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Ritter
Als Luise und Viktoria am Dorfplatz ankamen, tummelte sich bereits eine ganze Masse an Menschen. Natürlich kannte Luise jeden hier zumindest vom Sehen, trotzdem ließ das Getummel ihre Nackenhaare aufstehen.
Die lauten Rufe, die vielen Augen, welche sie sicher anklagend anstarren würden, wenn sie von ihrer Schuld erfuhren. Und die vielen Hände, welche sie festhalten und zurückzerren würden, sollte sie versuchen, zu fliehen.
All das trieb ihr erneut die Tränen ins Gesicht.
So war es wohl ein größeres Glück als sie verdient hatte, als sie Konrad erspähte, der gerade etwas zu der Masse gesagt hatte und nun raschem Schritts auf sie zu lief.
Er begrüßte Viktoria, die Luise noch sanft die Hand drückte, bevor sie von ihrem aufmunternd lächelnden Vetter die Tränen von den Wangen gewischt bekam.
"Luise... es ist etwas passiert."
Sie wusste gar nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie wusste ja um das Los des Hauptmanns - aber Konrad sah anscheinend noch nicht ihren Anteil daran. Und wie sollte sie es ihm sagen? Also brachte sie nur einen kurz dahingestammelten Satz heraus: "Ich... weiß. Weil ich schuld... dran bin." Sie schluchzte. Nie hatte sie das gewollt, doch man konnte eindeutig ihre Mitschuld erkennen. Und man würde sie garantiert entsprechend behandeln. Wie es einem rothaarigen kleinen Scheusal gebührte.
Aber Konrad stieß sie nicht weg. Er schüttelte sie nicht an den Schultern und schrie sie an. Noch nicht einmal sein Blick drückte irgendeine Art von Abweisung aus.
Stattdessen legte er einfach seinen weiten Mantel um sie, setzte sich mit ihr an den Brunnenrand und drückte sie fest an sich.
Der Mantel bedeckte ihr schreckliches rotes Haar. Er hüllte sie ganz ein und warf einen Schatten auf ihr Gesicht. Einen Moment lang genoss sie es, einfach an Konrad zu lehnen, seine Wärme zu spüren und nicht Teil des Geschehens zu sein. Alle Geräusche rückten für einen Moment in weite Ferne - sie waren da, aber sie mussten Luise nicht kümmern.
Sie hörte auch nicht, worüber Konrad und Viktoria redeten. Ihre Stimmen waren einfach da, ohne eine bestimmte Botschaft zu tragen - wie die Vögel, welche Luise immer singen hörte, wenn sie sich heimlich in Viktorias Garten schlich.
Schließlich bemerkte Luise, dass es ihr besser ging. Ihre Tränen waren getrocknet und würden so schnell nicht wiederkehren, obwohl ihre Augen noch gerötet waren.
Luise blickte umher und sah, wie die gute Wirtin, Brunhilde, gerade ihre Ansprache hielt. Es war wohl langsam an der Zeit, das auch Luise ihre Stimme abgab.
Vorsichtig löste sie sich aus Konrads Umarmung und lächelte ihn etwas verlegen an. "Mir geht es wieder gut," sagte sie mit wieder einigermaßen fester Stimme und reichte ihm seinen Mantel. "Ich werde wohl nun meine Hauptmannsnominierung abgeben." Dann schaute sie sich nachdenklich um. Wer ein geeigneter Kandidat wäre, wusste sie nicht genau. Mut, Strenge, Weisheit, Verantwortungsbewusstsein - was war wohl die wichtigste Eigenschaft für einen Hauptmann? Da fiel ihr Blick plötzlich auf eine Gestalt am Rand der Menge, auf die sie nun zuging.
Aus den Gesprächsfetzen war hervorgegangen, dass Tyrell die Hauptmannswahl eröffnet hatte. Doch er war schmutzig von Kopf bis Fuß. Luise kam ein furchtbarer Gedanke.
Als sie den Jungen erreichte, blubberte sie auch schon los: "W-was ist mit dir passiert? B-bist du verletzt?"
Tyrell starrte sie irritiert an und murmelte dann: "Nein, nein, alles bestens. Dein Kavalier hat mir, freundlich wie immer, aus dem Schlamm geholfen..."
Doch Luise hörte ihm gar nicht richtig zu und plapperte aufgeregt weiter: "A-also hat man dich zur Rechenschaft gezogen, w-weil du den Hauptmann nicht retten k-konntest?" Es war echt nicht richtig, ihn einfach in den Schlamm zu schubsen, weil er die schlechte Botschaft verkündet hatte. Und dass, obwohl es ihre Schuld war! Gut, dass irgendjemand ihm geholfen hatte, wobei Luise diesen Herrn Kavalier nicht kannte. Vielleicht sollte sie sich ihm später vorstellen. An den sichtlich verwirrten Tyrell gewandt sagte sie: "Ich w-werde das in Ordnung bringen..."
Dann stellte sie sich in die Dorfmitte und sprach, hoffentlich laut genug:
"L-liebe M-mitbürger. B-bitte seid n-nicht wütend auf T-tyrell. Es ist meine Schuld, d-dass der H-hauptmann starb... weil i-ich nicht rechtzeitig s-seine V-vergiftung bemerkt h-habe und Herr H-hirschdung-Apfelriese..." Sie brach ab. Darum ging es doch jetzt nicht. "W-wi auch immer. Ich möchte jemanden n-nominieren, d-der mir heute m-morgen in der Apotheke großen B-beistand geleistet hat." Sie bemerkte, dass Noel sie aus einiger Entfernung anstarrte. Das machte sie etwas nervös und sie fuhr fort: "Jemand, der mich trotz Kopfschmerzen unterstützt hat. Jemand, der wahrscheinlich immernoch unter Kopfschmerzen leidet, weil er den ganzen tag so aufopferungsvoll war...
I-ich möchte, dass Tyrell (Ligiiihh) Hauptmann wird."
Damit trat sie zurück und hoffte, dass sie nun, da die Wahrheit raus war nicht zu sehr gehasst wurde.
Geändert von Zitroneneis (21.03.2013 um 19:12 Uhr)
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