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Ritter
„Konrad wird nicht gehängt werden. Weder heute noch an irgendeinem anderen Tag, das schwör ich Dir.“
Brunhild wirkte als würde sie es genau so sehr zu sich selbst sagen wie zu Luise. Anscheinend war ihr der Gedanke, Konrad hängen zu sehen, nicht minder unangenehm als Luise.
Schließelich wechselte die Wirtin nach einem Moment der Stille das Thema. Langsam sagte sie: „Ein Schiffsunglück …? Wenn Du tief verletzt wurdest, kann eine bittere Saat in Dir aufkeimen, wachsen und Dich mit der Zeit von innen her verzehren. Meine alte Mutter hatte mir das vor vielen Jahren einmal gesagt, naja, wie auch immer… Bei Noel ist genau das passiert, glaube ich. Aber seine aufgegangene Saat hat ihn noch nicht komplett verzehrt. Du magst vielleicht die Einzige sein, der gegenüber er das zeigt, aber es beweist, dass es noch… Hoffnung für ihn gibt.“
Ein tiefes Einatmen war von ihr zu hören, als Konrad auf die Empore des Hauptmannhauses geschafft wurde.
„Ja, es gibt noch Hoffnung…“
Luise war sich dabei nicht so sicher. Allerdings wusste sie auch beim besten Willen nicht, was sie tun konnte, um Konrad zu helfen.
Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, wurde Brunhild von dem fremden Mädchen angesprochen, welches gestern ins Dorf gekommen war. Das von Konrad ins Wirthaus gebracht worden war und ebenfalls den Abend in der Kneipe verbracht hatte. Sie hatte sich wohl mittlerweile gewaschen, wirkte sie doch etwas gepflegter als am vorigen Tag. Mit großen Augen hörte Luise zu, wie das Mädchen mit einem fremdartigen Akzent fragte, was da draußen los war und sich dann entschloss, selbst nachzusehen. Vorher wandte das Mädchen sich noch an Luise:
"Du hast zwar kein Seele, ne? Aber wenn Typ mit Dings im Gesicht dich wehgetan hat, ne? Ich schwör: Fogom ütni őt a rohadt csókoló [Ich box' ihm in seine scheiß Fresse]! Ich schwör, ich nicht stark, aber Schlag von Frau tut Mann in Ego und golyók [Eiern] weh!"
Luise war einen Moment lang sprachlos. Sie war es nicht gewohnt, dass Fremde ihr solche Aufmerksamkeit schenkten und dann auch noch so direkt waren. Daher brachte sie auch nur ein leises "D-danke..." hervor als das Mädchen ihr das Frettchen vor die Nase setzte. "Djángo ist WM. Wachmarder. Schwör. Bis gleich." Dann ging das Mädchen.
Während Luise also über das weiche Fell des Frettchens strich, fragte sie Brunhild danach, was diese über die junge Dame wusste. Viel erfuhr sie nicht, aber anscheinend war der Name des Mädchens Lumi. Und, laut Brunhild war sie trotz ihres häufigen Gebrauchs von Flüchen eine durchaus nette Person.
Sicherlich also kein Mitglied dieser Sekte. Allerdings konnte Luise sich bei niemandem im Dorf tatsächlich vorstellen, Anhänger einer ketzerischen Organisation zu sein, welche das Leben zahlreicher Menschen forderte. Doch laut dem Pfarrer musste es irgendjemand sein. Aber wer?
Lumi war fremd und ihr Name verdächtig. Aber genau das wäre doch viel zu auffällig, oder?
Ähnliches galt für Noel mit seiner permanenten Gesichtsbemalung, dem Wissen über die Sekte und seiner Unbeliebtheit bei den anderen Dorfbewohnern.
Konrad... Er kam nicht in Frage. Egal, was der Pfarrer dachte, egal was die anderen Menschen dachten... Konrad war und blieb ein gottesfürchtiger, guter Christ, der den Menschen in der Not beistand.
Aber wenn der Pfarrer so dachte... vielleicht dachten dann auch andere so. Der strenge Mann hatte großen Einfluss auf die Gemeinde. Und Luise, als scheues, mit dem Makel des feuerroten Haars gestraftes Mädchen, würde ihn wohl kaum umstimmen können.
Aber... vielleicht gab es jemanden, der dies vermochte. Oder der zumindest die Leute besänftigen konnte. Und Luise hatte auch schon eine Idee, wer das sein konnte.
Als Lumi zurückkehrte und sich setzte, drückte Luise ihr Djángo auf den Arm. Mit einem scheuen Lächeln sagte sie: "D-danke. E-er ist ein guter Wachmarder." Dann warf sie einen Blick in die Runde. "Ähm... vielen Dank, dass ihr mir so geholfen habt. I-ich würde nun gerne mit Maria sprechen. I-ich glaube, dass sie diese... S-situation... vielleicht etwas beruhigen kann."
Bevor sie sich zur Kirche aufmachte, sagte sie noch zu Viktoria, die bisher stumm daneben gesessen hatte: "Ähm... i-ich würde später g-gerne einen Blumenstrauß für d-den verstorbenen Hauptmann machen. D-du kennst dich ja mit Blumen aus. Vielleicht machen wir das zusammen? A-aber nur, wenn du willst, n-natürlich", fügte sie eilig hinzu.
Dann begab Luise sich zur Kirche, wo sie Maria alleine betend vorfand. Die Apothekertocher nahm all ihren Mut zusammen und sprach dann:
"Ich bitte Euch, Schwester Maria. I-ich bitte Euch im Namen des Herrn und bei all seinen Engeln und Heiligen. Bitte, rettet Konrad!"
Die Nonne blickte überrascht auf. Selten hörte man solch fordernde Worte aus dem Mund des jungen Mädchens.
"Bitte!", wiederholte Luise mit purer Verzweiflung in der Stimme. "Ich werde alles tun, was Ihr wollt. Ich würde mich sogar selbst an seine Stelle setzen, wenn Ihr das für notwendig erachtet. Ich vertraue Euch. Ihr werdet im Namen des Herrn urteilen, das weiß ich." Tränen traten dem jungen Mädchen in die Augen, doch es blinzelte nicht, senkte nicht den Kopf. "Ich weiß, es ist eine große Bitte. Aber helft mir, weise zu handeln und Konrad zu retten!"
Geändert von Zitroneneis (25.03.2013 um 20:32 Uhr)
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