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Held
Maria erwachte schweißgebadet aufrecht in ihrem Bett. Ihre Adern pulsierten und wie aus einem impuls heraus presste sie ein lautes "Ketzer!" aus ihrem Mund. Wie aus Schreck starrten ihre Augen weit geöffnet geradeaus, doch sah sie nichts direkt an, was sie hätte meinen können, außer diesem lodernden Feuer, dass just vor ihren Augen verschwunden war.
Dann wurde ihr gewahr, dass sie nur geträumt hatte, und diese Reaktion mit dem Traum zu tun haben musste. Es war ihr unangenehm, also bekreuzigte sie sich mit einem leisen Gebet in Gedanken: "Verzeih, Oh Herr, dass ich diesen Tag nicht mit einem guten Wort begann."
Dann nahm sie leise Vogelgezwitscher wahr, glitt aus dem Bett und zog das nonnigste Gewand an, das sie hatte. Kaum war sie fertig angezogen, läuteten die Kirchglocken auch schon den Morgen ein. Als Maria sich auf den Weg in die Kirche machen wollte, um ihr morgentliches Gebet zu sprechen, entdeckte sie eine Nachricht an alle Nonnen und Mönche am Eingang des Klosters.
Ein jeder von euch Mönchen und Nonnen bete für den verstorbenen Hauptmann und für das Dorf und helfe, die Lumianer aufzuspüren, die diese Nacht anscheinend hier im Dorf aktiv geworden sind.
Maria blinzelte verdutzt. Lumianer? Davon hatte der Pfarrer tatsächlich vor einigen Tagen erst gesprochen. Das war diese ominöse Sekte, die sich auch schon in anderen Dörfern einst breit machen wollte. Doch bevor sie da weiter drüber nachdenken konnte, hörte sie schon hinter sich eine Stimme.
"Guten Morgen, Maria." Es war Justus, der wohl hilfreichste, wenn auch mit der älteste Mönch des Klosters. Mit einem Blick auf den Zettel fügte er hinzu: "Gibt es etwa Neuigkeiten?"
"Guten Morgen", erwiderte Maria. "Der Hauptmann ist gestern verstorben, aber das wissen wir ja bereits - aber diese Sekte ist anscheinend hier aktiv geworden." Justus beugte sich zum Zettel. Er hatte bereits sehr schlechte Augen und tat sich mit dem Lesen ein wenig schwer. Maria konnte sich das nicht ansehen, also las sie ihm noch einmal vor, was auf dem Zettel stand... Der Mönch kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Lumianer? Ist doch egal, wie die gottlose Sekte heißt, die sich hier rumtreibt - wir haben genug unverbesserliche Ketzter hier im Ort um die man sich alle längst kümmern sollte!"
Maria nickte und dachte an ihr gestriges Gespräch mit Noel.
Mit welchem Grund kann man behaupten, dass es keinen Gott gibt?
Traurig blickte sie zu Boden. "Lass uns beten gehen"; sagte Justus schließlich, als er den verdruß in Marias Blick erkannte.
Und so gingen sie gemeinsam zur Kirche hinüber.
Für den am Vortag verschiedenen Hauptmann, möge er in Frieden ruhen, betete Maria besonders lange und intensiv. Obwohl sie schon am Vorabend für ihn gebetet hatte, fühlte sie sich, als sei es das Gebet noch lange nicht genug gewesen.
Erst, als Justus, der allen Anschein nach mit seinem eigenen Gebet fertig war, neben ihr auf sie zu warten schien, und weitere Nonnen und Mönche die Klosterkirche zum Beten betraten, beendete Maria ihr Gebet. Jedoch nicht ohne das Gefühl, dass sie unbedingt etwas tun musste, um dem Dorf gegen die Lumianer zu helfen. Es war, als hätte Gott persönlich ihr diese Aufgabe gegeben.
Sie blickte Justus an und gemeinsam verließen sie die Klosterkirche und schritten scchweigend durch den Kräutergarten.
"Könntest du für mich nochmal in die Apotheke gehen? Wir haben so viele Teekräuter übrig, dass wir sie an die Apotheke geben können." Justus unterbrach die Stille so plötzlich und unerwartet, dass Maria einen kurzen Augenblick vor Schreck zusammenzuckte. "Ah! In die Apotheke? Ja, das kann ich wohl machen."
Wenig später drückte Justus ihr einen Beutel voller getrockneter Teekräuter in die Hand, den Maria schulterte. Die Kräuter waren sehr leicht, also war die Aufgabe für Maria sogar recht einfach zu bewältigen. Es war mehr wie ein Spaziergang. Sie lächelte Justus an und war Froh, nochmal ins Dorf gehen zu können. Dort könnte sie sich auch ein wenig umhören, ob schon jemand verdächtigt wurde.
Der Weg zur Apotheke führte ein wenig über den Marktplatz, in dessen Mitte sie ein Schwert sah. "Komisch, was macht denn ein Schwert hier?", murmelte Maria vor sich hin. Aber sie hatte ihre Kräuter, die sie erst wegbringen wollte. Um ein alleingelassenes Schwert konnte sie sich auch später kümmern. Vielleicht gehört es Rekon und er hat es dort verloren. Er ist doch auch sonst immer in Rüstung unterwegs, da kann es doch auch sein, dass er sich irgendwann auch ein Schwert zugelegt hat...
Maria schüttelte den Kopf und somit diesen Gedankengang fort. Was für belanglose Gedanken!
An der Apotheke angekommen, wollte sie die Tür öffnen - doch wie es schien, war sie verschlossen.
"Huch? Merkwürdig...", wunderte sich die Nonne zunächst - doch da fiel ihr Blick auf den Zettel an der Tür. " Dass sie alle schreiben können, ist echt ein Segen."
Die Apotheke wird aufgrund der derzeitigen Situation erst heute Mittag öffnen. Bitte habt ein wenig Geduld.
In tiefer Trauer um den verschiedenen Hauptmann
Luise Elkarst.
Bis zum Mittag dauerte es nicht mehr lange, also beschloss Maria in der Zwischenzeit sich doch mal um den Dorfplatz zu kümmern, oder eher um das Schwert, dass da lag.
Es war sicher nicht so gut, wenn die Kinder des Dorfes dort vorbei kommen und damit anfangen würden, zu spielen.
Auf den Dorfplatz zurückgekehrt (es waren ja eh nur drei Schritte dort hin...) besah sich Maria das Schwert genauer und entdeckte sowohl das Blut als auch die Nachricht der Lumianer.
Sie schluckte schwer. Richtig, die Lumianer, das hatte der Pfarrer mal erzählt, waren ein blutrünstiges Volk. Und nächste Nacht sollte jemand sterben? Maria machte sich wieder das Kreuzzeichen und betete zu Gott, dass er stehts die Richtigen schützen möge.
Der andere Zettel trug die Handschrift des Pfarrers. Er rief auf, die Verdächtigen zu hängen. Maria blickte mit einem gemischten Gefühl aus Traurigkeit und Entsetzen auf die Liste. Dort stand ein Name, der ihr sehr bekannt war. Konrad.
Ausgerechnet Konrad würde er hängen wollen? Dabei war er doch so Gottesfürchtig und gutmütig, und am vortag erst bei ihr gewesen - er würde niemals ein Ketzer sein können! Da doch eher dieser Gottlose...! Vor ihrem geistigen Auge sah Maria erneut Noels Gesicht, wie er Gott verleugnete. Mit diesen stechenden, bösen Augen. Sie schüttelte sich. Wahrscheinlich war er viel eher Lumianer als Konrad. Das passte einfach mehr. Es konnte gar nicht sein, dass ausgerechnet Konrad ein Lumianer sein sollte..
Und war gestern nicht noch jemand neues ins Dorf gekommen? Das hatte Konrad doch auch erzählt. Vielleicht hatte diese Person ebenfalls mit dem Auftauchen der Lumianer zu tun...
Maria stand vor der Liste wie angewurzelt und sah fassungslos auf den Strich hinter Konrads Namen. Aus welchem Grund sollte man ausgerechnet Konrad hängen wollen?
Während sie darüber nachdachte, verstrich einige Zeit...
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