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Ritter
Nachdem Luise den Fuchswelpen versorgt hatte, den Konrad auf den entzückenden Namen Kürbis getauft hatte, holte sie einen kleinen Korb, den sie mit einem weichen Deckchen polsterte. Dort hinein legte sie das Füchschen und trug es zurück in den Verkaufsraum. Das Körbchen stellte sie in eine geschützte Ecke hinter der Theke und kniete sich davor nieder.
"Und unternimm keine Abenteuer, mein Kleiner. Du musst schließlich deine Pfote schonen", flüsterte Luise ihrem frisch adoptierten Haustier liebevoll zu. Als Antwort schleckte Kürbis ihren Finger ab. Das Mädchen kicherte leise. "Bestimmt möchtest du draußen spielen. Gedulde dich ein bisschen, ja? Später können wir bestimmt noch zusammen spazieren gehen. Ruh dich einfach erst etwas aus und lauf niemandem unter die Füße..."
In diesem Moment ertönte das Glöckchen über der sich öffnenden Eingangstür. Kürbis stieß ein erschrockenes Fiepen aus.
"Schsch, mein Kleiner. Keine Angst, niemand tut dir etwas", sprach Luise, während sie dem Fuchswelpen eine beruhigende Hand auf den Kopf legte. Dann stand sie auf und schaute, wer sich denn nun entschlossen hatte, der Apotheke einen Besuch abzustatten. Es handelte sich um einen anscheinend wenig begeisterten Tyrell und einen Mann mittleren Alters in... ungewöhnlicher... Kleidung. "Was kann ich...", begann Luise, wurde aber sofort unterbrochen.
"Was ist das denn!?", rief der Mann mit sichtlicher Empörung. "Sind die Apotheken in dieser hinterwäldlerischen Umgebung etwa Spielgruben für kleine Kinder!?"
Luise bemerkte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und ihre Hände schwitzig wurden und zu zittern anfingen. "N-nein, mein Herr. I-ch bin d-die Tochter von... äh mein Vater... ihm gehört diese Apotheke, aber er ist ..."
Ungeduldig stampfte der Mann auf den Boden. "Na, worauf wartest du dann? Hol ihn her, Mädchen!"
"He, lasst sie doch erstmal ausreden!", warf Tyrell ein, welcher den Mann schon seit geraumer Zeit missmutig betrachtet hatte.
"Misch du dich nicht ein, Junge!", fuhr dieser ihn an. Dann wandte er sich wieder an Luise: "Hör gut zu, kleines Fräulein! Ich habe keine Zeit für deine Spielchen! Ich bin der hochgeachtete Medicus Hugo Abrosius Godefridus von Hirschgrund-Apfelwiese, Studierter Absolvent der Universität zu Mandelsheimhausen und jahrelanger Leibarzt des Königs von Nord-Estparien! Ich weiß, dass dein kleiner roter Kopf wahrscheinlich nicht weiß, was das bedeutet. Also fasse ich mich kurz: Nach meinen langen Jahren als fleißiger, treuer, weiser und bescheidener Arzt im Dienste des Königs, traf ich die schwere Entscheidung, mich in die Dienste, des einfachen ungebildeten Volkes zu stellen und für viel zu geringe Summen, welche meinen Fähigkeiten keineswegs entsprechen, worüber ich mich aber nie beschweren würde. Also wanderte ich nur mit meinem tiefen Wissen und meiner geschmackvollen Medikus-Garderobe gerüstet in diese unwirtliche, gottverlassene Gegend und traf nach einer Ewigkeit fernab jeglicher Zivilisation in diesem Dorf, bei Eurem Hauptmann, welcher meine große Weisheit sofort erkannte, und auch, dass nur ich ihm helfen kann. Er leidet nämlich an einer furchtbaren Krankheit, die nur ich heilen kann. Wir dürfen keine Sekunde verlieren! Wo ist dein Vater, Mädchen?"
"Warum redet er soviel über sich selbst, wenn es angeblich schnell gehen soll?", murmelte Tyrell, leise in sich hinein.
"N-nun Herr K-kirschgrund-Affenwiese", stammelte Luise, völlig benommen von diesem Redeschwall. "I-ich verstehe die Situation u-und dass Ihr w-eit gereist seid b-bei Euren... hüb... schen K-Kleidern, aber m-mein Vater ist sehr krank. D-deshalb leite ich im Moment die Apotheke."
"WAS!? Wie kann denn ein so kleines Kind schon Apothekerin sein!?", rief Medikus Hirschgrund-Apfelwiese ungläubig aus. "Du bist doch bestimmt noch keine elf Sommer alt! In zehn Jahren kannst du´s vielleicht mal versuchen!!!"
Luise senkte beschämt den Kopf. Sicherlich wollte er Salz in ihre Wunde träufeln. Ihr ihren Platz bewusst machen. Es wusste doch jeder, dass es keine Apothekerinnen gab. Dieses Handwerk war allein Männern vorbehalten.
"Nun macht mal halblang. Luise kennt sich im ganzen Dorf am besten mit Heilmitteln aus! Sie weiß immer, was man Kranken geben muss."
Erstaunt und dankbar blickte Luise auf. Dass Tyrell sie in Schutz nahm, obwohl sie ihn heute Morgen so lange hatte warten lassen.
Bevor jedoch irgend jemand der drei etwas weiteres sagen konnte, öffnete sich die Tür zum Wohntrackt und Adalberts bleiches Gesicht schaute Luise an.
"Ist alles in Ordnung, mein Kind? Ich habe laute Stimmen gehört und..." Er brach ab und seine Augen weiteten sich als er den Medikus erblickte. "Du - HUGO!?"
Der Medikus erwiderte den Blick verständnislos. "Kennen wir uns?" Dann breiteten sich erst Erkenntnis und dann Schock auf seinem Gesicht aus. "A-adalbert...?" Einen Moment hielt er inne, dann stürmte er durch die Eingangstür hinaus. Verständnislos schauten Luise und Tyrell hinterher.
"Sieht aus, als würde er das Dorf verlassen...", murmelte Tyrell.
"Das wird er sicher. Er ist ein umherziehender Quacksalber, dem ich schon mehrmals begegnet bin. Jedes mal geht er irgendwohin, nimmt Kranke Menschen aus und verschwindet, sobald man ihn entlarvt", sagte Adalbert mit einer untypischen Grimmigkeit in der Stimme. Gefolgt von einem Husten.
"Vater, du musst zurück ins Bett!", rief Luise erschrocken.
"Aber Kind, wenn solche Verbrecher hier herumlaufen, kannst du doch nicht ganz alleine..." Ein lautes Husten ertönte.
"Ach was! Konrad passt auf mich auf. Und gerade war Tyrell dabei, mir zu helfen. Ich komme zurecht..."
Nachdem Adalbert wieder in seinem Zimmer war, wandte Luise sich an Tyrell. "D-danke, dass du m-mich so verteidigt hast. Das ist mehr, als jemand wie ich verdiehnt hat...", murmelte sie schüchtern. "A-aber auch wenn dieser Herr... äh... K-kirschgrund-Affenwiese mit den... schönen... Kleidern kein echter Arzt war, so würde ich doch gerne sehen, wie krank der Hauptmann tatsächlich ist. Würdest du mich begleiten, damit wir notfalls sofort Hilfe holen können?"
Geändert von Zitroneneis (19.03.2013 um 17:48 Uhr)
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