"I-ich danke Euch vielmals, Noel. Das Ihr mir einen solchen Gefallen tut, obwohl ich Euch so lange hier habe warten lassen. U-und obwohl Eure Kopfschmerzen sicher schrecklich sind..." Ihre Stimme erstarb.
Noels Körper fühlte sich an wie der Kern eines ungnädigen Vulkanes. War es das? Fühlte es sich so an, in einen Menschen... verliebt zu sein?
Sanft lächelnd legte er Luise eine Hand auf den Kopf, einen Moment hatte Noel überlegt, ihr Haar zu streicheln, doch das wäre für nun entschieden zu viel gewesen, also beließ er es dabei, ihren Kopf zu berühern.
"Es gibt Nichts, für dass du mir zu danken hättest, kleine Elfe..." , Noels Lächeln wurde etwas breiter, aber vorallem war es ehrlich, was sehr selten bei ihm war, "Was macht einen Menschen zum Menschen? selbstverständlich, dass er die Schwachen beschützt und umsorgt, nicht? Ich bin froh, wenn jenes kleines Geschöpf heil ist, doch... so die Sorge aus deinem Gesicht verschwindet und du wieder zu Lächeln in der Lage bist, kleine Elfe... so spüre ich, wie auch das plagende Toben meiner Kopfschmerzen Stück für Stück weniger wird... danke."
Sie senkte scheu den Kopf. Eine einzelne, widerspenstige Locke fiel in Luises Gesicht, aber sie machte keine Anstalten sie wegzuwischen, denn sie merkte, dass ihr Gesicht wieder zu brennen begann.
"Ähm... es tut mir Leid, dass ich Euch dazu bewegen wollte, das Schild auszubessern. I-ich habe wohl nicht richtig zugehört und voreilig Schlüsse gezogen", sprach sie peinlich berührt und mit noch immer gesenktem Blick. "D-das war sehr eigennützig von mir... I-ihr seid j-ja kein Handwerker sondern Bibliothekar. Und w-wenn man beim Ausbessern v-von der Leiter f-fällt, dann bricht man s-sich viellecht etwas..."Schüchtern suchte Luise sein Gesicht nach Anzeichen für Schuldzuweisungen ab und fuhr, als sie keine fand, etwas mutiger fort: "I-ich sollte meinen Kunden Mittel zur Besserung geben - und sie nicht in Gefahr bringen."
Ein leises Lachen drang von Noel her. Er nahm die Hand von Luises Kopf und hielt sie vor seinen Mund, das Lachen zu unterdrücken.
"Was könnte einen Mann wohl zufriedener machen, als sich bei einem Gefallen für eine junge Prinzessin eine Schramme zuzuziehen?
Leider, so fürchte ich, gehört handwerkliches Geschick nicht zu meinen vielen Talenten. Verzeih meine Nutzlosigkeit."
Luise schüttelte energisch den Kopf. Sie wollte wohl noch etwas erwiedern, doch fehlten dem Mädchen die Worte, ihre Gedanken auszudrücken. Also nickte sie ihm nocheinmal lächelnd zu und verschwand dann hastig im Hinterzimmer.
Noel sah ihr nach, bevor er entspannt die Augen schloss und sich zum Gehen wandte.
Ja, diesen Besuch kann man zweifelsohne als Erfolg bezeichnen.
Oyashiro-sama selbst muss wohl ihre schützenden Hände über mich gehalten haben.
Mit diesem selbstzufriedenen Gedanken erstarb Noels Lächeln, und er nickte Konrad zumindest nocheinmal ohne jede Feindseeligkeit zu. Dieser Mann hatte bisher nicht viele der niederen Eigenschaften gezeigt, die Noel so hasste. Warum ihm nicht eine Chance geben? Mit diesem Gedankenspiel verließ Noel die Apotheke, und der sonnige Tag, der noch immer seine Forten über dem Dorf ausbreitete, erschien Noel auf einmal sehr viel erträglicher. Die Migräne war auf ein erträgliches Maß abgesunken, nun würde er seelenruhig zur Bibliothek schlendern und ein Buch lesen. Ein Buch über Veilchen, ja...
So in Gedanken versunken stieß er ungemütlich mit einer kleinen Gestalt zusammen, welche sich schmerzhaft auf den Hintern setzte.
Noels Blick fuhr ungerührt zur Seite: Ein kleines, verwahrlostes Mädchen mit schmutzigen, blonden Haaren saß an einer Häuserwand angelehnt und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den rechten Fuß. Auch wenn sie ziemlich klein war, so schien sie doch deutlich mehr Sommer gesehen zu haben als etwa seine kleine Elfe.
"Miért kell mindig engem?", fluchte sie leise, aber für Noel hörbar - allerdings alles andere als verständlich -, "Ők hagytak hátra közepén kurva sehol. Igen, köszönöm mindenkinek! Köszönöm, csak dömping nekem a kurva pokol. Bassza meg! Bassza meg azok a srácok...", sie griff in den Beutel, der nun halbgeöffnet vor ihr lag und hob langsam ein schwarzes Frettchen heraus, das ihre miese Stimmung wohl innerhalb von Millisekunden zumindest etwas bessern konnte. "... legalább Djángo itt van. Igaz, haver? Igen, te olyan jó fiú! Te olyan ...!" - dann sah sie auf zu dem Rothaarigen, den sie vorhin kurz gesehen hatte. "Hast du ein Problem?", sagte sie und sah ihn scharf an, bevor sie mit einem Kopfnicken deutete, er solle sich verziehen. "Geh' weiter." Doch er blieb einfach stehen, schien fast zu grinsen. Langsam ließ sie das Frettchen wieder in den Beutel gleiten, ihn imemr noch ansehend. "Ey, Seggfej, ich mag es nicht wenn man mich so anstarrt, ja? Ist unhöflich, ja?" Immer noch keine Regung. "Ey! Nézd meg máshol! Guck' woanders hin, ja? Oder mach' dich nützlich. Hol' wen für mein Fuß, ja?"
Noel blieb ungerührt, überhörte das unaussprechliche Gefluche der Göre einfach. Stattdessen fiel sein Blick auf den rechten Fuß des Mädchens: Er war voll mit Dornen, das sah äußerst schmerzhaft aus.
Einen Moment lang starrte der rothaarige Mann die erbärmliche Gestalt, die vor ihm im stand an, als er sich, einem unbewussten Reflex folgend, vor sie kniete und ihren Fuß in die Hand nahm.
Na ja, wo ich gerde schonmal dabei bin... so Fortuna will, sieht mich Luise vielleicht sogar dabei. Man kann nie genug Gold ansammeln, sagte einst schon ein berühmter Dichter.
"EY! EY! Ne érj hozzám! Kurvára ne érj hozzám!", sagte sie halblaut. Wild aufeinanderfolgend erschienen ihr Bilder vor Augen, die sie nicht wieder...
Das Mädchen zog und zerrte, wollte ihren Fuß aus Noels Griff lösen, doch er ignorierte sie vollkommen, beachtete sie gar nicht und zog still als auch vorsichtig die langen, dünnen Stacheln aus dem schutzlosen Schuhwerk des Mädchens.
"Meine Güte, musst du unvorsichtig gewesen sein, Mädchen... hätte Rotkäppchen überlebt, wenn sie so unvorsichtig durch den Wald gelaufen wäre?"
"Rotkäppchen hätte dir in dein fasz getreten wenn du sie so angerührt hättest.", entgegnete sie, immer noch alles andere als erfreut über die überraschende Hilfe.
Düster lächelnd, ja fast amüsiert entfernte Noel weitere Stacheln aus ihrem Fuß, achtete darauf, möglichst wenige Schmerzen dabei zu verursachen.
Als er schließlich fertig war, erhob er sich stumm und schenkte dem Gör einen letzten, emotionslosen Blick.
"Pass besser auf dich auf, Mädchen. In dieser Welt voller Gesindel kann man sich nie oft genug umsehen."
Und mit diesen Worten ging der junge Mann still von dannen.
Was war denn bitte jetzt DAS?
Deusexus lief neben dem schweigendem Noel her, sah zurück auf das blonde Mädchen.
Mauserst du dich jetzt etwa zum herzlichen Menschenfreund? Nun... nicht, dass ich eure Schweigsamkeit dabei behindern will, aber eine gewisse Ironie hätte das ja schon, nicht? Hehehehe...
Noel, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, reagierte garnicht auf die Stichelein seines Begleiters. Stumm wanderte er die nach wie vor spährlich belaufenen Straßen entlang.
Oder ist es, weil das Mädchen, obgleich ihres Alters, dich an deine Kindheit erinnert? Immerhin warst du doch genau so ein Streuner, bevor die Fanatiker der Gottes Augen dich aufnahmen, hrr.
Stillschweigend gingen die beiden nebeneinander, als Noel schließlich etwas erwiederte.
"Sei still, Deus."
Und so machte Noel sich, wie jeden Morgen, auf zur Bibliothek.