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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 1

Baum-Darstellung

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  1. #16
    Noel saß jetzt seit zwei oder drei Stunden stumm auf der Bank und döste vor sich hin. Langsam wurde es spät und damit kühlte es auf. Allmählich hatte er keine Lust mehr, hier herumzuhängen, also dachte er über Alternativen nach.

    Zuhause, Bibliothek - Zu weit entfernt. Er musste ja bei dieser lästigen Wahl dabei sein.

    Freunde besuchen - Nun, wohl eher nicht.

    Das Wirtshaus - Grmbl. Es war gerade gut besucht, und sich in einem Wirtshaus die Kante zu geben, war so gar nicht sein Gefallen. Allerdings fiel ihm nichts Anderes ein und es konnte auch nicht schaden, sich mal ein Bier zu gönnen. Stumm erhob sich der tätowierte Junge und schlurfte in Richtung des vor Lichtern glühenden Gebäudes los.

    Folgst du schon wieder Luise? Du solltest vielleicht wissen, wann es vorerst genug ist. Deine Ansprache war in der Hinsicht ein Holzhammer, wenn du verstehst.

    Ja, Noel verstand. Auch wenn er sich zurückgehalten hatte, das musste für die Kleine Elfe ein anmaßender Kontrast gewesen sein. Aber es half nichts; Irgendwann hätte sie so oder so davon erfahren, was für eine wahnsinnige Bestie er ist.

    Ich will nicht zu Luise. Mir ist es hier zu ungemütlich. Ein Bier sollte auch für mich nicht so schwer zu ertragen sein.

    Na fein. Vielleicht fällt ja ein saftiger Braten für mich ab.

    Ist der Himmel kirschrot?

    ...

    Stumm öffnete Noel die hölzernen Türen der Schenke. Das Bild, dass sich ihm bot, war angenehmer als erwartet: Es war nicht so voll wie er gedacht hätte, vereinzelt saßen Leute an den runden Holztischen oder spielten Zillard, seine Elfe war nicht hier, was Noel durchaus gut passte. Die Wirtin verteilte gerade Bier, der Thresen war hingegen vollkommen unbesetzt. Also entschied Noel sich, dort einen Platz zu suchen.

    Er hatte sich kaum gesetzt, da kam ihm die Wirtin mit argwöhnischer Miene entgegen. Bevor sie den Mund öffnen konnte, um etwas zu sagen, schnitt Noel ihr ruhig das Wort ab.
    "Jeder Gast ist ein willkommener Gast. Ist es nicht so?"

    Das war das Motto deutscher Wirtshäuser. Brunhild wollte etwas erwiedern, aber für einen Moment schienen ihr die Worte zu fehlen. Noel hatte getroffen. Zähneknirschend begab sie sich hinter ihren Thresen und fragte mit zusammangepressten Zähnen, was er haben wöllte.

    "Ein Bier, wenns genehm ist. Möglichst süß, ich mag keine bitteren Dinge. Das süße Bier der großen Städte ist hervorragend, ich bin gespannt, einen Vergleich zu ziehen."
    Der Hauch Spott, den Noel in seine Aussage legte und das wirklich, wirklich, wirklich gut versteckte Lächeln waren eher unbeabsichtigt.

    Einige Minuten später hatte er einen großen Krug des Getränkes vor sich stehen. Da sah er sich um; Deus hatte es sich in einer Ecke der Taverne gemütlich gemacht, und Noel schloss, dass es kein Zufall war, das ebenjene Ecke dort lag, wo man einen formidablen Ausblick auf jenes hatte, was unter den Röcken der in der Nähe sitzenden Maiden lag. Kopfschüttelnd wandte er sich seinem Bier zu und nahm einen Schluck.
    Nicht übel.

    Noel hatte den Krug kaum abgestellt, da setzte sich eine kleine Gestalt neben ihm. Blonde Haare, ein schmutziges Gesicht und ein kleines Wiesel auf der Schulter erinnerten ihn schnell daran, dass es sich um die Streunerin von gestern handelte. Die beiden sahen einander einige Sekunden stumm in die Augen, bis Lumi das Wort eröffnete.
    "Du guckst so wie ich mich gerade fühle. Solange du mir nur in Augen guckst und nicht auf Füße ist alles gut, ja."

    Noels rechte Augenbraue zog sich fragend in die Höhe. Dennoch war die Anwesenheit der Göre ihm nicht unangenehm. Ja, warum nicht etwas Zeit mit ihr totschlagen.
    "Hm. Hey, ich lade dich ein, Mädchen. Was willst du trinken? Saft? Tee? Milch?"

    Sie gab ein "Pfff..." von sich und lehnte sich grinsend zurück. "Saft zu bitter, Milch zu fad, von Tee krieg ich Blähungen. Entweder Wasser oder Bier, such dir eins aus wenn du nicht sterben willst wegen halálos fingás [tödlicher Fürze]." Einen Moment später klärte sie ihn auf. "Fürze die töten. Willst du nicht, echt. Also lieber Wasser oder Dünnbier, such' dir was aus, bin gerade zu sehr-"

    "Ist ja gut, in Ordnung."
    Noel lachte kurze leise auf.
    "Du bist amüsant, weißt du das, Löckchen? Wirtin, Einmal ein kräftiges Bier für den Schmutzfink hier!"
    Noel warf der missmutigen Brunhild ein paar weitere Goldmünzen hin, worauf Lumi ihr Getränk bekam.

    "Was ist los mit dir? Genervt von den Dorfbewohnern? Schlechten Tag gehabt? Oder ist dein Tier an Würmern erkrankt?"

    "Nein zu alles.", stöhnte sie, nachdenklich ins Leere schauend. Bedanken konnte sie sich ja immer noch wenn das Bier dann mal leer war. "Aber kennst du das, wenn du irgendwas sagst was du nicht ernst meinst und dann plötzlich sieht's so aus als ob genau das passieren würde?" Noch einmal seufzte sie leise. "So wie wenn du jemandem aus Spaß sagst 'Ich hoffe du hast morgen Unfall.' und dann hat er am nächsten Tag Unfall - so in etwa."

    "Hm. Gewissermaßen."
    Noels Blick sank auf sein silbernes Amulett, mit den Gedanken woanders.
    "Hast du jemanden verloren, der dir wichtig ist? Woher kommst du, Mädchen? Oder redest du... davon?"
    Noel deutete mit dem Finger auf die Tür des Wirtshauses, etwa in die Richtung, in der das Schwert steckte.

    Als Reaktion kam nur ein Schulterzucken. "Irgendwie beides. Irgendwie nicht. Ist kompi-komplis-kom..."

    "Kompliziert?"

    "Igen [Jepp], genau das. Wer hat nicht Angst vor Dolchen mit Blut dran und komische Zettel wo so kruptischer Kram draufsteht, ja? Und alles nachdem euer Analbert-Hauptmann tot ist. Ist merkwürdig, oder? Ist wei das eine Mal, wo..."
    Sie hatten gerade die Zelte aufgeschlagen.
    "... das war..."
    Ein Speer mit Blut an der Klinge steckt im Boden. Daneben er. Leblos.
    "... mit sowas."
    Eine Spur in Form eines Kruzifixes in den Staub gemalt.
    Sie rührte mit dem Zeigefinger im Bierschaum herum, während sie gedanklich abschweifte. "Entschuldige, ich bin nur... bei sowas wird mir..." Sie räusperte sich udn hob den Krug an zum Prost. "Darauf, dass es nciht noch schlimmer wird, ja?"

    Noel lächelte seicht. Das Mädchen war ihm sympathisch, und sei es nur, weil es ihr nicht besser ging als ihm.

    "Ist schon in Ordnung."
    Damit stieß er mit ihr an, trank das süße, goldene Gebräu, woraufhin eine kurze Stille zwischen den Beiden einsetzte.

    "Hey."

    Das Mädchen sah auf.

    "Wie ist dein Name? Dich immer nur Schmutzfink, Göre oder Blondlöckchen zu nennen, ist mir zu mühsam. Ich heiße Noel."


    "Lumi-", sie beendete abrupt. Ihr voller Name war mehr oder weniger ein böses wandelndes Omen.

    "Nun, dann pass auf, Lumi. Ich achte schon darauf, dass man dir nicht deinen noch jungen Hintern aufreisst. Es wäre ein Verschwendung von unbeschmutztem Leben, dich zu richten. Zumal ich dir nicht zutraue..." , Noels Blick fuhr hinüber zu Deus, der die beiden grinsend beobachtete, "dich solchen Narren anzuschließen. Da scheinst du mir entschieden zu vernünftig. Also passe ich auf dich auf."

    Lächelnd tippte Noel ihr mit dem Zeigefinger sanft gegen die Stirn.


    "Ich bin großes Mädchen, aber danke. Für Bier.", sagte sie mit dem Anflug eines Grinsens auf dem Gesicht. "Solltest öfter nett sein, steht dich viel besser als dich zu benehmen wie seggfej. Äh, wie Arschloch." Pause. "Tut mir leid wegen 'Arschloch'."

    Affektiv hielt Noel sich die Hand vors Gesicht, kicherte er doch ungewohnt herzhaft los. Verflucht, was war das?
    War er plötzlich ein gottverdammter Optimist?
    Noel wollte gerade weitersprechen, als krachend die Tür der Taverne auffiel.

    "Es geht los! Es geht los!"
    Der Bauer schluckte bedeutungsschwer.
    "Die Hinrichtung. Die Wahl des Hängenden. Sie beginnt! Alle auf den Dorfplatz!"
    Und damit verschwand er auch schon Richtung besagten Platzes.

    Noels Blick wurde wieder ernster. Jetzt ging es los.
    Stumm nickte er Deus zu, welcher sich schon erhoben hatte.
    Noel umfasste sein silbernes Amulett, drückte einen gehauchten Kuss darauf und wandte sich ein letztes Mal Lumi zu.
    "Also dann Lumi,"
    Er zwinkerte ihr zu.
    "Lass uns sehen, wer gleich vom Holze baumelt und hoffen, dass wir es noch sehen werden."

    Und damit trat der junge Mnn auf den dunklen Platz, vielleicht seinen letzten Gang machend. Deus schritt an seiner Seite.
    Doch wenn es sein letzter Gang war... wüsste er schon ganz genau, wie er sterben wöllte.
    Nicht durch das Seil.
    Nicht durch die Meute.





    Durch eine kleine, herzensreine Elfe mit wundervollen, roten Haaren.

    Geändert von Holo (25.03.2013 um 23:09 Uhr)

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