"A-aber auch wenn dieser Herr... äh... K-kirschgrund-Affenwiese mit den... schönen... Kleidern kein echter Arzt war, so würde ich doch gerne sehen, wie krank der Hauptmann tatsächlich ist. Würdest du mich begleiten, damit wir notfalls sofort Hilfe holen können?"
Ade, schöner Morgen mit Kräutertee. Der Kopf hitzte, die Haut biss ihn und das Blut pumpt weiter und weiter und ließ ihn das Trommeln innen drin spüren. Aber wer war er, Tyrell Flynt, dass er der verehrten Miss Elkarst einen Gefallen abschlägt, nachdem er sie doch so heldenhaft vertreten hat? Kein Vollidiot, so viel ist sicher.
"Sicher", antwortete er, "ich habe ja sonst nichts Sinnvolles zu tun..."
Die Ironie in seinem Satz nicht wahrnehmend sagte Luise darauf: "D-danke! Ich sag' kurz Vater Bescheid und hinterlasse eine Nachricht für kommende Kunden und..."
"Luise."
"J-ja...?"
"Der falsche Fuffziger hat sich übrigens mit Apfelwiese vorgestellt. Nicht Affenwiese."
"A-ach ja? War das so? Aber Vater sagte doch, dass er eigentlich kein richtiger Arzt ist und-"
"Eh... darum geht's mir eigentlich nicht", unterbrach er sie, "aber du machst dir vor und während des Redens immer so viele Gedanken, dass du fast gar nicht richtig zuhörst."
"I-ist das so...?"
Tyrell seufzte einmal. So wichtig war das jetzt ja nun auch wieder nicht: "Ach, wie auch immer. Sag deinem Vater einfach schnell Bescheid, ich schreibe die Notiz, mh?"
Sie nickte einmal kurz und ging in Richtung Hinterzimmer, während Tyrell aus seiner Tasche einen Papierfetzen und eine Feder rausholte.
Danach machten sich Tyrell und Luise auf zum Hauptmann. Er befand sich normalerweise in der Mitte des Dorfes, dem Dorfmarkt- und Rathausplatz, allerdings ruhte er sich seit geraumer Zeit am Dorfrand aus, in einer alten Hütte, in der er als Kind aufwuchs. Auf dem Weg dorthin schaute Luise jedes Mal weg, wenn die anderen Dorfbewohner sie grüßten. Wobei sie vorher verlegen lächelte und dann errötet zur Seite schaute und ihre Hände zusammenkniff. Irgendwann fing dann Tyrell an zu reden:Zitat
"Sag mal... was ist denn eigentlich mit dir los?"
"Nichts, nichts... i-ich schaue nur Leuten nicht so gerne direkt in das Gesicht..."
Vielleicht war sie wirklich einfach nur sehr schüchtern. Tyrell stieß ein resignierendes Stöhnen von sich und beließ es dabei. Danach waren beide beim Hauptmann angekommen. Vorsichtig öffneten sie die Tür und brachen das tagelange Dunkel mit einzelnen Sonnenstrahlen. Ein warmes Flackern ertönte, als sie beide im Schlafzimmer ankamen und den Hauptmann erbärmlich im Bett schwächeln sahen.
"A-adalbert...", sprach eine sonst nie so kratzende Stimme, "...bist du daaas...?"
"Nein, Herr Hauptmann! I-ich bin es, Luise... ich bin nur seine Tochter..."
"Herrje, Hauptmann! Was hat dieser Affen- äh- Apfelwiese Euch nur angetan?!"
"Ich weiß auch nicht...", hustete er, "...er gab mir... seltsame Medizin und... verschrieb mir nur strengste Bettruhe im dunkelsten Dunkeln..."
"Oh je, Ihr... Ihr seht nicht gut aus...!"
"Ich... habe guten Dienst geleistet, solange ich lebte", sagte er und holte zu seinen letzten Worten heraus, dabei machte er eine längere Denkpause.
"D-dieses Dorf... e-es ist... nicht frei von Sorge, wie wir immer denken...", und hielt Luises Hand ganz fest, um darauf aufmerksam zu machen, dass beide ihm jetzt gut zuhören sollen, "mit meinem Tod und des Neuanfangs eines unwissenden Jünglings... werden schlimme Dinge ihren Lauf nehmen... i-ihr... ihr müsst mit dem schlimmsten rechnen... i-ich... ich kann leider n-nichts mehr t-tun... a-aber i-ihr... s-sollt n-n-neue H-ho - neue Hoffnung i-in einer anderen Person sch-schöpfen... r-r-r-ruft a-alle Bewohner zusammen... z-z-z-zum Dorfplatz u-und w-wählt... w-wählt waise... m-man k-k-kann n-nicht v-vorsichtig g-genug sein...
...
...V-Vorsicht...
...habt Vorsicht!"
Und während Luise schluchzend seine Hand hielt, verstarb der Hauptmann, der stets treu von seiner Geburt an dem Dorf so gut gedient hatte, in just diesem Moment, als er zur neuen Hauptmannswahl aufrief.