Ergebnis 1 bis 20 von 68

Thema: Das Dorf Gottes Tag 0 (Anmeldung noch bis Mittwoch 20h)

Baum-Darstellung

Vorheriger Beitrag Vorheriger Beitrag   Nächster Beitrag Nächster Beitrag
  1. #11
    Luminitsa. Ein schöner Name. Er hatte von den reichen Männern weit, weit im Osten gehört, die Tsaren hießen, oder so ähnlich. Ob sie wohl so eine Zarentochter war, auf der Suche nach ihrer Familie? Und ob es in ihrem Land üblich war, das Frauen alleine mit Frettchen im Gepäck durchs Land zogen. Vielleicht war Lumi nur ein Wort für Hermeline – und Luminitsa bedeutete Prinzessin der Marder. Als der schwarze Marder vorhin mit seinem Brötchen in der Menge verschwunden war, fühlte Konrad das etwas Höheres am wirken war. Manchmal war das einfach so, das er sich treiben ließ und am Ende da herauskam, wo Gott ihn haben wollte.

    „Nichts passiert ohne Grund“, hatte sein Meister immer gesagt, wenn er mal wieder ein Brett verschnitten oder eine Diele uneben gehobelt hatte. Er hatte immer Recht behalten, denn auch wenn die Hölzer dann anders verbaut wurden hatte es sich als Fügung herausgestellt – mal war eben dieser Ausschuss die letzte Färbung, die man für eine Reparatur brauchte, dann hatte ein Brett grade die richtigen Maße um beim Dielen legen an eine Wand anzugrenzen.
    Und von Luise hatte er gelernt, das nicht jedes Unkraut wirklich ein Unkraut blieb – wenn man nur seinen Namen kannte.

    Jeder ist seines Glückes Schreiner.“, murmelte er leise. „Sag Mal Lumi, wo schläft dein Freund denn?“ „Na hier drin.“, sie klopfte auf ihre Tasche, in der es verdächtig klackerte. „Ich könnt ihm ein Schlafkisterl machen, weißt du mit Heukissen und Decke zum verkriechen. Zwar bin ich kein Marder, aber vom schaukeln wird mir immer schlecht.“, er grinste. „Versteh nicht, was die Leute am Boot fahren so toll finden. Ausser den Fisch, natürlich.“
    Er grinste weiter und rieb sich nachdenklich die Stirn. „Ist nur so, wir haben hier im Dorf meiner Meinung nach zu viele Jäger und kaum einen der sonderlich viel für Tiere hier übrig haben will. Naja, wenns nicht grad ein dressierter Mops ist oder ein Pferd, das für sein Futter arbeitet. Dein Freund sollte besser nicht so sorglos hier herumlaufen. Weißt du, die letzten Jahre haben die Leute hier bissig gemacht. Wie... Wölfe in einem besonders kalten Winter. War nie einfach hier, auch wenn alles friedlich scheint und den meisten hier runde Bäuche gewachsen sind.“ Lumi und Django waren voll damit beschäftigt sich über das Bündel mit Essen herzumachen. Also beließ Konrad es dabei, sie beim essen zu beobachten und freute sich darüber das ihre Miene sich mehr und mehr aufhellte.

    Konrad blickte ein wenig wehmütig in Richtung Luise und ab und zu streifte sein Blick nachdenklich die Nonne Maria. „Sie werden so schnell groß.“, murmelte er, in Gedanken bei Marias Worten von wegen "Noel sei ja alt genug zum heiraten" - und damit war natürlich er selber auch gemeint. Django leckte grade auf der Suche nach Futterresten Konrads Finger ab und versenkte die spitzen Zähnchen im letzten Stück Rosinenkuchen mit Beerenmus, das übrig geblieben war. „Na, Frettchen bleiben so. Was du meinst sein Stinkemarder. Django sein kein dicker Stinkemarder.“
    Meinst du dein Django wird immer bei dir bleiben? Ich meine, haben nicht alle Tiere irgendwann das Bedürfnis eine eigene Familie zu gründen?“ „Django und ich sind Familie. Wir sorgen uns umeinand' und nja beißen uns durch. So sagt man doch – durchbeißen? In guten und schlechten Zeiten. Ist auch einfacher so, weil was er weniger isst als ein Kerl. Das kann ich dann haben. Besser für mich auf jeden Fall.

    Konrad bewunderte Lumi. Nur daran denken zu können was für einen selber das Beste war. Er dachte immer zuerst an die andren. Gott, Familie, Nachbarn. Da blieb am Ende kaum Zeit für sich selbst – weder für Gedanken noch für andere Dinge. Und am Ende sitzt man hier, so wie jetzt, die die man lieb hat sind plötzlich „alt genug zum heiraten“ oder "alt genug um den Löffel abzugeben" weil die Kirche oder die Dorftratsche das so sagt und man selber ist aber nicht alt genug um für ein ehrenvolles Amt in Frage zu kommen. Oh schnöde Welt.

    Vielleicht gab es ja eine andere Aufgabe für ihn. Tagein, taugaus zu ackern und sich nur des Nachts an einem Humpen Bier erfreuen zu dürfen (und der war für diese Tage ja eigentlich tabu...) das war nicht das, was er sich erhoffte. Als er als Kind hierher gekommen war um Luise zu besuchen, da war eines ganz besonders gewesen – ein Mosaik im Kloster, in dem auch Maria lebte. Das Lied, das darunter eingemeißelt war hatte er nie vergessen können.
    „Vögel, ihr himmlischen Brüder mein,
    wie hat euch der Schöpfer bedacht!
    Frei dürft ihr fliegen und fröhlich sein
    in bunter und zierlicher Pracht!
    Er schenkt euch das Futter und Quellen rein,
    ihn sollt ihr loben und dankbar sein!“


    Genau – Vögel. Was sagst du Konrad. Komische Vögel, eindeutig zu viele in diesem... Ort.“ Konrad hatte gar nicht bemerkt, das er leise zu singen angefangen hatte und räusperte sich verlegen. Seine Stimme war nicht besonders gut... „Ja, ne Menge komischer Vögel.“ Konrad blickte Lumi nochmal an. Diesmal zog etwas tief in seinem Inneren, das mehr weh tat als die Erkenntnis das er für seine Familie daheim wie auch hier für Luise und Adalbert völlig unnütz war. Überflüssig. Nicht der Rede wert. Keiner der Dörfler hatte ihn auch nur in Betracht gezogen. Und doch gab es etwas, das noch tiefer an ihm rührte. Schicksal nennt man das wohl. „Weißt du Lumi, ich bin auch nicht von hier. Und ich denke es wird bald Zeit für mich weiterzuziehen. Wenn du magst, begleite ich dich, wenn du weiterreist.“ Er lächelte. Doch seine Augen blieben traurig, bis er sich aufs Bein klopfte und mit einem Blick auf Peter aufstand. „Doch jetzt, meine Dame“, er deutete eine Verbeugung an und zog Lumi nach oben, „besorgen wir euch einen Schlafplatz. Und zwar im vorzüglichsten Haus des Ortes.“
    Meinst du das, wo der Tote liegt? Ist größtes Haus von allen.“ Sie zuckte mit den Schultern.
    Nein ich meine das Haus, wo Bier und Wein in guten Holzfässern reift und die Kammern voll mit Leckereien sind. Auf auf, Lumi-Tsarentochter. Auf ins Wirtshaus. Nach dem Schrecken des Tages haben wir uns einen Trunk verdient." Er stieß zwischen den Fingern einen leisen Pfiff aus. "Peter! Lass uns auf unsren verblichenen Hauptmann trinken, ich geb einen aus.

    ~*~ Wenig später in der "Hirschkuh" ~*~

    Wie sagte man so schön – man trinkt das Bier, das einem gebührt. Und es gab da ein ganz besonders süffiges Starkbier das – Gott verzeih's – einen Mann alle Sorgen vergessen ließ. Es war der erste Abend, an dem Konrad nicht in die Apotheke zurückkehrte, sondern im Gasthaus blieb um der Sängerin zu lauschen und um sich Zeit zu nehmen um nachzudenken. Über sich und das, was er wollte. Und zum ersten Mal fiel ihm auch auf, das Brunhild sich ihm gegenüber anders verhielt als den andren Männern gegenüber. Vielleicht konnte das Lumi helfen ihre Zeit hier im warmen zu verbringen... ja, vielleicht... aber wie hatte Lumi gesagt? "Man muss die Karten richtig ausspielen. Ein Holzkopf kann auch ein einen gezinkten Würfel nicht richtig werfen."

    "Oh süße Göttin des edlen Hopfenbräus! Du Engel unter den Malzerinnen!", Konrad erhob seine vierte Maß schwungvoll und prostete den Anwesenden zu, dann ging er vor Brunhild auf die Knie und griff nach ihrer Hand. "Hört mich an! Eine Erscheinung traf mich heut, wie sie dem edlen Franziskus einst erschien - und doch handelt es sich hierbei nicht um einen gewöhnlichen Bettler, nein, eine Zarentochter, mittellos und von aller Welt und allem Glück verlassen trat in unser Dorf ein um uns mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Nun, vermögt ihr verehrteste Schankmaid und wohlgerundete Venus nicht nur süßen Nektar auszuschenken - eine Bettstatt und ein wenig Essen um diese Augen zum strahlen zu bringen, mehr braucht es nicht. Ihr würdet mich damit sehr glücklich machen - bin ich doch ebenso heimatlos nun, da meine Base von Schönlingen umschwärmt wird wie die lieblichste Blüte des Frühlings und damit ihr unsere Anwesenheit euch und allen andren prächtigen Dörflern nicht als Last empfindet werde ich doppelt so hart arbeiten um eure zarten Hände vor jedweder Arbeit zu schonen."
    Drauf küsste er die vom Spülwasser aufgeweichten Wirtinnen-Hände so hingebungsvoll, das es einem allein schon vom Hinsehen die Schamesröte ins Gesicht trieb.

    Aber nach dem fünften Maß (Unser gütiger Gott verzeiht auch diese Sünde, denn eins geht immer noch - und nach der ersten Sünd' liegt die nächste doch so nah) vergaß er aber auch Brunhild und den Weg nach Hause und alles andre und träumte von Feuerzeichen am Himmel und glänzenden Iltisnasen.

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •