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Thema: Das Dorf Gottes 2-Tag 1

  1. #21
    Gespannt lauschte Merete den Äußerungen des tättowierten Jungen. Noel. Ob der angespannten Situation, die sicher nicht weit davon entfernt war, zu eskalieren, weckte die Fischerstochter in sich selbst das Interesse an Namen. Zu wissen, mit wem und über wen man sprach, würde in naher Zukunft womöglich unverzichtbar sein.

    Noel also. Die Art und Weise, in der er sprach war ungewöhnlich, ihr unbekannt. Doch was wusste sie? Die Personen, mit denen sie mehr als das alltägliche Wort wechselte, konnte sie an einer Hand abzählen. Dennoch - irgendetwas unterschied ihn von den anderen. Und er stachelte sie auf, forcierte erneut, zu was bislang nur der Pfarrer aufforderte. Merete konnte nur hoffen, dass der Rest nicht zu früh beginnen würde, seinen Worten - oder denen des Geistlichen - Beachtung zu schenken. Der Weg der Gewalt sollte der letzte Weg sein, auf den man sich verlässt. Das hatte sie früh gelernt.

    Viel besorgter als die Bogenschützin schien jedoch ihr Jagdgenosse. "Noel, wenn du deine Informationen von einem der Lumianer beziehst, wirst du uns doch sicherlich sagen können, wer dieser Lumianer ist", stellte er mehr fest. Recht hatte er. Würde Noel die Wahrheit erzählen, so müsse er wissen, um wen es sich handle. Doch vielleicht trieb er nur ein Spiel mit ihnen oder suchte gar die Aufmerksamkeit der Masse, ohne überhaupt etwas zu wissen.

    Rekon wirkte jeden Moment schwächer, doch sprach er weiter. "Deshalb Noel... Sag uns... wer ist deine Quelle?" Das Gesicht des Jägers verzog sich ein letztes Mal, bevor er mit offenen Augen fiel und auf dem erdigen Untergrund zusammensackte. Sein Zusammenbruch und der erste Regentropfen, der ihre Wange traf, weckten Merete aus sämtlichen Überlegungen und ließen sie handeln. Bevor die Sorge der Dörfler um den bewusstlosen Rekon überhandnahm, trat sie bereits an die Seite seines ohnmächtigen Körpers, hatte das Schwert notdürftig im Ledergurt verstaut. Der Mann war groß und trug zudem seine schwere, rote Rüstung, doch war dies nicht das erste Mal, dass sie einen - in diesem Fall glücklicherweise vorrübergehend - leblosen Körper trug. Sie hievte den Oberkörper hoch und hob ihn schließlich halb auf den Rücken, legte ihre Arme nach hinten unter die seinen. Für einen Moment drohte sie unter der Last zusammenzubrechen, doch wie erwartet hielten ihre Beine stand. Atem sammelnd wendete sie ihren Kopf zur Menschentraube. "Ich bringe ihn in seine Hütte und besuche anschließend den Schmied."

    Nur wenig später schlug sie mit dem rechten Bein die Tür eben jener Hütte auf, darauf bedacht, das linke für den Stand fest im langsam aufweichenden Erdgrund zu verankern. Ein kurzer Schreck durchfuhr die Jägerin, als ihr ein aufgeregtes Japsen entgegenkam. Ein Mädchen - vielleicht 8 Sommer alt - stand vor ihr, mit besorgter Miene auf den regungslosen Körper Rekons blickend. "Was...?", begann sie, doch Merete unterbrach in einem Tonfall, den sie selbst als möglichst beruhigend empfand, noch weiter gedämpft durch die Last auf ihren Schultern. "Er verlor am Dorfplatz das Bewusstsein. Keine Sorge, er braucht Ruhe!", sprach sie, ohne zu wissen, was es war, das dem erfahrenen Jäger so übel mitspielte. Doch sein Atem war selbst durch die Rüstung zu spüren. Ein zuverlässiges und beruhigendes Zeichen dafür, dass er noch lebte.

    "Sein Bett?" Das Mädchen hüpfte nervös von der Stelle und wies mit einem gerade ausgestreckten Arm den Weg, den die Isländerin zügig antrat. Vorsicht walten lassend drehte sie sich vor seiner Liegestatt um und ließ ihn ebenso achtsam darauf sinken, schob schließlich seine Beine hinauf. Die Rüstung sei sicherlich nicht die bequemste Schlaftracht, doch sah Merete Rekon sowieso stets in ihr, wie kurios auch die Situation. Und ohnehin würde sie den Teufel tun, ihm seiner Rüstung zu entledigen. "Behüte ihn gut, bis er aufwacht!", wies sie schließlich das Mädchen an, die ein hastiges Nicken folgen ließ, während die Fischerstochter bereits umdrehte und die Hütte verließ, um den Dorfschmied aufzusuchen.

    Geändert von MeTa (25.03.2013 um 10:49 Uhr)

  2. #22
    Nichtsahnend von dem ganzen Chaos in der Stadt, wachte Viktoria an diesem Morgen auf.
    Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch als, sie aus ihrer Kammer trat und ihre Mutter zusammen mit ihrem Bruder am Frühstückstisch sitzen sah.
    Hatte sie dieses Gefühl, weil ihre Mutter gesten Abend womöglich etwas gemerkt hatte?
    "Guten Morgen", sagte Viktoria prüfend.
    Ihre Mutter antwortete nicht. Es war alles wie jeden Morgen, aber etwas bereitete ihr leichte Bauchschmerzen.
    Sie nahm sich, wie immer, ihre Scheibe Brot vom Tisch und warf Friedrich ein Stück Fleisch vor den Mund.
    Als sie beide aufgegessen hatten, machten sie sich auf den Weg in die Schneiderei.

    Als sie am Mittag eine Pause machte und hinausschritt, wunderte sie sich, über die lauten Geräusche, die sie vom Dorfplatz hören konnte.
    Gedanken schossen in ihrem Kopf umher. In ihr brannte der Wunsch, das Versprechen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte, zu brechen und sich zu den anderen Dorfbewohnern zu gesellen.
    Vielleicht würde sie es nicht einmal raus finden, wenn sie nur in der Zeit ihrer kleinen Pause auf den Platz gehen würde.
    Unsicher bewegte sie sich in die Richtung. Sollte sie? Oder sollte sie nicht?
    Ein Fuß setzte sich vor den anderen und sie wurde plötzlich immer schneller, als wenn sie vor etwas weglaufen würde.
    Als wenn sie vor ihrer eigenen Mutter und ihren Pflichten flüchten würde.
    Schließlich ertappte sie sich dabei, dass sie die letzten Meter zum Dorfplatz gelaufen war.
    Sie erblickte Luise.
    Vollkommen kraftlos sah sie aus.
    Besorgt lief Viktoria zu ihr.

  3. #23
    [Der Jäger Rekon erbarmte sich gnädigerweise, die Botschaft des Priesters vorzutragen, doch mit jedem Wort schien Brunhild das Blut in den Adern mehr und mehr zu gefrieren. Eine mordende Sekte, Lumbo-…Lumenao-…irgendwas mit Lum jedenfalls. War etwa der Medicus, der den alten armen Hauptmann vergiftete, einer von diesen Scheusalen gewesen?
    Doch viel mehr schockierte sie die Antwort des Priesters auf diese Bedrohung:
    Die Dorfbewohner sollten jeden Tag Jemanden wählen, von dem die meisten glaubten, er wäre ein Sektenanhänger und diesen erhängen. Und damit vielleicht sogar Unschuldige morden. Womit sie nicht besser wären als die, vor denen sie sich schützen wollen. Doch der Gipfel war, dass er sich von irgendwem bereden ließ, Konrad gleich zu bezichtigen. Allein das zeugte doch davon, dass der Priester nicht mehr bei Sinnen sein konnte. Gerade Konrad war mit Abstand derjenige, von dem sie am wenigsten glauben konnte, dass er einer menschenmordenden Sekte angehörte. Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein!
    Die Luft schien schlagartig um weitere zehn Grad kälter geworden zu sein, der Wirtin fuhren unangenehme Schauer bei ihren Gedanken über den Rücken und so raffte sie ihre Heuke so eng es nur ging um den Leib, als könnte sie sie vor allem Übel bewahren.
    So bekam sie zunächst nur halb mit, wie der alte Jäger nach mehr Informationen verlangte und Merete das Schwert aufhob mit dem sehr sinnvollen Anliegen, es dem Schmied zur Untersuchung zu zeigen. Als die Nonne Maria das Wort ergriff und ihr aus der Seele zu sprechen schien, fiel ihr Blick auf Luise, die neben der Geistlichen kniete und seltsam teilnahmslos wirkte.
    Dem Mädchen ging es ganz und garnicht gut zu gehen. Angesichts der Flut an Informationen und obendrein der Anschuldigung ihres Cousins konnte Brunhild das nur zu gut nachfühlen. Ein sehr zart besaitetes Wesen war die Apothekerstochter nunmal, und das schien alles einfach zuviel für sie gewesen zu sein.
    Inzwischen hatte Noel begonnen darüber zu palavern, dass Menschen wie Ratten wären. Die Frau griff gerade leicht genervt nach der gefüllten und bereits beschlagenen Wasserkanne, als der gesichtsbemalte Rotschopf plötzlich verstummte und eine Weile völlig regungslos blieb. Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete sie den jungen Mann von oben bis unten. Irgendetwas an ihm, neben seiner schlechten Stimmung gegenüber allem, was nicht Luise war, war äußerst seltsam.
    Als er dann wieder zu sprechen begann, lauschte sie ihm sehr aufmerksam. Sein Wissen über die Lumke-… die Sekte war recht umfassend, doch seine Aufzählung von Dorfbewohnern, unter denen sich die Sektenanhänger befinden sollte, war so faszinierend wie suspekt. Viele der Anwesenden wurden benannt, auch Brunhild selbst. Dass er einen Freund bei dieser Sekte habe, schien ihr die ganze Sache noch suspekter zu machen, da es nicht gerade für ihn selbst sprach. Auf der anderen Seite hatte er sich selbst unter die Verdächtigen gezählt…
    Etwas in ihr drückte ihr auf einmal die Kehle zu und sie hatte das Gefühl daran zu ersticken, wenn sie es nicht aussprechen würde. Sie holte tief Luft, griff fester um den Henkel ihrer Kanne und sprach:
    Ich möchte Euch auch noch Etwas sagen. Und zwar dass ihr Euch alle schämen solltet! Auch nur darüber nachzudenken, andere an den Galgen zu bringen, und dabei womöglich einen Unschuldigen zu treffen, ist schändlich! Habt ihr auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, womit ihr Euer Gewissen belasten würdet, wenn das geschieht? Wir wären keinen Deut besser als diese Lum-…pazeriosten oder wie auch immer! Und derjenige, der Konrad also so einen beschuldigt hat, sollte sich schämen, auch wenn es keiner von Euch war! Er hat nie Jemandem etwas getan, sondern vielen geholfen und war immer nett und freundlich zu jedem. … Schwer keuchte sie, ehe ihr der eine Satz Noels wieder in den Sinn kam und sie in einem ungewohnt abfälligen Ton hinzufügte: „Und wenn wir Niemandem vertrauen dürfen, dann sollten wir uns wohl am besten gleich alle selbst erdolchen, dann kann uns keiner von diesen Lum-Typen umbringen. Aber ihr habt anscheinend einen Rat schon verinnerlicht, dass ihr Alle schon nicht mehr erkennt, wenn eine aus unserer Mitte Hilfe braucht…“
    Wuttränen glitzerten in ihren Augen, als sie noch einmal kurz in die Runde sah und dann mit ein paar Schritten zu der immernoch apathischen Luise ging und sich vor ihr niederkniete.
    Sanft strich sie über ihre Wangen und bemerkte dabei, dass ihre Ohren als Eiszapfen dienen könnten. Geschwind löste sie ihr Kopftuch, sodass sie ihre hochgesteckten Haare über die Schultern ergossen, und band es der Kleinen als Kopfring um, als Viktoria zu ihnen kam und sich ebenfalls besorgt zeigte.
    Aus den Augenwinkeln bekam die Wirtin mit, wie Rekon ohnmächtig zusammensackte, und kurze Zeit später von der jüngeren Jägerin nach Hause getragen wurde. Zumindest spielten nicht alle auf einmal verrückt, beruhigend zu wissen…
    Beherzt griff die ältere Frau der Apothekerstochter unter den Arm und half ihr hoch. Bedächtig führte sie sie, das Schneiderinnenkind nebenherlaufend, zu ihr ins Wirtshaus. Dort angekommen zog sie die Tür zu, um die Kälte nach draußen zu verbannen und stellte die Kanne ab.
    “Entschuldige Lumi, dass es länger dauerte, aber wir stecken da offenbar gerade ganz schön in etwas drin und die arme Luise hier muss erstmal wieder aufgepäppelt werden…“, meinte sie an ihren Gast, während sie das arme Kind zum dem Kamin am nächsten liegenden Tisch bugsierte und hinsetzte.
    Danach wand sie sich um, legte der stehenden Viktoria die Hand auf die Schulter und meinte milde: “Mach es Dir ruhig bequem…
    Schnell holte sie Milch, welche sie in den Topf über dem Feuer gab, entledigte dann Luise ihres Mantels und hängte diesen zusammen mit ihrer Heuke an den Haken neben der Tür. Dann stürmte sie hinauf und kam mit ein paar warmen Wolldecken beladen zurück, wovon sie eine um Luises Körper und eine um ihre Beine schlang. Die anderen legte sie auf den Tisch, damit sich die beiden anderen Damen bei Bedarf bedienen konnten.
    Daraufhin ergriff sie die Wasserkanne und nickte Lumi, als sie in Richtung Gästekammer damit schritt zu: Ich stelle sie vor Deinem Zimmer ab, Du kannst Dich daran bedienen und waschen…, tat wie geheißen und kehrte zurück.
    Brunhild trat an den Topf heran, in dem die Milch inzwischen fast am überkochen war, und schöpfte die erhitzte Flüssigkeit in drei Krüge ab. Allen fügte sie einen großzügigen Löffel Honig bei, nur einem jedoch noch eine Kleinigkeit getrockneten Baldrian, den sie für stressige Tage immer vorrätig hatte. Den Sondertrunk stellte sie vor der immernoch regungslosen Luise ab, die anderen beiden bekamen Vitkoria und Lumi.
    Kurz hielt sie inne und blickte zu einem undefinierbaren Punkt. Sie wollte die anderen Dorbewohner da draußen nicht so einfach unbeaufsichtigt lassen. Irgendwie machte ihr der Gedanke, sie würde es doch tun, extreme Magenschmerzen. So kramte Brunhild aus einer Ecke einen geschlossenen Metallzylinder mit Füßen und Henkeln und einer Klappe versehen vor, stapelte einige glühende Kohlen vom Kamin dort hinein, legte einige neue Holzscheite dazu und trug das ganze hinaus auf die Außenterrasse des Gasthauses, welche einen guten Blick auf den Dorfplatz bot. Unter großen Anstrengungen und Ächzen trug sie dann die Eingemummelte hinaus zu einem Stuhl neben dem Metallzylinder, holte ihren Mantel und war ihr ihn über, ehe sie bibbernd ihre Heuke überzog. Viktoria griff sich eine Decke und setzte sich zu der Apothekerstochter, während die Wirtin die Milchkrüge der Mädchen mitnahm und auf dem kleinen Holztischchen vor ihnen plazierte.
    Dann atmete sie einmal tief durch, fuhr sich durch das offene Haar und ließ sich danach neben Luise nieder. Einen Arm legte sie dem Mädchen um die Schulter, drückte es an sich, küsste sie sanft auf die Schläfe und wiegte sie dann sacht in den Armen.

    Geändert von Mephista (25.03.2013 um 01:12 Uhr)

  4. #24
    Die Reaktionen der Leute waren verhangen. Soweit logisch und im Rahmen seiner Erwartungen. Schließlich war es schon wieder Rekon, ein für Noels' Geschmack viel zu redseeliger Mann, der das in Bauerndialekt getränkte Wort an ihn richtete:
    Noel, wenn du deine Informationen von einem der Lumianern beziehst, wirst du uns doch sicherlich sagen können, wer dieser Lumianer ist. Wir alle sind für das Wohlergehen unserer Mitmenschen verantwortlich. Je schneller wir diese Bedrohung loswerden umso besser!"

    Ein böses, kleines Lächeln hob Noels' Mundwinkel seicht in die Höhe. Seine Lüge mag nicht die Effektivste gewesen sein, aber für diese Dummköpfe reichte
    sie alle Mal aus.
    "Du denkst nicht sehr weit, hm? Dieser Freund versorgt mich mit Informationen über die Lumianer, es wäre äußerst töricht und unüberlegt, ihn ans Messer zu liefern. Bedenke das nächste Mal eine solch triviale Schlussfolgerung, bevor du sprichst."

    Als Reaktion begann der Geselle, zu torkeln und taumeln. Er schien Noel erschöpft, soweit konnte er es mit seinen theoretischen Medizinkenntnissen sagen. Schließlich stürzte der gerüstete Mann ohnmächtig zu Boden. Noel beachtete ihn nicht weiter, irgendjemand würde ihn schon versorgen.
    Noel sollte recht behalten, die junge Jägerin brachte ihn in seine Hütte.

    Plötzlich schrie eine raue Stimme aus der Menge in seine Richtung, dessen Inhalt offenbar ihm galt.
    Ich möchte Euch auch noch Etwas sagen. Und zwar dass ihr Euch alle schämen solltet! Auch nur darüber nachzudenken, andere an den Galgen zu bringen, und dabei womöglich einen Unschuldigen zu treffen, ist schändlich! Habt ihr auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, womit ihr Euer Gewissen belasten würdet, wenn das geschieht? Wir wären keinen Deut besser als diese Lum-…pazeriosten oder wie auch immer! Und derjenige, der Konrad also so einen beschuldigt hat, sollte sich schämen, auch wenn es keiner von Euch war! Er hat nie Jemandem etwas getan, sondern vielen geholfen und war immer nett und freundlich zu jedem. … „Und wenn wir Niemandem vertrauen dürfen, dann sollten wir uns wohl am besten gleich alle selbst erdolchen, dann kann uns keiner von diesen Lum-Typen umbringen. Aber ihr habt anscheinend einen Rat schon verinnerlicht, dass ihr Alle schon nicht mehr erkennt, wenn eine aus unserer Mitte Hilfe braucht…“

    Die Wirtin sah vorwurfsvoll in Noels Richtung, wieder konnte er nur lächelnd den Kopf schütteln.
    Warum bin ich es, der immer solche Leute anzieht?

    "Weib... vielleicht sind deine Ideale rein und deine Absichten richtig... aber, wie soll ich es ausdrücken, du bist dumm. Deine Erfahrungen in solchen Situationen sind gleich Nichts und, verzeih mir die Bemerkung, du besitzt offensichtlich nichteinmal die Gabe des Lesens. Schämen sollen wir uns, weil wir jemanden hängen möchten? Du bist naiv, Mädchen! Die Lumianer werden uns gnadenlos niedermetzeln, dich, mich oder Konrad! Jeden von uns! Vielleicht schon heute Nacht. Schäme dich, bade dich in deiner güldenen Menschlichkeit, während wir deine unheiligen Überreste finden, von fetten Maden zerfressen und mit klaffenden Löchern übersät."

    Die Wirtin erwiederte nichts, Tränen der Aufgebrachtheit glänzten in ihren Augen. Sie begab sich zu Luise und half ihr vom Boden auf. Damit entschied Noel, dass es genug war. Stumm beobachtete er, wie die Wirtin die kleine Elfe zum nahegelegenen Wirtshaus brachte.

    Nun müssten sie abwarten, bis sich alle Avatare auf dem Dorfplatz versammelt hätten und jemanden hängen. Noel war es im Grunde gleich, wer es war; Doch man musste Schadensbegrenzung betreiben. Stumm saß Deusexus neben ihm, genau wie Noel in nervöser Erwartung die folgenden Ereignisse abwartend.

    Geändert von Holo (25.03.2013 um 01:19 Uhr)

  5. #25
    Rekon... Du hast dieses Leid über uns gebracht...
    Asmotheyx, was soll das? Warum tust du so was? Und vor allem: Wer bist du?
    Du hast mich vergessen, Rekon? Mich, Asmotheyx? Vielleicht sagt dir der Name Nirai Ascella was...
    Erinnere mich nicht an sie... Sie weilt schon lange nicht mehr unter uns...
    Du hast dieses Leid über mich gebracht, Rekon. Verstehst du denn nicht? Ich bin der Geist Nirais in deinen Träumen!
    Das kann nicht sein! Meine geliebte Nirai würde mir niemals soetwas antun! Sie würde niemals in meinen Träumen ein solches Chaos anrichten!
    Das denkst du vielleicht... Merke dir eins: Das war nicht unsere letzte Unterhaltung!

    Rekon wachte aus seiner Ohnmacht auf, mit einem Schrei, den man im ganzen Dorf vernehmen konnte...
    "Seit wann bin ich denn wieder zuhause?" war die erste Frage, die Rekon sich gestellt hat. Mina kam zu ihm, erschrocken von dem lauten Schrei. "Ein Mädchen mit braunen Haaren und einem großen Messer an dem Gürtel, hat dich nach Hause getragen, weil du umgefallen bist... Ich hab mir solche Sorgen gemacht!" Dabei kannten sich Mina und Rekon noch nicht sehr lange, was aber recht zweirangig war. Obwohl diese Beschreibung nicht ganz so genau war, wusste Rekon genau, wer ihn nach Hause getragen hatte. Es war Merete, die andere Jägerin im Dorf. Auf jeden Fall müsste sich Rekon bei ihr bedanken und sich zudem entschuldigen, dass sie die Last seines Körpers plus Rüstung tragen musste. Aber erstmal wäre es besser, wenn er im Bett liegen bleibt.

    Geändert von Zirconia (25.03.2013 um 10:36 Uhr)

  6. #26
    Luise hatte gar nicht bemerkt, wie kalt ihr gewesen war, bis Brunhild sie vom Geschehen weggezerrt, in eine warme Decke gehüllt und sie in den Arm genommen hatte.
    Unter all dieser Wärme saß sie nun, langsam auftauend da und beobachtete die Dorfversammlung, ohne dem Inhalt voll und ganz greifen zu können. Ihre Gedanken waren wirr und unsortiert und Fragen über Fragen häuften sich in ihrem Kopf:
    Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein? War Konrad noch immer am Schlafen? Würde nun wirklich eine Jagt auf die Ketzer eröffnet werden? Wer war diese Sekte? Woher wusste Noel von ihr? Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein? Warum gab Noel plötzlich so menschenverachtende Singe von sich? Und was war das andere, wovon er geredet hatte? Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein? Hatte Luise etwas falsches gesagt? Hatte Noel nun so miserable Laune, weil sie ihn an das Schiffsunglück erinnert hatte? Wer aus dem Dorf könnte in der Lage sein, solche schrecklichen, ketzerischen Dinge zu tun? Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein ...? Konnte Konrad heimlich ein Ketzer sein?
    Dieser Gedanke ließ Luise erbeben und sofort überkam sie Schuldgefühl. Konrad war immer da, wenn man ihn brauchte. Seid ihrer frühen Kindheit hatte er sich nahezu immer mit ihr abgegeben und sie wie eine kleine Schwester behandelt.
    Außerdem war er der gottesfürchtigste Mensch, den Luise kannte. Abgesehen von Maria, welche ja die nonnigste aller Nonnen war. Auch nur in Erwägung zu ziehen, Luises älterer Vetter könnte ein boshaftes Sektenmitglied sein, kam dem Verbrechen nahe, selbst eines zu sein.
    Mit zitternden Händen griff Luise nach der dampfenden Tasse, welche Brunhild ihr fürsorglich vor die Nase gestellt hatte, und führte sie an den Mund. Ein süßer Geschmack von Milch und Honig breitete sich auf ihrer Zunge aus - und ein Hauch Baldrian. Dankbar schmiegte Luise sich enger an die Wirtin. Ihr rückte wieder in den Sinn, dass Konrad gestern im Wirtshaus solch eine Freude gehabt hatte. Und bei einer solchen Frau war das wenig verwunderlich. Luise würde sicher nichts dagegen haben, sollte Konrad sich dazu entschließen, Brunhild eines Tages als seine Braut heimzuführen.
    Als die Tasse halb geleert war, spürte Luise, dass sie wieder etwas beruhigter war. Ihre Hände hörten langsam auf zu zittern, sie nahm die Umgebung wieder etwas bewusster wahr und in ihrem Kopf herrschte kein allzu großes Chaos mehr. Die Fragen brannten ihr nun stattdessen auf der Zunge. Eigentlich wollte Luise niemanden mit ihren Gedanken belästigen, aber irgendwie mussten sie ausgesprochen werden. Und hier, bei der ruhigen Viktoria und der mütterlichen Brunhild, die beide stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen hatten, war die junge Apothekertochter auch bei weitem nicht so schüchtern wie in Anwesenheit manch anderer.
    "Danke Brunhild. Und Viktoria. Dass ihr euch immer so um mich kümmert", sagte Luise leise, aber vollkommen ehrlich. Dann schwieg sie einen Moment, gedankenverloren auf das Geschehen am Dorfplatz starrend. "Wisst ihr", fuhr sie dann nachdenklich fort, ohne den Dorfplatz aus den Augen zu lassen, "bis heute hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass unser Dorf einmal in eine solche Lage kommen würde." Ihre Stimme klang erstaunlich ruhig,als sie das sagte. Wahrscheinlich die Wirkung des Baldrians. "Dass irgendjemand Böses über Konrad gesprochen hat ist schlimm genung... aber dass der Pfarrer ihn - oder überhaupt jemanden - am Galgen sehen will... das ist unerträglich." Eine Locke roten Haars hatte sich aus dem Zopf gelöst und fiel Luise nun ins Auge. Geistesabwesend strich das Mädchen sie beiseite. "A-aber wenn der Pfarrer sagt, dass es hier eine solche Sekte gibt... und mit diesem blutigen Schwert und der Nachricht... muss es diese Lumianer w-wirklich hier geben, nicht wahr?" Sie trank einen weiteren Schluck aus der Tasse und fuhr dann fort, ohne auf eine Antwort zu warten: "U-und dann Noel... niemand scheint ihn zu mögen und dennoch teilt er sein Wissen - während er trotzdem fortwährend alle Menschen beleidigt und selbst ein Ungläubiger ist." Luise schüttelte verwirrt den Kopf. Zuvor hatte sie, abgesehen von ihrem Bauchgefühl, nie verstanden, weshalb jeder dem jungen Bibliothekar so wenig Vertrauen entgegen brachte. Nun konnte sie es nachvollziehen. Seine Handlungen begriff sie trotzdem nicht. "E-es ist, als ob es ihm vollkommen egal wäre, was andere über ihn denken. U-und als ob ihm sein Leben nicht wichtig wäre, wenn er so gefährlich daherredet." Luise bemerkte, dass sich eine weitere Strähne aus ihrem Zopf gelöst hatte. Sie war heute Morgen wohl unachtsam gewesen. Vielleicht waren ihre Hände auch einfach zu zittrig für eine solche Aufgabe gewesen. "Die schlimmsten Menschen sind jene mit Honig auf der Zunge und Arglist im Herzen. D-das sagt mein Vater immer. A-aber wenn Noel alles so offen nach außen trägt... sich so offen z-zur Zielscheibe macht... ist es dann nicht eher unwahrscheinlich, d-dass er ein Lumianer ist?" Sie schwieg wieder einen Moment. Was genau veranlasste Noel, so zu handeln? "E-er hat sich so gut um Kürbis´ Wunde gesorgt. U-und er war immer nett zu mir. Und... und ich glaube, er h-hat seine ganze Familie bei einem Schiffsunglück verloren. U-und er möchte nicht darüber reden. A-aber... aber..." Sie schluckte schwer. "Warum hasst er die Menschen nur so sehr?"
    Sie ließ die Frage im Raum stehen, nahm einen weiteren großen Schluck aus ihrer Tasse und kuschelte sich an Brunhild.

    Geändert von Zitroneneis (25.03.2013 um 12:22 Uhr)

  7. #27
    Ross hatte lange darüber nachgedacht, was er nun tun sollte. Er hätte niemals damit gerechnet, dass genau an seinem ersten Tag als Hauptmann soetwas geschehen würde (und wer hätte sowas auch schon erwartet). Leider war er im Denken nicht so gut, deshalb hatte er auch nicht bemerkt, dass sich der Platz langsam mit schaulustigen zu füllen schien.

    Es dauerte eine Weile, bis er zu allen Anwesenden sprach: "Also gut, dann soll es so sein. Wir treffen uns heute Abend alle wieder hier auf diesem Platz und dann entscheiden wir, wer von uns als Lumianer enttarnt werden soll. Ich will jeden dann jeden sehen, der gestern bei der Wahl dabei war. Außerdem soll Konrad erklären, was es mit dieser Stimme auf sich hat. Sprecht das im Dorf herum." dann machte er eine kurze Pause, bevor er noch etwas hinzufügt "Falls irgendwer etwas weiß, falls irgendwer etwas gehört hat, will ich dass er es mir mitteilt. Das letzte, was ich will, ist einen Unschuldigen zu opfern." mit diesen Worten wollte er den Platz verlassen, blieb jedoch noch einmal kurz stehen "Ich werde Anweisungen geben lassen, den Marktplatz nach Hinweisen abzusuchen. Wenn das erledigt ist, wird hier der Galgen aufgebaut werden. Ich bitte, nein als Hauptmann befehle ich ausdrücklich, dass alle heute Abend hier zu erscheinen haben, um abzustimmen, wer sich nicht daran hält, macht sich verdächtig"

  8. #28
    Maria vernahm Ross' Worte, und starrte ihn entgeistert an. Er meinte es ernst. Heute Abend musste jemand sterben.

    Oh, Herrgott, unser Allmächtiger, dachte Maria.bitte lass die Entscheidung den richtigen Treffen.

    Und weil ihr dieses kurze Gebet nicht ausreichte, sagte sie laut zu den Anwesenden: "Wenn jemand mit mir darüber sprechen möchte, so möge er mich in der Kirche aufsuchen. Ich werde dort heute für unser Dorf beten. Das könnt ihr auch den anderen sagen, wenn ihr sie seht."
    Sie nickte den versammelten Leuten zu, und ging, wie sie es gesagt hatte, in die Kirche zum Kreuz hinter dem Altar.

    Dort sammelte sie sich, dachte nach und betete, am Abend selbst die richtige Entscheidung zu fällen und dass auch die anderen keine falsche Wahl fällen würden.

    Geändert von Wencke (25.03.2013 um 14:54 Uhr)

  9. #29
    ~*~ In der Apotheke ~*~

    Er träumte...
    Der Dorffriedhof empfing ihn wie ein Ort der Beschwichtigung. Vom Wald her rief ein Käuzchen...
    „Du kamst hierher, das war es Frühling, nicht?“

    Vor zwei Jahren, ja. Es war Anfang Mai und der Flieder blühte. Von den Kirschbäumen regnete es duftende Blüten. Um den Maibaum tanzten die Mädchen mit Kränzen im Haar. Ich liebe dieses Dorf von Herzen, Bruder. Habe es schon als Knabe geliebt, wenn ich die Sommer hier verbringen durfte. Mit all seinen Wäldern und Feldern, den Tieren und den Menschen darin. Gott muss diesen Fleck lieben, meint ihr nicht auch?
    ...er blickte auf das Grab seiner Tante – nur ihr Haarband und ein Fetzen ihres Kleides lag darin. Der Wald... wüsste Adalbert von ihrem Verbleib, er würde gesunden... der Wald.

    ...ein Schwall Wasser brachte ihn in die wirkliche Welt zurück.

    Der Mönch Justus kniete leibhaftig neben seinem Bett. „Du bist schwerer zu wecken, als ein Bär im Winterschlaf!“ „Justus! Was... ich war am Grab meiner Tante...“ „Du liegst in deinem Bett im Haus deines Onkels, Junge. Und das Mittagsläuten hast du verpasst. Zieh dich an und folge mir.“ Der kleine und stämmige Mönch wirkte toternst, sodass Konrad ihm wortlos in die Küche hinab folgte. Die Tür zur kleinen Werkstatt war offen. Anscheinend hatte er es versäumt sie am Abend zu verschließen. Das schlechte Gewissen begann bereits an ihm zu nagen...

    Der Mönch schob ihm eine Tasse hin. „Trink das, das wird deinen Kopf ein wenig aufklaren. Nun, ich bin nicht hier um über dich zu richten, Junge. Sondern um dir einen Rat zu geben.Alle großen Veränderungen im Leben sind schwer zu ertragen. Manchmal erscheinen sie schier unerträglich, wir glauben das wir uns damit nie abfinden können. Aber alle Dinge wirken zusammen zu unsrem Besten und Gott denkt immer an unser Glück.“ Konrad biss sich auf die Lippe und nickte, obwohl er kein Wort verstand.
    Unser hochgeehrter Pfarrer, erhaben über jeden Zweifel, hat angeordnet das eine Sekte die sich in diesem Dorf herumtreibt durch den Strick dezimiert werden soll. Die Lumianer haben sich mit einem Schreiben zu erkennen gegeben, das heute Morgen am Markt gefunden wurde. Dem Pfarrer hat indes ein Dörfler gebeichtet, das er glaubt du seist Teil einer Sekte. Und unser Bibliothekar nannte die Namen derer, die in Betracht kommen. Du und Luise seid auch darunter...

    Er hörte es. Lärm vom Marktplatz her. Sein Schädel dröhnte dumpf, während er lauschte... „du besitzt offensichtlich nichteinmal die Gabe des Lesens. Schäme dich, bade dich in deiner güldenen Menschlichkeit..."

    Dann erst sickerten die Worte des Mönchs ein. Luise! „Wo ist Luise?Sie dürfte solche Worte nicht hören. Dürfte nicht den Blicken ausgesetzt sein. Himmel hilf, wenn es eine Hetzjagd gab würde sie sich am Ende noch vor die Verdächtigen werfen in ihrer schlichten und unbekümmerten Art!
    „Konrad. Der Pfarrer hat deinen Namen als ersten genannt.“
    Konrad packte den Mönch wütend an dessen Kutte, als er ihm die Antwort verwehrte. „Ich frage euch noch einmal -wo ist Luise?" Justus seufzte nur laut. „Die Wirtsfrau hat sich ihrer angenommen. Derzeit hat unser neuer Hauptmann noch alles unter Kontrolle. Konrad, hörst du mir überhaupt zu? Der Pfarrer hat die Jagd eröffnet. Und Ross hat sich dem zu fügen. Wenn der Platz untersucht wurde, wird der Galgen errichtet werden. Dein Name wurde genannt.“ Die letzten Worte sprach er mit Nachdruck.
    Da fiel in Konrads pochendem Kopf der Groschen.Mein Name?
    „Du weißt, das Beichtgeheimnis ist heilig. Werauchimmer es war, muss seine Gründe nicht nennen. Jedoch – du solltest die Gründe kennen. Der Pfarrer höchstselbst wird dir daher die Beichte abnehmen. Erzähl ihm alles, Konrad, verschweige nichts. Erkunde jetzt dein Gewissen. Und bete.“
    Konrad saß vor ihm, nur hastig bekleidet und schwieg. Durch den Tee ebbte das Pochen in seinem Kopf zwar ab, aber es war schwer einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich brauche ein wenig Zeit. Zuerst muss ich nach Lui...“ „Luise wird nichts geschehen. Nicht heute, Konrad. Der Pfarrer wird dich bald einer eingehenden Befragung unterziehen. Er hat die Mittel und Wege dazu... und er ist bereits auf dem Weg hierher. Du hast keine Zeit.“ „Was?“ „Nimm den Mantel. Rasch jetzt.

    ~*~ Auf dem Marktplatz ~*~

    Seine Beine waren schwer wie blei, als er auf Ross zuschritt. Er straffte mühsam die Schultern. Der Pfarrer nahte bereits heran, jedoch wollte er noch etwas sagen... Vor Trauer und Hilflosigkeit glänzten seine Augen. Sein Kopf war leer. Er ging im Geiste die Stelle der Philipper durch, die er als Kind so gern gehört hatte... Alles kann ich durch Christus, der mir Kraft und Stärke gibt. … Gott wird euch für eure Liebe und Fürsorge belohnen.
    Konrad atmete durch und erhob das Wort. „Ich werde mich dem Urteil der Dörfler natürlich stellen. Und unsren Hauptmann in allem unterstützen, was er vorhat. Und sei es der Bau... des Galgens." Er schluckte. Die Situation war makaber. „Wenn die Wahl zu meinen Ungunsten ausfällt, hoffe ich das ihr euch um Luise und meinen Onkel kümmert. Sie ist ein gutes Mädchen, die Engel wachen über sie. Lasst nicht zu, das sie die Kälte der Einsamkeit spürt. Denn diese Krankheit ist so schlimm wie der Tod. Und sie hat unsren Onkel befallen, so schlimm... Steht zusammen, ich bitte euch. Ich kam hierher, nicht um Geld zu verdienen. Sondern wegen dem, was ich hier als Junge fand. Das kann euch kein Irrgläubiger nehmen. Wenn ihr nur... glaubt." Er bat nicht um Gebete. Oder Gedenken. Oder Gnade.
    Vielleicht ist es besser so. Besser ich, als sie.
    Das dachte er, als sein Blick über das Dorf streifte. Das Dorf, das er immer noch liebte. So sehr, das es weh getan hatte als keiner ihn zum Hauptmann haben wollte. So sehr, das es weh getan hatte, als er von seiner Nominierung hörte. So sehr... liebte.

    Der Pfarrer war da. Ein ernst und strenggekleideter Mann, dessen schwarze Robe nicht viel von dem Mann dahinter preisgab. Das Kreuz um seinen Hals jedoch erfüllte Konrad mit Ehrfurcht und Hoffnung. „Konrad Elkarst. Durch die Beichte eines Mitbürgers bist du bist als Sünder vor dem Herrn benannt worden! Und als solcher in diesen schweren Zeiten nicht mehr würdig den Tempel des Herrn zu betreten. Betrittst du auch nur den geweihten Boden des Allmächtigen - sei es auch nur unser Gottesacker -, wirst du den Zorn der Kirche zu spüren bekommen. Daher bin ich hergekommen. Um der Beschuldigung mit aller nötigen Ernsthaftigkeit nachzugehen, werde ich dich einer Befragung unterziehen, zu der du auf die heilige Schrift schwören musst.“ Wer solch einen Schwur brach, dem half nicht Ablass noch Gebet um dem Höllenfeuer zu entkommen.Wie ihr wünscht.“ Konrad verneigte sich vor dem Pfarrer, dabei fiel sein Blick jedoch zuerst auf die Bibel – und dann auf das Papier in der Hand ihres Hauptmannes.

    Da traf ihn eine Eingebung wie ein Blitz. Alles mögliche stapelte sich in der Apotheke – so auch Gewürze, Wein und Papier. Das Papier! Die Hälfte der Dörfler vermochte nicht zu schreiben, nur eine Handvoll konnten sich solch feines Papier überhaupt leisten! Kaum ein fahrender Händler verkaufte Papier und wenn dann nur Lumpenpapier aus Stoff, denn die Apotheke hatte seit langem die Rechte am Verkauf. -Als Helfer und Wegbereiter der Mörder bist du genauso schuldig wie die, für die du arbeitest.- Werauchimmer das geschrieben hatte, war Teil dieser Sekte.
    Das Papier...“, flüsterte er während er eindringlich auf die Notiz in Ross Hand blickte. „Das Papier, Ross, das Papier!“ Zwei Hände griffen ihn grob an den Schultern und zerrten ihn fort zur Tribüne des Hauptmannhauses, wo er vom Pfarrer befragt werden sollte. Sein Blick blieb auf den Zetteln haften. Und er hoffte, das der Hauptmann verstand.

    Geändert von Viviane (25.03.2013 um 17:40 Uhr)

  10. #30
    Dünnbier also.
    Auf ein gepflegtes Frühstück um diese Uhrzeit ein schäumendes Getränk, das definitiv aussah wie das Zeug mit dem sich Konrad gestern Abend weggeschmort hatte.
    "Ich weiß ja nicht...", murmelte Lumi, während sie den bis zum Rand gefüllten Krug anstarrte und grübelte.

    Erfinder, Nonnen, im Gesicht tätowierte Möchtegern-Banditen - wo verdammt nochmal bin ich heir gelandet?

    Das Bier roch gut. Allerdings nicht gut genug, um sie spontan dazu zu bringen, mehr als einen Schluck zu probieren.
    Mh.
    Malzig.
    Aber nicht schlecht. Noch ein Schluck. Ein kleiner noch hinterher.
    Eienr ging noch.
    Ein großer noch, wäre ja unhöflich wenn sie etwas übrig lassen würde.
    "Ich stelle sie vor deinem Zimmer ab, Du kannst Dich daran bedienen und waschen…", hörte sie Brunhild sagen, als diese gerade wieder hereingekommen war mit einem rothaarigen Mädchen im Schlepptau, das sie als Luise vorstellte, und einer Kanne voller Wasser. Wie lange saß sie jetzt eigentlich hier? Zehn Minuten? Dreißig? Und warum wirkte alles so... so...
    "Gut!", sprach sie und kletterte mühselig vom Stuhl herunter. "Gut, gut, gut, gut!" Breit grinsend, nicht ganz betrunken, aber sichtbar angesäuselt schlenderte sie zu ihrem Zimmer und betrachtete die Kanne mit stechendem Blick. "Ich gehe dann mal jetzt...", sie deutete auf die verschlossene Tür. Sie war nicht betrunken. "... da rein." Pause, immer noch auf die Tür deutend, immer noch auf die Kanne glotzend. "Da rein." wiederholte sie. Und merkte, wie ihr das Dünnbier in den Kopf schoss wie Feuerwerksraketen.
    "Da rein."

    Schwankend, die Kanne in einer Hand neben sich tragend ging sie ins Zimmer und verschloss die Tür hinter sich. Musste ja nicht jeder sehen, wie sich eine Handvoll Wasser erst ins Gesicht, dann auf den entblößten Oberleib klatschte und sich all den Dreck der letzten Tage wegrieb als wären es ihre schlimmsten Gedanken. Heute würde sie versuchen zu verschwinden. Und anhand der lauten Stimmen die von draußen in die Taverne gekommen waren, musste ja etwas draußen los sein. Es interessierte sie zwar nicht wirklich, da sie vorhatte, sich von Hor-Ross Geld zu leihen (oder Konrad) und dann auf schnellstmöglichem Wege auf die Händlerroute südlich von hier zu kommen, aber man wusse ja nie. Vielleicht gab es noch eine andere Möglichkeit. Erfrischt und von oben bis unten immer noch nass (was sie im Dünnbier-Wahn nicht wirklich interessierte) wankte sie - deutlich frischer als noch vor ein paar Minuten - aus dem Zimmer und schaute kurz hinüber zu Brunhilda, die ein rothaariges Mädchen versuchte zu trösten, während ein brünettes Mädchen daneben saß.
    "Brunhilda?", fragte sie, doch die Wirtin schien gerade etwas geistesabwesend zu sein, "Zwei Dings...", sie hielt zwei Finger hoch, um allen im Raum anwesenden zu zeigen, dass sie rechnen konnte, "Erstens: Wer ist rothaariges Mädchen? Zweiter: Was geht da draußen vor?" Sie pausierte kurz, immer noch keine Antwort. "Jobb [Na gut], ich geh' gucken selbst. Und ich schwör...", sie deutete auf das rothaarige Mädchen. Ihr dämmerte gerade, wer sie war: Die Rothaarige die den Jungen mit der beschissenen Handschrift begleitet hatte, die Tochter von Analbert der nicht Analbert war sondern irgendwer anders der krank war, "Du hast zwar kein Seele, ne? Aber wenn Typ mit Dings im Gesicht dich wehgetan hat, ne? Ich schwör: Fogom ütni őt a rohadt csókoló [Ich box' ihm in seine scheiß Fresse]! Ich schwör, ich nicht stark, aber Schlag von Frau tut Mann in Ego und golyók [Eiern] weh!" Bei der Drohung schlug sie sich selbst mit der Faust in die flache Hand, was sie als sie zornig hinausging mit einem schmerzverzerrtem Gesicht quittierte. Doch bevor sie ging, wies sie Djángo mit eienr handgeste an, die Rothaarige zu beschützen. "Djángo ist WM. Wachmarder. Schwör. Bis gleich."

    Eine Menschentraube hatte sich gebildet auf dem Dorfplatz. Wie Moses das Meer teilte teilte Lumi die Menschentraube vor sich (u.a. Konrad der gerade Horst anpöbelte) und studierte, was auf dem Dorfplatz herumlag: Ein blutbesudeltes Schwert mit einer Nachricht, eine weitere Nachricht am Ankündigungsbaum - Mann, wusste derjenige der das angestellt hatte nicht, wieviel Papier kostete? Konrads Name stand darauf, dahinter ein Strich. Und NOCH EIN ZETTEL hing am Pfosten in der Mitte des Platzes, bei allen guten Geistern wieso soviel Papierverbrauch? Das machte Lumi jetzt noch rasender als sie schon so war. Sie hatte keine Verbindung zum rothaarigen Mädchen, aber hatte genügend ungesunde Beziehungen zwischen ihrer Mutter und allem möglichen Gesocks aktiv mitbekommen um zu wissen, wie schädlich so etwas sein konnte. Fußfetisch-Junge stand geistesabwesend da, während Konrad, ein Pfarrer-Typ (mit noch eine Zettel - bassza meg...), der Holzfäller-Typ und noch ein paar andere Typen kurz davor waren, sich entweder gegenseitig den Schädel einzuhauen, die Bibel abzuknutschen die der Pfarrer-Typ mit sich trug oder sich gegenseitig mit der Bibel die Schädel einzuküssen. Moment, was? Egal. Sie studierte das, was auf dem Zettel geschrieben stand. Kleinlaut murmelnd las sie sich selbst die Nachricht vor. Deutsch sprechen konnte sie um einiges schlechter als es lesen, aber selbst lesen fiel ihr schwer bei einem derartigen Krickelkrackel. "Warum musse alle in diese Dorf so eine scheiße Handschrift haben? Ich versteh' nicht!", murmelte sie nun etwas lauter, während sie weiterlas.

    Es ratterte im Kopf.
    Ratterte.
    Arbeitete.
    Deus lo vult.
    Das hatte sie schon einmal irgendwo gesehen. Oder gehört?
    Nee.
    Sie las den Zettel der am Schwert hing.
    Lumianer.
    Ihre Augen rissen so weit auf, dass die Augäpfel am liebsten aus dem Kopf herauskullern wollten.
    Ein leises "Kacke..." entglitt ihr. Noch nie hatte eine ihrer Prophezeiungen gestimmt. Noch niemals. Dieses Mal musste es ein schlechter Scherz sein der mit ihr gespielt wurde. Sie hockte da, schaute abwechselnd auf den Dolch, die eine Nachricht, die andere Nachricht, die beschissene Handschrift, es passte nichts zueinander und doch fügte sich alles zu einem homogenen Ganzen zusammen.
    "Szent rohadt szar.", flüsterte sie, den Tränen nahe. So unauffällig wie möglich stand sie auf und ging langsam zurück zur Taverne, auf dem Weg für einen Augenblick den Rothaarigen Tattooträger einen Blick zuwerfend, öffente leise die Tür und setzte sich stumm zu Brunhild und Luisa. In der Hoffnung, dass man ihr das Lächeln abkaufte, das sie so schnell es ging aufgesetzt hatte. Sie musste hier weg. Heute noch.

    "Ist ja gar nix los da draußen, hä?", sagte sie mit einem Anflug von Sarkasmus in der Stimme und strich all die Gedanken, die ihr gerade im Kopf herumspukten, zur Seite.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (25.03.2013 um 18:18 Uhr)

  11. #31
    „Konrad wird nicht gehängt werden. Weder heute noch an irgendeinem anderen Tag, das schwör ich Dir.“
    Brunhild wirkte als würde sie es genau so sehr zu sich selbst sagen wie zu Luise. Anscheinend war ihr der Gedanke, Konrad hängen zu sehen, nicht minder unangenehm als Luise.
    Schließelich wechselte die Wirtin nach einem Moment der Stille das Thema. Langsam sagte sie: „Ein Schiffsunglück …? Wenn Du tief verletzt wurdest, kann eine bittere Saat in Dir aufkeimen, wachsen und Dich mit der Zeit von innen her verzehren. Meine alte Mutter hatte mir das vor vielen Jahren einmal gesagt, naja, wie auch immer… Bei Noel ist genau das passiert, glaube ich. Aber seine aufgegangene Saat hat ihn noch nicht komplett verzehrt. Du magst vielleicht die Einzige sein, der gegenüber er das zeigt, aber es beweist, dass es noch… Hoffnung für ihn gibt.“
    Ein tiefes Einatmen war von ihr zu hören, als Konrad auf die Empore des Hauptmannhauses geschafft wurde.
    „Ja, es gibt noch Hoffnung…“
    Luise war sich dabei nicht so sicher. Allerdings wusste sie auch beim besten Willen nicht, was sie tun konnte, um Konrad zu helfen.
    Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, wurde Brunhild von dem fremden Mädchen angesprochen, welches gestern ins Dorf gekommen war. Das von Konrad ins Wirthaus gebracht worden war und ebenfalls den Abend in der Kneipe verbracht hatte. Sie hatte sich wohl mittlerweile gewaschen, wirkte sie doch etwas gepflegter als am vorigen Tag. Mit großen Augen hörte Luise zu, wie das Mädchen mit einem fremdartigen Akzent fragte, was da draußen los war und sich dann entschloss, selbst nachzusehen. Vorher wandte das Mädchen sich noch an Luise:
    "Du hast zwar kein Seele, ne? Aber wenn Typ mit Dings im Gesicht dich wehgetan hat, ne? Ich schwör: Fogom ütni őt a rohadt csókoló [Ich box' ihm in seine scheiß Fresse]! Ich schwör, ich nicht stark, aber Schlag von Frau tut Mann in Ego und golyók [Eiern] weh!"
    Luise war einen Moment lang sprachlos. Sie war es nicht gewohnt, dass Fremde ihr solche Aufmerksamkeit schenkten und dann auch noch so direkt waren. Daher brachte sie auch nur ein leises "D-danke..." hervor als das Mädchen ihr das Frettchen vor die Nase setzte. "Djángo ist WM. Wachmarder. Schwör. Bis gleich." Dann ging das Mädchen.
    Während Luise also
    über das weiche Fell des Frettchens strich, fragte sie Brunhild danach, was diese über die junge Dame wusste. Viel erfuhr sie nicht, aber anscheinend war der Name des Mädchens Lumi. Und, laut Brunhild war sie trotz ihres häufigen Gebrauchs von Flüchen eine durchaus nette Person.
    Sicherlich also kein Mitglied dieser Sekte. Allerdings konnte Luise sich bei niemandem im Dorf tatsächlich vorstellen, Anhänger einer ketzerischen Organisation zu sein, welche das Leben zahlreicher Menschen forderte. Doch laut dem Pfarrer musste es irgendjemand sein. Aber wer?
    Lumi war fremd und ihr Name verdächtig. Aber genau das wäre doch viel zu auffällig, oder?
    Ähnliches galt für Noel mit seiner permanenten Gesichtsbemalung, dem Wissen über die Sekte und seiner Unbeliebtheit bei den anderen Dorfbewohnern.
    Konrad... Er kam nicht in Frage. Egal, was der Pfarrer dachte, egal was die anderen Menschen dachten... Konrad war und blieb ein gottesfürchtiger, guter Christ, der den Menschen in der Not beistand.
    Aber wenn der Pfarrer so dachte... vielleicht dachten dann auch andere so. Der strenge Mann hatte großen Einfluss auf die Gemeinde. Und Luise, als scheues, mit dem Makel des feuerroten Haars gestraftes Mädchen, würde ihn wohl kaum umstimmen können.
    Aber... vielleicht gab es jemanden, der dies vermochte. Oder der zumindest die Leute besänftigen konnte. Und Luise hatte auch schon eine Idee, wer das sein konnte.
    Als Lumi zurückkehrte und sich setzte, drückte Luise ihr Djángo auf den Arm. Mit einem scheuen Lächeln sagte sie: "D-danke. E-er ist ein guter Wachmarder." Dann warf sie einen Blick in die Runde. "Ähm... vielen Dank, dass ihr mir so geholfen habt. I-ich würde nun gerne mit Maria sprechen. I-ich glaube, dass sie diese... S-situation... vielleicht etwas beruhigen kann."
    Bevor sie sich zur Kirche aufmachte, sagte sie noch zu Viktoria, die bisher stumm daneben gesessen hatte: "Ähm... i-ich würde später g-gerne einen Blumenstrauß für d-den verstorbenen Hauptmann machen. D-du kennst dich ja mit Blumen aus. Vielleicht machen wir das zusammen? A-aber nur, wenn du willst, n-natürlich", fügte sie eilig hinzu.
    Dann begab Luise sich zur Kirche, wo sie Maria alleine betend vorfand. Die Apothekertocher nahm all ihren Mut zusammen und sprach dann:
    "Ich bitte Euch, Schwester Maria. I-ich bitte Euch im Namen des Herrn und bei all seinen Engeln und Heiligen. Bitte, rettet Konrad!"
    Die Nonne blickte überrascht auf. Selten hörte man solch fordernde Worte aus dem Mund des jungen Mädchens.
    "Bitte!", wiederholte Luise mit purer Verzweiflung in der Stimme. "Ich werde alles tun, was Ihr wollt. Ich würde mich sogar selbst an seine Stelle setzen, wenn Ihr das für notwendig erachtet. Ich vertraue Euch. Ihr werdet im Namen des Herrn urteilen, das weiß ich." Tränen traten dem jungen Mädchen in die Augen, doch es blinzelte nicht, senkte nicht den Kopf. "Ich weiß, es ist eine große Bitte. Aber helft mir, weise zu handeln und Konrad zu retten!"

    Geändert von Zitroneneis (25.03.2013 um 21:32 Uhr)

  12. #32
    Peter stand an diesem Morgen früh auf. Die gestrige Versammlung auf dem Dorfplatz, die Nachricht vom Tode des Hauptmanns und die Wahl eines neuen sowie der anschließende Besuch im Wirtshaus mit Konrad hatte seinen ursprünglichen Tagesablauf gehörig durcheinander gebracht. Er war auf dem Felde lange nicht so weit gekommen, wie er es vorgehabt hatte. Das wollte er an diesem Freitag aufholen, damit er am geheiligten Wochenende keine Zusatzschichten schuften musste und stattdessen Zeit für die Familie hatte.
    "Ich schicke dir am Mittag Willi mit einem Brot vorbei. Dann musst du nicht extra heim kommen, sondern kannst auf dem Felde essen." sagte ihm Margarethe zum Abschied. "Und zieh dir das dicke Gewand über, es ist über Nacht wieder sehr kalt geworden." "Ich hoffe, der Boden ist nicht zu hart. Noch mehr Verzögerungen kann ich mir nicht leisten" entgegnete Peter und schich leise aus dem Haus, da die Kinder noch schliefen und er sie nicht wecken wollte.

    Doch er sollte an diesem Tage erneut nicht weit kommen mit seiner Arbeit. Der Acker war in dieser Nacht hart wie Stein geworden, da sollte keines seiner Werkzeuge durch kommen. "Na komm, mein Brauner" sagte er seufzend zu seinem alten Pferd "gehen wir nach Hause." Zu Hause angekommen, waren inzwischen auch die Kinder wach. Doch der kleinen Anna war der nächtliche Kälteeinbruch gar nicht gut bekommen. "Sie hustet und hat Fieber bekommen. Bitte Peter, kannst du eiligst zum Apotheker gehen und nach Medizin für sie fragen? Ich weiß nicht, ob ich es selbst in den Griff bekomme." Und so machte sich Peter auf den Weg ins Dorf und noch bevor er die Apotheke erreichte, wunderte er sich über die erneute Versammlung auf dem Dorfplatz. Anscheinend war eine Diskussion ausgebrochen.

    "Also gut, dann soll es so sein. Wir treffen uns heute Abend alle wieder hier auf diesem Platz und dann entscheiden wir, wer von uns als Lumianer enttarnt werden soll. Ich will jeden dann jeden sehen, der gestern bei der Wahl dabei war. Außerdem soll Konrad erklären, was es mit dieser Stimme auf sich hat. Sprecht das im Dorf herum." vernahm er die Worte des neues Hauptmanns Ross. "Falls irgendwer etwas weiß, falls irgendwer etwas gehört hat, will ich dass er es mir mitteilt. Das letzte, was ich will, ist einen Unschuldigen zu opfern." mit diesen Worten wollte er den Platz verlassen, blieb jedoch noch einmal kurz stehen "Ich werde Anweisungen geben lassen, den Marktplatz nach Hinweisen abzusuchen. Wenn das erledigt ist, wird hier der Galgen aufgebaut werden. Ich bitte, nein als Hauptmann befehle ich ausdrücklich, dass alle heute Abend hier zu erscheinen haben, um abzustimmen, wer sich nicht daran hält, macht sich verdächtig"

    Lumianer? Galgen? Peter verstand nicht, um was es ging und wendete sich daher an den neuen Hauptmann "Ross, was geht hier vor? Es soll jemand an den Galgen gehängt werden? Wer würde so eine gottlose Tat vollbringen?" Daraufhin zeigte ihm Ross die Nachrichten des Pfarrers und der Lumianer. "Ja Herrgottzeiten noch mal!" entfuhr es Peter, als er von der Anwesenheit der Sekte im beschaulichen Düsterwald hörte. Ungläubige. GottIose Ketzer. I hob's ja geahnt. murmelte er vor sich hin und seine Gedanken wanderten als erstes zu Noel. Er war ihm schon immer sehr suspekt gewesen. Es würde Peter in keinster Weise wundern, wenn er dieses Unheil in das Dorf gebracht hatte.

    In diesem Moment kam auch Konrad dazu und bat sie sich um Luise zu kümmern, sollte sich das Dorf gegen ihn entscheiden. Konrad? Wer würde ihn beschuldigen? Er begegnete ihm jeden Sonntag in der Kirche. Er war doch kein Ketzer, kein Anhänger einer gottlosen Sekte. Aber warum behauptet der Pfarrer...? Peter starrte gedankenverloren vor sich hin und bekam dabei gar nicht mit, wie Konrad den Hauptmann auf das Papier aufmerksam machte.

    Geändert von Layana (25.03.2013 um 21:06 Uhr)

  13. #33
    Patricia tappste durch das Dorf. Wobei tappsen in dieser Aufmachung wohl das falsche Worte war. Jeder Schritt hörte sich an, als würde der Alteisenhändler sein Lager renovieren.
    Im Dorf herrschte Bärenstimmung. Von dem was sie aufschnappen konnte, machten sich die Leute Sorgen um einen Fetzen Papier, ein Schwert und irgendwelche Sektenspinner, die dem Dorf Gewalt androhten.
    Meinten die damit den rothaarigen Kleiderständer? Der hatte doch gestern immerhin auf offener Straße einen alen Mann echt unsanft angepackt. Den Mann hatte sie danach auch nicht mehr gesehen.
    Die ganze Nachdenkerei machte echt hungrig. Was mit Honig wäre jetzt toll, brummte Patricia in sich hinein und machte sich auf den Weg.
    Auf dem Dorfplatz stand der Kleiderhaken inmitten einer Menschentraube und keifte hysterisch herumfuchtelnd herum. Patricia fühlte sich bestätigt und trottete weiter, zur Taverne.

    Geändert von WeTa (25.03.2013 um 21:59 Uhr)

  14. #34
    Noel saß jetzt seit zwei oder drei Stunden stumm auf der Bank und döste vor sich hin. Langsam wurde es spät und damit kühlte es auf. Allmählich hatte er keine Lust mehr, hier herumzuhängen, also dachte er über Alternativen nach.

    Zuhause, Bibliothek - Zu weit entfernt. Er musste ja bei dieser lästigen Wahl dabei sein.

    Freunde besuchen - Nun, wohl eher nicht.

    Das Wirtshaus - Grmbl. Es war gerade gut besucht, und sich in einem Wirtshaus die Kante zu geben, war so gar nicht sein Gefallen. Allerdings fiel ihm nichts Anderes ein und es konnte auch nicht schaden, sich mal ein Bier zu gönnen. Stumm erhob sich der tätowierte Junge und schlurfte in Richtung des vor Lichtern glühenden Gebäudes los.

    Folgst du schon wieder Luise? Du solltest vielleicht wissen, wann es vorerst genug ist. Deine Ansprache war in der Hinsicht ein Holzhammer, wenn du verstehst.

    Ja, Noel verstand. Auch wenn er sich zurückgehalten hatte, das musste für die Kleine Elfe ein anmaßender Kontrast gewesen sein. Aber es half nichts; Irgendwann hätte sie so oder so davon erfahren, was für eine wahnsinnige Bestie er ist.

    Ich will nicht zu Luise. Mir ist es hier zu ungemütlich. Ein Bier sollte auch für mich nicht so schwer zu ertragen sein.

    Na fein. Vielleicht fällt ja ein saftiger Braten für mich ab.

    Ist der Himmel kirschrot?

    ...

    Stumm öffnete Noel die hölzernen Türen der Schenke. Das Bild, dass sich ihm bot, war angenehmer als erwartet: Es war nicht so voll wie er gedacht hätte, vereinzelt saßen Leute an den runden Holztischen oder spielten Zillard, seine Elfe war nicht hier, was Noel durchaus gut passte. Die Wirtin verteilte gerade Bier, der Thresen war hingegen vollkommen unbesetzt. Also entschied Noel sich, dort einen Platz zu suchen.

    Er hatte sich kaum gesetzt, da kam ihm die Wirtin mit argwöhnischer Miene entgegen. Bevor sie den Mund öffnen konnte, um etwas zu sagen, schnitt Noel ihr ruhig das Wort ab.
    "Jeder Gast ist ein willkommener Gast. Ist es nicht so?"

    Das war das Motto deutscher Wirtshäuser. Brunhild wollte etwas erwiedern, aber für einen Moment schienen ihr die Worte zu fehlen. Noel hatte getroffen. Zähneknirschend begab sie sich hinter ihren Thresen und fragte mit zusammangepressten Zähnen, was er haben wöllte.

    "Ein Bier, wenns genehm ist. Möglichst süß, ich mag keine bitteren Dinge. Das süße Bier der großen Städte ist hervorragend, ich bin gespannt, einen Vergleich zu ziehen."
    Der Hauch Spott, den Noel in seine Aussage legte und das wirklich, wirklich, wirklich gut versteckte Lächeln waren eher unbeabsichtigt.

    Einige Minuten später hatte er einen großen Krug des Getränkes vor sich stehen. Da sah er sich um; Deus hatte es sich in einer Ecke der Taverne gemütlich gemacht, und Noel schloss, dass es kein Zufall war, das ebenjene Ecke dort lag, wo man einen formidablen Ausblick auf jenes hatte, was unter den Röcken der in der Nähe sitzenden Maiden lag. Kopfschüttelnd wandte er sich seinem Bier zu und nahm einen Schluck.
    Nicht übel.

    Noel hatte den Krug kaum abgestellt, da setzte sich eine kleine Gestalt neben ihm. Blonde Haare, ein schmutziges Gesicht und ein kleines Wiesel auf der Schulter erinnerten ihn schnell daran, dass es sich um die Streunerin von gestern handelte. Die beiden sahen einander einige Sekunden stumm in die Augen, bis Lumi das Wort eröffnete.
    "Du guckst so wie ich mich gerade fühle. Solange du mir nur in Augen guckst und nicht auf Füße ist alles gut, ja."

    Noels rechte Augenbraue zog sich fragend in die Höhe. Dennoch war die Anwesenheit der Göre ihm nicht unangenehm. Ja, warum nicht etwas Zeit mit ihr totschlagen.
    "Hm. Hey, ich lade dich ein, Mädchen. Was willst du trinken? Saft? Tee? Milch?"

    Sie gab ein "Pfff..." von sich und lehnte sich grinsend zurück. "Saft zu bitter, Milch zu fad, von Tee krieg ich Blähungen. Entweder Wasser oder Bier, such dir eins aus wenn du nicht sterben willst wegen halálos fingás [tödlicher Fürze]." Einen Moment später klärte sie ihn auf. "Fürze die töten. Willst du nicht, echt. Also lieber Wasser oder Dünnbier, such' dir was aus, bin gerade zu sehr-"

    "Ist ja gut, in Ordnung."
    Noel lachte kurze leise auf.
    "Du bist amüsant, weißt du das, Löckchen? Wirtin, Einmal ein kräftiges Bier für den Schmutzfink hier!"
    Noel warf der missmutigen Brunhild ein paar weitere Goldmünzen hin, worauf Lumi ihr Getränk bekam.

    "Was ist los mit dir? Genervt von den Dorfbewohnern? Schlechten Tag gehabt? Oder ist dein Tier an Würmern erkrankt?"

    "Nein zu alles.", stöhnte sie, nachdenklich ins Leere schauend. Bedanken konnte sie sich ja immer noch wenn das Bier dann mal leer war. "Aber kennst du das, wenn du irgendwas sagst was du nicht ernst meinst und dann plötzlich sieht's so aus als ob genau das passieren würde?" Noch einmal seufzte sie leise. "So wie wenn du jemandem aus Spaß sagst 'Ich hoffe du hast morgen Unfall.' und dann hat er am nächsten Tag Unfall - so in etwa."

    "Hm. Gewissermaßen."
    Noels Blick sank auf sein silbernes Amulett, mit den Gedanken woanders.
    "Hast du jemanden verloren, der dir wichtig ist? Woher kommst du, Mädchen? Oder redest du... davon?"
    Noel deutete mit dem Finger auf die Tür des Wirtshauses, etwa in die Richtung, in der das Schwert steckte.

    Als Reaktion kam nur ein Schulterzucken. "Irgendwie beides. Irgendwie nicht. Ist kompi-komplis-kom..."

    "Kompliziert?"

    "Igen [Jepp], genau das. Wer hat nicht Angst vor Dolchen mit Blut dran und komische Zettel wo so kruptischer Kram draufsteht, ja? Und alles nachdem euer Analbert-Hauptmann tot ist. Ist merkwürdig, oder? Ist wei das eine Mal, wo..."
    Sie hatten gerade die Zelte aufgeschlagen.
    "... das war..."
    Ein Speer mit Blut an der Klinge steckt im Boden. Daneben er. Leblos.
    "... mit sowas."
    Eine Spur in Form eines Kruzifixes in den Staub gemalt.
    Sie rührte mit dem Zeigefinger im Bierschaum herum, während sie gedanklich abschweifte. "Entschuldige, ich bin nur... bei sowas wird mir..." Sie räusperte sich udn hob den Krug an zum Prost. "Darauf, dass es nciht noch schlimmer wird, ja?"

    Noel lächelte seicht. Das Mädchen war ihm sympathisch, und sei es nur, weil es ihr nicht besser ging als ihm.

    "Ist schon in Ordnung."
    Damit stieß er mit ihr an, trank das süße, goldene Gebräu, woraufhin eine kurze Stille zwischen den Beiden einsetzte.

    "Hey."

    Das Mädchen sah auf.

    "Wie ist dein Name? Dich immer nur Schmutzfink, Göre oder Blondlöckchen zu nennen, ist mir zu mühsam. Ich heiße Noel."


    "Lumi-", sie beendete abrupt. Ihr voller Name war mehr oder weniger ein böses wandelndes Omen.

    "Nun, dann pass auf, Lumi. Ich achte schon darauf, dass man dir nicht deinen noch jungen Hintern aufreisst. Es wäre ein Verschwendung von unbeschmutztem Leben, dich zu richten. Zumal ich dir nicht zutraue..." , Noels Blick fuhr hinüber zu Deus, der die beiden grinsend beobachtete, "dich solchen Narren anzuschließen. Da scheinst du mir entschieden zu vernünftig. Also passe ich auf dich auf."

    Lächelnd tippte Noel ihr mit dem Zeigefinger sanft gegen die Stirn.


    "Ich bin großes Mädchen, aber danke. Für Bier.", sagte sie mit dem Anflug eines Grinsens auf dem Gesicht. "Solltest öfter nett sein, steht dich viel besser als dich zu benehmen wie seggfej. Äh, wie Arschloch." Pause. "Tut mir leid wegen 'Arschloch'."

    Affektiv hielt Noel sich die Hand vors Gesicht, kicherte er doch ungewohnt herzhaft los. Verflucht, was war das?
    War er plötzlich ein gottverdammter Optimist?
    Noel wollte gerade weitersprechen, als krachend die Tür der Taverne auffiel.

    "Es geht los! Es geht los!"
    Der Bauer schluckte bedeutungsschwer.
    "Die Hinrichtung. Die Wahl des Hängenden. Sie beginnt! Alle auf den Dorfplatz!"
    Und damit verschwand er auch schon Richtung besagten Platzes.

    Noels Blick wurde wieder ernster. Jetzt ging es los.
    Stumm nickte er Deus zu, welcher sich schon erhoben hatte.
    Noel umfasste sein silbernes Amulett, drückte einen gehauchten Kuss darauf und wandte sich ein letztes Mal Lumi zu.
    "Also dann Lumi,"
    Er zwinkerte ihr zu.
    "Lass uns sehen, wer gleich vom Holze baumelt und hoffen, dass wir es noch sehen werden."

    Und damit trat der junge Mnn auf den dunklen Platz, vielleicht seinen letzten Gang machend. Deus schritt an seiner Seite.
    Doch wenn es sein letzter Gang war... wüsste er schon ganz genau, wie er sterben wöllte.
    Nicht durch das Seil.
    Nicht durch die Meute.





    Durch eine kleine, herzensreine Elfe mit wundervollen, roten Haaren.

    Geändert von Holo (26.03.2013 um 00:09 Uhr)

  15. #35
    Maria war immer noch ins Gebet vertieft, und bemerkte kaum, dass Luise die Kirche betrat und sich neben sie stellte. Erst, als das rothaarige Mädchen sprach: "Ich bitte Euch, Schwester Maria. I-ich bitte Euch im Namen des Herrn und bei all seinen Engeln und Heiligen. Bitte, rettet Konrad!" blickte Maria überrascht auf. Sie spürte die Dringlichkeit des Wunsches, zumal Maria auch von Luises familiärer Beziehung zu Konrad wusste, und fing an, nach Worten zu suchen, die dem Mädchen helfen würden. Jedoch sprach Luise weiter, ehe Maria antworten konnte.
    "Bitte! Ich werde alles tun, was Ihr wollt. Ich würde mich sogar selbst an seine Stelle setzen, wenn Ihr das für notwendig erachtet. Ich vertraue Euch. Ihr werdet im Namen des Herrn urteilen, das weiß ich." Maria wusste zunächst nicht genau, wie sie sich formulieren sollte, als sie die Traurigkeit erkannte, die in Luises Augen lag. Voller Tränen standen sie, und so wie die Lage aussah, würde es eine Weile dauern, bis das Mädchen wieder Sorglos vor sich hin leben dürfte. Luise redete weiter in Marias beginnenden Gedankengang hinein: "Ich weiß, es ist eine große Bitte. Aber helft mir, weise zu handeln und Konrad zu retten!"

    Maria würde sich sehr freuen, wenn das Apothekermädchen überhaupt jemals wieder sorglos leben könnte, denn wer weiß, welche Leben diese Sekte in den nächsten Tagen kosten würde. Vielleicht nur noch die der Sektenmitglieder, vielleicht auch die aller Unschuldigen. Es war ein so furchtbarer Gedanke, dass Maria schlecht dabei wurde. Wo war dieses ansonsten so friedliche Dorf da nur reingeraten? ... Eins stand jedoch fest: Wenn einer helfen konnte, die Lumianer aufzuspüren, und das schlimmste zu verhindern, dann vermutlich Noel. Er schien Erfahrung mit ihnen zu haben, hatte er ja nach eigenen Angaben mit den Lumianern bereits zu kämpfen gehabt.
    "Luise", begann Maria schließlich, und blickte ihr tief in die traurigen Augen. Jetzt galt es, dem Mädchen wieder Mut einzubringen, denn die Stimme des Pfarrers entsprach nicht der Meinung aller Dorfbewohner. "Es gibt da diesen Psalm, den ich erst vorhin wieder gelesen habe:
    'Mit Tränen bringen wir die Saat aus, doch jubeln dürfen wir, wenn die Zeit der Ernte kommt.'*
    Ich sehe, dass es dir zurzeit nicht allzu gut geht. Ich brauche dich nicht einmal dafür anzusehen, nein. An deiner Stimme ist es zu hören, und wer deine Situation kennt, der braucht nichtmal deine Worte dazu. Aber auch die nächsten Tage werden keine schönen sein. Und jede Wahl, die wir treffen, wird uns im innersten Schmerzen, denn dies bedeutet jeden Abend ein weiterer Abschied. Hoffentlich erwischen wir die richtigen Personen, also diejenigen, die verbergen, ein Lumianer zu sein. Aber genau wissen werden wir es erst hinterher."

    Luise schien merklich betroffen zu sein, sodass Maria dem Bedürfnis, diesem schwachen, hilflosen Wesen eine schützende Umarmung zu geben, weder widerstehen konnte noch wollte.
    "Ach, meine liebe Luise. So mach dir doch nicht so viel Sorgen um ihn. Ich kann nicht oft genug wiederholen, dass ich fest von Konrads Unschuld überzeugt bin. Er ist ein pflichtbewusster, stattlicher Mann von großer Güte und Treue und er möchte die gewiss Lumianer mit ebenso großem Interesse verjagen, wie wir alle. In der Bibel heißt es 'Gottes Wege sind vollkommen. Er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen.**' - Konrad ist einer von uns, der Gott vertraut. Deswegen vertraue ich Konrad." Die Nonnige ließ los, ergriff stattdessen Luises Hände und sah sie Luise erneut an, diesmal mit einem festen und entschlossenen Blick.
    "Das ändert natürlich nichts daran, dass er bereits eine Stimme auf dem Wahlzettel bekommen hat. Denke daran, dass eine Stimme allein nicht gilt, sondern alle Stimmen, die am Abend zusammen kommen, zählen. Heute Abend werden wir gemeinsam einen aus unserer Reihe bestimmen müssen - auch du wirst eine Wahl treffen - wer das Dorf als Lumianer verlassen muss. Der Pfarrer muss einem Irrtum unterliegen, vielleicht vertraut er selbst dem Falschen. Wer weiß wer diese Person ist, die das Vertrauen des Pfarrers so stark innehält, dass dieser sogar den Treuen Konrad wählt. Hast du gehört, was Noel erzählt hat? Anscheinend hat er sie früher schon einmal bekämpft." Maria blickte bei dem Gedanken an Noel, der ihr immer noch ein wenig unbehagen bereitete, einen Moment zum Kirchenfenster, durch das, bunt gestreut, schwaches Tageslicht hineinfiel, und sah dann wieder Luise ins Gesicht. "Die Lumianer sind vermutlich sehr trickreich und erfahren, denn laut unserem Bibliothekar haben sie bereits viele Leute in die Irre geführt. Wer weiß, ob nicht ein Lumianer mit dem Pfarrer gesprochen hat. Ein Lumianer, der jetzt versucht, das furchtbare Werk seiner Sekte anzutreiben, und umso mehr Menschen leiden zu sehen."
    Einen Augenblick fehlten ihr weitere Worte, doch sie besann sich ihrer Nonnigkeit und versuchte, noch ein wenig mehr zu sagen, was Luise helfen könnte.
    "Konrad macht sich um dich gewiss genauso viele Sorgen wie du dir um ihn. Aber wenn du ihm helfen willst, bleibt dir kaum etwas anderes übrig, als jemand anderen dafür zu wählen. Luise. Ich kann dir nicht sagen, wen du wählen sollst. Dies ist eine schwere Wahl, die auch ich bisher nicht treffen konnte und die mir auch noch sehr schwer fallen wird." So langsam wurde Maria bewusst, dass sie sich wiederholte. Doch vielleicht war das ganz gut so, denn sie empfand es als wichtig, was sie versuchte, Luise mitzuteilen, und wiederholungen sollen ja bekanntlich besser im Gedächtnis bleiben.

    Erneut läuteten die Glocken und Maria blickte in die Richtung, in der etwa die Glocken hängen dürften, die man vom Kirchraum aus nicht sah. Nach dem das Geläut verklungen war, führte sie ihren Monolog zu Ende, Luises Hände immer noch haltend:
    "Aber wenn ich dir einen Rat geben darf, der aus dem tiefsten Herzen einer Nonne kommt, dann bedenke folgende Worte: Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns."


    --------------------------
    * (Psalm 126,5)
    ** (2.Samuel 31)

    Geändert von Wencke (26.03.2013 um 00:27 Uhr)

  16. #36
    "Nein, Mädchen! Gewöhnliches Schmiederwerk. Könnt' von überall sein." Die raue Stimme des dickwanstigen Schmieds kratzte in ihren Ohren. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte er das Schwert vor sie und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Merete nahm es an sich, doch beschloss, es alsbald loszuwerden. In Anbetracht der Umstände würde es ihrer Geltung schaden, mit einer blutigen Klinge durch das Dorf zu schreiten.

    Lass sie mich nicht verdächtigen!, dachte sie still und appellierte an ihren Verstand. Wenn sie nur ihr Bestes tat, die wahren Täter ausfindig zu machen, würde niemand sie beschuldigen. Doch andererseits: Hatte sie es in der Hand? So wie sie es verstand, war nahezu jeder in diesem Dorf rechtschaffen. Und dennoch - jemand würde verurteilt werden. Und würde es nicht erst die Ungläubigen treffen? Sie, die sie annähernd ihr gesamtes Leben damit verbrachte, vor der unbarmherzigen Gewalt der Kirche zu fliehen? Und selbst wenn sie das Vertrauen der Gemeinde besaß - davor, Ziel der blutrünstigen Sekte zu werden, bewahrte es sie nicht. Eine Kämpferin wie sie würde heimtückisch im Schlaf gelyncht werden, ehe sie sich im Kampf den Feinden stellen könnte.

    Den Besorgnis verbergenden Blick stolz nach vorne gerichtet stieß sie - das Schwert im Gürtel verankert - zu der kleiner gewordenen Masse am Brunnen, blickte sich um. Kaum vorstellbar, dass einer dieser Menschen ein falsches Spiel spielte. Freiwillig den Frieden, die angenehme Stille vom Dorf zu nehmen, schien der verwaisten Jägerin töricht. Wer würde so etwas wollen? Welche Vorteile brächte es mit sich, Dorfleute zu töten, sie gegeneinander aufzubringen, wenn man doch einer von ihnen war? Konnte allein der Hass Menschen so weit treiben?

    "Hauptmann!", rief sie und ließ ihren Blick starr auf dem neu gewählten Vertreter liegen, während ihre Beine sie zügig in seine Richtung trugen. Sie wiederholte den Ausruf zwei mal, je näher sie ihm kam, da er drauf und dran war, den Dorfplatz in Richtung des Haupthauses zu verlassen. Erst spät erlangte sie seine Aufmerksamkeit, blieb mit beiden Beinen vor ihm stehen, zog den linken Fuß hoch, um den Halt nicht im schlammig gewordenen Untergrund zu verlieren, während der harte Regen erbarmungslos ihr Haar, ihre Haut und den noch zu dünnen Stoff über dieser auspeitschte. "Hauptmann. Der Dorfschmied konnte mir nur wenig über die Klinge verraten. Sie sei gewöhnlich, ihre Herkunft nicht auszumachen", waren ihre Worte, gefolgt von einem raschen, jedoch vorsichtigen Herausziehen des Schwertes aus dem Leder, welches ihre Hüfte umspannte. "Wohl ist es in Ihrer Hand am tauglichsten aufgehoben, Hauptmann!", fügte Merete hinzu und bot ihm den Griff des Schwertes an, indem sie es - die Klinge vor ihrer eigenen Brust - von sich hielt, die schmutzigen Hände als Sockel für die Schneide benutzend.

    Geändert von MeTa (26.03.2013 um 00:28 Uhr)

  17. #37
    Ross hatte erst gar nicht gemerkt, dass er den Zettel in der Hand trug, bis Konrad ihm etwas entgegenwarf, was Ross aber nicht gleich verstand. „Das Papier, Ross, das Papier!“ ja natürlich, Ross hielt den Zettel in der Hand und was war da jetzt so besonders? Bevor er noch einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, tauchte plötzlich die Jägerin Merete auf und begann über das Schwert zu reden. Danach hielt sie ihm dieses hin. "Wohl ist es in ihrer Hand am tauglichsten aufgehoben, Hauptmann!"

    Ross war zuerst verwirrt, nahm nach einigem Zögern aber die Klinge entgegen. "Eine gewöhnliche Klinge? Das Material vielleicht, aber seine Existenz ist eine Kriegserklärung an uns und ich will nicht in Händen halten, was mit den schmutzigen Händen des Feindes besudelt wurde. Aber als Beweismittel ist es sicherlich dienlich." dann fügte Ross noch hinzu "Konnte der Schmied noch irgendwas anderes dazu sagen? Wo die Waffe herkam zum Beispiel?" dann erinnerte Ross sich an etwas anderes "Es klebte doch Blut an der Klinge, nicht war? Wenn wir herausfinden, wessen Tier damit getötet wurde, können wir vielleicht herausfinden, wo sich diese Lumianer versteckt haben...dort wo sie das Tier abgeschlachtet haben, müssen Spuren sein."

    Jetzt richtete Ross seinen Blick auf den Zettel, der noch immer in seiner Hand lag. "Ich werde jetzt diesen Konrad verhören, du Merete suchst dir ein paar Leute und fragst bei allen Bauern nach, die Vieh besitzen. Wenn sie Verluste beklagen, schaut euch in der dortigen Umgebung nach Spuren um." der Rest war mehr ein Selbstgespräch "Der Rest soll sich um den Galgen kümmern. Außerdem muss jemand den Pfarrer bei Laune halten..." seufzend bedeutete Ross mit einer Handbewegung Merete, dass sie sich beeilen sollte. Danach gab er noch ein paar Anweisungen an einige der Anwesenden, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatten, den Galgen aufzubauen, bevor er letztlich dem Pfarrer hinterhereilte.

  18. #38
    Mit einem höflichen Nicken nahm sie die Aufgabe an, die der Hauptmann Merete zuteil werden ließ, ohne sich sicher zu sein, ob dieser jene Geste noch erkannte, wies er doch bereits weitere Dörfler an, sich um den Galgen zu kümmern. Der Gedanke an das verordnete Töten gefiel ihr nicht, beängstigte sie gar. Würde erst Blut auf dem Grund dieser Gemeinde vergossen, wären die Flammen der Angst tief in den Herzen der Überlebenden verankert, würden sie zu hasserfüllten Bestien machen, die sich selbst in ihrer Mordlust auf eine Stufe stellten mit dem, was sie jagten.

    Unzählige Menschen hatte sie getötet. Doch kam dies stets nur dann in Frage, wenn ihr Leben - oder das eines Freundes - unmittelbar bedroht war.

    Nicht zuletzt, um in der Suche nach den Lumianern ihr Übriges zu leisten und die Gedanken an das Töten Unschuldiger abzuwimmeln, machte die Jägerin sich auf, die Viehwirte dieses Dorfes zu befragen. Ihr Weg führte sie zum Haupthaus, an dessen Südseite sie einen der Läufer entdeckte, gar jenen, der ihr am Vortag von der Versammlung berichtete, bei der der junge Mechaniker sie und die anderen über den Tod des Hauptmannes aufklärte. Der junge Bursche schien vertieft in ein Gespräch mit einem jungen Mädchen, das ihr blondes Haar zu zwei Zöpfen geflochten hatte und sich neben dem - das Gemäuer leicht überragenden - Dach des Verwaltungsgebäudes nur durch den dünnen, doch edlen weißen Stoff des Tuchs, welches ihr Haupt bedeckte, vor dem Regen schützte.

    Das laute Fauchen des Niederschlags verwehrte Merete, selbst Fetzen der Konversation aufgreifen zu können, doch als sie näher trat und ihr Fuß lautstark Wasser aus einer größeren Pfütze verdrängte, erschraken beide. Das Mädchen lief ohne jegliche Verabschiedung davon und hinterließ einen Botenjungen, der die Bogenschützin nun ertappt dreinblickend ansah. Ihre Verwirrung verbergend erhob sie das Wort, sprach lauter, um die Oberhand über das Prasseln des Regens zu gewinnen.

    "Ich habe Anweisung des Hauptmannes, die Bauern dieses Dorfes zu ihrem Vieh zu befragen. Wenn es eine Liste gäbe, die sämtliche Zuchten samt der ihnen zugehörigen Wirte enthielt, so bäte ich darum, sie zu sehen." Zuerst noch untersuchend an die leere Stelle zwischen den zwei Hütten blickend, hinter denen das Mädchen verschwunden war, fasste sich der Dorfläufer schließlich und schenkte Merete ein befreiendes Nicken. Für wenige Momente verschwand er im Inneren des Haupthauses und kehrte mit einem Schriftstück zurück.

    Sie bat den Jungen, ihr einen Auszug der Liste vorzulesen und wies ihn an, im Auftrag des Hauptmannes andere Helfer zu finden, die die verbleibenden Viehwirte nach dem Zustand ihrer Tiere befragen sollten. Er nickte hörig und ließ sie einen der Namen wissen.

    Peter Eichmann!, rekapitulierte Merete anschließend in ihren Gedanken und machte sich auf den Weg, ihn zu finden. Ihr Interesse an den Menschen war erst frisch, doch verband sie das Bild eines stämmigen, braunhaarigen Mannes mit dem Namen. So suchte sie - durch die kalte Nässe schreitend - das Dorf ab, wurde abermals am Platz beim Brunnen fündig, so glaubte sie.

    "Peter Eichmann!", wiederholte sie, erneut lautstark gegen die akustische Gewalt des Unwetters ankämpfend, trat dabei auf den Mann zu, den sie für den entsprechenden Bauern hielt. "Der Hauptmann schickt mich!"

    Geändert von MeTa (26.03.2013 um 01:19 Uhr)

  19. #39
    Einen Moment lang stand Luise einfach da, ihre Hände in Marias, und ließ sich die Worte der Nonne durch den Kopf gehen.
    Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns.
    Luise glaubte, den Satz zu verstehen, obwohl sie selbt Schwierigkeiten hatte, jemanden einer Schandtat zu bezichtigen.
    Doch sie hatte schon oft gesehen, wie Erwachsene sich gegenseitig mal mehr, mal minder üble Beschuldigungen an den Kopf warfen, wenn es Probleme gab. Und oft genug stellte sich heraus, dass sie genau das Verhalten am Gegenüber kritisierten, was ihnen selbst zu eigen war.
    Somit war es auch durchaus möglich, dass jene, die zuerst begannen andere als Lumianer zu beschuldigen, selbst solche waren.
    Aber würde Luise sich nicht selbst schuldig machen, indem sie jemanden wählte, ohne Beweise zu haben, dass er wirklich einer dieser bösartigen, menschenverachtenden Ketzer war?
    Sie sollte dies im Hinterkopf behalten. Denn selbst wenn das Dorf einstimmig jemand anderen als Konrad bestimmen würde, und selbst wenn sich der Gewählte als einziger Lumianer im Dorf herausstellen - selbst dann hätte Luise Mitschuld an seinem Tod. Selbst wenn der Lumianer den Tod verdiente, sein Blut würde dennoch auch an Luises Händen kleben. Einem Menschen seine Wahlstimme zu verleihen, bedeutete den Versuch, ihn zu töten. Sie durfte nicht vergessen, dass auch Entscheidungen einer Gruppe nicht die Sünde des Einzelnen entschuldigen.
    Dennoch war sie Maria dankber. Die Nonne vermochte vielleicht selbst nicht genau zu sagen, wer hier der Schuldige war oder wer in Frage kam. Doch ihre Worte waren tröstlich und gaben Luise Hoffnung, dass auch andere von Konrads Unschuld überzeugt waren. Und sie ließen hoffen, dass womöglich sogar der Pfarrer sich manchmal irrte. Es war die richtige Entscheidung gewesen, Luises Gedanken und Gefühle der Nonne anzuvertrauen. Immer schon hatte man Schwester Maria vollstes Vertrauen entgegenbringen können. Und Luise würde genau dies auch weiterhin tun.
    Mit einem dankbaren Lächeln ließ das Mädchen die Hände der Nonne los und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    Dann sprach sie mit wieder gestärkter Stimme: "Ich danke Euch, Schwester Maria. Ich bin sicher, dass Ihr recht habt, mit Eurer Einschätzung. Der G-gedanke einen anderen Menschen dem T-tode zu weihen... e-er gefällt mir gar nicht." Luise schluckte schwer und fuhr dann fort: "Aber es ist wohl tatsächlich notwendig, um Unschuldige zu schützen... ehrliche Menschen wie Konrad." Dann warf sie einen Blick auf den Altar und sagte: "Ich würde gerne mein Gebet verrichten. D-danach möchte ich mich, bevor die Wahl beginnt, noch mit Noel sprechen. E-er mag ein... M-menschenhasser... sein, aber e-er hat sicher einen Grund dafür u-und i-ich glaube nicht, dass er sein Wissen um die Lumianer so öffentlich teilen würde, w-wenn er selbst einer wäre."
    Nach diesen Worten kniete sie sich vor den Altar, faltete ihre Hände und schloss ihre Augen.
    Luise mochte diese Kirche. Sie war klein und beschaulich und durch die Buntglasfenster fiel stets ein warmes Licht. Sie war so anders als jene gewaltige Kathedrale, welche Luise als kleines Kind betreten hatte, während sie mit ihren Eltern zu Besuch in einer großen Stadt gewesen war. Die Steine waren von einem Kalten grau gewesen und die Decken so hoch, dass Luise alleine vom bloßen Ansehen schwindelig geworden war. Es hatte sort auch Buntglasfenster gegeben, viele sogar. Aber das durch sie hindurchfallende Licht hatte nur die graue Kälte, das ständige Dämmerlicht und die schreckliche Leere betont. Luise hatte sich verloren gefühlt und war glücklich gewesen, wieder auf die belebte, sonnenbeschienene Straße zu treten.
    Und dieser Eindruck war nichts gewesen, im Vergleich zu der Bedrohlichkeit, welche die hohen steinernen Wände nachts ausgestrahlt hatten...
    Aber das war im Augenblick unwichtig. Wichtig war, dass Luise nun ihr Gebet sprach und sich danach zu Noel aufmachte, bevor die Wahl begann.
    Leite mich. Lass mich den richtigen Weg finden. Alles worum ich bitte, ist jetzt ein gerechtes Urteil. Bitte beschütze deine treuen Diener und führe sie zu den wahren Übeltätern. Und vergib mir, dass ich womöglich jemandes Tod verursachen werde. Ich werde dafür büßen, wenn die Zeit gekommen ist.
    Als sie fertig gebetet hatte, bagab Luise sich, der Nonne noch einmal dankbar zunickend, zum Dorfplatz. Hier draußen schüttete es wie aus Eimern und selbst der dicke Mantel bot wenig Schutz. Schon bald spürte das Mädchen die Nässe im Gesicht, unter der Kleidung und in den Schuhen. Doch Luise ging entschlossen weiter und kam schließlich durchnässt am Dorfplatz an, wo sie Noel zuletzt gesehen hatte.
    Es dauerte nicht lange, da hatte sie ihn auch schon entdeckt, sah wie er aus der Taverne trat. Allerdings schien auch die Wahl des zu Hängenden bald zu beginnen. Luise blieb keine Zeit.
    Eilig hastete sie auf den jungen Mann mit dem blauen Mal im Gesicht zu und begann atemlos:
    "Noel! I-ich weiß, d-dass ich dir heute M-morgen wohl zu n-nahe getreten bin. I-ich habe dich sicher verletzt m-mit meinem unüberlegten Gerede." Sie würde nie wieder gedankenlos über Schiffe reden. Das wusste sie jetzt schon. "D-du musst w-wirklich wütend sein. B-bestimmt hasst d-du mich jetzt dafür..." Das würde jedenfalls sein vorheriges Auftreten auf dem Dorfplatz erklären. Es musste hart gewesen sein, einfach so an seine furchtbare Schiffsvergangenheit erinnert zu werden. Sicher tat das einiges dazu bei, ein schlechtes Menschenbild zu entwickeln. Also fuhr sie, noch immer sichtlich nervös und schuldbewusst fort: "U-und das ist auch dein g-gutes Recht. I-immerhin w-war ich wirklich taktlos..." Sie schwieg eine Sekunde lang, um all ihren Mut zu sammeln. Dann blickte sie Noel direkt an und sprach: "A-aber das ist m-meine Schuld, nicht die der anderen Dofbewohner. I-ich kann d-dich schlecht um Verzeihung b-bitten, w-wo ich d-deine Gefühle so verletzt habe. A-aber selbst wenn du mir nicht vergibst - ich bitte dich dennoch darum: Teile dein Wissen über die Lumianer mit uns! Hilf dabei, die Unschuldigen zu schützen, indem du uns mit deiner Erfahrung und deinem Wissen beistehst!"
    Es musste einen ziemlich einfältigen Eindruck machen, wie sie hier auftauchte, durchnässt wie ein im Regen verlorenes Kätzchen, all den nassen roten Strähnen im Gesicht, welche sich den Tag über aus ihrem Zopf gelöst hatten, und dann auch noch Forderungen stellte. Aber es war ihr wichtig. In ihren Augen schimmerte Verzweiflung, doch sie senkte nicht den Blick, sah Noel direkt ins Gesicht.
    "B-bitte. Du musst es n-nicht für mich tun. E-es ist für alle, die hier leben. A-alle die e-ein friedlliches Leben führen wollen. Alle, d-die all das Unglück der Welt vergessen wollen. I-ich werde d-dich nicht weiter belästigen, w-wenn du das nicht möchtest. A-aber denk bitte an alle, die n-nichts mit a-alldem zu tun haben!"

    Geändert von Zitroneneis (26.03.2013 um 11:26 Uhr)

  20. #40
    Noch immer auf der Außenterreasse des Gasthauses sitzend blickte Brunhild der sich zur Kirche laufenden Luise nach. Es erleichterte sie sehr, dass es dem Mädchen wieder den Umständen entsprechend gut ging. Die nonnigste aller Nonnen um Rat und Beistand zu fragen war sicherlich eine kluge Entscheidung. Der Blick der Wirtin war immer noch starr auf die Empore, gerichtet, auf der Konrad gleich verhört werden würde.
    Sicherlich wollte sie wissen, was er zu sagen hatte, schließlich würde es bei der späteren Versammlung noch von Bedeutung sein könne.
    Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals, beim Gedanken daran, dass sie heute Abend wirklich über das Leben eines Menschen richten wollten, um es noch vor Einbruch der Nacht enden zu lassen. Das konnte nicht gottgefällig sein, solch ein Treiben ist genauso sündig wie das, was diese Sekte mit ihnen tun wollte…
    So erhob sie sich und ging die drei Stufen des Treppchen hinunter. Es mochte ihm vielleicht nicht helfen oder überhaupt auffallen, aber die Wirtin wollte jetzt bei ihrem Stalljungen sein, ihm vielleicht mutvoll ansehen und so zeigen, dass sie hinter ihm stand und keinen Zweifel an seiner Unschuld hatte… Da erreichte ihr Ohr ein nur allzu vertrautes rythmisches Scheppern, welches sich näherte. Den Kopf umwendend erblickte sie Patricia, die offenkundig das Wirtshaus ansteuerte. Mit einem Blick zur Sonne stellte Brunhild zwar fest, dass es zum Öffnen der Schankstube noch etwas früh war, doch einzelnen hungrigen und durstigen Seelen verwehrte sie auch am Tag nicht den Einlass.
    Wehmütg schaute sie noch einmal zum Treiben auf dem Dorfplatz und zu Konrad, der gerade die Hand auf die Bibel legte und kehrte dann seufzend um. Kurz bevor sie eingetreten war, Patricia schepperte gerade die Stufen hoch, fiel ihr etwas ein.
    Mit einem: Grüß Dich, meine Liebe! Geh schonmal rein und mach’s Dir bequem, ich kümmer mich gleich um Dich, muss nur noch kurz etwas erledigen…, quetschte an der berüsteten Frau vorbei und eilte zu den Ställen. Wie vermutet waren die inzwischen sehr unruhigen Pferde noch nicht versorgt worden- ihr Pfleger hatte auch wahrlich gerade andere Sachen am Hals. Also richtete Brunhild noch einmal ihren Handverband und machte sich an die Arbeit, die Ställe auszumisten und die Rösser zu tränken und zu füttern.
    Als sie schließlich die Schankstube betrat und die Heuke an den Haken warf, empfing sie ihr Gast bereits ungemütlich grunzend. Beschwichtigend hob sie die Hände, bevor sie sich daran machte, die restlichen Stühle hinunterzustellen und die Tische abzuwischen.
    „Verzeih, gute Patricia, aber es herrscht gerade einiger Trubel, wie Du sicher schon mutbekommen hast.“ Das Feuer wurde neu geschürt und der Boden gekehrt.
    „Ich meine, ich habe vorher noch nie von die Lumstern gehört, und auf einmal sollen sie sich hier tummeln und uns alle umbringen wollen… Und der Priester hat angeordnet, die Bedrohung durch den Strick zu lösen…heute Abend schon sollen wir alle darüber richten, wer zu der Sekte gehört und der oder die wird dann gehängt…
    Sie erinnerte sich daran, dass Noel auch Patricias Namen als einen der potenziellen Sektenanhängern genannt hatte. Sie war wirklich eine sonderbare Frau, aber konnte sich die Wirtin schlecht vorstellen, dass sie nachts Jemanden morden könnte, ohne dabei das ganze Dorf zu wecken.
    Zur Antwort erhielt sie ein weiteres erbostes Gegrunze, in dem sie etwas wie „mit Honig“ herauszuhören glaubte. So holte sie aus der Vorratskammer Brot, zwei Würste und ein kleines Fässchen, von welchem sie einen Krug abfüllte. Alles stellte sie vor Patricia ab.
    Das ist selbsgebrauter Met, ich hoffe er ist gut geworden, ich über noch an der perfekten Rezeptur… Und ich mach gleich noch Brei, damit Du auch mal wieder was Warmes im Bauch hast..., sprachs und setzte sogleich großzügig bemessen Roggenbrei auf.
    Als dieser sich langsam über der Kochstelle erhitzte, fiel der beschürzten Frau auf, dass irgendetwas anders war als sonst. Hastig blickte sie sich um, ehe es ihr einleuchtete: Sie wurde garnicht vom sonst stets hinter ihr hertapsenden Rüdiger bei der Arbeit gestört!
    “RÜDIGER, BIST DU ENDLICH TOT?“, rief sie einigermaßen laut und hoffte auf keine Reaktion, abgesehen von Patricias offenbar beglückten Schmatzen.
    Von oben waren allerdings eilige Schritte zu hören, kurz gefolgt von dem Klang von etwas oder Jemandem, der die Treppe hinunterpurzelte. Mit aufgerissenen Augen erblickte sie im Gang den auf dem Rücken gelandeten Schäferhundgreis, der wild mit den Pfoten rudern wieder auf die Beine kam und ruteschwingend auf die zugetrabt kam, ein vollgesabbertes Unterhemd im Maul.
    Entsetzt entriss sie dieses dem Köter und herrschte ich dann an: „Himmel, Arsch und Zwirn! -vergib mir meine Worte, Herr- bist Du jetzt auch noch senil geworden?! Du hast oben nichts zu suchen, das weißt Du genau! Geh ja auf Deinen Platz und da bleibst Du für den Rest des Tages! Wehe Dir, Du wagst es auch nur daran zu denken, Dich zu bewegen, mein Freundchen, dann wirst Du Dir wünschen, Du hättest dir bei der Treppe das Genick gebrochen…“
    Rüdiger legte sich mit hängendem Kopf vor den Kamin und beobachtete mitleidig sein Frauchen, welches das Unterhemd hastig unter den Tresen warf. Einen Moment blickte sie zornig auf Patricia, bevor sie merkte, was sie tat und schnell wieder ein Lächeln aufsetzte.
    Entschuldige…wo war ich?, gab sie seufzend von sich, während sie den Brei umrührte und mit getrocknetem Kerbel würzte.
    Achja, diese Abtstimmung… ich halte garnichts davon, vielleicht unschuldige zu morden. Irgendein Dumschwätzer hat dem Priester in der Beichte vorgesäuselt, dass ausgerechnet Konrad zu diesen Mördern gehören soll. Kannst Du Dir das vorstellen? Er hat also auf jeden Fall eine Stimme, und wird jetzt draußen vom Priester und wohl auch Ross verhört…“ Sie sah hinüber zur Eingangstür und malte sich einige Momente die Szene aus, ehe sie vom fertigen Brei in eine Schale schöpfte und sie vor Patricia abstellte, welche sich gleich darüberhermachte und mit einem kurzen Grunzer Nachschank forderte.
    Während sie den Krug auffüllte, fuhr sie in ihrem Monolog fort: Es ist vollkommen klar, dass Konrad unschuldig ist, aber das Problem ist… Ich möchte wirklich keinen hinrichten lassen und auch die Anderen sollten sich diese Sünder nicht aufbürden. Aber selbst wenn ich alle davon überzeugen könnte, sich ihrer Stimme zu enthalten, würde es die Stimme des Priesters nichtungeschehen machen und damit Konrad…
    Brunhild schluckte und schob den aufkommenden Gedanken beiseite.
    „Das heißt also, dass ich, -wir alle, für sein Leben das eines anderen opfern müssen und hoffen, dass es einer dieser Verrückten ist. Ich weiß wirklich nicht, ob ich das mit meinem Gewissen vereinbaren könnte. Notfalls würde ich ja mi-„
    In dem Moment betraten der Schweinehirt samt seiner Töchter die Schankstube und beendeten damit ihren laut ausgesprochenen Gedankenfluss jäh. Dankend fuhr die Wirtin der Berüsteten über das Schulterstück, ehe sie sich ganz der Bedienung ihrer Gäste widmete für die nächsten Stunden.
    Unter ihnen war überraschender Weise auch Noel, der sie auf den Platz als dumm ob ihrer Meinung und ihres Unvermögens zu Lesen hinstellte. Wenn er damit nicht irgendwo Recht hätte, würde sie ihn vielleicht sogar wieder hochkant rauswerfen, doch mit großer Bildung kann sich Brunhild wahrlich nicht rühmen. Außerdem würde sie es nur in absoluten Sonderfall einen Gast Speis und Trank verwehren. Und schließlich war der Bursche auch zu den meisten anderen so rüpelhaft, also nützte es nicht, einen Groll deswegen gegen ihn zu hegen…
    So schritt sie anfangs noch bemüht lächelnd ob ihrer Gedanken auf den sich an den leeren Tresen Setzenden. Als sie zur Begrüßung anhob, kam er ihr mit einem :
    "Jeder Gast ist ein willkommener Gast. Ist es nicht so?", zuvor. Verdutzt schaute sie ihn an. Was sollte das denn jetzt? Sie wollte etwas darauf sagen, wusste aber nicht recht, was.
    Ihr über die Jahre perfektioniertes Wirtinnenlächeln kehrte schnell zurück:
    Was darf’s denn für den Herren sein?
    "Ein Bier, wenns genehm ist. Möglichst süß, ich mag keine bitteren Dinge. Das süße Bier der großen Städte ist hervorragend, ich bin gespannt, einen Vergleich zu ziehen."
    Ihre Miene vereiste bei diesen leicht spöttischen Worten leicht. Kurz nickte sie, ehe sie den anderen Gästen zuerst ihre Getränke und Mahle brachte und dann zurück hinter den Tresen schritt, um dem Gesichtsbemalten sein so unglaublich süß abzuzapfen. Sie war vielleicht keine helle Leuchte unter Gottes Himmel, aber ihre Braukunst schlechtreden zu wollen, passte ihr garnicht in den Kram. Kurz war sie versucht, dem anspruchsvollen Herren sein Bier noch mehr zu versüßen und zog auch schon leise die Nase hoch… doch dann wand sie sich schlicht um und stellte den Krug mit einem extrabreiten Grinsen vor ihm ab.
    Einige Zeit später sah sie Lumi die sich zu dem selbsternannten Bierexperten gesellt hatte und sollte auch für sie eine Maß abzapfen. Folgend beobachtete sie die beiden aus den Augenwinkel immer mal wieder und ihr fiel auf, dass sich Noel ihr gegenüber offenbar netter zeigte. Nicht so kriecherisch wie bei Luise, aber immerhin… In ihm steckte also wirklich noch irgendwo ein guter Kerl, auch wenn nur wenige in den Genuss kamen, diesen jemals wirklich zu Gesicht zu bekommen…
    _______
    Zum dritten Mal füllte Brunhild gerade die Breischale Patricias auf, als die Eingangstür stürmisch aufgestoßen wurde.
    "Es geht los! Es geht los!"
    Der Bauer schluckte bedeutungsschwer.
    "Die Hinrichtung. Die Wahl des Hängenden. Sie beginnt! Alle auf den Dorfplatz!"
    Und damit verschwand er auch schon Richtung besagten Platzes.
    Stille kehrte ein, gefolgt von eifrigem Gemurmel, als auch schon die meisten Gäste sich erhoben und das Gasthaus verließen, darunter auch Lumi und Noel.
    Die restlichen wurden mehr oder weniger schnell von der Wirtin hinauskomplimentiert, die mehr und mehr ein mulmiges Gefühl in der Magengegend bekam angesichts der Tatsache, dass die Abstimmung nun unmittelbar bevorstand. Als auch der letzte Gast den Schnakraum verlassen hatte, wurden eifrig alle Stühle wieder hochgestellt sowie die dreckigen Krüge und Schalen abgewaschen. Danach schritt Brunhild langsam zur Eingangstür, dort angekommen die Heuke wie in Zeitlupe anlegend. Sie trat hinaus in die Kälte und den nun aufkommenden Regen, blickte noch einmal zurück. Rüdiger hob den Kopf und wedelte aufgeregt mit der Rute. Mit todernstem Blick deutete sie mit zwei Fingern zuerst auf ihre Augen und danach auf die ihres alten Hundes, der draufhin sein Haupt wieder auf die großen Pfoten aufbahrte.
    Alsdann schloß sie ihre Heim- und Arbeitsstatt ab und machte sich auf den Weg zu der sich vergrößernden Menschentraube.

    Geändert von Mephista (26.03.2013 um 13:46 Uhr)

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