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Held
An diesem heißen Tag war es unbedingt nötig, die Gewächse des Klostergartens zu pflegen. Somit ging Schwester Maria nach ihrem morgentlichen Gebet und Frühstück ziemlich bald in den Garten, um unbrauchbare Kräuter zu rupfen und die, die eine gute Wirkung erzielen konnten, zu pflegen.
Sie bückte sich und ächzte unter der Last dieser täglichen, und anstrengenden Arbeit.
Als Maria mit ihrer Arbeit vorerst fertig war, setzte sie sich auf die Gartenbank, die für kurze Pausen geradezu willkommen war. Sie hob den Kopf und schloss die Augen, genoß die Sonne und die ruhepause, die nach dieser Bückerei ihrem Rücken nur zu gut tat. Doch heute blieb im Kloster wieder einmal nicht genug Zeit, um zu lange fern zu bleiben - und lediglich für eigene Belange in die Apotheke zu gehen, um ein Rückenbalsam zu besorgen, das würde Maria wahrlich nicht in den Sinn kommen.
Die Sonne brannte heiß auf Marias Gesicht, etwas zu heiß.
"Herr", sprach sie und faltete die Hände zusammen, wie sie es zu tun pflegte, wenn sie zum Allmächtigen sprach und betete. "Dies mag dein Zeichen sein, dass meine Pause ein andernmal fortgesetzt werden soll. Nicht wahr?"
Sie erhob sich, und jüngst in dem Augenblick hörte sie jemanden am Gartentor hantieren. Es war Konrad, der ein Paket herbeitrug. "Grüß Gott, Konrad!", rief Maria aus.
"Ach, du hast aber schwer zu tragen. Geht es?"
Konrads Blick verriet ihr nur zu gut, dass das Paket nicht leicht zu tragen sein konnte.
"Guten Tag, Schwester Maria! In der Tat, das Paket ist nicht ganz leicht."
Mitleidend sah Maria ihn an. Wie gerne würde sie ihm helfen, aber ihr Rücken verkraftete kaum noch schwere Lasten. Doch just in dem Moment ertönte eine Stimme hinter ihr. "Ah, das Paket. Danke für's Vorbeibringen, Konrad!" Justus, einer der Mönche, kam herausgetreten, um Konrads Lieferung entgegen zu nehmen. "Das kommt wie gerufen. Es tut mir leid, dass ich gerade nicht allzu viel Zeit habe, Konrad. Ich habe dich zufällig mit dem Paket hier vorbeigehen sehen und wusste ja, dass nur Maria im Garten ist. Drinnen ist noch viel zu tun, wir putzen gerade die ganze Kirche. Grüß Gott, Konrad! Dich schickt der Himmel!"
Konrad und Justus nickten sich zum Abschied zu und einen Augenblick später war der Mönch wieder dorthin verschwunden, wo er herkam.
Da wandte sich Konrad zu Maria."Maria. Dürfte ich deinen Rat ersuchen?"
"Aber selbstverständlich. Ich möchte mir deine Sorge gerne anhören. Ssetz dich, Konrad, und berichte, was dir so sehr auf dem Herzen lastet"
Ihrer Geste folgend, nahm er auf der Gartenbank platz und begann bereits zu sprechen, noch während sich Maria neben ihn setzte.
"Ich mache mir Sorgen um unsren Bibliothekar. Der Herr schütze ihn. Er... hat keinerlei Scham, heute morgen hat er sich erdreistet einem fremden Mädchen ins Haar zu fassen und wenig später - Gott behüte – einer völlig Fremden ans Bein gelangt. Er tat dies nur um einen Fuß zu verarzten und doch... manchmal wirkt es so als könne er...", Konrad schluckte, "...die Seele so lesen, wie es nur unser Herrgott versteht. Und das muss doch Sünde sein?"
Er fuhr sich durch die widerspenstigen Locken und stützte die Arme schwer auf seinen Beinen ab, während er die Schwester vor sich hilfesuchend anblickte.
"Gott weiß wohl um meine eigene Schwäche. Aber ich will auch niemandem Hilfe verwehren, der sie benötigt. Könntet ihr vielleicht einmal mit ihm sprechen? Und dann ist da noch dieses blonde Mädchen, von dem ich sprach. Vielleicht könnte sie hier im Kloster fürs Erste Zuflucht finden?
Maria erhob ihren Blick nachdenklich zum Himmel und suchte den besten Worten, die sie gerade finden konnte. "Mein lieber Konrad, ich verstehe deine Sorgen. Doch eins nach dem Anderen. Was das fremde Mädchen angeht, jenes, das möglicherweise Hilfe benötigt - ich werde für das Mädchen beten, dass ihr Fuß schnell verheilt. Und du weißt doch, für Bedürftige haben wir immer einen Platz in unseren Mauern. Ich denke, wenn sie einen Platz sucht, wird sie ihn hier finden. "
Maria pausierte einen Augenblick, war sie sich wegen der anderen, angesprochenen Sorge über den Bibliothekar Noel doch selbst relativ unsicher, und sah Konrad an. Seine Augen verrieten ihr, dass er ihr sehr vertraute. Konrad war nicht das erste Mal mit Maria im Gespräch. Sie war meistens draußen im Kirchgarten und von allen Bewohnern des Klosters diejenige, die mit den Bewonern des Dorfes am häufigsten ins Gespräch kam. Obwohl es auch genügend Dörfler gab, die ihr Gespräch im Kloster selbst mit einem der anderen Geistlichen suchten.
Maria verstand Konrads Sorgen sehr gut, und er schien das ebenfalls zu wissen.
Doch als sie Konrads Erzählung in ihrem Kopf wiederholte, wusste sie, wie sie die Situation zu verstehen hatte.
"Unser Bibliothekar, wie? Er war tatsächlich nie ein besonders fröhlicher Mensch. In der Kirche hat er sich jedenfalls nie blicken lassen, seit er hier aufgetaucht ist. Doch solch zärtliche Gesten wie diese zeigen erst, dass er trotz seiner unchristlichkeit ein wirklich liebenswerter und wertvoller Mensch für uns ist. Vielleicht war das Mädchen sehr traurig - ins Haar zu fassen ist mitunter eine tröstliche Geste. Ich glaube, dass wir uns nicht um unseren Bibliothekar sorgen müssen. Es ist bestimmt ein gutes Zeichen, möglicherweise ist Noel auch in sie verliebt? Er kommt in das Alter, in dem sich die jungen Menschen vermählen sollten. Indes glaube ich sogar, dass es längst an der Zeit wäre für ihn, endlich eine Frau und damit seinen Frieden und vielleicht auch seinen Weg zu Gott zu finden." Je länger sie sprach, desto sicherer fühlte sich Maria mit diesem Gedanken. Doch Konrad schien noch nicht allzu überzeugt und blickte sie bloß zweifelnd an. Nachdem Maria seinem zweifelnden Blick entgegensah, fuhr sie mit ihren Worten fort.
"Mein lieber Konrad, ich sehe, dass du nicht überzeugt sein magst. Vielleicht hast du Recht, ich habe keinen eigenen Blick auf diese Situation. Und weißt du was, ich wollte sowieso heute noch einmal zum Friedhof gehen. Auf dem Weg dorthin kann ich ja auch bei Noel vorbeischauen und mir ein eigenes Bild von seiner Situation machen."
Konrad sah ein wenig erleichterter aus, als Maria ihre letzten Worte aussprach.
"Wo kann ich unseren werten Bibliothekaren denn finden? Und wo ist jetzt das fremde Mädchen zu finden?"
"Noel sollte zumindest inzwischen in der Bibliothek zugegen sein. Wo sich das Mädchen zurzeit befindet, weiß ich leider nicht."
Maria nickte "Dann kann ich, bevor ich zum Friedhof gehe, noch bei Noel vorbeisehen. Eigentlich liegen im Kloster genug Bücher herum, die zurückgebracht werden müssten."
Die Bibliothek lag zwar am Rand des Dorfes, aber immer noch auf dem Weg zum Friedhof, wenn man einen kleinen Umweg ginge. Konrad stand auf und nickte Maria zu. Er war offensichtlich bereit, wieder zu gehen und sich zu trennen, denn der Weg zur Bibliothek war ein anderer als der, den Konrad nunr einschlagen würde. Er hatte ja auch selbst noch genügend zu tun.
"Vielen Dank für das Gespräch, Maria." setzte Konrad an."Ich hoffe, du hast Erfolg mit deinem Gespräch mit Noel. Möge Gott dich schützen und begleiten. "
"Dich ebenso, werter Konrad. Ich wünsche einen gesegneten Tag."
Konrad verließ das Klostergelände und verschwand ausser Sichtweite, während Maria aufstand und sich in das Klostergebäude begab, um die Bücher zu holen, die die Mönche liegen gelassen hatten.
Wenige Minuten später befand sich Maria mit 5 Büchern in einem Korb auf dem Weg zur Bibliothek. Eines davon, es war die Bibel, würde sie später auf dem Friedhof brauchen, denn sie las dort den Toten oft aus ihrer Bibel vor. Doch die anderen vier Bücher hatte sich ein junger Mönch geliehen, der das Lesen zurzeit sehr übte, und der Maria gebeten hatte, die Bücher bei Gelegenheit zurück zu bringen und auszutauschen. Wenigstens war ihr Weg in dieser Sonne eher schattig gelegen, sodass es nicht zu warm wurde.
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