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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 1

Baum-Darstellung

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  1. #13
    Noch nie hatte sie ein Mädchen derart oft fluchen gehört, zumal die meisten Sch- Flüche nichtmal als solche gemeint schienen. Auf die Entschuldigung deswegen schüttelte sie lächelnd den Kopf und winkte ab. In diesen Räumlichkeiten hörte sie sowas öfter, als den meisten lieb gewesen wäre. Auch hoffte sie, keine Wunden aufgerissen zu haben, da das Mädchen auf die Frage nach ihrer Heimat so verschlossen antwortete. Dann besann sie sich aber auf die Frage, die noch im Raum hing: „Also jedenfalls…ja, ich komme von hier, hier geboren und aufgewachsen. Bis auf ein paar Besuche in den nächstgelegenen Dörfern und der einen Stadt habe ich mein ganzes Leben hier verbracht…“ Den Kopf stützte sie dabei auf den rechten Arm und kratzte vom Tisch einen nicht vorhandenen Fleck weg.
    Hier gibt es ja nicht so viele Leute, aber die kenn ich alle ganz gut, das schon…Da ist zum Beispiel Ross, der die Nachfolge unseres guten alten Hauptmannes antritt, ein tüchtiger Holzfäller, nicht der hellste unter dem Himmel, aber hat ein gutes Herz und man kann sich wenns hart auf hart kommt auf ihn verlassen. Deswegen ist ers wohl auch geworden, Hauptmann, mein ich. … Merete…naja, sie spricht mit kaum Jemanden ein Wort, sie ist aus dem Norden, also so richtig Norden, aus einem viel kälteren Land, will ich meinen. Aber eine verdammt gute Jägerin scheint sie zu sein… Hm, Du hast wahrscheinlich schon das Kloster gesehen, was hier eingegliedert ist, dort sind einige Nonnen und Priester, aber vor allem Maria, die Äbtissin, extrem gottesfürchtige Frau. Vor ihr solltest Du besser nicht fluchen…“ fügte sie mit einem Grinsen zu. Sie schob sich den letzten Löffel Haferbrei ihrer Schale in den Mund, dann fuhr sie fort.
    Wo war ich? Ach ja, Maria, die gute… Einen „Erfinder“ haben wir auch, den Tyrell, ein wenig merkwürdig ist der Junge, bastelt ständig an komischen Sachen herum und scheint nicht weit vorrauszudenken, aber ist an sich schon anständig. Bei Noel weiß ich noch nich so ganz, was ich von ihm halten soll… das ist der mit dieser blauen Gesichtsbemalung, der hatte Dir gestern auch ans Bein gefasst. Weiß nicht viel über seine Vergangenheit, er ist aber auf jeden Fall auf die meisten hier, bzw. eigentlich auf alle Leute überhaupt, sehr schlecht zu sprechen, außer Luise. Die betet er an, als wäre sie ein vom Himmel gefallener Engel. Sie räusperte sich; das viele Sprechen so früh am morgen trocknete ihren Hals vollkommen aus. Vom guten Adalbert, den grad eine Krankheit im Griff hat, ist das die Kleine. Das Kind ist gescheit geraten, möchte ich meinen; etwas sehr zurückhaltend, aber hilft ihrem guten Vater in der Apotheke wo sie nur kann und ist wohl ein sehr helles Köpfchen. Ihr Vetter arbeitet bei mir als Stalljunge seit zwei Jahren, den kennst Du schon, er hat Dich gestern hierher gebracht, Konrad…“
    Einen Moment hielt sie inne, ehe sie die Stimme wieder erhob: “Ein wirklich feiner Kerl, hilft seinem Onkel aus und wartet drauf, eine Meisterstelle in der nächsgelegenen Stadt zu kriegen, er ist eigentlich Schreinergeselle weißt du…also wird er irgendwann wieder gehen...“
    Die letzten Worte klangen seltsam belegt und die Wirtin blickte einige Augenblicke abwesend ins Leere, während sie über die verbundene Handfläche strich. Dann erinnerte sie sich an die Gegenwart Lumis, stand auf und schritt zum Tresen:
    Wenn ich viel rede, bekomme ich unglaublichen Durst, das kennst Du ja vielleicht, fühlt sich schrecklich an…“ Schnell zapfte sie zwei Dünnbiere ab und kehrte mit den fast überlaufenden Krügen zurück. Einen vor Luminitsa abstellend, setzte sie sich und trank einige großzügige Schlucke aus ihrem.
    “Naja, das sind zumindest einige aus unserem Dörfchen, ich will Dich ja nicht überrumpeln…“, meinte sie beim Absetzen augenzwinkernd zu ihrem Gast.
    Auf einmal schnippte sie mit den Fingern:
    “Das habe ich glatt vergessen! Ich wollte Wasser holen, damit Du Dich waschen kannst… Iss nur zu Ende, keine Bange, ich brauch nicht lang.“
    Mit diesen Worten erhob sich die Wirtin, ergriff eine Wasserkanne und öffnete die Wirtshaustür. Der Freitag begrüßte sie mit eisiger Luft, sodass sie nach ihrer am Haken hängenden Heuke griff, sich diese umlegte und nach draußen in Richtung Brunnen schritt. Dort angekommen ließ sie den Eimer herab, kurbelte ihn gefüllt wieder hoch und goss das Wasser in die Kanne- als ihr Blick auf ein im Boden steckendes Schwert unweit von ihr fiel.
    Interessiert trat sie näher und entdeckte einen daran befindlichen Zettel und beugte sich hinab.
    IR-G-E-N-D-ET-WAS… irgendetwas, gut.
    Während sie versuchte zu entziffern, was dort stand, fuhr sie die Buchstaben mit der Fingerspitze nach und bewegte angestrengt den Mund. Unter den anderen Wörtern der Botschaft waren kaum welche, die sie schnell erkannte, das würde also Stunden dauern…
    Brunhild erhob sich wieder, da ihr am Mitteilungsbaum ebenfalls Zettel aufgefallen waren, die sie vor der Entzifferung erst einmal besehen wollte.
    Vor dem Baum standen bereits Maria, Luise, Noel, Rekon und der neue Hauptmann- keiner von ihnen machte einen glücklichen Eindruck.
    “Gott zum Gruße, ihr Lieben!“, sprach sie bei ihnen angekommen.
    Der erste Zettel zog sie sofort an, da er sie an ihr geliebtes Lagersystem erinnerte. Sofort fiel ihr ihr Name auf, der weiter unten geschrieben stand, ebenso wie wohl die Namen der anderen Bewohner. Hinter dem Namen ihres Stalljungen war ein Strich, was das wohl zu bedeuten hatte?
    Der andere Aushang würde es wohl sagen, doch als sie ihn betrachtete, stöhnte sie etwas zu laut auf. Da waren ja NOCH mehr Wörter als auf der Nachricht des Schwertes drauf!
    Solche Ansammlungen an Wörtern ließen immer großes Unbehagen in ihr aufsteigen. Zum Einen weil sie vom Lesen soviele Wörter immer Kopfschmerzen bekam, wegen der Anstrengung und zum Zweiten, weil sie es schließlich nie hinbekam und immer Jemanden fragen musste, ihr vorzulesen. In solchen Momenten fühlte sich die Wirtin immer unglaublich dumm, weil die meisten im Dorf sehr gute Leser und Schreiberlinge waren.
    Trotz dessen drehte sie sich strahlend um und fragte in die Runde:
    “Wäre einer von Euch so gut, und könnte mir sagen, was da steht?“
    Die Heuke enger um den Leib fassend sah sie die Fünf erwartungsvoll an.

    Geändert von Mephista (24.03.2013 um 18:00 Uhr)

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