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Thema: Das Dorf Gottes Tag 0 (Anmeldung noch bis Mittwoch 20h)

Baum-Darstellung

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  1. #17
    Luise war froh, eine Möglichkeit zu haben, Tyrell für seine Bemühungen zu entschädigen. Außerdem hob es ihre Stimmung, dass er ihr offensichtlich nicht böse war.
    Sie glaubte noch immer, dass er einen guten Hauptmann abgegeben hätte.
    Nachdem die Hauptmannsentscheidung also auf Ross gefallen war, gingen beide zu Luises Haus, wo zu allererst Tyrells wohlverdienter Tee gekocht wurde.
    Auch das Essen war schnell zubereitet, und so standen schon bald dampfender Getreidebrei und ein wenig Gemüse auf dem Tisch.
    Konrad schien heute, wie so oft, seinen Abend in der Taverne zu verbringen und Adalbert war zu schwach um aufzustehen, weshalb er seine Mahlzeit in seinem Bett zu sich nahm.
    Aus diesem Grund waren Luise, Tyrell und der friedlich an etwas Dörrfleisch knabbernde Fuchswelpe Kürbis alleine in der kleinen Küche.

    Nach dem Abendessen schlug Tyrell vor, sich dem bunten Treiben in der Taverne anzuschließen.
    Etwas mulmig war Luise dabei zu Mute, immerhin geziemte es sich für ein so junges Mädchen eigentlich nicht, zu so später Stunde das Haus zu verlassen und einen solchen Ort aufzusuchen. Einen Ort mit vielen, lauten Erwachsenen.
    Aber irgendwie widersprach sie dem jungen Bastler nicht und so fand sie sich bald vor der Eingangstür zum Gasthaus wieder. Drinnen herrschte lebhaftes Treiben. Luise hörte Konrads ungewöhnlich laute Stimme bis nach draußen. Und sehr lautes Lachen. Irgendwie gefiel ihr das nicht. Hoffentlich würden die ganzen Erwachsenen nicht wieder die ganze Zeit Scherze machen, die Luise nicht verstand...
    Als sie das Wirtshaus betreten hatte, stellte sie sich erstmal scheu in eine Ecke, wo nicht allzu viele Leute vorbeikamen. Tyrell war bald anderweitig beschäftigt und sonst wurde sie von niemandem angesprochen. Nicht mal Konrad schien bemerkt zu haben, dass sie hier war. Er schien aber auch sehr damit beschäftigt zu sein, das fremde Mädchen mit dem kranken Auge und die freundliche Brunhilde zu unterhalten.
    Luise fühlte einen Stich im Herzen. Konrad war immer wie ein großer Bruder für sie gewesen. Ein ältere Junge, der stets gut gelaunt war, sie manchmal gerne neckte aber auch immer ein offenes Ohr für sie hatte. Ein netter Junge.
    Doch in diesem Moment wurde ihr schmerzlich bewusst, dass er kein Junge mehr war. Er war ein Erwachsener. Und früher oder später suchte sich jeder Erwachsene einen anderen Erwachsenen. Um den Rest des Lebens miteinander zu verbringen.
    Luise fühlte einen Stich im Herzen. Niemals hatte sie daran gedacht, dass Konrad sie jemals verlassen würde. Dass er immer für sie da sein würde. Aber nun, da sie ihn hier sah, taten sich in ihr Zweifel auf. Sie war unsichtbar für ihn. Er hatte nur Augen für die anderen Erwachsenen. Und das war doch in Ordnung. Wer war sie, dass sie ihn aufhalten sollte? Dankbar sollte sie ihm sein, dafür dass er ihr so viel half und sie immer umsorgte.
    Dennoch... selten zuvor hatte sich Luise so fehl am Platze gefühlt wie in diesem Augenblick.
    Sie dachte schon daran, das Wirtshaus heimlich und still zu verlassen. Doch ehe sie diesen Plan in die Tat umsetzen konnte, betrat jemand den Schankraum... und einen Moment lang stockte es Luise den Atem.
    Jemand im Raum rief aufgeregt: "Die rote Viola!"
    Doch es war nicht das auffällige rote Kleid, welches Luise zuerst ins Auge sprang. Es war nicht die auffällige Maske, welche das wahrscheinlich sehr hübsche Gesicht halb bedeckte.
    Es war das Haar. Das wundervolle, glänzende, seidige Haar, in einer so himmlischen Farbe. Wie das Grün eines Baumes im Sommer.
    Und ehe Luise schmerzlich an ihr eigenes, schreckliches rotes Haar erinnert wurde, erhob die Rote Viola ihre Stimme. Und Luises Sorgen waren wie weggeblasen. Gebannt lauschte sie der sanften Stimme, war für einen Moment nicht mehr im Wirtshaus "Zur Runden Hirschkuh", sondern nur dort wo das Lied sie hintrug.
    Wie lange sie dort gestanden und dem wundersamen Lied gelauscht hatte, wusste Luise nicht. Doch der Zauber war gebrochen als Violas Stimme verstummte und die Besucher der Taverne in lauten Applaus ausbrachen. Und die Rote Viola den Schankraum verließ, um auf die Straße zu laufen.
    Ohne lange nachzudenken, hastete Luise ihr hinterher und rief noch: "W-warte bitte..."
    Doch schnell wie der Wind war die Rote Viola in der Dunkelheit verschwunden und zurück blieb eine ratlose Luise.
    Sie hatte nur aus Geschichten von jenen großen Bestien gehört. Sie waren angeblich gigantisch, mit riesigen Zähnen ausgestattet und besaßen eine endlos lange Nase, mit der sie selbst den stärksten Mann von den Füßen reißen konnten.
    Aber vielleicht waren sie in Wirklichkeit ja ganz freundliche Tiere. So wie Kürbis kein listiger, hühnerraubender Jäger war, sondern ein niedlicher, flauschiger Welpe.
    Danach hatte Luise die Frau fragen wollen. Und auch danach, wer sie war. Doch dazu war es nun wohl zu spät.
    Der Mond stand schon hoch am Himmel und der kalte Nachtwind brachte Luise eine Gänsehaut ein. Nun, da die mysteriöse Sängerin verschwunden war, würde Luise wohl kaum zurück in die Taverne gehen.
    Stattdessen machte sie sich zu ihrem eigenen Haus auf. Und sang währenddessen leise vor sich hin:
    "Ich schreibe ein Lied für dich,
    Über einen Elefant, den du nie erschießen sollst,
    Den du nie erschießen sollst..."

    Geändert von Zitroneneis (23.03.2013 um 13:23 Uhr)

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