende bereitet hatten? Waren sie auch für das Gerede über Konrad verantwortlich? Und wie viele gab es überhaupt von ihnen?
    Stumm nahm Luise das Kreuz zwischen ihre Finger und betrachtete es. Es war dabei gewesen, als Marias Mörder zugeschlagen hatten. Wenn es nur eine menschliche Stimme hätte, dann könnte es ihr Antworten geben.
    Aber Kreuze sprachen nicht. Sie waren lediglich leblose Gegenstände, welche den Glauben an Gott symbolisierten. Und der Vater, dem ihre Träger dienten, sprach selten in direkten Worten zu seinen Kindern.
    Luise würde ihre Antworten selbst finden und womöglich erkämpfen müssen. So sehr es ihrer Natur auch widersprach.

    Schweigend war sie der Wirtin nun in den Schankraum gefolgt. Nachdem Brunhild sie an einen der Tische geführt hatte, wurde das Mädchen jäh aus seinen Gedanken gerissen, als es Noels leise Komplimente in ihrem Ohr vernahm.
    Erschrocken und mit rotem Gesicht zuckte Luise zusammen. Schnell versteckte sie ihre plötzlich zitternden Hände in den Falten des Kleids. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Noels Grinsen beunruhigte sie und die vertrauliche, nahe Art, mit der er seine Worte sagte wollte ihr gar nicht gefallen. Die ganze Situation war ihr auf einmal unangenehm.
    Starr saß Luise auf dem Stuhl, den Kopf gesenkt. Angespannt bemühte sie sich, ihre Nervosität für sich zu behalten.
    Es schien ganz gut zu funktionieren, Noel kommentierte ihr Verhalten nicht. Stattdessen konnte Luise aus dem Augenwinkel sehen, wie er immer wieder zum Kamin schaute. Einmal meinte sie sogar, dass er eine Handgeste in diese Richtung machte. Genau erkennen konnte sie es jedoch nicht. Abgesehen davon, dass niemand sonst im Raum war.
    Schließlich kehrte Brunhild mit dampfenden Suppenschüsseln und außerdem heißen Tee zurück.
    Mit leisen Worten bedankte Luise sich. Sie schienen aber in dem kleinen, alles andere als freundlich klingenden Dialog zwischen der Wirtin und dem Bibliothekar unterzugehen.
    Noch immer nervös nahm Luise einen Schluck des angenehm duftenden Tees und entspannte sich ein wenig, als sie spürte, wie die Wärme sich in ihrem Mund ausbreitete.
    Als sie sich dann an die köstliche Suppe heranmachte, brach Noel auch schon das unangenehme Thema an, dass Luise schon eben verfolgt hatte.
    Sie wusste, wie wichtig es war, darüber zu sprechen. Dennoch wurde ihr Blick etwas starrer, als Noel von seiner Nominierung berichten wollte.
    Mit leiser, gedrückter Stimme erwiderte sie: "Es... es bleibt wohl keine andere Wahl, nicht wahr?" Es schmerzte sie, eingestehen zu müssen, dass mindestens einer unter all den freundlichen Dorfbewohnern zu dieser schrecklichen Sekte gehörte. Aber nach dem heutigen Tag musste Luise mit dem Schlimmsten rechnen.

    Wieder keimte das vertraute Gefühl des Mitleides in Noel auf, wieder sanken seine entschlossenen Augenbrauen in sich zusammen. Mit ruhigem, verständnisvollem Tonfall flüsterte er auf Luise ein.
    "Luise..." ,
    er lächelte schmerzlich, "Menschen tragen Masken. Ich bin das beste Beispiel dafür. Ich habe mein Leben lang eine Maske getragen und auch dich getäuscht."
    Etwas Bedauerndes lag in Noels Stimme, aber er gab Luise keine Zeit, darüber nachzudenken.

    "Du magst es mir glauben oder nicht: Ich schätze dieses Dorf als Heimat unsagbar. Es wird mir schwer fallen, es einst mit dir zu verlassen, da wir aufbrechen, Konrad zu finden. Und so kann ich dir versichern, dein Schmerz, wenn du mit dem Gedanken schwanger gehst, einen Dorfbewohner zu nominieren, ist mein Schmerz.
    Ich tue es nicht gerne... aber ich will die Lumianer richten.
    Um dich zu beschützen, verstehst du?
    Dafür ist mir jedes Mittel recht.
    Jedes."
    Ruhig ließ er seine Worte auf die kleine Elfe wirken, er hatte penibel darauf geachtet, sie nicht zu bedrängen oder zu offensiv zu reden.
    Er stand Luise jetzt näher, aber das bedeutete gar nichts. Er war ihr Schutz, nichts weiter. Das musste Noel sich vor Augen halten.

    Nach einigem Zögern sah sie ihm in die Augen, atmete tief aus und begann mit ihrer melodischen Stimme, zu flüstern.
    "Also gut... was glaubst du?" Aufmerksam betrachtete sie Noel und wartete seine Antwort ab.

    Noel lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schloss die Augen und erschuf wie immer, wenn er nachdachte, ein Schachbrett in seinem Kopf. Zug um Zug bewegten sich die Figuren, Schwarz gegen Weiß, A gegen B, Dorf gegen Lumianer. Bis er am jetzigen Zeitpunkt angekommen war und sein Gegner offensichtlich schien.
    Ruhig begann er, zu sprechen.
    "Luise. In meinen Jahren als... als Soldat konnte ich viel über die Menschen lernen. Menschenkenntnis ist sehr wichtig in einem solchen Spiel. Doch glaube meinen Worten, wenn ich dir sage, dass man kein Experte sein muss, um zu sehen, dass Tyrell den Lumianern angehört.
    Es ist eher, gelinde gesagt, unbeschreiblich offensichtlich."


    Luise wollte schon aufgeregt etwas erwidern, als Noel ihr, sich selbst in Gedanken dafür ohrfeigend, eine Hand vorhielt und ihr das Wort abschnitt.
    "Warte. Bevor wir weiter darüber reden, beantworte mir eine Frage. Ich möchte, dass du nur mit Ja oder nein antwortest. Versprichst du mir das?
    Stumm wartete er, bis sie nickte.

    "Sag mir, Luise... vertraust du mir?"
    Und mit diesen Worten ließ Noel sich ruhig in seinen Stuhl zurückfallen.

    Luise war bei seiner Anschuldigung Tyrells ein wenig zurückgewichen - aber seine Frage kam unerwartet.
    Ob sie Noel vertraute?
    Er schien um sie besorgt zu sein, das stimmte. Luise glaubte ihm sogar, dass er sie retten wollte.
    Aber warum?
    Alle hatten Luise schon vor ihm gewarnt. Adalbert, Tyrell, Lumi - sogar Konrad war nie besonders begeistert gewesen, ihn in ihrer Nähe zu sehen. Und gerade hatte Noel selbst noch erklärt, dass er etwas anderes war, als er vorgab, und auch sie getäuscht hatte.
    Und dann war da noch immer dieses seltsame Gefühl, welches er seit seiner ersten Begegnung mit ihr in Luise auslöste. Dieses beunruhigende Gefühl, was in manchen Momenten vollkommen verschwand, nur um in anderen wieder aufzutreten. Das Gefühl, was sie davon abhielt, ihm voll und ganz zu vertrauen.
    Diese Art, wie er anderen Menschen als Luise gegenübertrat war sicher eine Sache - aber Luise konnte sich trotz Noels Beteuerungen, wie wichtig sie ihm sei, nicht dem Eindruck erwehren, dass er etwas verbarg. Und manchmal, wenn er mit so freundlicher Stimme und süßen Worten zu ihr sprach, hatte sie den Eindruck, dass er im Grunde eigennützige Gedanken hatte.
    Aber nichts davon wollte Luise ihm nun erzählen. Nicht nur, weil es wirklich unhöflich wäre, sondern auch, weil sie ihm vertrauen wollte - weil sie nicht glaubte, dass er ein Lumianer war. Und auch, weil sie ihm glaubte, dass er sie beschützen wollte. Wenngleich sie sich nicht über seine Motivationen im Klaren war.
    Nach einigen Augenblicken der Stille atmete das Mädchen tief ein und betrachtete Noel. Versuchte, in seinem Gesicht seine Gedanken zu lesen. Natürlich war das unmöglich, also beantwortete sie leise seine Frage: "Das ist eine... große Anforderung. Ich weiß nicht, ob ich sie erfüllen kann." Sie trank nachdenklich einen Schluck Tee und fuhr dann fort: "Ich vertraue dir... insofern, dass ich dir glaube, wenn du sagst, dass du nicht zu der Sekte gehörst. Und auch, dass du mich beschützen möchtest." Sie versuchte, ihre angespannte Mimik durch ein Lächeln aufzulockern. Soch selbst Luise bemerkte, dass es nicht im Einklang, mit ihrem stumpfen Blick stand. "Aber... ich vertraue dir nicht so sehr, dass ich mein ganzes Urteil in deine Hand legen würde. Ich habe diesen Fehler schon begangen... gestern, indem ich M-marias Stimme g-gefolgt bin..." Ihre Stimme begann zu zittern. Sie wollte nicht an den gewaltigen Fehltritt von gestern denken. "Ich... ich mag b-bei weitem nicht s-so weltgewandt sein, wei d-du. A-ber ich g-glaube, d-dass auch du dich vertun k-kannst..." Sie brach ab. Scheu blickte sie in die Tasse in ihren Händen. "Ich vertraue dir. Aber ich werde nicht vorbehaltslos einem anderen Menschen die Stimme geben, welche ihn zum Tode verurteilen kann."

    http://www.youtube.com/watch?v=u_0dGdYh6ec

    Das kam unerwartet. Regungslos blieb Noel angelehnt sitzen, versuchte, das Gesagte zu verarbeiten.
    Oh scheiße.

    Deus machte einen Gesichtsausdruck, als hätte er gerade dabei zugesehen, wie ein Kämpfer bei einem Straßenkampf eine Faust ins Gesicht bekommen hätte.
    Na ja, der Schmerzlevel war wohl in etwa der Selbe. Mindestens.

    Okay, nein, ist in Ordnung. Sie hat nicht gesagt, sie vertraut dir nicht, deine kleine Elfe ist intelligent und hat nur Sinnvolles von sich gegeben. Du darfst nicht erwarten, dass sie so naiv ist, dir von jetzt auf gleich zu vertrauen. Ganz langsam. Du hast Zeit, alle Zeit der Welt. Überzeuge sie vom Märchen. Immerhin hast du es geschrieben. Jetzt liegt es an ihr, es zu erfüllen.

    Aber Schritt für Schritt.


    Tyrell... der Junge ist ein Lumianer. Das war todsicher. Noel besaß Menschenkenntnis und er besaß einen Verstand, nicht so stumpf wie ein Stück Holz. Der Junge war ein Lumianer, das war so sicher wie Luises rotes Haar, darauf gab Noel seinen Dolch.
    Das Problem war, diese Tatsache Luise, gerade Luise, dieser wundervollen, unschuldigen Elfe klarzumachen, welche eine Freundschaft zu dem Knaben hegte, und da war sie im Dorf nicht die Einzige.
    Genau das war das Lästige an Optimisten. Widerlich.
    Der Bengel wäre ein sicherer Erfolg, ein schachmatt per Excellance, aber dafür bedarf es noch vieler, schwieriger Züge.

    "Hah..."
    Etwas entkräftet atmete Noel aus, bevor er sich wieder zum sprechen aufraffte.
    "Luise, hör mir zu.
    Ich möchte nicht, dass du mir blind vertraust. Du sollst aus eigener Überzeugung handeln.
    Denn das macht dich zu einem Menschen.

    Desweiteren... ist es nicht wahr, dass du weniger redegewandt bist als ich. Du sprichst auf deine Art, ich auf die Meinige. Bitte denke nicht von mir, ich erachte meine Ansicht als in irgendeiner Weise gewichtiger als die Deine. Das stimmt nicht.

    Und letztendlich... kann ich mich irren. Ich habe mich bereits viele male geirrt, den ich bin ein Mensch."

    Noel hatte die Augen krampfhaft geschlossen, dachte intensiv nach. In seinem Kopf rückten die Figuren ein Feld ums andere vor, drängten den König in die Ecke.

    "Aber...!"
    Bald ist es soweit. Schach.

    Noel sah Luise tief in die Augen und umfasste ihre Hände mit den seinigen, als er, so überzeugend er konnte, mit ihr sprach.
    "Du MUSST mir in dieser Sache vertrauen, ich BITTE dich darum. Ich weiß, welches Band zu zu Tyrell hegst und ob der Schwere, die die diese Entscheidung kostet... aber bitte, zu unser aller Wohl, wenn du begehrst, irgendwann Konrad wiederzusehen... dann bitte ich dich, nominiere den Burschen Tyrell.
    Ich möchte dir nahebringen, warum dieser Junge ein Lumianer ist.
    Er war ein häufiger Besucher in eurer Apotheke, nicht? Selbst ich, der ich nicht oft im Dorf war, weiß, dass er jeden Tag gern gesehen im Zentrum war. Ein aktiver, gesprächiger Junge.
    Doch seit dieser Lumianersache... ist er wie vom Erdboden verschluckt, hat sich verändert, ist viel kälter und einzelgängerischer in seinem Verhalten geworden.
    Ich verlange nicht, dass du es vollkommen verstehst oder gerne tust... aber bitte, Luise: Tyrell ist einer jener Männer, die Meretes und Marias Tod auf dem Gewissen haben. Und Konrads Verschwinden, natürlich. Wenn du Gerechtigkeit möchtest... muss dieser Junge gerichtet werden. Glaub mir."


    Erschöpft sank Noel zusammen. Er hatte viel geredet, aber er hatte seine ganze Seele, Alles an Überzeugungskunst hineingelegt. Deus sah dem Treiben nur interessiert zu.
    Wenn das nicht reicht... ist es aus. Dann habe ich versagt. Dann... kann ich mein Leben auch beenden.
    Noels Augen weiteten sich und ihm kam eine Idee. Nein, keine Idee. Er traf eine Entscheidung. Einige Zeit war vergangen, das Wirtshaus war mittlerweil gut gefüllt, sicherlich schon die Hälfte des Dorfes war hier, dem Regen seis geschuldet. Vermutlich würde die Wahl heute hier stattfinden.

    Stumm stand Noel auf, hustete geräuchvoll, so dass eine Sekunde später nicht nur der Blick der kleinen Elfe, sondern der der meisten Dorfleute auf ihm lag.
    Um den gegnerischen König zu bekommen... muss man mitunter den eigenen riskieren... nicht wahr? So funktioniert Schach doch...Valan?

    "Ich, Noel de'chrones'tulem, nominiere hiermit den Jungen Tyrelals Lumianer, da er mit geradezu lächerlicher Offensichtlichkeit dieser Sekte angehört. Ich war mir nie in meinem Leben bei einer Sache so sicher. Und um das zu beweisen..." ,
    Noel zog seinen Dolch, ein erschrockenes Raunen ging um die Menge, bevor er ihn sich an den eigenen Hals hielt, "verspreche ich hiermit auf meinen Namen, dass ich mich sofort selbst richten werde, sollte Tyrell unschuldig gehängt werden!"

    Erstauntes Flüstern, ungläubige Blicke, nervöse Gesichter... Noel sah Luise ein letztes Mal eindringlich und beinahe flehendlich in die Augen, bevor er auf seinem Stuhl zusammensank und die Eigenen schloss.




    Schachmatt.
    Die Frage ist... wessen König ist gefallen?

    Geändert von Holo (03.04.2013 um 16:51 Uhr)

  4. #24
    Nachdem Rekon die tote Leiche begraben hat und mit allen Anwesenden für die nonnige Nonne gebetet hat, ging er nach Hause, um zu trauern. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste nicht, wen er zum Tode nominieren sollte. Asmotheyx und Rekon haben stundenlang überlegt, wen sie nominieren. Doch sie fanden einfach keine Lösung. Noel war unschuldig, dachte sich Rekon und Asmotheyx schützte Peter. Das war alles viel zu kompliziert, als das ein Mensch alleine das verstehen kann. Nach der Diskussion war klar. Rekon würde eher sich selbst (Ocin) nominieren, als blind einen nominieren, der stirbt und unschuldig war. Das konnte er einfach nicht...

  5. #25
    Bereits nach kurzer Zeit verfärbte sich das Putzwasser so rot wie die Beschmutzung des Zimmers. So kam es Brunhild vor, als ob sie blut mit Blut wegwaschen würde. Dumpf drangen von unten Luises und Noels stimmen herauf, Letzterer schien den jungen Tyrell für einen Sektenheini zu halten.
    Zumindest aus den Holzdielen am Boden ließen sich die Lachen restlos entfernen, bei den Wänden blieben blasse Flecken zurück. Sie würde es wohl später übermalen lassen müssen. Die blutgetränkte Bettwäsche war nicht mehr zu retten und musste definitiv weggeworfen oder verbrannt werden.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit war sie soweit es ging fertig geworden, knülllte das blutgetränkte Bettzeug zusammen und warf es die Treppe hinunter auf den Gang. So musste sie dann nicht noch einmal hoch steigen. Mühsam schleppte sie den Kübel und die Bürste nach unten. Die Tür zum Abort wurde geöffnet, damit sie das dreckige Wasser dort weggießen konnte. Doch irgendetwas schien die Öffnung zu verstopfen. Da sie mit den Händen nicht heranreichen konnte, nahm sie sich ihren Besen zu Hilfe. Nach einigen Versuchen förderte sie zwei stoffartige, vom Unrat durchtränkte Klumpen zutage. Vorsichtig zog sie sie mit dem Besenstiel auseinander, um zu sehen, worum es sich handelte.
    Laut klappernd fiel der Besen zu Boden.
    Dieser gottverdammte- Herr, vergib die Worte- Hundesohn! Spielt sich vor ihr auf wie der Kaiser von China und als ob ihm ihre Schenke gehören würde. Einen Beutel mit Münzen hatte er ihr zugesteckt, als ob sie sein Geld wie Almosen benötigen würde. Wer wusste, was dieser missratene Bastard getan hatte, um es einst zu bekommen! Zornig schmiss sie den Beutel in das Dreckwasser und schüttete beides in das nun freie Abort.
    Seine vermaledaite herablassende Art mochte sie ertragen können. Allzuoft kam er ja, Gott sei’s redlich gedankt, nicht in ihre Taverne und keine zehn Bommels vermochten es, sie auch nur einen Fuß in seine Ansammlung von Büchern, die mit noch größeren Ansammlungen von Wörtern gefüllt waren, zu setzen. Die hatte er sicherlich nur, damit er sich noch viel mehr als etwas Besseres als alle Anderen fühlen konnte.
    Doch die ihm angebotenen Kleider nicht einfach nur nicht anzuziehen, sondern in die gottverdammte Scheiße zu schmeißen, das würde ein Nachspiel haben. Sie hatte ihm noch gesagt, dass sie einst ihrem Vater gehört hatten. Seine besten Kleider waren es gewesen! Zur Hochzeit mit ihrer Mutter hatte er sie extra anfertigen lassen! Nur zu den Sonntagsmessen und ihren Geburtstagen hatte er sie getragen! Auch an ihrem fünften, bei dem er den nächsten Morgen nicht mehr erleben durfte, weil ihn das beschissene 500L Fass überrollt hatte!
    Heiße Zornestränen rannen ihr über die Wangen. Ihre einzige Erinnerung an ihren Vater war er in diesen Kleidern gewesen und dieser …rotbehaarte Gesichtsbemalte!!! Hatte sie wie einen faulen Apfel behandelt.
    Oh, sie würde ihm nur zu gerne auf der anderen Seite seines ach so tollen Gesichtes eine weitere dauerhafte Bemalung verschaffen, die farblich perfekt zu seinen Haaren passen würde. Nämlich den Abdruck ihrer linken Hand! Und sie würde schon dafür sorgen, dass es ihm für immer blieb, daaaa würde es keine Probleme geben.
    Ihre Fäuste schlugen gegen die Wände, und beim letzten Schlag konnte sie einen befreienden Schrei nicht mehr zurückhalten. Mühsam versuchte sie wieder zu Atem zu kommen. So gerne sie ihm auch zu einer neuen, zweifellos hübscheren Bemalung als die jetzige verhelfen wollte, so sehr war ihr auch klar, dass es ihr keine Genugtuung, sondern nur endlose Nächte des Selbsthasses einbringen würde. Ein dunkles Wesen war in ihrem Inneren erwacht, doch wenn sie ihm nachgeben würde, würde sie am Ende vielleicht noch selbst so werden wie dieses Scheusal.
    Nein, sie würde ihren jetzigen Hass und ihre Verachtung gegen Noel in Form des sich einfressenden dunklen Wesens nutzen, um positive Energie und Kraft zu schöpfen, bis zum bitteren, aber hoffentlich nich ganz so bitteren Ende durchzuhalten. Und damit würde sie endlich mal wieder zur Beichte gehen, denn all die ungeheuerlichen Dinge, die sie gerade gedacht hatte, würde ihr der Herrgott sicherlich nicht so einfach nachsehen.
    Doch eine Sache würde sie jetzt noch tun, die ihr ganz sicher reinen Gewissens Genugtuung verschaffen würde. Ohne Ekel packte sie das verschandelte Andenken an ihren Vater und den leeren Kübel und betrat die inzwischen gut gefüllte Schankstube. Einige wichen ob des Gestankes angewidert von ihr zurück, doch das interessierte sie recht wenig. Ihr Ziel hatte, theatralisch wie immer, sich gerade ein Messer an den Hals gehalten und seinen eigenen Tod bei einer weiteren Fehlentscheidung was Tyrell angeht geschworen. Bei seiner bisherigen Erfüllung von Schwüren würde das Dorf ihn bei Einbruch der Nacht los sein.
    Langsam bewegte sich Burnhild auf ihn zu, während sich Noel offenbar erschöpft in den Stuhl fallen ließ und die Augen schloss. Perfekt! Vor ihm angekommen stellte sie den Kübel ab und beugte sich sacht zu ihm hinunter und flüsterte ihm zu:
    “Egal, wie qualvoll und schrecklich Deine Vergangenheit auch gewesen sein mag: Es gibt Dir nicht das Recht, die Vergangenheit Anderer mit Füßen zu treten…“
    Sie richtete sich wieder auf und in ihrem Gesicht erschien ein vollkommen ehrliches, strahlendes Lächeln, dass sie sonst nur den Personen, die ihr am wichtigsten waren- also für gewöhnlich Konrad- schenkte.
    Dann wrang sie die vor Unrat triefenden Kleider ihres Vaters über Noels Oberkörper und Schoß aus. Und sie war sehr gründlich dabei. Als Nichts mehr herauszupressen war, meinte sie noch freundlich: “Nach der Abstimmung würde ich mich freuen, wenn Du mein Wirtshaus umgehend verlassen und nie wieder betreten wirst.“, ehe sie den Kübel hochhob und aus der Schankstube hinaus in den Regen lief.
    Oh ja, das war definitiv notwendig gewesen. Behutsam legte sie die immernoch dreckigen Kleider in den Kessel mit dem angebrannten Brei, ehe sie zum Dorfbrunnen schritt, um neues Wasser zu holen. Bei der Gelegenheit konnte sie auch gleich den Mist von ihren Händen waschen. Zurück im Wirtshaus waren alle Blicke auf sie gerichtet, doch es war ihr sowas von gleich. Schnell schnitt sie Seife ins Wasser, ehe sie Ross inmitten der Anderen sah.
    Dies war nun der perfekte Zeitpunkt, sie war immernoch geladen und würde ihre Meinung gut vortragen können.
    “Meine lieben Dorfbewohner! Verzeiht, dass ihr das mitbekommen musstet, aber das hatte schon alles seine Richtigkeit, glaubt mir. Doch darüber will ich jetzt nicht sprechen.
    Ihr wisst, dass ich nicht viel vom Hanggericht halte. Es hat bereits eine Unschuldige getroffen und deshalb ist Schuld über uns alle gekommen. Doch der grausame Mord an Schwester Maria hat mir verdeutlicht, dass ich zu kurzsichtig war, mich vollkommen dagegen zu verschließen. Noch immer finde ich dieses Vorgehen schändlich, doch es scheint der einzige Weg für uns zu sein, mit der Gefahr dieser Sekte fertig zu werden.
    Wir alle haben unser Vertrauen in unseren Holzfäller Ross Fäller gesetzt, als unser neuer Hauptmann durch alle schweren Zeiten zu führen. Schon lange hat er hier gelebt und sich immer als gutmütig und gerecht erwiesen.
    Doch gestern hat Etwas mein Vertrauen in ihn erschüttert und mir seither keine Ruhe mehr gelassen. Er nominierte Merete. Auch Andere haben dies getan, ja, sonst wäre sie noch unter uns, und das allein will ich ihm nicht zum Vorwurf machen. Was mich umtreibt, ist der Satz, den er nach seiner Begründung, die keine war, sprach und auf die seine Stimme für die verblichene Jägerin folgte.
    Mir wäre es lieber, wenn wir einen Lumianer enttarnt hätten, doch leider kann haben wir heute dabei wohl kein Glück gehabt…
    Glaubt mir, ich habe lange versucht mich davon zu überzeugen, er wollte damit nur seine Unwissenheit verdeutlichen, die er vorher angesprochen hatte. Doch würde es dann keinen Sinn machen, gerade Jemanden zu wählen, der sich zuerst ganz dem Wohle des Dorfes verschrieben hatte und dann bereit dazu war, eher sich selbst zu opfern, als eine falsche Entscheidung zu treffen. Zumal er diesen Bürgern, zu denen sich ja auch Tyrell zählte, seinen Respekt für dieses Verhalten ausgeprochen hatte.
    Ich habe seine Worte von allen Seiten betrachtet, aber am Ende bleibt für mich nur eine Möglichkeit übrig: Er hatte diese Erklärung abgegeben, weil er bei Merete eindeutig von ihrer Unschuld wusste, und dies, weil er zu dieser gehört. Deswegen kam ihm ihre Selbstnominierung sehr gelegen.
    Ich bin sehr gespannt, was Du dazu zu sagen hast, meine Stimme geht an Dich, Hauptmann Ross [R.F.]

    Einige Augenblicke lang betrachtete sie den Hauptmann eindringlich, ehe sie auf die Knie ging und sich daran machte, auch die Blutflecken von den Dielen der Schankstube zu schrubben.

    Geändert von Mephista (03.04.2013 um 12:59 Uhr)

  6. #26
    Ross hatte Brunhilds Anschuldigung angehört und es kam ihm so vor, als wären sämtliche Augen nun auf ihn gerichtet. "Es scheint mir eher, dass ihr mir die Worte im Munde verdrehen wollt. Ich kann mich auf jeden Fall sehr gut erinnern das gesagt zu haben; allerdings ist das nur der Anfang des Satzes, denn ich habe ebenfalls noch gesagt, dass ich hoffe mit der Wahl den richtigen zu erwischen, da es uns nicht möglich war einen Lumianer zu DIESEM ZEITPUNKT durch die HINWEISE zu ENDTARNEN. Ja, ich habe jemanden gewählt, der sich selbst nominiert hatte, denn ich hatte gehofft, dass sich vielleicht eines dieser Sektenmitglieder seiner gerechten Strafe für seine Gottlosigkeit stellen will. Das wäre mutig gewesen und hätte Respekt verdient. Sich selbst aber zu beschuldigen, obwohl man unschuldig ist, ist einfach nur dumm und wenn derjenige gehenkt wird, ist er selbster schuld. Niemand wird gezwungen, sich selbst zu opfern, allerdings darf auch niemand einen anderen beschuldigen ob seiner Wahl, schon gar nicht, wenn man dann noch versucht, ihm zu unterstellen, er habe gewusst, dass Merete kein Lumianer sei. Entweder war das ein gewaltiges Missverständnis eurerseits, oder IHR Brunhild habt etwas zu verbergen. Vielleicht wollt ihr uns ja was wichtiges sagen, was eure Person betrifft und das mit den Lumianern zu tun hat?"

    Geändert von R.F. (03.04.2013 um 14:41 Uhr)

  7. #27
    Peter betrat das Wirtshaus und schüttelte sich die regennassen Haare. "Was für ein Sauwetter da draußen! Grüß Gott, Brunhild!" rief er in den Schankraum hinein, da er zunächst gar nicht bemerkte, dass dieselbe gar nicht anwesend war. Sich ein wenig über die Abwesenheit der Wirtin wundernd, aber nicht weiter fragend setze er sich an die Theke, legte seinen Umhang ab und sah sich im Wirtshaus um. Viele Gäste waren noch nicht anwesend. In einer Ecke saßen der Bibliothekar und die Apothekerstochter Luise. Was sie wohl mit ihm zu schaffen hatte? Die beiden schienen sich angeregt zu unterhalten, man könnte fast behaupten, dass das Mädchen an seinen Lippen hing. Peter ahnte bereits das schlimmste. Lieber Gott, bitte lass nicht zu, dass das kleine unschuldige Ding in die Fangen dieser Ketzer gerät. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät. Für Peter war Noel immer noch der Ursprung allen Übels. Er ging nicht in die Kirche, war somit ein Ketzer und musste folglich zu dieser Sekte gehören. Er fragte sich, warum der Rest des Dorfes das nicht auch sah. Zumal der Pfarrer heute auch diese Entscheidung getroffen hatte. Dennoch wollte Peter sich anhören, was er und die übrige Dorfgemeinschaft zu sagen hatten. Zumal der Rotschopf vermutlich nicht alleine handelte. Vielleicht könnte man mit gemeinsamen Kräften einen seiner Mitstreiter entlarven, welcher ihnen weitere Hinweise auf die übrigen Täter lieferte.

    Während er so auf den Tresen starrte und auf Brunhild wartete, vernahm er Noels Stimme lauter als zuvor. Er schien allen Anwesenden etwas sagen zu wollen. Peter sah auf, und tatsächlich, der Bibliothekar stand im Raum und klagte Tyrell, den jungen Bastler, an zu den Lumianer zu gehören. Hm... Tyrell? Besonders viel zu tun hatte er bislang nicht mit ihm gehabt, aber sollte er deswegen gleich ein Lumianer sein? Er wusste es nicht. "Noel, was veranlasst dich dazu den jungen Tyrell als Mitglied dieser Sektengruppe zu beschuldigen? Willst du uns nicht an deinen Gedanken teilhaben lassen?" und dieser wiederholte, was er zuvor zu Luise gesagt hatte: "Er war ein häufiger Besucher in der Apotheke. Selbst ich, der ich nicht oft im Dorf war, weiß, dass er jeden Tag gern gesehen im Zentrum war. Ein aktiver, gesprächiger Junge. Doch seit dieser Lumianersache... ist er wie vom Erdboden verschluckt, hat sich verändert, ist viel kälter und einzelgängerischer in seinem Verhalten geworden." - "Tja, da muss ich dir ausnahmsweise mal zustimmen, zumindest was seine Abwesenheit angeht. Aber vielleicht ist er ja auch krank geworden und muss das Bett hüten. Luise, weißt du da vielleicht etwas? Vielleicht solltest du ihn später einmal aufsuchen?"

    Bevor Luise dazu kam ihm zu antworten, erschien Brunhild in der Schankstube, ging schnurstracks auf Noel zu und wrang ein undefinierbares, aber zweifelsohne extrem stinkendes nasses Bündel über dem jungen Mann aus. Peter wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. Er war entsetzt und schadenfroh zugleich. Er fragte sich, was die sonst so gutherzige Brunhild zu solch einer Tat getrieben haben konnte. Andererseits konnte er Noel nie besonders leiden und hatte sich schon des öfteren gewünscht, dass ihn mal jemand von seinem hohen Ross herunter holte. Peter erwischte sich dabei, wie ihm ein Grinsen über die Mundwinkel huschte.

    Nach dieser Aktion hatte die Wirtin das Haus verlassen, kam jedoch bald darauf wieder hinein und teilte allen ihre Sicht der Dinge mit. Sie verdächtigte Ross Fäller, ihren neuen Hauptmann. Peter schüttelte den Kopf. Ross kannte er nun schon viele Jahre. Der würde sich garantiert nicht so einer Sekte anschließen. Der Holzfäller ergriff auch gleich darauf selbst das Wort. Offensichtlich hatte Brunhild ihn am Tage zuvor missverstanden. Peter atmete tief ein. Die ganze hier wurde ihm unheimlich. Sie waren einst ein so ruhiges friedliches Dorf gewesen. Besonders die langjährigen Bewohner, wie Ross, Brunhild und er welche waren, sie kannten sich schon ewig und hatten immer ein gutes Verhältnis zueinander. Nun waren es ein paar Verrückte, die Misstrauen und Zwietracht im Dorf sähten. Peter senkte den Kopf. Was sollte er nur tun?

    Geändert von Layana (03.04.2013 um 15:38 Uhr)

  8. #28
    "Oi...", sprach Lumi, die grinsend in der Ecke herumsaß und mit Djángo die Szenerie betrachtete. "Noel ist vielleicht benimmmäßig manchmal Arsch, aber ist trotzdem kein Grund ihn voll mit Scheiße zu machen. Schwör, Brunhilda." Sie stand vom Tresen auf, Djángo auf dem Arm tragend und mit der freien Hand streichelnd, ging ein paar Schritte durch die Schänke, bemerkte den zornig erscheinenden Blick des Jungen mit der beschissenen Handschrift - ob er sie verdächtigte? Was'n Arsch. Als hätte sie nichts besseres zu tun, als nachts irgendwelchen Leuten Dolche ins Herz zu rammen und den Dorfplatz mit halbseidenen Ankündigungen zu tapezieren.

    "Ich habe mir angeguckt und mit Hirn ermittelt.", fing sie an, merkte die überraschten Blicke der anderen. "Und ich bin zu Schluss gekommen, dass der Typ - oder die Typ - der - oder die - hier rumrennt und irgendwelche Leute kaputtmacht folgende Verhaltensdings haben muss...", sie hielt die freie Hand nun hoch, den Zeigefinger ausgestreckt, und zählte ihre Beobachtungen auf. "Einstens: Die Person ist kurva őrült - ziemlich beknackt in Birne - und ist wahrscheinlich nach draußen normalste Person überhaupt." Nun zeigte sie zwei Finger. "Zweiter: Er oder sie hat entweder extrem feste oder gar keine Glauben an, dings, Gott - mit all die Symbolik und den Tatdings, dass Nonne tot und Konrad "verflucht" ist vagy valami ilyesmi [oder sowas in der Art]. Ist wichtig, weil Priester...", sie pausierte kurz, dachte nach wie sie am besten das was sie dachte aussprechen konnte ohne direkt gelyncht zu werden, "... Priester sind halt, nä, manchmal... die sind halt manchmal echt voll furchtbar. Aber Nonnen immer nett und so, leben in Kloster, sind voll in Ordnung und alles. also warüm sollte jemand Nonne abstechen außer weil sie ist ihm zu glaubig oder nicht glaubig genug?" Dritter Finger. "Und letztens: Es muss selbe Typ odeer Typin sein wo Anal-andere Hauptmann gekillt hat. Muss Leute in Dorf kennen. Muss wissen wer wie wo warüm drauf ist und so...", sie senkte die Hand wieder, um Djángo zu kraulen, der nervös auf ihrem Arm herumwuselte.

    Sie stolzierte mit kontrolliertem Schritt durch die Taverne und sah vor allem Tyril dabei eindringlich an. "Ich weiß, dass Entscheidung treffen ist scheiße. Keiner will machen. Noel hier...", sie zeigte auf den mit Kacke besudelten Rotschopf, "... will sich selbst umbringen wenn Tyril hier nicht schuldig ist. Jetzt ist er voller Kacke.", sie lachte kurz auf, zerstörte ihre ernste Grundhaltung für ein paar Augenblicke. "Ich meine - ha ha - er ist voller Kacke weil Brunhilda findet ihn kacke und hat jetzt ihn vollgemacht mit Kacke...". Sie bremste ihren Lachanfall. "Hach ja... Kacke." Pause. Ernstes Gesicht. "Tut mir leid wegen Kacke.", fügte sie furztrocken (ha!) hinzu, räusperte sich und rieb sich mit der freien Hand im halbblinden Auge herum. Es juckte stark. Wahrscheinlich eine Nebenwirkung des Wunderpulvers.

    Sie trat an einen der Tische, schob mit einem Wisch alle dort stehenden Krüge zur Seite (einer davon fiel zu Boden und zerbrach unter lautem Klirren) und packte ihr Kartendeck aus. Selbe Prodzedur wie beim letzten Mal. "Tschuldigung, Brunhilda. Schwör, werd alles bezahlen.", sagte sie halblaut, während sie auf dem Tisch kunstvoll die Karten mischte. Sie platzierte den Stapel vor Noel, der sie perplex ansah. "Abheben, bitte." Er tat wie geheißen, hob eine Hälfte des Stapels hoch und platzierte diese neben die andere Hälfte. Noch einmal mischen. Dann war es wieder soweit.

    Sie zog eine beliebige Karte aus dem Deck, betrachtete sie. Ja, genau wie sie es sich erhofft hatte.
    "Herz König. Hors-ich meine Ross (R.F.), die Karten lügen normalerweise nicht. Du bist neue Hauptmann, bist beliebt, bist stark genug um andere zu überwältigen und du bist rothaarig, was heißt du hast kein Seele, was heißt du würdest alles tun um Seele zu kriegen - selbst wenn's heißt dass du diejenigen kaputtmachen musst, die an deine Authoritäh zweifeln. Und wenn Karten lügen und du unschuldig bist, dann entleibt sich Noel hier gleich doppelt, stellvertretend für mich." Pause. "Ich mach' so szemét [Quatsch] nicht."
    Sie trottete zu Horst, drückte ihm die Karte in die Hand, ließ den Rest des Decks in ihrem Beutel verschwinden und setzte sich wieder zurück auf ihren Platz, ihr Frettchen kraulend, siegessicher grinsend.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (03.04.2013 um 15:50 Uhr)

  9. #29
    Brunhild hielt in ihrer Putztätigkeit inne, als Ross tatsächlich begann, ihr zu unterstellen, sie würde etwas mit der Sekte zu tun haben, deren Namen sie nicht einmal aussprechen konnte. Ungläubig starrte sie ihren Hauptmann an, dessen Worte ihren Verdacht nur vertieften.
    “Es ist also dumm für sich selbst zu stimmen, um andere vor einer Fehlentscheidung zu schützen, weil man sich nicht sicher ist. Hauptmann, sie hätte sich still enthalten könne, so wie ich es feige getan habe, ob der Reaktionen, die es bei Merete hervorgerufen hatte. Enthaltungen bekunden wohl eindeutig, dass man sich bei etwas nicht sicher ist. Und wie wir alle wissen, gelten in unserem Dorfe Enthaltungen als Stimmen gegen ein selbst! Also verurteilst Du solch tugendhaftes Vorgehen, offen einzugestehen, dass man etwas nicht weiß, als dumm? Weil Du selbst gestern nicht den Mut aufgebracht hattest, Dein „Unwissen“, welches ich immernoch anzweifle, als Stoppzeichen dafür zu verwenden, Jemanden womöglich unschuldig zu verdammen, sondern einfach auf gut Glück irgendjemanden zu wählen.
    Wie kannst Du nur sagen, dass so etwas dumm wäre und derjenige dann auch noch selbst Schuld wäre, wenn er gehängt wird? Deine Worte klingen, als ob Dir vollkommen egal wäre, ob Unschuldige sterben oder nicht. Niemand sollte schuldlos sterben, niemand. Merete hatte dieses traurige Schicksal ereilt, und unsere gute Schwester Maria ebenso.
    Und jetzt“
    , die Wirtin erhob sich, “ beginnst Du auch noch, mich als eine Lumpozinerin zu bezichtigen, weil Dir meine Worte nicht gefallen haben? Denke eine Sekunde darüber nach. Und vor allem, mit der Bürste in der Hand deutete sie auf die Blutspure, die quer durch die Schankstube verlief, “schau Dich hier genau um. Wenn ich wirklich etwas mit den Sektenheinis zu tun hätte, wäre ich extrem blöd, in meinem eigenen Heim- und Arbeitsplatz solch eine Verschmutzung anzurichten. Die nonnigste aller Nonnen hatte die Nacht bei mir im Zimmer genächtigt, weil sie vor Schuldgefühlen ob Meretes Tod nicht mehr in’s Kloster wollte. In meinem Zimmer wurde sie brutal ermordet und dann durch diese Stube auf den Dorfplatz getragen, das sieht man offenkundig. Die Sache ist nur die, dass außer Maria und mir Niemand wusste, dass sie mein Zimmer für die Nacht bezogen hatte. Was heißt…, ihre Stimme begann zu beben, ihre Augen wurden feucht. „w-was heißt, dass nicht sie das eigentliche Ziel der Sekte gewesen sein konnte, sondern ich, außer, wie Du wohl denkst, dass ich wirklich so unsagbar dumm bin, und ein Blutbad in meinem eigenen Haus anrichte. Weißt Du eigentlich, wie sehr es mich belastet, dass Maria wohl nur sterben musste, weil sie in dem Bett gelegen hat, in dem ich hätte liegen sollen, um gerichtet zu werden???
    Sei nicht so schnell mit Gegenbeschuldigungen bei der Hand, die Du kaum begründen kannst, nur weil man anfängt, Dich in Zweifel zu ziehen… unser alter Hauptmann hätte das nie getan.“

    Immernoch am ganzen Körper zitternd beobachtete sie Lumi bei ihrem Treiben und wünschte sich Konrad oder zumindest ihren nichtsnutzigen Köter an ihrer Seite. Als ihre Untermieterin erwähnte, dass ihr Stallbursche "verflucht" sei, begann in ihrem Kopf einer endlos langsamer, unangenehmer Prozess des Verstehens, was der Gesichtsbemalte vorhin mit Verlust gemeint haben mag.

    Geändert von Mephista (03.04.2013 um 16:08 Uhr)

  10. #30
    Entkräftet hatte Noel sich auf seinem Stuhl sinken lassen.
    Ob das wieder zu dramatisch gewesen war?

    Dramatisch ist gar kein Ausdruck...

    Verflucht... dabei wollte ich nur überzeugend sein.

    Ich glaube, du hast da noch nicht das richtige Maß an Glaubwürdigkeit rausgefischt...

    Noel hatte noch nicht mit Deus zu ende gesprochen, da hörte er Schritte auf sich zukommen, die Augen noch immer geschlossen. Wenig später flüsterte ihm eine Stimme von herber Note ins Ohr.
    “Egal, wie qualvoll und schrecklich Deine Vergangenheit auch gewesen sein mag: Es gibt Dir nicht das Recht, die Vergangenheit Anderer mit Füßen zu treten…“
    Was nun geschah, hatte wohl selbst Deus nicht erwartet. Brunhild nahm die vom Schmutzwasser durchweichten Sachen und rang sie herzhaft über Noel aus. Es war ein... seltsames Schauspiel, wie der junge, scheinbar schlafende Mann ruhig da saß, während eine Fontäne braunen Wassers sich über sein Haar und Gesicht ergoss und seinen ohnehin nassen Mantel noch mehr zu einem feuchten Stück Leder machte.
    “Nach der Abstimmung würde ich mich freuen, wenn Du mein Wirtshaus umgehend verlassen und nie wieder betreten wirst.“
    Und damit ging die Wirtin von dannen.

    Deus, der jetzt etwas alarmierter vorm Kamin saß und, halb belustigt, halb erschrocken, seinen Avatar anstarrte, war nur einer von vielen, die ihn mit blicken durchbohrten. Es war totenstill im Raum, so eine brutalmächtige Stille, dass es auf den Ohren hämmerte.

    Demotiviert bließ Noel eine nasse Strähne aus seinem Gesicht, bevor er seinen schlaffen Körper erneut etwas aufrichtete.
    Ich glaube... sie ist sauer, oder? Sie ist wütend auch mich, nicht wahr Deus?

    Deus' Gesichtsausdruck wurde mehr und mehr zu einer amüsierten Fratze.
    Von diesem Sachverhalt würde ich ausgehen, ja.

    Verwirrt blicke Noel zur Tür, durch die Brunhild gerate geschritten war. Wie ein kleines Kind, dass nicht wusste, was er falsch gemacht hatte, sah er auf ddie hölzerne Platte seines Tisches.
    Was hab ich ihr denn nur getan...?

    Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, Brunhild hielt eine Ansprache, sein Verstand musste wieder arbeiten. Schließlich nominierte sie Ross. Als sie geendet hatte, war es Lumi, die zu sprechen begann.
    In ihrem üblichen Akzent versuchte sie ihrerseits, eine Sicht der Dinge herzustellen, bevor sie zu ihm kam.
    "Ich weiß, dass Entscheidung treffen ist scheiße. Keiner will machen. Noel hier...",
    Lumi zeigte auf Noel,
    "... will sich selbst umbringen wenn Tyril hier nicht schuldig ist. Jetzt ist er voller Kacke."
    . "Ich meine - ha ha - er ist voller Kacke weil Brunhilda findet ihn kacke und hat jetzt ihn vollgemacht mit Kacke..Hach ja... Kacke.
    "Tut mir leid wegen Kacke."


    Totenstille. Lediglich Noel hatte ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen, als er dem blondgelockten Mädchen zusah. Dieses verflog jedoch schlagartig, als sie Ross nominierte. Sein Blick sank zu Boden und seine Augen zitterten leicht.
    Oh verflucht... heißt das etwa, auch sie... Oh bitte nicht.

    Die Wortgefechte gingen noch eine ganze Weile weiter. Mittlerweile war das ganze Dorf versammelt, Brunhild und Ross beschuldigten sich gegenseitig, andere Bewohner taten ihre Meinung kund, es war chaotisch. Seine kleine Elfe saß nur teilnahmslos etwas fernab der Runde, das Gesicht in den Händen vergraben.
    Schließlich nominierte Ross Brunhild.
    Das war sein Zeichen. Jetzt musste er handeln.

    Der König kämpfte sich wieder aus der Verankerung heraus.
    Er schmiss seine Figuren. Er setzte zum Schach an.
    Noch nicht...

    http://www.youtube.com/watch?v=52GkvYnxUxI

    Noel lachte. Er lachte, zunächst leise, laut und über die eintretende Stille hinweg. Alle Blicke wandten sich verwundert ihm zu.
    "Sinnlos. Es ist sinnlos. Das ist alles sinnlos."
    Schließlich sprang er von seinem Stuhl auf, riss seinen Arm in die Höhe und zeigte wie ein Königsanwalt mit dem Finger auf Brunhild.
    "Du verdächtigst Ross der Lumianerschaft?

    EINSPRUCH!"


    Über die peinliche Stille hinweg wurde Noel klar, dass das schon wieder zu dramatisch war. Egal.
    Und jetzt... dreh das Schachbrett um.

    "Was Ross angeht... ich möchte hiermit klarstellen, dass er nicht den Lumianern angehört! In diesem Fall ist es nicht meine Intuition sondern Wissen. Es ist ein Fakt, und als solcher ein Beweis!"

    Stille. Ruhig lächelnd fuhr Noel fort.
    "Woher? Ross ist der Hauptmann. Als solcher weiß er als Einziger von gewissen... Ämtern, die mir bei meinem Eintritt in dieses Dorf gegeben wurden, ohne dass es öffentlich gemacht wurde.
    Er weiß von meiner Position, und verteidigt mich genau darum!
    Ross ist kein Mensch, der das jemals tun würde, wenn er nicht WISSEN würde, dass ich den seinigen Reihen angehöre!
    Das ist ein unwiederlegbarer Fakt!"

    Schach.


    "Überlegt nun genau, was das bedeutet!"
    Wieder wandte sich Noel, die eine Hand im Mantel, die Andere leger herunterbaumelnd, der Wirtin zu. Er war noch immer bedeckt und durchtränkt mit Abortflüssigkeiten, doch es tat seiner Würde keinen Abbruch.

    "Ross ist Hauptmann, der mich beschützt. Das könnte er auch als Lumianer, aber warum sollte er mich dann öffentlich schützen?!
    Ich bin das perfekte Hängopfer, der einzige Grund, warum ich noch lebe, ist, dass die Lumianer davon ausgingen, ich würde früher oder später baumeln. Wäre Ross böse, hätte er mich nicht als guten Mitstreiter beschützt. Er hätte den Mund gehalten und abgewartet, wie ihr mich aufknüpft!
    Das ist Fakt und nicht zu leugnen!"


    Und schließlich setzte Noel zum letzten Zug an an:
    "Darum, und genau darum, ist die Wahrscheinlichkeit, dass DU" ,
    Noel zeigte wie ein Anklagender auf Brunhild,
    "Eine Lumianerin bist!
    Zwar hatte ich dich beisher nicht im Verdacht... doch die Figuren stehen nun anders. Wenn ich das Schachbrett umdrehe, ist es für euch ein perfekter Zug, nun den Hauptmann auszuschalten! Du bist es, Brunhild. Du bist ohne wenn und aber als Lumianerin enttarnt! Darum ziehe ich die Nominierung deines Mordgenossen Tyrell hiermit zurück, und nominiere offiziel Brunhild(Mephista)!


    Schach... Matt. Diesmal endgültig. Der König wird fallen.


    Stumm und zufrieden mit sich setzte Noel sich lächelnd zurück auf seinen Stuhl.
    Das Spiel war vorbei, nun mussten nur noch die richtigen Figuren gesetzt werden.

    Geändert von Holo (03.04.2013 um 18:01 Uhr)

  11. #31
    "Enthaltungen bringen niemandem etwas. Sie spielen lediglich dem Feind in die Hände. Ja, ganz recht, die Lumianer sind der Feind und nicht die Bewohner des Dorfes, deshalb hört auf, die falschen Leute zu beschuldigen, oder es zeigt wahrlich, dass ihr dumm seid. Dumm, das richtige zu tun. Ich als Hauptmann habe die Aufgabe, eine Entscheidung zu treffen und Ergebnisse zu erzielen, die dem Dorf hilfreich ist. Auf mir lastet mehr Verantwortung, als auf euch, die ihr nur ein Gasthaus bewirten müsst. Wenn jemand ein Verbrechen begeht, muss ich der erste sein, der zur Stelle ist, um den Täter zu überführen und nichts anderes versuche ich, aber ich kann keinen Erfolg haben, wenn die Dorfbewohner nur stock steif bleiben und sich lieber selbst opfern, anstatt mitzuhelfen, die richtigen Täter zu überführen!"

    "Dumm ist es in der Tat, sich selbst zu nominieren. Dumm, aber auch schlau, wenn es sich dann um einen Limianer handelt, denn auf diese Art und Weise würde niemand vermuten, dass er sich schuldig gemacht hätte und könnte solange weitermorden, bis es für den Rest zu spät ist", Ross redete sich langsam in Rage. Er wollte den Dorfbewohnern nur helfen, aber statt Dank schienen einige ihm wohl doch nur Übles zu wollen und zu diesen schien Brunhild ebenfalls zu gehören. "Niemand weiß, welche Versprechen die Lumianer nutzen, um Ahnungslose für ihre Sachen begeistern, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie euch reichlich dafür entlohnen, reich genug, um ein neues zu Hause mit Gold und Juwelen kaufen zu können, vielleicht sogar irgendwo in der Stadt. Ist es nicht so? Weshalb sonst verteidigt ihr euch mit so schalen Ausreden? Eine normale Wirtin würde sich niemals in der Öffendlichkeit darüber beschweren, dass das Haus voller Blut ist, sie würde es einfach wieder weg machen. Hinzu kommt noch, dass es wirklich euer Haus ist, ihr ward da, ihr hättet die Gelegenheit gehabt, den finalen Stoß auszuführen! Ganz genau, ihr habt hier das stärkste Motiv, ihr Brunhild Brauer (Mephista), lehnt euch zu sehr aus dem Fenster heraus, mit euren wüsten Anschuldigungen. Ihr könnt mir ruhig eure Meinung an den Kopf werfen, aber vergesst eines nicht: ihr habt das Feuer entfacht und müsst deshalb rechnen, euch die Finger zu verbrennen."

    "Ihr wisst nicht, was der alte Hauptmann getan hätte, denn im Gegensatz zu uns, hatte er das Privileg, kurz vorher zu verscheiden." Dann fügte Ross noch hinzu "Weiterhin sollte man niemandem vertrauen, der behauptet, mit ketzerischen Kartenspielereien die Wahrheit sehen zu wollen.", wobei er zu Lumi blickte

    Geändert von R.F. (03.04.2013 um 22:31 Uhr)

  12. #32
    Ohne dass Luise darauf geachtet hatte, waren immer mehr Menschen in das Wirtshaus geströmt.
    Alle hatten Noels dramatische Rede mit angehört. Peter fragte Luise von der Seite, ob sie etwas über Tyrells Gesundheit wusste.
    Doch ehe sie eine Antwort geben oder Stellung zu Noels Verdächtigung beziehen konnte, kam auch schon Brunhild angelaufen, um die alten, besudelten Kleider über Noel auszuwringen. Fassungslos schüttelte Luise den Kopf. Dass Brunhild zu solchen Maßnahmen griff und dann auch noch einen Gast wegschickte, war ein seltener Anblick. Um genau zu sein hatte Luise eine derartige Reaktion von der herzlichen Wirtin noch nie erlebt. Was auch immer Noel getan hatte, es musste ihr wirklich ein Dorn im Auge gewesen sein.
    Und schon ging es los. Brunhild sprach ihren Verdacht gegen Ross aus. Lumi machte grinsend einige obszöne Witze über Noels Zustand und schloss sich Brunhilds Nominierung an, wobei sie ihre anscheinend aus den Karten las. Und dann erhob Noel, um nun Ross zu verteidigen - und seine Stimme zurückzunehmen, um Brunhild des Lumianerseins zu beschuldigen. Ross konterte Brunhilds Anschuldigung ebenfalls, indem er ihr selbst seine Stimme gab.
    Und die ganze Zeit saß Luise nur still daneben und beobachtete teilnamslos das Geschehen. Es war nicht so, dass sie irgendeinen bestimmten Verdacht hatte. Jeder aus diesem Dorf konnte es sein.
    Jeder Dorfbewohner hatte Luise das ein oder andere Mal einen Dienst erwiesen. Jedem hatte sie schon das ein oder andere Mittel gegen Husten oder Kopfschmerzen oder Schlafstörungen empfohlen. Jeder war wichtig. Jeder war etwas Besonderes – ein Teil der Gemeinde. Dennoch musste irgendjemand ein falsches Spiel treiben.
    Und jetzt da Maria und Konrad, die beiden Menschen, denen Luise voll und ganz vertraut hatte, verschwunden waren... wer blieb nun übrig?

    Noel
    mochte versichern, dass er nur ihr bestes wollte. Aber die Tatsache blieb, dass er allen anderen gegenüber ein ablehnender, ketzerischer... ihr fiel kein passendes Wort ein... war.
    Brunhild war immer eine gutmütige Wirtin, die eigentlich nur ihren Hund - und nun auch Noel - grob behandelte. Sollte sie etwa zu solch grausamen Morden fähig sein? Dazu auch noch in ihrem eigenen Haus?
    Viktoria? Die junge Frau war immer still und zurückhaltend. Tat immer wie von ihrer Mutter geheißen. Verbarg sich etwas Dunkles hinter diesem braven Gesicht? Oder konnte womöglich genau dieses Gesicht mörderische Intentionen verbergen? Als Maske dienen, weil niemand sie verdächtigte?
    Lumi, das fremde Mädchen mit dem seltsamen Akzent und der alles andere als damenhaften Ausdrucksweise. Die ihre Zukunft aus Karten las. Das machte sie natürlich überaus verdächtig. Aber, ähnlich wie bei Noel, war Luise sicher, dass die Lumianer nichts derart offensichtliches tun würden.
    Peter? Der ruhige Bauer, welcher sich immer um seine Familie kümmerte? War seine häufige Abwesenheit ein Zeichen dafür, dass er heimlich ein blutrünstiger Sektenanhänger war?
    Andererseits müsste Selbiges auch für Patricia gelten. Die unheimliche, schweigsame Frau in der Rüstung, welche man nur äußerst selten zu Gesicht bekam. Und die definitiv über die Kraft verfügte, einen Menschen zu erstechen und wegzuschleppen. Und auf ihrer roten Rüstung würde man Blutflecken kaum sehen.
    Aber, wie Noel gesagt hatte - Tyrell hatte sich während der letzten Tage kaum blicken lassen. Dennoch war Luise sicher, dass er einfach kränkelte. Oder sich nach all dem Auffruhr lieber mit einem Buch zurückgezogen hatte.
    Und Ross... Ross war in der Tat verdächtig. Seit er Hauptmann war, gingen die Dinge bergab. Und warum sollten die Lumianer jemanden in seiner Machtposition am Leben lassen, der keiner der Ihrigen war? Womöglich hatten sie seine Exekution aber einfach aufgeschoben - um erst Schwester Maria, mit ihrem friedlichen Einfluss auf die Gemeinde zu beseitigen.
    Und dann war da noch...

    Luise erhob sich leise. Sie hasste den Gedanken, jetzt vor der Menge zu sprechen. Aber ihr blieb keine Wahl. Brunhild wollte sie nicht anklagen. Sie konnte - wollte - nicht glauben, dass diese mütterlich-fürsorgliche Wirtin eine blutrünstige Ketzerin sein sollte. Genausowenig wollte sie aber Ross nominieren, ohne sicher zu sein. Doch wie die Dinge momentan liefen, würden sich die Erwachsenen weiter zerreißen und am Ende des Tages würden entweder der frischgebackene Hauptmann oder die gutmütige Wirtin baumeln.
    Als Luise ihre Stimme erhob, blickten viele verwundert in ihre Richtung. Womöglich lag es daran, dass das Mädchen noch immer sehr ruhig und emotionslos sprach, konträr zu ihrer sonstigen unbedarften Scheu.
    "Bitte... haltet einen Moment inne!" Auch der Befehlston passte nicht zu ihr. Es klang fremd aus ihrem Mund. Aber was machte das schon? Luise hatte nach dem heutigen Tage nichts mehr zu verlieren. Vielleicht war dieses Bewusstsein auch der Grund, warum Luises Stimme frei von stottern blieb. Warum ihre Bewegungen steif anstatt zittrig und ihr Gesicht reglos anstatt ängstlich waren. "Gestern haben viele von uns einen Fehler gemacht, indem wir Merete gewählt haben. Viele haben auch sich selbst gewählt. Ich kann das verstehen... ich selbst wollte das zuerst auch tun. Immerhin war gestern auch noch nichts geschehen. Niemand war verletzt, alles was wir hatten war eine seltsamen Drohung. A-aber heute... heute i-ist es anders." Ihre Stimme erstarb und ihre Augen verdunkelten sich. Aber es gelang Luise, die Tränen von Wut und Trauer zurückzuschlagen und fortzufahren:
    "Zwei wichtige Menschen haben unser Dorf verlassen. Und ich glaube... nein, ich bin mir sicher, dass die von allen geliebte Maria, zu der jeder tiefes Vertrauen hegte... dass sie genau dieser Zuneigung wegen ermordet wurde. U-und deshalb b-bin ich sicher, dass R-ross in seiner Machtposition und mit seiner Beliebtheit das nächste Opfer bilden wird.
    F-falls er unschuldig ist...", fügte sie fast unhörbar leise und untypisch bitter hinzu. "A-aber das tut jetzt nichts zur Sache. W-was ich sagen wollte ist, dass nun jedem klar ist, was auf dem Spiel steht."
    Mit zittrigen Händen legte Luise die Hand auf das silberne Kreuz um ihren Hals. "Maria mag nicht mehr unter uns weilen... aber jeder spürt den Verlust. U-und ich glaube, dass jedem daran gelegen ist, den Schuldigen zu finden. D-deshalb wird wahrscheinlich jeder U-unschuldige jemanden nominieren." Sie schluckte schwer. Das war der einfachste Teil gewesen. Das Schwere kam nun. "A-ber heute hat jemand trotz allem sich selbst gewählt. Jemand, der g-gestern für einen o-offensichtlichen Sündenbock, nä-nämlich Noel gestimmt hat. D-deshalb glaube ich, dass Rekon (Ocin) ein Lumianer ist, der versucht seine Hände in Unschuld zu waschen und gleichzeitig unsere Fortschritte zu behindern."
    Ohne ein weiteres Wort trat Luise zurück. Sie schloss die Augen, legte die Hand auf Marias Kreuz und atmete tief ein und aus.
    Bitte! Mach, dass meine Entscheidung die richtige war. Ich will keinen weiteren Unschuldigen seines Lebens berauben...

    Geändert von Zitroneneis (03.04.2013 um 18:27 Uhr)

  13. #33
    Das Wortgefecht ging weiter. Brunhild und Ross beschuldigten sich gegenseitig und Peter wusste nicht, wem er glauben sollte. In seinen Augen waren sie beide unschuldig. Dann kam dieses Zigeunermädchen vorbei und klagte ebenfalls Ross an. Peter kam ins grübeln. Sollte er sich anschließen? Er wollte Ross eigentlich nicht am Galgen sehen, aber es stimmte schon, das Unheil fing mit seiner Amtsübernahme an. Dazu wusste er, dass der junge Holzfäller seine Arbeit aufgeben musste. Vielleicht...?

    Peter war kurz davor, seine Anklage auszusprechen, als der Bibliothekar erneut aufsprang, hektisch das Wort ergriff und eine Verteidigungsrede für Ross hielt. Peter verschlug es erneut die Sprache. Was war das denn jetzt für eine Wendung? Zudem nahm Noel seine Stimme für Tyrell zurück und ging stattdessen auf Brunhild los. War das Brunhilds Aktion zuvor verschuldet, oder war er tatsächlich von ihrer Schuld überzeugt?

    Peters Kopf dröhnte bei dem Versuch, all dem folgen zu können. Vielleicht hatte er aber auch nur schon ein Bier zuviel getrunken? Er wusste es nicht, woran es lag, aber seltsamerweise machten die Worte Noels für ihn auf einmal Sinn. "I muss eindeutig zu viel getrunken hobn, dass i das jetzt tu, aber: Noel, i glaub dir. Brunhild (Mephista), es tut mir leid, aber i glaub, du könntst tatsächlich was mit diesn Luminern zu tun hobn" brachte er leicht lallend hervor. Verflixt, jetzt hob i's ausgesproche. I hoff, i hob kein Fehler gmacht.

    Geändert von Layana (03.04.2013 um 19:53 Uhr)

  14. #34
    Patricia war gar nicht begeistert. Das noch vor wenigen Tagen so ruhige Dorf war plötzlich bärenbeissig geworden.
    Eigentlich war sie in die Taverne gekommen um ordentlich zu futtern, aber gerade keiften sich alle dermaßen an, dass selbst Patricia der Appetit vergang.
    Brunhild war angeblich in irgendeine ziemlich miese Sache verwickelt. Das war mies, war die Hirschkuh doch schließlich einer der wichtigsten Gründe für Patricias Verweilen im Dorf.
    Der freche Kleiderhaken schien der Hauptankläger zu sein. Wollte sie dem nicht eh noch einen Denkzettel verpassen?
    Betrübt starrte sie auf ihren Teller voll Brei, der erst halb leer war.
    War es wirklich wahr, was alle sagten?

    Sie ging zur Strichliste und hinterließ mit einem schmatzenden Geräusch einen großen... Prankenabdruck. Huh, der ging irgendwie daneben. Versehentlich hatte Patricia das Namensfeld von Ross Fäller getroffen

    Geändert von WeTa (03.04.2013 um 20:00 Uhr)

  15. #35
    Der Groschen fiel auf ihr Bewusstsein herab wie ein Stein auf die Wasseroberfläche.
    Und gleich dem Steine schlug der fallende Grosche Wellen, die sich rasch ausbreiteten und an Größe zunahmen.


    Doch sie verdängte die Erkenntnis, dass Konrad wohl für immer aus ihrem Leben weg ist, denn es schien gerade so, als ob sie bald kein Leben mehr haben würde, aus dem er verschwunden war.
    So warf sie sich auf den Boden vor ihre Mitdörfler in schierer Todesangst und Panik:
    "G-gute Bürger....I-ich f-f-f-flehe Euch an, ihr wollt eine Unschuldige hängen. Ich b-b-biin eine EINFACHE BÜRGERIN, das schwöre ich bei unserem Herren Jesus Christus, bei dem unschuldigen Blute Meretes und Marias, so glaubt mir bitte! Ich weiß, ich b-bin eine Sünderin vor den Augen Gottes, aber nie habe ich mich mit der Todsünde des Mordes beladen!!!
    Ich bin eine Bürgerin, eine Bürgerin, eine Bürgerin....."


    Immer wieder wiederholte sie die letzten beiden Wörter, einem Mantra gleich.

    Geändert von Mephista (03.04.2013 um 20:20 Uhr)

  16. #36
    "Seid ihr ÜBERGESCHNAPPT?!", rief Tyrell in die Runde, "Das ist völliger Irrsinn! Ihr könnt doch nicht wirklich glauben, dass Brunhild ein Lumianer ist! Wenn dem so wäre, hätte sie mit Leichtigkeit uns alle schon umgebracht! Sie ist die verdammte WIRTIN in unserem Dorf!" Schnaufend trat er in die Runde und versuchte, die Leute noch zu überzeugen. "Absolut fast jeder Dorfbewohner geht hier Essen! Was hält sie davon ab, Gift ins Essen zu tun? Na? Klingelt's? Sie ist nämlich keiner! Wenn ihr ein wenig nachdenken würdet, hättet ihr das alles schon geschnallt!", und sein wütender Blick richtete sich auf Noel, "Aber nein, ihr springt auf den Zug mit auf, den unser werter Herr Zwielichtig hier abfahren lässt. Aber ich sehe schon, dass hier einige einfach genau diesen Weg wählen, damit wir einen Sündenbock haben. Ihr alle, die Brunhild wählt, bleibt in meinem geistigen Auge... obwohl ich natürlich Noel als Auslöser durchaus auch ziemlich verdächtig finde, aber für mich ist der momentan einfach nur ein Schwätzer." Erhitzte Gemüter bildeten sich in der Versammlung. Einige dachten nach, andere wiederum wollten Tyrells Worten kein Gehör schenken, sondern verblieben bei ihrer Meinung.

  17. #37
    Der regnerische Samstag ging zu Ende und das Dorf entschloss sich Brunhild (Mephista) hinzurichten. Doch was war ihr wahres Gesicht?


    Die Nacht beginnt und endet spätestens Freitag um 12h.


  18. #38
    http://www.youtube.com/watch?v=hORxGgbioWc

    Ihre Blicke und ihre Tatenlosigkeit verrieten es.
    Sie glaubten ihr nicht.
    Hielten sie für eine Lügnerin.
    Eine Mörderin.
    Brunhild, die noch nie in ihrem Leben gelogen hatte.
    Für die das Lügen nach dem Töten die größte Sünde war.

    Vollkommen die Kontrolle über sich verlierend zuckte ihr Körper bei jedem Schluchzen, als ob sie einen Anfall erleiden würde.
    Krampfhaft japste sie nach Atem, doch ihre Lungen wollten sich nicht mit Luft füllen.
    Ihr Fleisch konnte die Entscheidung ihres geliebten Dorfes nicht begreifen. Sie waren ihr Ein und Alles gewesen. Ihre Freunde. Ihre Familie. Es gab nur eine Person auf Gottes schönen Erdenrund, die ihr noch wichtiger geworden war. Und diese würde sie nie wieder sehen.
    Ihr war, als ob sie Konrads starke Arme wieder um sich spüren würde. Wie heute morgen fühlte sie eine ungeheure Wärme durch sich strömen- heute morgen. Es schien ihr auf einmal, als wären Äonen seither vergangen.
    Innerhalb weniger Stunden ist ihr gesamtes Leben langsam aber sicher den Abgrund entgegen geglitten und sie hatte es nicht bemerkt.
    Und doch…
    Diese unbeschreibliche Wärme ließ Luft in ihre zusammengefallenen Lungen strömen.
    Beendete die unkontrollierten Spasmen.
    Nahm ihr alle Angst.

    Langsam wischte sie sich die Tränen vom Gesicht.
    Keiner sollte sie als bekümmerte, vollkommen verzweifelte Brunhild in Erinnerung behalten, sondern so, wie sie immer gelebt hatte: als die herzliche, gutmütige Wirtin.
    Langsam erhob sie sich, vollkommen entspannt. Ein mildes Lächeln im Gesicht.
    Ihr Blick fiel zuerst auf Noel.
    Noch vor wenigen Minuten hatte sie ihm aus lauter Abscheu mit Unrat übersäht.
    Das tat ihr bei Gott nicht leid, er hatte es verdient. Doch empfand sie nun seltsamerweise keinerlei Hass mehr für ihn. Nur tiefstes Mitleid.
    Vor ihn tretend meinte sie: “Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung vom Schachspiel, doch glaube ich, dass Du Deines noch verbessern kannst.“
    Ein kurzes Kichern entrang ihrer Kehle. Dann umfasste sie sein Gesicht vorsichtig mit ihren Händen und legte ihre Stirn an die seine:
    “Ich wünsche so sehr, dass Du Dich von den Dämonen der Vergangenheit, die Dich so werden ließen, irgendwann befreien und Dein Leben endlich genießen kannst. Wenn ich mich nicht vollkommen in Deine Lauterkeit täusche, dann halte bis zum Ende durch, wie auch immer es kommen mag. Bitte“
    Sacht löste sie sich wieder und ging zu Tyrell und wuschelte ihm dankbar für seinen Zuspruch durch’s Haar, ehe sie auf Luminista zusteuerte.
    Aus ihrer Schürze holte sie die Schlüssel für die Vorratskammer, die Brauerei und das Wirtshaus hervor und legte sie in ihre kleinen Hände.
    “Du hast ein gutes Herz, deswegen sollst Du ein gutes Heim und ausreichend Verpflegung haben, solange Du hier sein möchtest. Bitte sorge besonders dafür, dass gerade Patricia und Tyrell immer ordentlich zu essen haben, du kannst ihnen ja einfach die Kammer öffnen. Wenn Du unser Dorf wieder verlässt, vertraue ich Dir, dass Du redlich entscheiden wirst, was mit dem ganzen Besitz meiner Familie geschehen soll…
    Dann ging sie zum Tresen, schenkte dem trunkenen Peter eine Maß nach und holte den Schafsfellüberwurf hervor, den sie sich gleich umtat.
    Ein beruhigender Duft nach Kiefern, Muskat und Pferden umfing sie.
    Die Wärme in ihr vertausendfachte sich.

    Den Regen, der beim Hinausgehen auf sie niederprasselte, bemerkte sie kaum. Das gesamte Dorf strömte aus dem Wirtshaus hin zum Galgen.
    Eine Gasse bildete sich für sie, noch nie war ihr je soviel Beachtung zuteil geworden. Welch Ironie, früher hätte einmal alles darum gegeben, doch nun schien es ihr so seltsam unwichtig.
    Als sie an Ross Fäller vorbeikam, hielt sie kurz an, blickte ihm geradewegs in die Augen. So als wöllte sie direkt in seine Seele blicken. Doch entgegen der Worte blieb die Herzlichkeit in ihrer Stimme und das Lächeln auf ihren Lippen:
    “Wenn Gott Gnade mit dem Dorf hat, wird Dir morgen der Strick um den Hals gelegt und Du und alle die mit Dir dieser Sekte angehören in der Hölle schmoren. Gott schütze Dich.“
    Geradezu lächerlich schnell waren die letzten Meter zur Empore mit dem dort aufgebauten Galgen überwundern.
    Als sie gerade auf die erste Stufe trat, besann sie sich auf eine der wichtigsten Personen für sie und wand sich um.
    Luise stand direkt vor ihr. Behutsam nahm sie das noch erstaunlich trockene Schafsfell von den Schultern und legte es um die ihren. Dann schloss sie das Mädchen fest in die Arme:
    “Du gutes Kind, er hätte sicher gewollt, dass ich es Dir gebe. Bitte lass Dich nie vom Bösen verleiten. Wenn mir je eine Tochter vergönnt gewesen wäre, sie hätte exakt Dein Ebenbild in Äußerem wie Innerem sein sollen.“
    Widerwillig löste sie sich nach Langem endlich und schritt hinauf zum Galgen.
    Des Henkers bester Freund wartete bereits ungeduldig und schnalzte entnervt mit der Zunge, als sie endlich bei ihm war.
    “Ist ja schon schade um Dich, Deine Lauchsuppe war ein Traum. Und mit dem Bier hätte man Könige tränken können. Aber, wie heißt es so schön? Nur eine gehängte Frau ist eine gute Fraue, Kehehehehe…“
    Der Strick wurde ihr umgelegt.
    Ihre weiche Haut aufgerieben.
    Aus der Ferne ein sich näherndes Bellen und Knurren.
    Erstaunt, aber doch sichtlich erleichtert erblickte Brunhild ihren alten Schäferhund, der über den Dorfplatz gerannt kam, eine klaffende Wunde in der Seite. Ein hinkender Schemen verschwand hinter dem Apothekershaus. Deswegen also der Blick.
    Rüdiger preschte durch die Menge, hin zu dem ehemaligen Holzäller und biss ihm kräftig in’s Bein. Seit heute morgen hatte er einige Übung erlangt, was das anging. Dann erblickte er sein Frauchen und sprang ruteschwingend auf die Bühne.
    Überschwenglich kraulte und knuddelte sie ihn, soweit es das Seil um ihren Hals zuließ.
    “Das es achtzehn Jahre dauern würde, ehe aus Dir ein ordentlicher Wachhund wird…Bitte füttert ihn ordentlich und lasst ihn weiter an meinem Kamin schlafen, dann wird er mich nicht so vermissen.“
    Mit einem Fingerzeig gemahnte sie ihren Rüdengreis Platz zu machen.
    Dann richtete Brunhild ihren Blick auf einen Punkt, den nur sie sehen konnte und sprach mit leiser, aber doch fester Stimme:
    “Mein guter Herrgott, bitte hab Erbarmen mit den guten Bürgern dieses Dorfes. Lass die Sekte nicht weiter morden, schon zuviel unschuldiges Blut wurde vergossen. In diesem Dorf leben die wunderbarsten Deiner Kinder und sie mögen noch ein langes und erfülltes Leben haben.
    Ich weiß, dass ich nur eine arme Sünderin bin und nicht würdig bin, in Dein Reich einzukehren, aber bitte gewähre einer Sterbenden ihren letzten Wunsch.
    Wache auch über den guten Konrad und hilf ihm, seinen Fluch zu brechen, denn er hat von allen Menschen die Erlösung am meisten verdient. Und bitte lasse ihn wissen, dass ich ihn-„

    Sie verlor den Halt unter den Füßen, der Strick brach ihr fast augenblicklich das Genick.
    “-liebeee…
    Die Wärme stieg ins Unendliche und nahm sie mit sich fort.

    Geändert von Mephista (03.04.2013 um 22:40 Uhr)

  19. #39
    Brunhild winselte am Boden still vor sich hin, Verzweiflung und Todesangst tobten in ihrer Mimik. Noel stand mit eingestürztem Blick daneben, kalter Atem verließ seine blassen Lippen.

    "N-Nhoel! Ih... Ih liefbe dihf! Ih liebe di-"


    Er fasste sich mit der Hand an die Stirn, seine Migräne nahm zu.
    Sie sieht aus wie sie damals... genau... wie sie.

    Noel war kein Narr. Er mochte sein Schachbrett-Denken, es hatte sich in seinen Jahren bei Gottes Augen unzählige Male bewehrt. Und doch hatte er noch andere Fähigkeiten. Wie seine Menschenkenntnis. Und diese verriet ihm gerade etwas ganz Anderes.

    Nach einigen Minuten jedoch hatte sich die Wirtin wieder beruhigt.
    Anscheinend hatte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden...
    Traurig lächelnd wusch sie sich die Tränen vom Gesicht und kam direkt auf ihn zu.
    Flüsternd sprach Brunhild, Noels Selbstsicherheit von eben begann bereits zu bröckeln.
    “Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung vom Schachspiel, doch glaube ich, dass Du Deines noch verbessern kannst.“
    Leise kichernd legte sie, bevor Noel Irgendetwas entgegnen konnte, ihre Stirn an die Seinige.
    “Ich wünsche so sehr, dass Du Dich von den Dämonen der Vergangenheit, die Dich so werden ließen, irgendwann befreien und Dein Leben endlich genießen kannst. Wenn ich mich nicht vollkommen in Deine Lauterkeit täusche, dann halte bis zum Ende durch, wie auch immer es kommen mag. Bitte“
    Mit weit geöffnetem Augen konnte Noel sie nur stumm und fassungslos ansehen. Brunhild störte sich nicht daran, sondern ging einfach warm lächelnd weiter.

    Ich habe mich... geirrt.
    Ungläubig fiel Noel in seinen Stuhl, hiel sich die Hände vor das schockierte Gesicht.
    Schon... wieder. Ich habe mich geirrt.

    Durch das hohle knarzen der Tür und die leiser werdenden Stimme merkte er, wie das Dorf, angeführt von Brunhild, auf den Platz heraustrat. Wie ein geschlagener Hund streckte er seinen Arm aus, flüsterte mehrmals "Wartet..." , aber niemand nahm auch nur Notiz von ihm.
    "Gh...!"
    Gehetzt sprang Noel auf, stieß Tisch und Stuhl beiseite und eillte auf den Platz heraus, über dem, wie auch gestern, eine gespenstige Stille lag, so dass sein Ruf durch die Nacht schnitt.
    "WARTET! Sie... sie ist keine Lumianerin! Ich habe einen Fehler gemacht, ich-"

    "Hast du nicht gerade diese Riesenshow abgezogen und sie beschuldigt?"

    "Kannst du dich mal entscheiden, du Wichtigtuer?"

    "Erst so sicher und jetzt einen Rückzieher machen, sowas liebe ich ja am meisten!"

    Unsicher wich Noel zurück, sein Blick fiel auf Brunhild: Des Henkers Freund befestigte gerade die Schlinge um ihren Hals. Die Zeit wurde knapp.
    Also entschied sich der Junge, dieses eine Mal Taten den Worten vorzuziehen.

    "Geht mir aus dem Weg, ihr Abschaum und Pöbel!"
    Unsanft stieß er die Leute beiseite, welche den leeren Mittelweg, den vor Sekunden noch Brunhild beschritten hatte, blockierten. So schnell er konnte, hetzte er Richtung Schafott, bis ihm Deusexus knurrend vor die Füße sprang. Die Zähne gefletscht und das Fell gehoben, versperrte er ihm den Weg.

    HÖR AUF, NOEL! Das ist gegen die Regeln!

    PEST UND VERDAMMNIS, welche Regeln?!

    Die Regeln der Deuses! Sie sind absolut! Ist ein Avatar gewählt, gibt es kein zurück! Du hast deine Entscheidung getroffen!

    Noels Hand fuhr an seinen Gürtel, geschickt befreite er seinen Dolch daraus und hielt ihn der haarigen Schnauze seine Freundes entgegen.
    Zur Hölle mit den Deuses... und ihren Regeln. Geh mir aus dem Weg, Deus, oder ich schwöre, ich werde dich töten.

    Der Wolf wich nicht zurück, im Gegenteil, sein Knurren wurde intensiver.
    Du Idiot begreifst es nicht, was?! Wenn du die Regeln brichst, stirbst auch du! Und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis das kleine, rothaarige Miststück ebenfalls vom Holze baumelt oder schlimmer noch, madenzerfressen irgendwo im Wald herum liegt, während die Ameisen auf sie pissen!

    Was sagst du... ?!

    Das wars. Deus hatte seine Elfe beleidigt. Er würde jeden Moment auf ihn losgehen. Den Dolch fesst umpresst fiel sein Blick, wie zufällig, auf Brunhild, ihre Augen trafen sich.
    In ihnen sollte Schuldzuweisung sein.
    In ihnen sollte Hass sein.

    Nichts davon konnte Noel erkennen. Sie lächelte ihm einfach nur zu.
    Kraftlos fiel er auf die Knie, den Dolch in den zitternden Händen. Immer noch ihren Blick haltend, formte er mit den Lippen stumm einen Satz.
    "Es tut mir so leid. Bitte verzeih mir."

    Noel wusste nicht genau, warum, aber sie schien ihn verstanden zu haben.

    Dennoch...
    Noel erhob sich still und beobachtete das Schauspiel, steckte den Dolch zurück. Auch Deus beruhigte sich und setzte sich neben ihn.
    Es gab noch eine Chance... vielleicht hatte sie nur gut geschauspielert. Sein Schachbrett-Denken versagte doch nie. Vielleicht hatte er sich gar nich geirrt.
    Stumm und ruhig setzte er sich wieder Richtung Schafott in Bewegung. Diesmal hielt Deus ihn nicht auf. Brunhild bestieg die letzten Treppen, und hing schließlich in der Luft.

    Noel stand genau vorm Schafott. Die Augenbrauen zitternd, die dünnen Hände verkrampft ineinander geschlungen beobachtete er, wie die junge Wirtin, die er mehrmals vollkommen zu Unrecht gekränkt hatte, um ihr Leben kämpfte.
    Nach zwei Minuten... war es vorbei. Ihr zierlicher Körper baumelte leblos vom Galgen.
    Egal, wie oft man Menschen sterben sieht... man gewöhnt sich niemals daran.

    Stille, während Noel sich zitternd auf die Lippe bis, die Fingernägel beinahe blutig in die Handflächen gekrallt, darauf wartend, dass sich Brunhilds Körper in Sternenstaub auflöste.





    Kein Sternenstaub. Brunhild... war... nein... UNMÖGLICH!
    Außer sich stürmte Noel auf die Bühne, riss der toten Brunhild an den Kleidern.
    "LÖS DICH AUF! Lös dich endlich in Sternenstaub auf, mach schon! Du bist eine Lumianerin, warum zerfällst du nicht zu STERNENSTAUB?!"

    Noel, es reicht. Sie ist keine Lumianerin.

    Gerade, als einige Dorfbewohner den Jungen zurechtweisen wollten, sank er, das bebende Gesicht in den Händen verguben, auf die Knie.
    Deus... ich... ich habe doch... nichts falsch gemacht.. oder? Mein Schachbrett-Denken hat doch bisher immer funktioniert... ich habe doch nichts falsch gemacht, oder?

    Stumm trat der Wolf an seine Seite, die Leiche der Wirtin beäugend.
    Du hast getan, was du für das Beste hieltest. Mehr kann ich dazu nicht sagen.


    Es war wieder kein König gefallen. Nur ein weiterer Bauer.
    Mit diesem Gedanken im Hinterkopf versank Noel in einer tiefen Erinnerung.





    "Nanu?" ,
    Valan legte sein Buch beiseite, bevor er neugierig auf den mit Blut verschmierten Wolf in seiner Tür zuging, welcher einen kleinen Jungen auf dem Rücken trug.

    "Wen hast du mir denn da mitgebracht, Deus?"
    Lächelnd kniete er sich vor den Wolf, streichelte dem Jungen, welcher wie eine Puppe aussah, über das mit Blutspritzern verunstaltete Gesicht. Seine ganze linke Gesichtshälfte war bedeckt mit dem Blut seiner Mutter.

    "Die Bande Adliger Vergewaltiger, die Gottes Augen schon seit einiger Zeit verfolgt... sie hat die Mutter dieses Jungen brutal misshandelt... und getötet."

    "So...?"
    Behutsam fuhr er dem Jungen durch das blutrote Haar, sah ihm tief in die leeren Augen.
    "So jung... und schon so viel Leid. Was ist mit seiner Seele, Deus?"

    "Normalerweise würde ich sagen, der Schaden ist ireversiebel. So ein Ereignis kann ein Kind seines Alters nicht verarbeiten. Aber bei euch Menschen ist ja Alles möglich..."

    "Hm... wie heißt du, mein Junge?"

    Keine Antwort. Wie ohnmächtig starrte der rothaarige Bursche weiter auf den Boden der kleinen Hütte.

    "Noel also... doch deine Gedanken sind so voll von furchtbaren Bildern... Deus. Was möchtest du, dass ich mit ihm mache?"
    Warm lächelnd wandte er sich dem Gott zu, während er ihm die Ohren kraulte.
    Es war eine rhetorische Frage, natürlich. Valan kannte die Antwort bereits.

    "Mach den Jungen zu deinem Schützling, Valan. Nimm ihn bei Gottes Augen auf. Immerhin hast du noch einige Jahre bis zum Beginn des Spieles."

    Valan schwieg einige Momente, bevor er mit den Fingerspitzen das Blut auf der linken Wange Noels berührte.
    Lächelnd sah er dem Kind in die Augen.
    "Von heute an, Noel... bin ich dein großer Bruder. Freut mich sehr."





    Noel und Valan saßen gerade im Hauptquartier Gottes Augen an einem kleinen Tisch. Deus hatte es sich vor einem Kamin in der Nähe gemütlich gemacht, während die beiden eine Partie Schach spielten.
    Der großgewachsene, warmherzige Valan mit den braun-weißen Haaren, wohl so um die zwanzig Jahre alt, brachte dem wohl zwöljährigen Knaben das Spiel gerade erst bei.

    "Weißt du, Noel... Schach kann in vielerlei Hinsicht nützlich sein. Ein Schachbrett ist nichts weiter als die abstrakte Nachbildung unserer Welt."

    "Hm. Es ist doch nur ein blödes Spiel. Wie sollte mir das beim töten helfen?"

    Lächelnd zog Valan seine Figur, bevor er antwortete.
    "Unsere Aufgabe ist nicht das Töten, Noel.
    Unser Wunsch ist es, diese Welt besser zu machen, indem wir sie von Dämonen befreien, verstehst du?"


    Stumm nickte der Junge, bevor er seinerseits eine Frage stellte.
    "Da fällt mir grad ein, Bruder... warum hast du mir unser Zeichen eigentlich auf die Wange tätowiert? Ihr alle tragt es auf der Hand oder Brust, warum muss ich das Teil im Gesicht haben?!"

    Valan kicherte leicht.
    "Es steht dir einfach märchenhaft."

    Naserümpfend machte Noel seinen nächsten Zug.
    Was der Junge nicht wusste, war, dass sein Tatoo nicht, wie üblich, nur aus Farbe bestand. Valan hatte es seinerzeit mit dem Blut, dass seine linke Wange bedeckte
    und einer Farbmischung kreiert. Der Junge trug das Blut seiner toten Mutter auf dem Gesicht.

    "Aber zurück zum Schach... Weißt du, es gibt etwas, dass ich Schachbrett-Denken nenne..."

    "Schachbrett-Denken?"

    "Ja, Noel... weißt du, Schach ist das wohl anspruchsvollste Spiel der Welt. Wir lernen so viel über unseren Gegner und auch über uns selbst dabei. Wenn du wissen möchtest, was dein Gegner denkt oder plant, empfiehlt es sich zuweilen, das Schachbrett umzudrehen."

    "Das Schachbrett umdrehen... hm... sich in den Gegner hineinversetzen?"

    "Ganz genau, Bruderherz. Das ist eine sehr effektive Methode, deinen Feinden immer einen Schritt vorraus zu sein. Nicht nur bei Aufträgen, auch im Alltag."

    Eine Weile herrschte Stille zwischen den beiden, und nur das Rücken der Figuren war zu hören.
    "Allerdings hat diese Denkmethode natürlich Schwächen... sie geht immer von den bestmöglichen Zügen aus, die dein Gegner macht. Ist dein Gegner so... "unmenschlich", dass er seine Gier im Zaun hält und nicht stets den für ihn besten Zug macht... könnte diese Denkmethode versagen."

    Noel dachte über die Worte seines Bruders nach.
    "Ich werde es mir merken... Valan."





    Wenn ich so zurückdenke... hat Valan mir Alles beigebracht, was ich weiß.
    Er nahm mich in die Sekte auf, in denen längst nicht jeder so rechtschaffend war wie er. Er bildete meine Kampfkünste aus, schulte mein Wissen mit so vielen Büchern, brachte mir Schach und das Schachbrett-Denken bei... aber letztendlich wohl umsonst. Es beschämt mich, dass ich dir so ein schlechter Schüler war, Bruder...

    Zwei Jahre später kamst du um. Du hattest zusammen mit vier anderen Mitgliedern den Auftrag, eine ganze Sippe auszulöschen, gerietst mit den Anderen in einen Streit über euer Ziel und wurdest letztendlich ermordet... und ich, der ich in dieser Masse aus Mördern, Fanatikern und Monstern nur dich hatte, versank vollkommen in Finsternis und Blut. Jeden Tag musste ich dutzende Menschen töten, und jeden Abend klebte so viel Blut von ihnen an mir, welches zusammen mit dem Geruch selbst nch stundenlangem Duschen nicht verschwand. Meine Seele und der widerliche Klumpen in mir wurden immer und immer schwärzer, bis ich genau die gebrochene Bestie war, vor der du mich immer besschützen wolltest. Wäre da nicht zumindest Deus gewesen, wäre ich wohl schon verzweifelt.
    Ursprünglich warst du sein Avatar, doch bei deinem Tod hast du Deus gbeten, mich deinen Platz einnehmen zu lassen.
    Ich muss dir nicht zuletzt deswegen so dankbar sein... Valan.







    Noel kniete nach wie vor wie ein zitterndes Elend auf dem Schafott unter der toten Brunhild. Deus legte ihm beruhigend eine Pfote auf den Rücken.
    Lass uns nach Hause,gehen, Noel.


    Sein Blick streifte Tyrell, der nahe im Puplikum stand. Da passierte es.
    Sein Arm schoss, ohne dass er etwas dagegen tun konnte, zu seinem Gürtel, man konnte fast das Surren der Klinge hören, die reflexartig aus ihm befreit wurde, bevor Noel mit einem großen Sprung vor der Bühne landete und, geschickt wie eine Schlange, auf sein Ziel zusauste.
    "ICH WERDE DICH AUSLÖSCHEN, TYRELL, du nichtswürdiger, falscher Bastard eines Menschen!"

    Einige Dorfbewohner hatten bemerkt was Noel vorhatte und versuchten, ihn aufzuhalten, doch er stieß sie einfach beiseite.
    Schließlich stellten sich ihm drei Wachen entgegen.
    "Sofort innehalten, Herr Bibliothekar! Die Wahl ist beendet, und-"

    Knurrend schlug Noel ihm die Hand in den Hals, woraufhin er bewusstlos zu Boden ging. Der zweite Soldat konnte noch nicht sein Schwert ziehen, da hatte der wendige Killer ihm auch schon den Griff seines Dolches ins Gesicht gerammt.
    Von hinten stieß ein Soldat mit dem Knüppel zu, doch Noel war schneller:
    Den Rücken zum Soldat gewandt schafft er es, der Knüppelspitze mit einer wendigen Bewegung auszuweichen und seinen Ellbogen kraftvoll in der Brust der Wache zu versenken, die daraufhin benommen nach hinten torkelte.
    "Wenn ihr glaubt, ich lasse mich von euch dabei aufhalten, einen Sektenwurm zu reissen, irrt ihr, ihr Gesocks!"

    NOEL! Verfluchte Rachegöttin, hatten wir das nicht gerade?! Hör auf, sofort!

    Wie ein jagendes Monster, dass bereits Blut gerochen hatte, ignorierte Noel den Gott hinter sich und stürmte weiter auf sein Ziel zu: Den Bengel Tyrell.
    Weitere Wachen kamen bereits mit erhobenen Waffen von allen Seiten auf ihn zu, aber er würde es schaffen - ein paar letzte Schritte machend erreichte er Tyrell, riss ihn mit der rechten Hand am Kragen in die Luft, drückte ihn die Klinge seines Dolches gefährlich an den schmächtigen Hals.
    "Widerliches Kind, wie kannt du nur so ruhig zusehen wie eine unschuldige Frau aufgrund deiner Schuld hingerichtet wird?! Du bist so menschlich!"


    Du bist... echt ekelhaft",

    Noels Halsschlagader pulsierte, er knirschte mit den Zähnen als er sein Gesicht auf wenige Milimeter an Tyrells heranbrachte.
    "Noch ein Wort, du Stück Scheiße... noch ein Wort. Na los, gib mir einen Grund. Gib mir einen Grund, dich wie Vieh abzuschlachten und wie das Schwein, dass du bist, ausbluten zu lassen, wie ihr es mit der Gottesfrau getan habt. WAR DAS GEIL?! Hat euch das Spaß gemacht?!"
    Seinem anschreien ließ Noel eine unschöne Geste folgen: Er spuckte dem Jungen angewidert ins Gesicht, sein Dolch drückte sich fester in Tyrells Hals, erste, feine Bluttropfen waren zu sehen.

    "Was hätte ich schon tun können. Ich war der EINZIGE, der sich für sie eingesetzt hast, während DU es warst, der ihren Tod in die Wege gesetzt hast. Wärst du nicht gewesen, hätten wir unsere ehrliche Wirtin im Dorf nicht verloren.. Du bist... so kindisch. Du glaubst, du hättest die Weisheit in Löffeln gefressen, dabei bist du einfach nur ein widerlicher Lügner, suchst dir deinen Sündenbock und gut ist. Schämst du dich nicht...?"

    "GHR...!"
    Noel packte den Jungen fester, und obgleich er wusste, dass Tyrell irgendwo recht hatte, war er der Falsche, um ihm das klarzumachen. Er sah es. Er sah es in Tyrells Augen. Er war schuldig. Das war so offenherzig und ehrlich wie das Weinen eines Neugeborenen.

    "Du Satansbrut... niemand wird es missen, wenn ich deiner verunreinigten und verdorbenen Seele hier und jetzt ein Ende bereite!"

    Noel, ich darf nicht in das Spiel eingreifen, aber du brichst die Regeln. Wenn du nicht aufhörst, muss ich dich...

    Noel beachtete den Wolf gar nicht. Seine Augen brannten in denen Tyrells', seine Wut mischte sich mit Schuld und Beschämung. Tyrell hielt den Blick.
    Nein... mehr noch. Es lag ein Hauch Spott darin.

    "Ghhh.....gnnn....!!!!!!"
    Noel riss den Dolch in die Höhe, um mit Schwung auszuholen, zielte direkt auf Tyrells Hals, setzte zum finalen Stich an.
    "Und selbst wenn ich durch eure Hand sterbe, so werde ich dich mit mir nehmen, du Parasit! STIIIIIIIR-"

    "HÖR AUF!"

    Noel stoppte in der Bewegung. Die Dolchspitze war nur noch wennige Zentimeter vom warmen Fleisch Tyrells entfernt, als sein Blick wie in Trance zu den Dorfbewohnern wanderte: Luise stand vor ihm, Trännen und Wut in den Augen.

    "Noel... h-hör damit auf... du hast schon genug... angerichtet."

    In ihren Augen brannte Hass. Und Verachtung. Diesmal war es keine Einbildung. Es war die Ehrlichkeit... eines Neugeborenem. Und diese Gefühle galten ihm.
    Abwesend sah Noel den umliegenden Bewohnern ins Gesicht. Sie alle straften ihn mit dem selben Blick. Sie alle dachten das Selbe.
    Ross. Rekon. Patricia. Peter. Luise.
    "Du bist Schuld."

    Noel sah ein letztes Mal in Luise Augen, als er wieder bei Sinnen war. Kraftlos ließ er den Dolch sinken, steckte ihn zurück in seine Tasche und warf den Jungen Tyrell beiseite.
    Schleichend, ja beinahe schlurfend verließ er die Bühne, ging stumm und unter den strafenden Blicken der Dorfbewohner vom Platz. Als er an Luise vorbeikam, blieb er einen Moment stehen. Er sah sie nicht an, doch er nahm das silberne Amulett ab, dass er um den Hals trug, und drückte es ihr in die Hand.
    "Das habe ich, seit wir uns kennen, kleine Elfe. Es ist... mein größter Schatz. Aber jetzt verdiene ich es nicht mehr. Es gehört dir."

    Kurz schwieg er, bevor er emotionslos flüsternd weitersprach.
    "Gib acht, dass du heute Nacht eine sichere Schlafstätte findest, ja...?"

    Ohne eine Antwort oder Reaktion abzuwarten, ging er weiter und verließ letztendlich den Platz in Richtung seines Hauses. Deus folgte ihm ruhig.

    Geändert von Holo (04.04.2013 um 00:56 Uhr)

  20. #40
    "ICH WERDE DICH AUSLÖSCHEN, TYRELL, du nichtswürdiger, falscher Bastard eines Menschen!"

    Tyrells Blick wandte sich Richtung Noel, welcher mit einer rasenden Wut auf ihn zuging. "Widerliches Kind, wie kannt du nur so ruhig zusehen wie eine unschuldige Frau aufgrund deiner Schuld hingerichtet wird?! Du bist so menschlich!" Noel packte seine rechte Hand an Tyrells Kragen und hob sein Fliegengewicht hoch, wie Nichts. Während er selbst schwer luftschnappend versuchte, Gedanken zu fassen. Seine nachfolgende Worte flossen ihm aus dem Mund wie ein unaufhaltbarer Fluss.

    "Du bist... echt ekelhaft."


    Und schon verzog sich Noels Gesicht in eine verbitterte Miene, reichte seins an Tyrells ran, wodurch wenige Millimeter sie nur noch trennten. "Noch ein Wort, du Stück Scheiße... noch ein Wort. Na los, gib mir einen Grund. Gib mir einen Grund, dich wie Vieh abzuschlachten und wie das Schwein, dass du bist, ausbluten zu lassen, wie ihr es mit der Gottesfrau getan habt. WAR DAS GEIL?! Hat euch das Spaß gemacht?!", und spuckte ihm ins Gesicht. Widerstand breitete sich in seinem Körper aus, doch von außen ließ er sich alles antun. Was hätte er großartig gegen ihn ausrichten können? Beide schauten sich tief in die Augen. Er war wirklich besessen von der Idee, Tyrell wäre für das ganze Dilemma mitverantwortlich. Aber was wusste Noel schon? Er war für Tyrell nichts weiter, als ein versessener Dummschwätzer, nur an sich selbst interessiert. "Was hätte ich schon tun können. Ich war der EINZIGE, der sich für sie eingesetzt hast, während DU es warst, der ihren Tod in die Wege gesetzt hast. Wärst du nicht gewesen, hätten wir unsere ehrliche Wirtin im Dorf nicht verloren.. Du bist... so kindisch. Du glaubst, du hättest die Weisheit in Löffeln gefressen, dabei bist du einfach nur ein widerlicher Lügner, suchst dir deinen Sündenbock und gut ist. Schämst du dich nicht...?" "GHR...!", entgegnete ihm Noel, während er noch fester zupackte, "Du Satansbrut... niemand wird es missen, wenn ich deiner verunreinigten und verdorbenen Seele hier und jetzt ein Ende bereite!" Er holte seinen Dolch aus, mit viel Schwung. Unangenehmerweise visierte er nahezu recht offensichtlich Tyrells Hals an. "Und selbst wenn ich durch eure Hand sterbe, so werde ich dich mit mir nehmen, du Parasit! STIIIIIIIR-"

    "HÖR AUF!"


    Noel hielt inne. Tyrell spürte, wie ein einziger Augenblicke er vom Tod entfernt war. Noels Blick hingegen wanderte seelenlos zu den restlichen Bewohnern, insbesondere Luise, mit ihrer geballten Faust und Tränen in den Augen sagend: "Noel... h-hör damit auf... du hast schon genug... angerichtet." Im nächsten Moment warf er Tyrell einfach weg, wie ein zerknülltes Stück Papier, welches keiner mehr brauchte. Eine Weile starrte er hinüber und beobachtete die Szene zwischen den beiden. Dabei übergab Noel ihr das silberne Amulett, welches er immer um sich hatte. Tyrell richtete sich auf. Nachdem Luise ein bisschen verloren wirkte, kam er auf sie zu, während sie ihn überrascht anblickte. Stunden sind vergangen, seitdem sie miteinander redeten.

    "Luise...? Komm her, ich bin dir nicht böse." Er umschlug sie einmal, sanft klatschte er zweimal auf ihren Rücken, als er im nächsten Moment wieder sofort von ihr los ließ. "Da siehst du... Noels wahre Natur. Er kann sehr grausam sein, unfassbar grausam. Es ist schrecklich, mit ansehen zu müssen, wie er unkontrolliert seinen Willen durchsetzt..." Luise schluckte kurz und schaute zur Seite, darauf zu antworten lag ihr wohl gerade nicht. "Ich weiß, er ist nett zu dir... aber sei ein bisschen selbstbewusster. Irgendwo nutzt er auch, versehentlich und passiv wohlgesagt, deine Gutmütigkeit aus, diese Unbeholfenheit." Tyrell schaute sich kurz um, während er weiterredete: "Du musst sehr vorsichtig sein, wie du mit ihm umgehst. Ich habe es dir schon einmal gesagt, ich weiß, aber... wenn du ihm nicht zeigst, dass hinter dem kleinen Mädchen hier eine Person, ein Mensch steckt, und nicht die Elfe, wie er dich dauernd nennt... es ist ein Teufelskreis, den ich nicht beschreiben kann." Er nahm sich das nächste Fass in greifbarer Nähe und setzte sich hin. Seit Kopf blickte zu Boden, seine Hände umfassten seine Haare. "Dieser Mensch... er ist keiner. Glaub mir, das ist jemand, der sich um nichts schert, außer sich selbst. Er mag vielleicht auf dich Acht geben, allerdings resultiert dies lediglich aus seinem eigenen Interesse... er ergötzt sich in deinem Wesen, welches für ihn wohl idealisiert da steht. Du musst wirklich aufpassen, dass du dich nicht von ihm um den Finger wickeln lässt." Sein Blick folgte hoch zu Luises bedrücktem Gesicht. Immer noch keine Antwort. "...tut mir Leid, dass du dir das anhören musst... ich habe sonst niemanden, dem ich das sagen könnte..."

    Er fasste sich kurz an den Hals, als er einen kleinen Schmerz verspürte. "Na sowas... er hat mich tatsächlich zum Bluten gebracht... ich versorge das lieber, so schläft es sich nicht besonders angenehm", murmelte er vor sich hin, klar und deutlich für Luise zu hören, und setzte an zum Gehen.

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