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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 1

  1. #61
    Luise wollte es nicht. Sie wollte nicht mit ihrer Stimme dazu beitragen, dass jemand starb.
    Sie hatte überlegt, sich selbst zu nominieren. Sie war keine Lumianerin, aber es gab immer Sünden, für die es zu büßen galt.
    Und es war besser, frühzeitig dem Herrn gegenüber zu treten, als in weiterer Sünde zu leben. Würde sie aber jetzt gegen sich selbst die Stimme erheben, wäre es lediglich eine scheinheilige Tat, um die eigenen Finger aus der wahren Entscheidung herauszuziehen. Und Luise konnte und wollte nicht einfach etwas vorheucheln. Also entschied sie sich zu etwas anderem.
    Erneut trat sie hervor und sprach: "I-ich wünsche niemandem den Tod. D-doch i-ich werde m-mich auch nicht heraushalten, w-wenn es darum geht, d-das Dorf zu beschützen. Mir b-bleibt wohl k-keine W-wahl als in G-gott zu vertrauen und danach zu handeln." Sie schluckte schwer. "D-deswegen vertraue ich in d-das Urteil, welches s-seine treuste D-dienerin, Schwester Maria, hier ablegte - und stimme f-für Merete (MeTaLeVel)." Sie warf der Jägerin einen gequälten Blick zu. "I-ich hoffe, Recht zu behalten. D-denn es täte mir aufrichtig Leid, j-jemand unschuldigen i-in den Tod zu schicken."
    Dann trat Luise zurück und schwieg. Obwohl sie Schwester Maria vertraute, bildeten sich jetzt schon Zweifel an ihrer eigenen Entscheidung.
    Sie hoffte inständig, gerade eine Lumianerin beschuldigt zu haben. Denn sonst würde sie sich niemals selbst verzeihen können.

  2. #62
    Leider verlief es bei weitem nicht so gut, oder es verlief zu gut, je nachdem, wie man es sehen wollte. Entweder waren einige Bewohner zu weichherzig, jemanden zu opfern, weshalb sie sich selbst vorschlugen, oder sie waren in der Tat Mitglieder dieser Sekte und hatten sich einfach nur gestellt. Natürlich war Ross sich bewusst, dass er als Hauptmann die Aufgabe hatte, eine Entscheidung zu treffen und im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung, konnte, nein durfte, er sich nicht selbst wählen, was er letztlich sowieso nicht getan hätte, da damit niemandem geholfen wäre.

    "Bisher konnten diese Lumianer noch keinen wirklichen Schaden anrichten, weshalb uns sicher noch einige Zeit bleibt, sie zu finden und aufzuspüren. Bis dahin müssen wir aber eine Entscheidung treffen. Bevor ich wähle, will ich aber noch kurz etwas loswerden, was einen unserer hiesigen Spezialisten angeht, die anscheinend gerne ein Drama veranstalten. Ich spreche hier von Noel, der sich aufgrund seines Verhaltens sehr verdächtig gemacht hat. Das letzte, was wir brauchen, ist jemand, der den Hass der Bewohner auf sich zieht, denn sollte sich herausstellen, dass er unschuldig ist, hätten wir ihn zwar nicht mehr am Hals, aber wir hätten auch einen Unschuldigen weniger. Ich glaube nicht, dass Noel zu dieser Sekte gehört. Es ist nicht nur ein Gefühl, ich meine, seht ihn euch an. Er sieht nicht aus wie jemand, der ein Schwert auch nur hochheben könnte. Abgesehen davon, scheint er von seinen Gefühlen her wohl so verwirrt zu sein, dass er wohl keinen klaren Gedanken fassen und erst recht nicht so eine Nachricht, wie die, die die Lumianer uns gelassen haben, verfassen könnte."

    "Wie dem auch sei. Ich weiß nicht, wer von denjenigen die sich selbst angeklagt haben, nun schuldig ist, oder nicht. Dennoch respektiere ich ihren Mut, sich selbst zu opfern, um die anderen leben zu lassen. Mir wäre es lieber, wenn wir einen Lumianer enttarnt hätten, doch leider kann haben wir heute dabei wohl kein Glück gehabt und müssen hoffen, den richtigen zu erwischen. Meine Stimme geht daher an Merete (MeTaLeVel)."

  3. #63
    Eine dunkler Keim wuchs gerade in ihrer doch eigentlich so heimeligen Dorfgemeinschaft heran. Die Erszen hatten schon begonnen, andere zu nominieren. War es bei Konrad, obgleich sie ihn noch nie zuvor so aufgebracht gesehen hatt, noch eine verständliche Schutzreaktion, vermochte Brunhild Noels, Peters und gerade der guten Nonne Marias Stimmen nicht zu hinterblicken.
    Merete hatte mit ihren Worten, denen die Selbstbezichtung folgte, im Wesentlichen Anklang bei ihr gefunden. Auch der Wirtin war es nicht geheuer, was sich hier gerade zutrug, Gott konnte in diesem Moment nicht mit liebendem Blick auf sie hinabsehen. Auch der kleine Bastler verkündete vor Allen, dass er seinen eigenen Tod dem jedes Anderen vorzöge.
    Langsam besah sie sich jeden der Anwesenden mit der wachsenden Erkenntnis, dass sie Keinem unterstellen könnte, zu der Sekte zu gehören. Und das würde sie an diesem Abend auch nicht tun. Da sich Brunhild sehr wohl bewusst war, dass nach dem Dorfrecht eine Enthaltung bei einer Abstimmung wie dieser einer Selbstbezichtung gleichkam, schritt sie still zu dem Verkündungsbaum. Auf dem Abstimmungszettel suchte sie dann die Buchtsabenfolge, welche sie als ihren Namen wiedererkannte und setzte dahinter einen Strich (Brunhild/Mephista). So bliebe dem Hauptmann später Aufwand erspart.
    Eine Bekreuzigung später kehrte sie zu ihrem Platz zurück und beobachtete den Ausgang der Abstimmung.

  4. #64
    Rekon war total verwirrt und gehetzt, da der Tag sich dem Ende näherte. Er wusste nicht, ob es das richtige ist, was er tat, als er das Wort ergriff. "Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass Merete unschuldig ist, doch scheint sie mit 4 Stimmen dem Tode sehr nahe zu sein. Das ist nicht das, was ich mir für das Dorf wünsche. Es soll keine unschuldige Person zum Tode verurteilt werden. Das will ich nicht verantworten. Deshalb, man verzeih es mir, werde ich, Rekon Alyas Nascia, den hier anwesenden Noel De'chrones'tulem (Nonsense) anklagen. Es tut mir Leid, Noel, aber du bist der einzige, den ich verdächtige. Verzeih es mir bitte..." und mit diesen Worten ging Rekon zum Stimmzettel und machte einen sauberen Strich hinter Noels Namen. Er hoffte, dass er den richtigen angeklagt hat...

  5. #65
    Welch Spiel treiben Sie, mich ob der Idee zu verdächtigen, die Sie selbst unterstützten?
    Meretes Worte gingen Konrad im Kopf herum als er dem nahestehenden Henkersgehilfen zunickte. "Habt ihr meine Stimme bereits notiert?" "Oh nein, nein noch nicht. Noch ist alle Zeit der Welt um den rechten Hals ins rechte Licht zu rücken." "Dann bitt ich euch, zeigt mir den Namen der Jägerin." Meretes Name flackerte im Fackelschein.

    Konrad wusste nicht, was er von Marias Worten halten sollte. Er hatte zum ersten Mal Angst vor der Kirche gehabt an diesem Tage. Aber Ross hatte insofern Recht, das Noel sich zu auffällig verhielt. Noel war vielleicht ein Narr, aber sein Tod würde ihnen keine weiteren Hinweise liefern. Merete also. Wieso wollte die Nonne sie tot sehen? Wieso Luise sich ihrem Urteil angeschlossen hatte verstand er - zu jung war sie um eine eigene Meinung zu haben. Aber Ross führte sie wie ein Opferlamm zur Schlachtbank. Wenn Merete unschuldig war, hätten sie zwei Verdächtige gewonnen.

    "Merete. (MeTaLeVel) Es tut mir Leid doch euer Opfer wird vielleicht den andren helfen klarer zu sehen. Ich glaube ihr seid unschuldig. Zumindest wart ihr die einzige die versucht hat heute die Nachforschungen zu unterstützen. Und ihr wart die erste vor Brunhild und Tyrell die sich selber wählte. Weise erschien es in meinen Augen. Aber ... in diesen dunklen Tagen suchen die Wölfe unter den weichherzigsten ihre Opfer aus. Meine Stimme allein wird euch nicht retten. Doch seid ihr unschuldig versprech ich euren Tod zu vergelten. Denn dann sind es Maria und Ross, die sich vor uns andren rechtfertigen müssen." Er zog den Strich hinter Meretes Namen. Und die Tinte schien ihm zu glänzen wie Blut. Sie ist unschuldig... so dachte er. Doch sicher war er nicht.

    "Häh, Weiber. Sie ist eine Frau. Die bringen sowieso nur Unglück. Könnt froh sein wenn ihr sie los seid. Nun denn, rasch ans Werk!"

  6. #66
    Das Dorf hatte sich nach langer mühvoller Abstimmung dazu entschieden Merete. (MeTaLeVel) dem Henker zu überantworten, doch was war ihre wahre Gesinnung?


    Die Nacht beginnt und dauert längstens bis Freitag 12h. Die Nachtrollen werden tätig, Metas Rolle erfahrt ihr gleich.

  7. #67
    "Gut...", seufzte Lumi und schaute Djángo an. Dieser erwiderte ihren Blick mit einem Hauch von Schuldzuweisung in seinen Augen. "Nézz rám így! [Schau mich nicht so an!]", entgegnete sie wiederum. Ganz raushalten konnte sie sich nicht aus dieser Farce. Diese gottverdammte Farce.

    Sie wühlte an Djángo vorbei in ihrem Beutel herum und zauberte die Spielkarten heraus. Sie atmete laut aus, mischte die Karten in ihren Händen, schloss dabei die Augen.
    Ross, der König. Präsenz, Einfältigkeit in seiner aufgezwungenen Monarchie. Er wurde Dorf-Oberhaupt und erst seitdem schien es hier so vorzugehen. Definitiv ein sicherer Kandidat.
    Merete, die Königin. Stolze Kriegsamazone, viel zu nett scheinend und ebenfalls recht dumpf wirkend in ihrer unerbittlichen Loyalität ihrem Dorfe gegenüber. Aber eine Jägerin ihres augenscheinlichen Kalibers hätte Konrad sowas von den Garaus gemacht - da wirkte es doch blöd, dass außer einer blutbeschmeirten Klinge (wessen Blut war das überhaupt?) keine Spuren gab für einen versuchten Mord. Und ihrer Statur nach zu urteilen wäre es für sie ein Klacks gewesen, den rotzevollen Konrad umzubringen. Sie schied zwar in Lumis Kopf aus, aber die Karten logen nicht - eigentlich. Fast immer gar nicht. Oft schon, aber nur wenn es Lumi passte. Ugh.
    Tyrell, der Bube. Beschissene Handschrift, könnte zwar einer dieser Wahnsinnigen sein aber hat es ordentlich versiebt letzte Nacht. Auch wenn Kinder eigentlich als Mörder gute Dienste leisteten in den Orten in welchen sich Lumi soweit herumgetrieben hatte - eine derart wackelige Gestalt hätte tatsächlich ein derart todsicheres (ha!) Ding vergeigen können. Auch ein Kandidat.
    Noel, das Ass. Entweder durchlebte er gerade eine schwierige Phase oder er war wirklich so von Grund auf durchgeknallt, dass er Leute töten wollte um seine Ziele durchzusetzen. Allerdings schien er mehr den Macker zu machen als wirklich etwas draufzuhaben - jeder Mensch verwandelte sich in seinen Augen in einen Kriegsgott wenn er ein Schwert hielt, egal wie mädchenhaft er war. Mit so etwas kannte-

    Ugh.

    Wer kam sonst in Frage? Alle anderen erschienen Lumi recht harmlos, selbst die dicke Frau in der Ritterrüstung ließ keine Andeutungen darauf zu, dass sie einfach aus Spaß (oder für ihren komischen Sektenheini der an der Spitze stand) LOeute umbringen würde. Umhauen, vielleicht. Aber direkt das Messer ansetzen? Und wieder - nicht einmal es hinkriegen zu treffen? Egal, sie wurde die 10.
    Das rohaarige Mädchen hatte keine Seele, aber das war nicht ihre Schuld. Und so wie sie sprach war sie alles andere als gefährlich. Oder vielleicht gerade deswegen? Die 9.
    So bekam jeder Einwohner eine Karte zugeteilt, der Lumi verdächtig wirkte. Als sie fertig gemischt hatte, legte sie den Stapel auf den Boden, hob eine Hälfte der Karten von der anderen und tat diese wiederum auf die erste Hälfte, sodass es fair blieb. Nichts gezinkt, markiert, sonst irgendetwas[*].

    "Jól [Gut]...", flüsterte sie und betete stumm in ihren Bart, dass es den scheiß Horst treffen würde.
    Sie griff die oberste Karte, drehte sie, studierte sie mit ernstem Blick und verzog das Gesicht vor Ekel vor sich selbst. "Bassza meg..."
    Still stand sie auf, den Trubel der Leute um sie herum ignorierend schritt sie unauffällig zum Abstimmungszettel, warf Horst einen hasserfüllten Blick zu und setzte mit dem anhängenden Kohlstift einen Strich neben Tyrells (Ligiiih) Namen. So jung, wahrscheinlich unschuldig, aber sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Heraushalten konnte sie sich nicht, ejtzt wo sie mehr doer weniger gefangen in diesem Scheißdorf war. Sie schaute Horst noch einmal an und zischte ihm ein "Baszd meg magad, Horst. [Fick dich, Horst]" entgegen als sie von der Bühne zurück zu ihrem Kartendeck schlurfte, das sie fein säuberlich wieder mit einem Band zusammenschnürte und zurück in den Beutel kramte. Dann setzte sie sich wieder, eingehend den Boden studierend.

    [*] = [ooc]Ich habe nebenbei erwähnt wirklich so gewählt weil ich mich nicht entscheiden konnte.[/ooc]

  8. #68
    Sie blickten hinaus auf das Meer, das feuerrote Farbenspiel, das die aufgehende Sonne auf den sanft dahinschreitenden Wellen hinterließ. Wellen, die nichts von den vielen Kämpfen wussten, die sie hinter sich bringen mussten. Wellen, die sie ihrer Vergangenheit entledigten und eine freie Zukunft versprachen. Sie blickte in die Augen des blonden Mannes, der dort vor ihr stand, dem der Wind nur leicht durch das kurze Haar strich. Die Iriden reflektierten das Blau der See, das Rot des Morgens.

    Island war nicht mehr zu erkennen und doch würde sie ihr gemeinsamer Weg noch weit tragen. Für den Moment jedoch genossen sie die Ruhe, atmeten deutsche Seeluft ein, Luft, die frei war von Blut und Kampf. "Meine Mutter sang mir einst ein Lied!", sprach Arik. "Möchtest du es hören?"

    Merete nickte und erfuhr die Melodie, die zu der ihren werden sollte. Sie entstammte einer Sprache, die sie nicht beherrschte, doch übersetzte ihr Gefährte ihr jedes Wort.



    Bereits fünf Sommer war das nun her und Arik starb nur wenige Nächte darauf, opferte sich für sie, die sie flüchtete, immer weiter 'gen Süden, nie die Melodie vergessend, die er sie lehrte.

    A whisper in my ear
    A voice so strong and clear
    Upon this beach I see
    A million grains of sand


    Sie war geflüchtet und hatte die Sprache des Landes gelernt, das ihre neue Heimat werden sollte, nie die Erinnerung an die vergessend, die zu ihrem Wohl das Leben ließen.

    And I believe we are destined
    Bound to survive against all odds


    Weit war sie gekommen, drei andere Sommer gereist und fand schließlich den Frieden, den sie suchte in diesem Dorf.

    Out where the truth lies,
    I will follow
    Out beyond this barren surround
    I cry without a sound


    Ein Hauptmann, groß und gut, nahm sich ihrer an, schenkte ihr die Gelegenheit, dieses Dorf ihr Heim zu nennen.


    Out where the truth lies,
    I will follow my eyes into the sun


    Zwei Sommer vergingen und sie schien ihr Ziel erreicht zu haben. Ein Leben fernab von Krieg und Hass. All die langen Jahre der Flucht machten sich bezahlt.

    Sometimes I lie awake
    I dream of everyone
    Who walked the path I take
    Who ran beneath the sun


    Doch mit dem Tod des Hauptmannes erstarb auch der Frieden. Feinde nahmen ihn und die Angst ließ die Menschen handeln, verführte sie zu Mord.

    And I believe it's my destiny
    Bound to survive against all odds


    Letztendlich traf es sie.



    Hatte sie nicht alles getan, um das Leben zu verdienen? Gekämpft und Recht von Unrecht unterschieden. Nie stahl sie eines Arglosen Gut. Nie schnitt ihr Dolch eines Unschuldigen Haut. Nie traf ihr Pfeil ein reines Herz. Sie verlangte doch nur das Einatmen dieser süßen Luft, nur nach dieser sehnte sie sich. Sie - die letzte Überlebende der Uppreisamoti Kirkja.

    Töricht war sie gewesen, hatte sich selbst zur Zielscheibe gemacht. Ein Fehler, den man dankend nutzte, um sich ihrer zu entledigen. Ihr Weg hatte als Heidin begonnen und endete als solche. Zentnerschwer wogen ihre Füße als sie die hölzernen Stufen zum Galgen hinauftrat, als würden all die Meilen ihres Lebens sich erst jetzt melden, ihr den letzten Gang erschweren. Doch solange sie nur nicht vergaß, zu atmen, die letzten Züge der weichen Luft unter ihrer Brust zu spüren, so wäre es erträglich.

    Ihr Blick fuhr in die Menge, doch wurde er nicht genauer. Etwas in ihr sträubte sich, einzelne Gesichter auszumachen. Wozu? Was willst du in ihren Mienen lesen? Reue, die es dir erträglicher macht? Angst, die es für sie rechtfertigt? Nichts von dem willst du sehen, Mädchen. Richte den Blick 'gen Himmel und atme. Genieße die letzten Züge der Luft, die du so liebst.

    Merete tat die letzten Schritte und blieb stehen. Der ruhigen Geste des Henkers besten Freund, der sie sadistisch lächelnd anwies, auf den Stuhl zu steigen, folgte sie. Seine groben Hände griffen in ihr Haar, zogen es nach hinten, den rauen Strang schlang er um ihren Hals, bis seine Pranken sich lösten, ein ewiger Moment der Ruhe folgte.

    Oh, Arik, es tut mir Leid. Du machtest mir ein Geschenk, gabst dein Leben für meins. Wie nachlässig ich mit diesem Geschenk umging. Verzeih mir!

    Ein letzter Atemzug. So eine süße Luft. So friedvoll ihr Geschmack.

    Oh, Arik, so hör' mich an! Sei mir nicht bös', wenn ich verlang', dass es den Himmel gäb', von dem unser Feind berichtet. So hege keinen Groll gegen mich, wenn ich wünsch', dass auch uns beiden ein Platz in diesem Himmel nicht verwehrt blieb'. Auf dass ich selbst vor dir knien und dich um Verzeihung bitten kann.

    Der Stuhl unter ihren Füßen wurde zur Seite gestoßen und Merete fiel. Der Strick klemmte sich beißend um ihren Hals, doch ihr starkes und trainiertes Genick hielt stand. Und so rang sie vergeblich nach der Luft, die ihr Ein und Alles war, bis das dicke Seil den Kampf um ihre Kraft gewann und der entseelte Körper einer unschuldigen Bürgerin leblos am Galgen schwang.

  9. #69
    Kalte, eisige Stille.

    Der Atem einer jeden Lunge selbst schien zu gefrieren, als das junge Mädchen vor den glasigen Augen der Menschen um sein Leben kämpfte, jede Sekunde herauszuholen versuchte. Langsam, unendlich langsam verlor sie den Kampf und ihr schmächtiger Körper zuckte nur noch einige letzte Mal, bevor er obszön vom Galgen hing.

    Kein Sternenstaub. Sie ist... unschuldig.






    "Ich will nicht sterben! B-bitte... bitte bring mich nicht um!"

    "LASS MEINEN PAPA IN RUHE! DU TEUFEL, GEH WEG VON IHM!"

    "Warum tust du uns das an?
    Warum schlachtest du meine ganze Familie ab?
    Was haben wir dir getan?


    Warum tust du uns das an?
    Warum tust du... uns... das an...."






    Die Stille, die an diesem Abend mehrere Male auf dem Platze aufgetreten war, war nichts, aber auch nichts im Vergleich zu dem, was jetzt mit seinen unsichtbaren Klauen den Platz bedeckte.
    Es gab hier keine Stimmen mehr.

    Die Kraft wich aus Noels schmächtigem Körper, seine Lippen zitterten leicht, als er seinen Kopf hängen ließ, die roten Haare tief im Gesicht.

    Ich habe versagt. Ich bin nichts wert. Ich habe Alles falsch gemacht.

    Deus trat still an Noel heran, setzte sich vor ihn, um ihm von unten in die dunklen Augen zu sehen.

    Du kannst nichts dafür, Noel. Du hast getan, was du konntest. Irgendjemand musste sterben. Der erste Avatar ist raus. Das Spiel geht weiter.

    DAS IST KEIN SPIEL!

    Getan, was ich konnte? Es war nicht genug, verdammter Gott!
    Ich, ein Redner der sich bisher einbildete, das Wort zu beherrschen wie kaum ein anderer Mensch, welcher auf dieser Erde wandelt, habe versagt dabei, eine Gruppe Bauerntölpel von den wahren Schuldigen zu überzeugen!
    Einen Dreck beherrsche ich, Pest und Verdammnis!


    Noels Beine gaben nach. Ertrinkend in Schuldgefühlen und Selbsthass schlug er mit seinen dürren Fäusten immer und immer wieder auf den steinigen Boden des Dorfplatzes, brüllte mit zusammengepressten Zähnen seinen Frust heraus.
    "Verändern wollte ich mich! Dieses Dorf beschützen, jeden einzelnenen Unschuldigen! Für sie! Für meine kleine Elfe...Worte! Nichts als vor Arroganz trieffende Worte!

    Versagt habe ich im ersten Anlauf! Das Ergebnis war, das wir eine der fähigsten Kämpferinnen Düsterwaldes' an die Lumianer-Maden verloren!
    Wenn ich es schon nicht schaffe, eine junge, mutige Kriegerin zu schützen, wie soll ich erst.. wie soll ich... meine kleine Elfe schützen... ?"

    Frustriert und für seine Verhältnisse vollkommen außer sich kniete Noel auf dem kalten Platz, krallte sich die Finger in sein ausgemerkeltes Gesicht. Es war zuviel. Nie hatte er im letzten Jahrzehnt Gefühle gezeigt. Und jetzt dieser Schwall. Das wollte ihm nicht in den Kopf. Sein lange aufgebauter Stolz zerbröselte nach und nach.

    "Die Zeit ist aus den Fugen... nicht länger steht sie im Raum, die Frage des sterbens oder nicht. "
    Verbittert biss sich Noel auf die Lippe, bis diese blutete.

    Stumm und wissend, dass Worte, ganz gleich wie fein und exakt gewählt, Noel jetzt nicht helfen würden, saß Deus mit geschlossenen Augen hinter ihm und wartete, dass er sich beruhigte.

    Wenn man sein Leben lang eine gefühllose Bestie ist und sich plötzlich entschließt, ein "Mensch" zu werden... ist das immer eine Tragödie. Das Spiel der Deuses kennt sein erstes Opfer, doch es geht weiter. Das Morden. Das Spiel.
    Schweigend verlor sich der Blick des Wolfes in der baumelnden Leiche Meretes.

    Geändert von Holo (27.03.2013 um 21:50 Uhr)

  10. #70
    Der erste Tag neigte sich dem Ende. Voller Schock und Schrecken registrierte Maria, was sie angerichtet hatte - Jetzt trug Maria eine Schuld, die Merete nicht getragen hatte. Merete war unschuldig. Und Maria verantwortlich für Meretes Tod.

    Nur weil sie keine Christin gewesen ist, und Maria sie deswegen kaum kannte und einschätzen konnte, und Marias oberflächliche Einschätzung von Vorurteilen geprägt war, nur deswegen hätte Maria überhaupt in Betracht gezogen, dass Merete den Lumianern angehörte. Nein, das Böse war in anderen Menschen zu finden.

    Vielleicht, so dachte Maria, vielleicht lauert das Böse wirklich in uns allen. Vielleicht hatte Merete recht... Das gesamte Dorf wird daran verenden. Vielleicht hat Gott uns verlassen und uns zum Abschluss die Lumianer geschickt...
    Maria hielt sich die Hände vor den Mund, sank auf die Knie, und versuchte, sich auf's atmen zu konzentrieren. Es wurde alles so schwer.

    Atmen. Maria, atmen.
    , erinnerte sie sich selbst in Gedanken.

    ...

    Warum eigentlich? Das tut Merete jetzt doch auch nicht mehr.

    ...


    Plötzlich schossen Maria Worte durch den Kopf, nahezu unkontrolliert, und doch erschienen sie so wahr...

    Nonne, du verdienst, zu sterben.
    Du bist unwürdig.
    Du bist unwürdig, die Kirche und das Kloster je wieder zu betreten.
    Deine Sünden und deine Schuld werden nie reingewaschen sein.
    Dein Leben ist dem Untergang geweiht.

    Ihr war so schwer, als wenn irgendetwas sie zu zerdrücken versuchte. Sie spürte ihre Schuld, einem unschuldigen Menschen das Leben gekostet zu haben. Sie war diejenige, denen andere gefolgt sind. Auf ihr Wort wurde vertraut, und es war Falsch gewesen. Vielleicht würde man ihr nun nie wieder vertrauen.

    Dann betrachtete Maria den Mond über ihnen, vor ihren Augen längst verschwommen. Auch die umgebenden Menschen kehrten ihr - langsam - wieder ins Bewusstsein zurück. Sie war immer noch auf dem Dorfplatz. Doch wo sollte sie hin, wenn die Nacht anbrach? Ins Kloster konnte sie nicht mehr, nein, da würde sie nicht mehr bleiben dürfen. Dafür hatte Maria zu große Schuldgefühle, man würde sie gewiss nicht mehr in Gottes Wänden sehen wollen. Alles, was sie nun noch tun konnte, war lediglich beten. Beten um Gottes Beistand. Um Gottes Vergebung. Und ob ihr selbst noch irgendjemand trauen würde?

    Der nasse Boden unter Marias Füßen war kalt und hart. Viel zu kalt und viel zu hart... Genauso wie die ganze Luft voller toter Kälte stand. Doch Maria hatte nichts anderes verdient.

    Da fiel ihr Blick auf Brunhild. Ob vielleicht zumindest Brunhild ihr noch vertrauen könnte? ... Ob man wohl Brunhild vertrauen könnte? Sie hatte ihre Wahl immerhin nicht öffentlich gemacht. Was für eine kluge Frau.
    Maria blieb kaum eine andere Wahl, als es zumindest zu versuchen.
    Auch wenn sie nun vielleicht die sündigste aller Nonnen war, so brauchte sie nun einen Platz, um die Nacht zu überbrücken.

    "Brunhild", sie sprach die gute Frau leise an. "Brunhild... Ich weiß, dass dieser Fehler unverzeihlich war. Doch fürchte ich nun, dass ich heute Nacht nicht mehr in Gottes Wänden verbringen können werde. Zu tief sitzt mir die Schuld in allen Gliedern ob des unschuldigen Fräuleins Leben. Ob ich... ob ich vielleicht ... zumindest diese Nacht.. bei euch im Gasthaus verbringen dürfte?"
    Und nach einem kurzen Zögern fügte sie eilig hinzu:
    "Ich... ich bin auch bereit, mich dafür von euch einschließen zu lassen, sodass ich nicht aus dem Zimmer heraus kann, wenn ihr mir nicht traut. Ich werde heute Abend nur noch beten, und dann schlafen gehen, sofern ich denn heute noch einmal Frieden fände..."


    Traurig und Hoffnungsvoll blickte sie Brunhild an.

  11. #71
    Einaudi - Odd Days

    Konrad wusch sich mit Brunnenwasser das Eis aus dem gefrorenen Haar und den Angstschweiß vom Nacken. Er stand noch dort und atmete einmal mehr die rauchige Nachtluft als Merete fiel. Er hatte Hinrichtungen bereits gesehen, meist war es nur ein rascher Moment. Aber das gewohnte Krachen blieb aus und so schien es als kämpfte Merete. Gegen den Tod. Gegen die Ungerechtigkeit. Sie hatte nicht einmal die eigene Stimme zurückgezogen, als ihr Leben in Gefahr war. Eine starke Frau. Eine furchtlose Frau. Unschuldig.
    Er zog seinen Hut und wandte den Blick ab. Ohne sich bewusst dafür zu entscheiden begann er für Meretes Seele zu beten. Einige Tropfen fielen von seinem Kinn auf den weichen Grund hinab auf dem er stand. Färbten ihn dunkel. Unter seinen Füßen bemerkte er musterlose Formen im weichen Sand, platt getreten. Meinte ein kleines Reh auszumachen, einen Stern. Wellen, Strudel, Seevögel...
    Es gab eine Ort, an den er als Junge sehr gerne gegangen war. Um mit den großen Fischen den Fluss hinabzuschwimmen und sich dort vom Mond bescheinen zu lassen. Um Ruhe zu finden.



    ~*~ Im Wirtshaus ~*~

    Er legte Brunhild einen großen Beutel mit Kräutern auf den Tresen. „Ich hab eben noch nach den Pferden geschaut. Die Arbeit die liegen geblieben ist hol ich nach, versprochen. Mach bitte hieraus einen großen Pott für alle, meine Beste. Is' gegen die Kälte und eine anbahnende Erkältung. Wir waren heute alle recht lang draussen.“ Er räusperte sich und blickte mit gespielter Empörung Noel an, während er sich Luise zuwandte und sie aus dessen Mantel pflückte. Er sprach ein wenig lauter weiter: „Ich werd nämlich nicht zulassen das diese Lama-Sektennasen an einer Grippe verenden! Nicht wenn die Chance darauf besteht, das des Henkers Gehilfe bei ihnen vorher noch vorbeischaut und sie ein wenig das fürchten lehrt.“ Dann legte er Luise sorgfältig ihren eigenen Mantel um, drückte ihre Schulter sacht und schritt auf Noel zu. „Hier. Den Mantel musst du bei deinem Auftritt vorhin verloren haben.“ Seine Augen blickten distanziert und abschätzend auf Noel. Vor allem auf dessen blutig aufgebissene Lippe. "Lern erstmal dich selber zu beschützen, bevor du versuchst für andre ein Schild zu sein. Und solange diese Verrückten hier herumspazieren bin ich nicht sicher, was ich mit jemandem mache der ihr zu Nahe kommt. Legs nicht drauf an, dann kommen wir schon irgendwie miteinander aus. Und trink nen Schluck Tee - du standest den ganzen Abend über nur in deinem Hemd herum. Kannst froh sein wenn du keine Frostbeulen hast. Hier." Und er reichte ihm den Mantel und einen großen duftenden Pott mit honigsüßem Kräutertee.

    Dann setzte er sich mit einer eigenen Tasse von dem Kräutertee zu Justus, der eben von den Feldern zurückgekehrt war. Die Mönche hatten im Auftrag des Pfarrers den Teufel in den Ställen und in den Gebäuden ausgetrieben. Es war ein langer Tag gewesen – doch manch einer sorgte sich auch nun noch um das Seelenheil der Dörfler und stand ihnen bei. Wie auch sein Beichtvater. Konrad hatte ihn eben auch noch darum gebeten sein Testament abzuändern – um Lumi darin zu bedenken.
    „Du riechst nach Wind und Wald, Konrad. Wär dein Vater kein Händler von sonstwo, sondern von hier, hätte dich der Herzog sicher als Falkner angestellt. Aber da du nicht von hier bist... Junge... du hast dir damals schon keine Freunde gemacht mit deiner Offenheit und der Rumtreiberei. Sei es der Flickenjorgen, der hier alle paar Jahre durchkam bevor ihn der Wolfswinter erwischte oder diese Ausländer die dich anzogen wie Frühlingsblumen die Hummeln. Mich wunderts nicht, das wer dich beim Herrn Pfarrer angeschwärzt hat.“
    Konrad wich dem offenkundigen Griff an eine seiner Schwachstellen mit einer Gegenfrage aus. „Mein Vater lehrte mich zu reiten und mit der Balester umzugehn, auch wenn ich bei keinem von beidem viel Geschick bewies. Und er erzählte mir von größeren Männern, nach deren Vorbild ich lebe. Wieso erzählt keiner von den großen Frauen dieses Landes? Den Weisen, Beherzten, Sanftmütigen? Wieso erzählt keiner von der heiligen Hildegard oder...“
    „Mädchen sind einfach nicht dafür geschaffen, groß in der Weltgeschichte herum zu klettern. Das ist gefährlich. Ausserdem bringen Frauen nur Unglück. Hörst du mich Konrad? Unglück. Sie tun was sie wollen und sind launisch wie Aprilwetter. Das ist das einzige worauf du dich verlassen kannst.“


    Er dachte an Meretes Augen. Wer weiß schon, was ihre Augen sahen. Ihre Augen wirkten so alt. Neugierig hatten sie manchmal aufgeblitzt, forschend, fragend. Und doch blieb die Nordfrau immer stumm. Als hätte sie mehr gesehen. Als hätte ihr Herz mehr gefühlt. Als wäre ihre Seele vom Meer weit und frei geworden. Wie klein müssen ihr unsre Sorgen erschienen sein, wenn sie das Meer gesehen hatte. Sein Vater Matthias und seine Brüder Titus und Wilhelm waren ständig auf Reisen. Liam hatte ihm vom Meer erzählt. Wie furchteinflößend und stark es war. Und wie wunderschön.

    Konrad blickte derweil nachdenklich auf Lumis goldene Locken, die seinen so ähnlich waren. Er vermutete das sie, wie diese Nordfrau, irgendwoher kam wo es nicht so schön war wie hier. Etwas war mit ihrem Auge passiert... oder war sie so geboren worden? Vielleicht war sie eine von den Frauen die mit Geistern reden konnte? In seinem Geburtsort hatte es sie gegeben – die Weiber, die man nur heimlich ins Haus holte, wenn kein Mediziner mehr helfen konnte. Oder um sicherzugehen, wenn ein Vorhaben gelingen sollte. „Stell dich mit den Nornen gut, blüht der Distel Federhut, weben sie dir Schicksalsfäden, auf denen Licht und Tränen zum Himmel streben.“
    „Was murmelst du da in deinen Bart?“

    „Nichts.“

    „Nichts also, hm? Hör mal her, du hast in deiner Zeit hier viel Gutes getan, Junge. Manche Dinge kann ein Mensch nicht einfordern. Nur erhoffen. Und sie bleiben ein Geschenk.“

    „Ihr meint die Hauptmannwahl? Darüber bin ich schon hinweg. Luise...“Wird dieses Jahr alt genug sein um sich zu vermählen, so ihr Vater es wünscht. Und du solltest ihr dabei helfen und die notwendigen Möbel zur Aussteuer beitragen. Und nicht dein Geld irgendwelchen Rumtreiberinnen in den Rachen werfen nur weil deine Neugierde dich umtreibt.Luise. Sie war ihm mehr als alle andren hier im Dorf in diesem Jahr ein Rätsel geworden. Und doch. Ihr aufmunterndes Lächeln. Ihr schuldbewusster Blick. Ihre Stimme. Das Leuchten ihres Haars. Das alles war gleich geblieben. Aber der Zwiespalt dieses jungen Herzens... das er ihr nicht folgen konnte wohin sie nun ging. Sie sieht aus wie ihre Mutter. Und die hat der Wald verschlungen.
    Konrad stand auf und nickte Justus zum Abschied zu. "Schluss für heute, mein Bett ruft mich. Also vermerk es Justus, 40 Goldtaler. Keinen weniger. Verstanden?" "Wie du wünscht. Auch wenn es närrisch ist..." "Lass gut sein Justus, du hast es verpasst mich zu einem klugen Mann zu erziehn, dann bin ich halt ein Narr. Aber ein glücklicher Narr. Peter? Brunhild? Danke... für eure Worte. Es wär vielleicht anders ausgegangen heut', hätt ich keine solchen Freunde wie ihr es seid. Schlaft ruhig heut Nacht und erholt euch von dem Schrecken. Gott schütze euch. Luise? Wir gehn heim. Komm."

    In der Apotheke richtete er sich mit der Balester auf dem Gang im oberen Stockwerk einen Schlafplatz vor Luises Kammer ein. Luise schimpfte ihn zwar, weil er ein Dummkopf war, den Boden seinem Bett vorzuziehen, aber wenn sein Onkel eines nicht überleben würde, dann wäre das ein erneuter Schicksalsschlag. Und doch fiel er bei seiner "Nachtwache" in einen tiefen Schlummer, als er da so saß und durch das Nordfenster des Ganges auf den Sternenhimmel blickte und nur Kürbis leise und aufgeregt in seinem Schoß japste und mit dem Schwanz wedelte, fast so als jage er in seinem Traum mit hohen Sprüngen ein paar Mäuse.

    Geändert von Viviane (28.03.2013 um 03:06 Uhr)

  12. #72
    Nachdem Rekons Jägerkollegin unschuldig dem Galgen überlassen wurde war er schon ein bisschen traurig. Er entschloss sich, eine Nachtjagd zu machen, um an etwas Nahrung zu kommen und um Merete zu zeigen, dass sie beruhigt ruhen kann. Rekon ist noch eifriger als sonst und erlegt mehrere schlafende Tiere. Natürlich munterte ihn das nicht direkt auf, aber wenigstens waren es kleine Erfolgserlebnisse. Nach einiger Zeit kam ein Händler vorbei, der Alkohol anbot. Rekon kaufte sich recht viel um sich seinen Frust wegzutrinken. Als er mit ganz schön viel Fleisch und einem Haufen Alkohol (verstaut in einem großen Beutel) sein Zuhause erreichte, war Mina schon am schlafen. Er füllte das Lager und fing an zu trinken, bis er eingeschlafen ist.

    Na Rekon? Wie fühlt es sich an, jemanden zu verlieren?
    Ich bin Verluste eigentlich schon gewöhnt, aber irgendwie ist die Trauer immer da...
    Was ist los? Diesmal schreist du mich ja gar nicht an?
    Asmotheyx, ich habe getan was ich konnte. Ich konnte weder dich, noch Merete retten...
    Du hast also doch versucht, mich zu retten?
    Natürlich. Du warst die einzige Frau für mich.
    Du schmeichelst mir... Lass uns fortan zusammenarbeiten. Zusammen können wir die Bedrohung stoppen...

    Nach diesem Gespräch in Rekons Traum, schmiedeten Asmotheyx und er Pläne, die Lumianer loszuwerden...

    Geändert von Zirconia (28.03.2013 um 10:38 Uhr)

  13. #73
    Nachts durch ein verlassenes Dorf wandern war nicht wirklich eine Lieblingsbeschäftigung der Zigeunerin. Aber jeglicher Kontakt mit Menschen war ihr im Moment zuwider. Sie stellte sich vor dem Galgen auf, dessen Schlaufe traurig in der kühlen Brise baumelte. Sie kannte Merete nicht, allerdings wirkte sie von Anfang an alles andere als kaltblütig. Eher dumm und loyal. Wie ein Hund. Ein dummer, lieber Hund, der sich viel zu sehr darum kümmerte, es seinem Herrchen recht zu machen. Und das war alles andere als negativ gemeint, wo Djángo im Prinzip nicht mehr für Lumi war als das, was Merete wohl für's Dorf war - loyal. Einfältig, aber ehrenhaft. Ehrenhafter als Lumi, zumindest.

    Sie griff in den Sack mit dem Wunderpulver, schnappte sich eine Handvoll des nach Lavendel und Schwarzpulver riechenden Gemischs und hielt sich die zur Faust geballten und mit Pulver gefüllte Hand vors Gesicht. Lumi schloss die Augen. Und flüsterte ein kleines Stoßgebet zu Ehren der vormalst Loyalsten hier.

    "Mere.... Met-Mereteta-Meta-Bassza meg... Diese Frau war ein guter Mensch - glaub ich. Sie war... sie war eine von euch. Eine Frau, die die Natur liebte...und das Jagen. Und als Jägerin hat sie - schätze ich - sämtlichen Wälder von Dusterwald bis Finsterwald erforscht, sogar rauf bis nach die nördliche Grenze... ach, wie hieß dieses verkackte... äh... vergessen, egal. Sie starb... sie starb so wie viel junge Menschen in diese Generation vor ihre Zeit."

    Sie merkte, wie sich das auf merkwürdige Art und Weise angenehme Aroma des Wunderpulvers in ihrem Körper breitmachte. Ihr fiel es schwer, noch gerade zu stehen ohne zu schwanken. Und schämte sich ein bisschen als sie merkte, wie ihr Stoßgebet langsam aber sicher vollkommen entgleiste.

    "In deine wie auch immer geartete göttliche Weisheit hast du sie zu dich genommen, so wie die anderen jungen Frauen in der Blüte ihres Lebens. Auf Schlachtfeldern rund um diese Land, in Wäldern als sie gegen riesige Bären kämpften, in... weiß nicht, überall halt wo plötzlich Leute sterben können. Diese junge Frauen gaben ihr Leben...so auch du, Mere-Metere-Metere-scheise. ME-RE-TE-TE, die das Jagen liebte. Und jetzt... Mer-Tem-duweißtschondassdugemeintbist... genau so wie es dein letzte Wunsch gewesen ist - jedenfalls vermute ich das - werde ich dafür Sorgen tragen dass dein Seele - das du hoffentlich hattest weil du hattest kein rote Haare wie fast alle hier in diese Kuhkaff - auf sicheren Weg hochgeht in was auch immer deine Himmel ist. Von diesem Dorf aus, welches du immer so geliebt hast. Gute Nacht, süße Krieger-Prinzessin."

    In dem Moment, als sie die Hand öffnete und das Pulver in Richtung des Galgens pusten wollte, kam ihr ein starker Gegenwind entgegen, der ihr die ganze Ladung im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren fegte. Es knallte ein paar Male, sie kiekste vor Schrecken und hielt sich die Hände vors Gesicht, plötzlich schien sie für ein paar Momente wie in einem glitzern scheinenden Nebel gefangen, der sich nach ein paar Sekunden wieder verzog. Still hockte sie nun am Boden, breit grinsend.

    "Und tschüss, Jägerfrau...", sagte sie, stand langsam wieder auf und antwortete auf Djángos nervöses Gefiepse mit einem lapidaren "Jetzt bin ich wieder gute Laune! Ha-ha!", während sie unbeholfen und nicht mehr ganz Herrin ihrer Sinne zurück zur Taverne wankte.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (28.03.2013 um 11:01 Uhr)

  14. #74
    Die Kälte durchdrang mühelos alle Stoffschichten und fuhr bis in die kleinste Faser ihres Körpers.
    Es war die Art gewesen, wie die stille Jägerin ihren letzten Gang angetreten war, die unumstößlich verdeutlichte, dass sie bar jeder Schuld gerichtet wurde. Diese Erkenntnis, die die Wirtin den Blick abwenden ließ.
    Es war das Geräusch des unsäglichen Todeskampfes gewesen, das noch immer in ihren Ohren nachhallte. Ihr die Tränen in die Augen schießen ließ.
    Es war der nun leere, entseelte Ausdruck in den Augen der zu Unrecht Gehängten, dass sie wie in Trance nähertreten und niederknien ließ.
    Die Hand ausstreckend trachtete sie danach, die schlaffen Glieder zu umfassen. Die vielleicht noch nicht ausgefahrene Seele um Verzeihung zu bitten, dies Schicksal nicht abgewendet zu haben. Den Zeitpunkt des Kennenlernens immer wieder verschoben zu haben, im trügerischen Glauben, es gäbe in der Zukunft noch genug Zeit dafür. Doch sie fühlte sich nicht würdig genug.
    Die Hand zog sich zurück und legte sich an ihr Gegenstück zum Gebet. Inständig bat Brunhild den Herren um sicheres Geleit für die Seele Meretes, flehte ihn an, sie möge, wo auch immer sie hinwanderte, den Frieden finden, der ihr hier nicht mehr vergönnt war. Um Beistand ersuchte sie ihn demütig, obgleich sie bei Weitem nicht die frommste Frau unter seinen Kindern auf Erden war. Beistand für sie und alle anderen Bürger, die kommende Zeit zu überstehen und den Blick zu klären für die, die ihre Gemeinschaft zerstören wollten und Vertrauen ausnutzten.

    Bedächtig bekreuzigte und erhob sie sich, die sichtverschleiernden Tränen aus den Augen wischend. Noch länger vermochte sie es nicht zu ertragen, hier zu verweilen. Gerade wand sie sich um, um zurück zu ihrem Heim zu gehen, als die nonnige Nonne auf sie zukam.
    "Brunhild", sprach Schwester Maria sie an "Brunhild... Ich weiß, dass dieser Fehler unverzeihlich war. Doch fürchte ich nun, dass ich heute Nacht nicht mehr in Gottes Wänden verbringen können werde. Zu tief sitzt mir die Schuld in allen Gliedern ob des unschuldigen Fräuleins Leben. Ob ich... ob ich vielleicht ... zumindest diese Nacht.. bei euch im Gasthaus verbringen dürfte?"
    Und nach einem kurzen Zögern fügte sie eilig hinzu:
    "Ich... ich bin auch bereit, mich dafür von euch einschließen zu lassen, sodass ich nicht aus dem Zimmer heraus kann, wenn ihr mir nicht traut. Ich werde heute Abend nur noch beten, und dann schlafen gehen, sofern ich denn heute noch einmal Frieden fände..."

    Einige Momente betrachtete Brunhild die Geistliche verdutzt und unsicher, während ihre Gedanken im Kopf rasten.
    Sie war die Erste gewesen, die nach Meretes mutiger Selbstanklage die Stimme gegen die nun Tote erhob. Ihre Vorwürfe mochten teils seltsam angemutet haben, zumal sich Merete dagegen glaubhaft verteidigt hatte. Worauf die Nonne stumm geblieben war… Doch auf der Anderen Seite sprach Marias Gesicht nun offen von ihren Schuldgefühlen, dem ehrlichen Gram ob ihrer Fehleinschätzung und der Trauer um das verlorene Dorfmitglied… Und sie war immernoch ein hoch angesehenes Mitglied der Kirche, vor der die Wirtin Respekt hatte.
    Tief atmete sie ein, ehe sie den Mund zu einem leichten Lächeln animierte. Er wollte ihr nicht recht gehorchen: “Schwester Maria, ich bin überzeugt, dass Deine Wahl lauteren Begründungen folgte, so hörten sie sich für mich zumindest an. Ich kann mir allerdings nicht herausnehmen, Dir deswegen mein Vertrauen in Dich zu versagen oder nur deshalb Böses von Dir zu denken. Morgen wird es reichlich Gelegenheit geben, Deine Wahl vor allen zu erklären, auch wenn Du Dich nicht so nötig erklären musst wie ein Anderer, der Merete dem Galgen überantwortete…“
    Sie seufzte bei dem Gedanken und gerade den Konsequenzen der letzten Worte auf. Die Nacht würde sie definitiv darüber schlafen müssen, um sich sicher zu werden…
    Jedenfalls, , fuhr die Wirtin fort, werde ich Dich natürlich heute Nacht bei mir schlafen lassen. Lumi bezieht zwar gerade die Gästekammer, aber mein eigenes Gemach soll Dir heute Nacht zu Verfügung stehen, ich werde das alte Zimmer meiner Eltern nehmen... Ich werde für Dich gleich alles herrichten, Du kannst dann jederzeit Dich zur Ruhe begeben… Natürlich hoffe ich, dass Dich dann der Lärm aus dem Schankraum nicht stören wird, auch wenn ich Dich natürlich gerne auf einen Trunk einladen würde, wenn Du magst… Kurz dachte sie über die Vorstellung einer Bier trinkenden Maria nach, ehe sie nachsetzte: Oder einen heißen Tee…
    Sacht strich sie der Nonne über die Schultern, ehe sie sich schon auf den Weg zu ihrem Gasthaus machte.

    Im Kamin glommen die Holzkohlen herunter und der alte Hund träumte davor von dicken Würsten und einer jüngeren Brunhild, die ihn immer gerne geknuddelt hatte.
    Eine friedliche Stille lag in dem Raum, die ihr gerade nach dem Geschehenen entsetzlich falsch vorkam. Obgleich sie sich gerade Nichts sehnlicher wünschte als Ruhe, entfachte sie die Lampen am Eingang genauso wie das sterbende Feuer im Kamin. Rasch stieg sie nach oben in ihr Zimmer, ersetzte ihr eigenes Bettzeug durch neues und kehrte sorgfältig den Raum aus. Dann schaffte sie ihr benutztes Bettzeug in den einzigen ungenutzten Raum des Wirtshauses. Seit dem Tod ihrer Mutter vor sechs Jahren hatte sie ihn nichtmehr betreten. Eilig bekreuzigte sie sich, ein nicht einfaches Unterfangen mit Bettlaken und –decke auf dem Arm. Das gigantische Stofftuch über dem großen, gut gearbeiteten Bett wurde heruntergezogen, das Bettzeug achtlos darauf geworfen.
    Als Brunhild wieder unten war, hatten sich bereits erste neuen Gäste eingefunden, die nach einer schnellen Entschuldigung eilig bedient wurden.
    Die Stimmung war gedrückt, es war geradezu totenstill für das Wirtshaus, nur gediegenes Gemurmel und verhaltene Gespräche. Kein Lachen, keine schief dahingeschmetterten Lieder erklangen. Auch die Inhaberin strahlte keine Freude und Geborgenheit wie sonst üblich aus, obschon sie sich redlich darum bemühte. Ihr Lächeln war nicht mehr als schief hoch gezogene Mundwinkel, ihre Bedienung erfolgte einsilbiger. Es wollte ihr nicht einleuchten, warum sie der Tod der Jägerin so unglaublich mitnahm, wo sie doch eigentlich kaum etwas mit ihr zu tun gehabt hatte.
    Vielleicht, weil mit ihr das gestorben war, was bis vor Kurzem noch so klar schien. Dass wir hier ein friedliches und freundliches Dörfchen mitten im Nirgendwo sind. Dass wir hier unbekümmert und ohne Angst leben können, weil wir von Personen umgeben sind, denen wir vertrauen können…

    Konrad legte Brunhild einen großen Beutel mit Kräutern auf den Tresen. Sie hatte sein Kommen garnicht bemerkt. „Ich hab eben noch nach den Pferden geschaut. Die Arbeit die liegen geblieben ist hol ich nach, versprochen. Mach bitte hieraus einen großen Pott für alle, meine Beste. Is' gegen die Kälte und eine anbahnende Erkältung. Wir waren heute alle recht lang draussen.
    Noch zu verdutzt für eine Antwort nahm sie einfach bemüht freundlich nickend den Kräuterbeutel an sich. Der große Kessel wurde über das Feuer gehangen und Wasser darin zum Kochen gebracht. Eilig waren die Krüge gefüllt und mit Honig bekömmlich gesüßt, als sie sie auch schon auf den Tresen stellte, auf dass sich jeder nehmen konnte. Lumi drückte sie einen Pott bedächtig in die Hände, die eben leicht dümmlich grinsend und torkelnd hereingekommen war. Dieses Verhalten sah die Schankfrau sonst nur bei Gästen, die ihre Schankstube verließen, deswegen war es ihr bei der Blondgelockten nicht ganz geheuer.
    Sich selbst hatte sie auch einen Kräutertee zurückgehalten, an dem sie sich nun bei jeder Bedienpause wie eine Ertinkende am Rettungsseil festklammerte. Ihr Blick schweifte dabei über die Menschen im Raum und blieb immer wieder an dem Hinterkopf Konrads haften, der sich gerade mit dem guten Mönch Justus unterhielt.
    Inmitten der sie noch immer durchdingenden Kälte entfachte sich ein kleines Feuer. Es vermochte vielleicht nicht ihre Trauer und den Schmerz zu verbrennen, wohl aber zu lindern.
    Sie ertappte sich dabei Erleichterung zu verspüren, dass es nicht sein Hals war, um den sich die Schlinge tödlich gelegt hatte. Und selbst dafür verfluchte, sein Leben über das von Merete zu stellen.
    "--- Aber ein glücklicher Narr. Peter? Brunhild? Danke... für eure Worte. Es wär vielleicht anders ausgegangen heut', hätt ich keine solchen Freunde wie ihr es seid. Schlaft ruhig heut Nacht und erholt euch von dem Schrecken. Gott schütze euch. "
    “Es war nur die-„
    "Luise? Wir gehn heim. Komm."
    “Wahrheit….“ Ein Seufzen entrann ihrer Kehle. Gute Nacht ihr Beiden, möget Ihr von Gott behütet ruhen!“, rief sie ihm und Luise nach, die gerade in die klirrende Nacht hinausliefen.

    Eine ganze Weile später war schließlich auch der letzte nicht mehr ganz nüchterne Nacht gegangen. Alle Stühle wurden hochgestellt und das Feuer gelöscht. Rüdiger blickte ihr auf dem Treppenansatz nach, und irgendetwas in seinem Blick lie sie noch einmal hinuntersteigen und ihn in den Arm nehmen. Freudig schlabberte ihr durchs Gesicht. Es schien ihr endlos lange hergewesen zu sein, seit sie das letzte Mal Jemanden in die Arme schloss, nur des Umarmen und der daraus resultierenden Nähe willens. Nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich löste sie sich wieder von ihm und ging ohne todwünschenden Nachtgruß die Treppe hinauf in ihr heutiges Schlafgemach.

    Geändert von Mephista (28.03.2013 um 15:16 Uhr)

  15. #75
    Zwischen lauter... Menschen auf kaltem Pflaster knien. Ich bin erbärmlich.


    Keiner der Bewohner nahm Notiz von Noel, beachtete oder half ihm gar.
    Lediglich Konrad trat stumm von hinten an ihn heran.
    "Hier. Den Mantel musst du bei deinem Auftritt vorhin verloren haben.“

    Stumm sah Noel dem Mann in die Augen. Er stand auf und nahm den Mantel entgegen, legte ihn sich ohne Worte des Dankes um und vergrub sowohl die Hände in den Taschen als auch das Gesicht im Kragen. Noel fühlte sich mit dieser Situation extrem unangenehm. Er erwartete, dass Konrad ihm gleich wieder Zorn und Hass entgegenwerfen würde, aber wie um Noels Erwartung zu strafen, war das Gegenteil der Fall.

    "Lern erstmal dich selber zu beschützen, bevor du versuchst für andre ein Schild zu sein. Und solange diese Verrückten hier herumspazieren bin ich nicht sicher, was ich mit jemandem mache der ihr zu Nahe kommt. Legs nicht drauf an, dann kommen wir schon irgendwie miteinander aus. Und trink nen Schluck Tee - du standest den ganzen Abend über nur in deinem Hemd herum. Kannst froh sein wenn du keine Frostbeulen hast. Hier."

    Konrad hielt ihm eine Tasse warmen Tee entgegen. Unerwartet.
    Etwas zögerlich nahm Noel seinem Gegenüber die Tasse aus den Händen, nahm einen Schluck. Das warme Getränk wärmte seinen Magen, als auch tiefer Liegendes. Trotzdem wich er Konrads' Blick aus und dachte über das Gesagte nach. Er sollte sich von Luise fenhalten.
    ...
    Das war gut. Er hatte sich diese Auflage selbst gegeben, aber wenn er es musste, wäre es umso wahrscheinlicher, dass er es tat.
    Konrad... war ein guter Mensch. Er liebte seine Cousine ebenso sehr, wie Noel, wenn auch (hoffentlich) auf andere Art und Weise. Er konnte sie beschützen. Warum also sich ihr noch nähern?
    Ich halte mich von ihr fern.

    "...te...ich....fern..."

    "Hm? Was hast du gesagt?"

    Noel hatte etwas gemurmelt dass, ob seines Flüstertones,konrad entgangen war.
    Nach kurzem Schweigen sah Noel Konrad in die Augen und wiederholte sich.
    "Ich werde mich von ihr fernhalten, darauf habt Ihr mein Wort. Ich werde euch in der Apotheke nicht mehr belästigen."
    Noel drückte dem rotgelocktem Mann mit einem leisen "Danke" die Tasse in die Hand und ging, ohne eine Reaktion abzuwarten, Richtung Taverne davon.






    In sich versunken trat Noel in die nun deutlich stillere Taverne ein.
    Die Stimmung war, wie könnte es anders sein, gedrückt, dezent gesagt.
    Nirgendwo Trunkgesänge, keine spielenden Spießgesellen, keine lachenden Frauen, keine ausgelassene Stimmung.

    Noel schlurfte zum Thresen, legte die Hand tief in seine schmerzende Stirn. Da trat Brunhild ihm gegenüber.

    "Du siehst so aus, wie die meisten sich hier wohl fühlen... Ein normales Bier oder verlangt es den Herren nach etwas Stärkerem?"
    Die Wirtin, die Noel noch vor Minuten gleich zum zweiten Mal an einem Tage beleidigt hatte, sah ihn mit unwirschem, aber doch undeutsamen Blick an.

    "... mir gleich. Hauptsache es lässt die Sinne verblassen..."

    Still verschwand die junge Frau in ein Hinterzimmer, um wenig später mit einer faszinierend golden schimmernden Flasche wieder aufzutauchen. Brunhild platzierte ein großes Glas auf dem Thresen und goss Noel großzügig ein.
    "Das ist bester Apfelkorn vom alten Helmut. Wird sehr sicher für die gewünschte Wirkung sorgen... Warum wünscht Jemand wie Du sich die Sinne zu vernebeln?"

    Angeekelt von dem Gedanken, Alkohol zu trinken, griff Noel zum Krug und leerte ihn mit einem beherzten Schluck, bevor er ihr mit dem Blick im Thresen versunken antwortete.
    "Ich habe eine große Rede gehalten, ich würde euch beschützen... in der ich dich zu unrecht gekränkt hab. Tud' mir leid.

    Es gibt' für mich gerade kein Grund, meine Sinne beisammen zu lassen.

    ...mehr."

    Noel hielt der Wirtin den Krug entgegen und mit unsicherem Blick füllte sie den Krug erneut. Noel leerte ihn in Sekunden.

    Zaghaft lächelnd winkte Brunhild ab.
    "Ach, mir wurden schon schlimmere Sachen an den Kopf geworfen, glaub mir. Eine pompöse Rede war es durchaus... ich denke, Niemand hatte gedacht, dass es so enden würde... doch deswegen in Selbstmitleid zu verfallen, scheint mir nicht der richtige Weg zu sein."

    ..."Dass s'... keen Selbstmitleed... ich hab versagt. Isch wollt die Jägrin' beschützn... aber niemand hat mir zu...zu'ehört... wie soll ich sie nur beschützn, wie nur..."
    Jammernd versank der junge Bursche auf dem Thresen in seinen Armen, war längst nicht mehr der stolze Bibliothekar vom Vortag.

    Durch seine Arme konnte Brunhild ein gedämpftes "Mehr" vernehmen, womit er wohl den leeren Krug meinte.

    Irritiert ob seines für ihn so merkwürdigen Verhalten zögerte sie einige Momente, ehe sie ihm doch noch einmal nachschenkte. Dann lehnte sie sich langsam zu ihm vor.
    "Wenn Dir wirklich keiner Gehör schenken wollte, ist es mindestens genauso deren Versagen. ...Und Du könntest sie sicherlich beschützen, wenn Dein Verstand klar und Du nüchtern bist...
    Nach kurzem Überlegen, und obwohl ihr ihre Innere Stimme riet, es auf keinen Fall zu tun, tätschelte sie leicht den Rotschopf.

    Noel tauchte aus seinen Armen auf. Klebrige Tränen verschmierten sein blasses Gesicht, als er den nächsten Krug von Hochprozentigem leerte und wieder auf dem Thresen versank wie ein erbärmlicher Säufer.
    "Sin' mir doch scheez... schiss.... kagegal, aber ch' wollt misch doch für sie vrändrn... wenn meiner kleen Elfe was passor... passia...ach scheeße!!!"
    Noel schug mit der Faust sichtlich angetrunken auf den Thresen, bevor er ein weiteres Mal mit dem Kopf auf seine Arme sank.
    "Will nisch alleen sein... Pesd un' Verschramnis... nich hassn, kleine herlfe..."
    Gefüllt wie ein prächtiges Fass in der Weinzeit wimmerte der junge Noel vor sich hin, als er sinnesvernebelt und im Flüsterton eine leise Melodie zu summen begann.

    "...kleene Erlfe, einschd traf 'ch disch im Wald...
    ...kleine Elfe, de' Sone schien, und dennoch wars so kalt...

    ...kleine Elfä, kommst su mir, lächeltesd auch so fein...
    Kleine Elfe, sagtest mir, lass un' freundä sein...

    Kleine Elfe, lachst sou hell, springst im Fluß um'er...
    Klein' 'lfe, rettesd mich, vergess' dat Gefühl niemähr..."

    Im Halbschlaf umklammerte der Junge das Amulett, dass er um den Hals trug und presste es an seine tätowierte Wange, ließ Rotz und Wasser seine silberne Oberfläche beschmutzen, als er schließlich auf seinen Armen betrunken einschlief und schnarchend noch einige Worte murmelte.
    "Nich hassn... tud mir leid... nich hassn...Luise."

    Damit glitt Noel, das Amulett an sich gedrückt, in einen unruhigen Schlaf ab.




    Brunhild stöhnte auf. Sie hätte dem Burschen nicht nochmal auffüllen dürfen, jetzt hatte sie die Lauge... Eingeschlafene Gäste konnte sie höchstens bei sich den Rausch auschlafen lassen, wenn es sich um vertrauenswürdige Stammkunden handelte. Doch da sie Noel nicht zu diesen zählte, und sie wider der Sektengeschichte sowieso schon mehr als genug Personen bei sich beherbergte, musste er weg. Und zwar möglichst, solange noch eine kräftige Männerhand zum Anpacken da war.
    Ein lautes Pfeifen durchschnitt die Stube, alle Köpfe drehten sich zur Wirtin um, die mit einem Kopfnicken zum Schlafenden ihr Problem deutlich machte. Wenige Momente später standen der Schweinehirt und sein Neffe schelmisch grinsend vor ihr.
    Ich gebe jedem von Euch eine Runde Starkbier und eine halbe Wurst aus, wenn ihr ihn unbeschadet und ohne ihn zu beklauen nach Hause schafft. Das Wirtshaus konnte sie geöffnet nicht allein lassen, und die beiden Männer waren viel zu einfach gestrickt, als dass sie versucht hätten, das Freibier trotz eines Unauffälligen Diebstahls einzufordern.
    Gackernd und witzelnd ob der scheinbar nicht vorhandenen Trinkfestigkeit des Gesichtsbemalten schulterten der Schweinehirt samt Anhang den Gesichtsbemalten und verließen die Wirtsstube. Nach einigen Anläufen ward die Eingangstür Noels endlich geöffnet- also eingetreten- und der trunkene Junge mehr oder weniger sanft aufs Bett geworfen. Die leicht demolierte Tür wurde beim Rausgehen achtlos zugeworfen, schließlich warteten eine halbe Wurst und Bier auf sie...

    Geändert von Holo (28.03.2013 um 18:44 Uhr)

  16. #76
    Luise hatte einen Fehler gemacht.
    Es wurde ihr schmerzlich bewusst, als sie sah, wie Merete ihren Gang zum Galgen antrat. Ohne ein einziges Wort, einen anklagenden Blick. Sie hatte sich nicht gewehrt, hatte es einfach geschehen lassen.
    Und Luise war nicht eingeschritten, hatte trotz ihrer Zweifel stumm zugesehen.
    Geschworen hatte sie sich, zu ihrer Entscheidung zu stehen und bis zum Ende dazubleiben. Doch als sie sah, wie die junge Jägerin hilflos am Strick hing, hörte wie sie verzweifelt und vergeblich nach Luft schnappte, wich Luise zurück und wandte ihren Blick ab, verschloss die Ohren vor den Geräuschen.
    Doch es half nichts, die Bilder hatten sich in ihren Kopf eingebrannt und die bald einsetzende Stille hinterließ ein anklagendes Echo. Merete war tot. Und Luise trug Mitschuld daran.
    Mit gesenktem Kopf, machte sie sich heimlich davon.

    Eine Weile hatte Luise nun alleine im hinteren Teil von Viktorias Garten verbracht. Diesmal hatte sie darauf acht gegeben, nicht gesehen zu werden. Der Kirschbaum verdeckte die Sicht auf das junge Mädchen. Lediglich Noel hätte sie von seinem Haus aus sehen können, hätte er dort aus dem Fenster geschaut. Doch Luise konnte das bleiche, tätowierte Gesicht nirgends ausmachen und war auch irgendwie froh darüber. Sie wollte einfach allein sein.
    Normalerweise beruhigten das Rascheln der Blätter, das Ächzen der alten Zweige und das Meer aus blauen Blüten Luises Seele. Doch jetzt saß sie einfach reglos da und war innerlich so aufgewühlt, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte.
    Seltsamerweise kamen aber keine Tränen. Möglicherweise hatte sie zu viel geweint und damit all ihre Tränen vergossen. Vielleicht war es ihr aber auch nicht vergönnt, ihre Verzweiflung mit Tränen fortzuwaschen. Vielleicht musste sie erst büßen, bevor sie ihrer Trauer freien Lauf lassen und sich damit ihres festen Griffs entledigen konnte.
    Eine Weile blieb Luise einfach sitzen, doch als sie schließlich merkte, dass ihre Gedanken sich im Kreis drehten. Seufzend stand sie auf und ging zum Wirtshaus, wo sie hoffte, Konrad anzutreffen.
    Er machte sich bestimmt Sorgen um sie, und bei den derzeitigen Umständen, war das nur allzu verständlich.

    Später, als Konrad sich trotz jedes Widerspruchs vor ihrer Zimmertür postierte, bereute sie ein wenig, wie große Sorgen er sich machte. Sie konnte ihn nicht dazu bewegen, einfach in sein bequemes Bett zu steigen und dort zu schlafen. Warum musste er nur immer so sehr den Beschützer spielen? Warum konnte er nicht einfach an sich selbst denken? Nein, Konrad ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und seine kleine Cousine wusste, dass der Versuch, ihn umzustimmen, zwecklos war.
    Doch nachdem Luise lange mit offenen Augen im Bett gelegen hatte und schließlich noch einmal in eine Decke gewickelt vor die Tür trat, fand sie ihn fest schlafend vor. Kürbis jedoch war von dem Geräusch erwacht und sprang Luise, trotz verbundener Pfote, freudig entgegen. Geistesabwesend nahm Sie ihn in den Arm und blickte ihren Vetter an.
    "Du bist wirklich ein Dummkopf", murmelte das Mädchen und setzte sich neben ihn. Einen Moment lang betrachtete sie sein friedlich schlafendes Gesicht und fuhr dann leise fort: "Du solltest wirklich... mehr an dich selbst denken. Hier so unbequem... zu sitzen... bestimmt gibt das morgen... Rückenschmerzen..." Schläfrig rieb Luise sich die Augen. Warum war sie auf einmal so müde? Den Welpen an sich drückend sagte sie noch: "Dabei... bin ich... doch schon... gar nicht mehr so... klein..."
    Und dann sank sie selbst, neben ihm an die Wand gelehnt, in einen tiefen Schlaf.

    Geändert von Zitroneneis (28.03.2013 um 18:51 Uhr)

  17. #77
    Maria lächelte. "Das ist so lieb von dir, Brunhild. Ich weiß nicht, wie ich dir je danken könnte."

    Sie folgte der Wirtin ins Gasthaus und wärmte sich, wie eingeladen, an einem Tee, doch wohl war ihr in der Menge der Gäste nicht zumute. Deshalb beeilte sie sich ein wenig mit dem austrinken und stand auf, ehe jemand auf sie zukommen konnte. Morgen würde sie Rede und Antwort stehen, wenn es sein musste, aber für heute hatte Maria genug erlebt. Sie wandte sich an Brunhild.
    "Vielen Dank für das gute Getränk. Ich würde nun nach oben gehen, und Gott um Vergebung bitten. Wenn der Herr mir nicht verzeiht, dann kann mir dies ebenso wenig."
    Geknickt schaute Maria zu Boden. Wenn sie wenigstens so Tapfer gewesen wäre, und sich ebenso selbst nominiert hätte - So im Nachhinein betrachtet wäre das wohl die sinnvollste Entscheidung gewesen. Die wenigsten im Dorf waren mit der Entscheidung, jemanden zu hängen, zufrieden gewesen. Wenn alle mitgemacht hätten, und sich selbst nominierten, dann wäre wohl keiner gehängt worden. So war es dann aber nun geschehen, dass Maria sich entsetzlich dumm - und vor allem sündig fühlte.

    Sie blickte sich um, hier und da trübselige Gesichter. Keiner war wirklich froh um die unschuldige Gehängte. Dies verstärkte Marias Schuldgefühl umso mehr.

    Dann verließ sie den Bereich des Gasthauses und trat die Treppe nach oben, in ihr vorbereitetes Zimmer, setzte sich und betete im einfallenden Mondlicht. Bis ihr die Augen zufielen und sie schlief...

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