Luise antwortete nicht. Noch immer seine schwarzen Stiefel beäugend, wurde Noel zunehmend nervöser durch die Stille zwischen den beiden.
"Hast du etwa -"
Noel schreckte auf, als sich die kleine Elfe wieder wirsch in Schweigem verlor.
Einige Sekunden stammelte die kleine, zerbrechliche Gestalt vor sich hin und der junge Bursche musste den Wunsch unterdrücken, sie sofort mit den Armen zu umschließen und zu drücken.
So süß...es tut weh. Ich habe Schmerzen.
"- ähm, e-ein ganzes B-bücherregal ü-über... ähm... dieses T-thema... g-gelesen?"
Huh? Noel konnte das Gesagte noch nicht aufnehmen, da entfernte sich Luise auch schon künstlich lächelnd.
Er streckte den Arm aus, wollte die Situation noch retten.
"W-"
"V-vielen Dank, N-noel. Ich w-werde mir d-das hier dann mal ausleihen u-und dann d-die Apotheke ö-öffnen. W-wir sehen uns bestimmt bald wieder in der Apotheke, w-wenn du... äh.. w-wieder K-kopfschmerzen hast..."
Und mit diersen Worten verschwand das Mädchen aus der Bibliothek.
Nein...
Enttäuscht ließ Noel den Arm sinken und seine Schultern wurden schlaff.
Seine Haare klebten ihm im erschöpften Gesicht, Schweißtropfen säumten seine Wangen.
Verbockt. Ich habs verbockt. Sie war hier, meine kleine Elfe. Sie war hier, ganz mit mir allein, und hat mich etwas gefragt. Und ich habs verbockt.
"VerrrDAMMMMMT!"
Frustriert schlug Noel mit der Faust in ein neben sich stehendes Holzregal, welches daraufhin, war es doch nicht sehr standfest in seiner Konstruktion, krachend umstürzte, woraufhin dutzende Bücher in alle Richtungen davonflogen.
"... hah... hah... hah..."
Eigentlich hatte er doch keinen Grund, sich zu beschweren. Seine kleine Elfe war zu ihm in die Bibliothek gekommen, um mit ihm zu sprechen. Das lebensfeindliche Gefühl in ihm war verschwunden, alles war gut.
Aber warum... fühlte er sich dann trotzdem so leer?
Du musst lernen, das Positive zu sehen.
Deus kam von hinten herangeschritten, sprach mit gefasster Stimme wie stets.
Das Mädchen kam hierher, um dich zu sehen, das kannst du mir glauben. Und, soviel möchte ich dir verraten, die Situation ist längst nicht so schlimm wie du denkst. Im Gegenteil, du hast nichts falsch gemacht. Kopf hoch, Nolchen.
Noel beruhigte sich etwas, die unbändige Wut auf sich selbst erlosch langsam und er sprach wieder mit seiner gewohnt emotionslosen Stimme mit dem Wolf neben ihm.
"Nenn mich noch einmal Nolchen und ich bring dich um."
Deusexus grinste. Wie ein Soldat, der salutierte, hielt er sich die Pfote an den haarigen Kopf.
Verstanden, Käpt'n!
"Hmpf. Danke für eben."
Bevor Deus die Ohren spitzen konnte, ob er gerade richtig gehört hatte, schritt Noel zwischen den Regalen entlang zu einer weiteren Person in der Bibliothek.
Es war Rekon, jener kriegerische Geselle, den Noel schon vom sehen her kannte.
"Ich grüße. Rekon war der Name, richtig? Ich bitte um Verzeihung, doch dringliche Angelegenheiten bedarfen meiner Anwesenheit außerhalb der Mauern dieser Stätte des Wissens. Wenn ich Euch bitten dürfte, die Bibliothek einstweilen zu verlassen."
Der stämmige Mann packte nickend sein Buch Weg und verließ nach einigen Worten das Gebäude.
Dringliche Angelegenheiten? Ich verstehe, Mr.Stalker.
Werd nicht übermütig, Köter.
Schweigend verließ Noel die Bibliothek und schloss die massiven Türen ab.
Ruhig suchte er das Umfeld ab - da. Rote Strähnen. Luise war in der Ferne noch zu erkennen, sie sauste richtung Dorfplatz davon. Also würde Noel diesen Weg ebenfalls einschlagen. Etwas weiter vor ihm begab Rekon sich auch in diese Richtung.
Etwa zehn Minuten dauerte es, bis der runde Platz in Sicht kam. Bedauerlicherweise hatte er seine kleine Elfe aus den Augen verloren, doch etwas Anderes fing seinen Blick auf.
Ein in Tierblut getränktes Schwert, welches mit einer Notiz versehen war.
Noels Augen weiteten sich. Lumianer.Zitat
Er kannte diese Sekte von verblendeten Maden. Sie waren seit jeher einer der Erzfeinde "Gottes Augen", daher hatte er viel über sie gehört. Und jetzt waren sie in diesem Dorf, mit dem Willen, es auszurotten, es zu übernehmen?
Nein. Oh nein, definitiv nicht. Dies war sein Zuhause. Der Ort, an dem er endlich ein Leben abseits von Blut und Leid gefunden hatte. Das würde Noel nicht zulassen, auf keinen Fall. Denn es war ihr Zuhause.
Krampfhaft umschlangen seine Finger den Dolch, als er das Schriftstück genauer inspizierte.
Was für unsagbare Narren. Hat man schon von den Tätern gelesen, die ihre Opfer ankündigen? Welch eine Farce.
Ich schwöre, ich werde euch in Stücke reißen.
Dann fiel Noels grimmiger Blick auf ein größeres Schriftstück, einen Zettel der Kirche.
nun, normalerweise gab es wohl keine achtlosere Lebenszeit-Verschwendung als Schriftstücke der Kirche. Aber unter diesen Umständen wagte Noel einen zweiten Blick.
Ein bissiger Wurm tobte tief in Noels Magen, kroch seine Brust hinauf bis zu seinen Ohren, so er ihm etwas ins Selbige hauchte:Zitat
Verachtung.
Die Menschen dieses Dorfes waren nicht anders. Keinen Deut. Sie waren nichtswürdiger Abschaum. Hängen? Lebende Menschen nach Stimmenwahl hängen?
Oh ihr ungezählten Glaubensgötter, wie sehr ich euch hasse.
Noel musste sich zügeln. Der Hass tobte in ihm wie allesverzerrende Säure, aber es half nichts. Dies war sein Zuhause, wenn er es richtig anstellte, würden sie nur die Würmer der Lumianer hängen. Er würde das schaffen. Und was interessiert es ihm, wenn irgendwelche Niemande gehängt wurden? Solange seiner kleinen Elfe nichts passierte, leuchtete diese Welt hell und in den wundervollsten Farben.
Erst jetzt realisierte Noel die erste Nominierung: Konrad.
Das Gesicht in Abscheu verzogen schüttelte er leicht den Kopf.
Vielleicht mochte Noel den bärtigen Gesellen nicht, aber er war Luise' Cousin und sie vertraute ihm. Niemals würde sich dieser Mann einer verblendeten Glaubenssekte anschliessen und gar in Kauf nehmen, seiner Cousine etwas anzutun.
Insekten, verblendete, dass ihr blind die eigenen Leute dem Scharfrichter vorwerft. Aber solch ein Verrhalten passt so gut zu euch...
Ruhig sah Noel sich auf dem Platz um, dachte nach, was nun geschehen würde.
Etwas war seltsam: Deusexus hatte seit einiger Zeit nichts gesagt und zeigte sich auch nicht.