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Thema: Das Dorf Gottes Tag 0 (Anmeldung noch bis Mittwoch 20h)

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  1. #1
    Zwei Tage zuvor, im Nachbardorf

    "Ich schwör, sieht nur so aus, ist eigentlich nicht so und wenn du Beweis haben willst, dass nicht so ist, schwör ich da gerne nochmal drauf."
    , sagte sie in schneller Abfolge mit starkem osteuropäischen Akzent, pausierte eine Sekunde und fügte ein langgezogenes "Schwööööö~r." hinzu.
    "Lumi, hör' auf mich anzulügen.", sagte der etwas dickliche Kerl mit der Axt dessen Namen sie sich ums Verrecken nicht merken konnte. "Ich sehe den kleinen Tisch, sehe die Würfel, habe genau gehört wie du gewürfelt und 'Ohhhh, wiederrrr kein Glück!'...", dabei äffte er ihre Sopranstimme und ihren Akzent nach, "... gesagt hast."
    Auf frischer Tat ertappt. "Bassza meg... [Och scheiße...]", flüsterte sie leise in ihren nicht vorhandenen Bart und sah nur noch eine Möglichkeit, dieser Situation...
    "Lumi, nein. Guck' mich nicht an mit diesem Hundeblick. Das funktioniert nicht, diesmal nicht, diesmal...", reagierte er folgerichtig auf ihre Taktik, mit der sie offensichtlich gegen eine Wand lief. Weiterhin den Hundeblick auf dem Gesicht sagte sie: "Was soll ich tun, damit du mich ziehen lässt?", während sie im Hinterkopf dachte: Oh Gott, bitte sag' nicht das was ich hoffe dass du nicht sagst bitte bitte bitte...

    "Erzähl' mir 'nen Witz.", war seine Antwort. Er verschränkte die Arme und blickte auf die zierliche 1,55 m kleine, blonde, grünäugige Gestalt herab mit einem Lächeln auf dem Gesicht. "Wenn du mich zum lachen bringst, lasse ich dich ziehen."
    Kurz musste sie verarbeiten, was er da von ihr wollte. Der Dackelblick wich einem entgültig skeptischen Gesichtsausdruck samt halbgeöffneten Mund und hochgezogener Augenbraue. Und außer einem "Im Ernst?" wollte erst einmal so nichts recht aus ihrem Mund kommen.
    "Ja, aber warte, ich hole noch kurz-UWE! PETRUS! MANFRED! Kommt mal eben kurz!", er trommelte jetzt nicht ernsthaft...? Doch. Die drei anderen Vigilanten, die einen auf Wache in dem Dorf machten, kamen jetzt auch dazu, einer weniger sympathisch aussehend als der nächste.
    "Gut, fang' an, Zigeunerin!", sagte er, grinsend seine Kollegen und danach wieder sie ansehend.
    "Hát... [Nun...]", begann sie, kratzte sich unter ihrem linken, halbblinden Auge und dachte spontan an den einzigen Witz den sie kannte:

    "Also, ein Mann sitzt... Ein Mann sitzt bei Arzt. Arzt sagt: 'Ich habe geguckt bei dir, ähm, untenrum, ja!? Und untenrum ist soweit gut, nur du hast zwei verschiedene, ähm, golyók - Eier. Hoden. Und Mann sagt: 'Oh, was meinen Sie denn damit?' Und Arzt sagt dann: 'Ein Ei ist aus Gold und ein Ei aus Bronze.' Der Mann ist, ähm, rázott, weißt du - völlig weg, so und sagt: 'Wie soll ich das denn mein Kindern erklären?' Der Arzt guckt so überrascht und sagt: 'Kinder? Schwör?' und Mann antwortet: 'Ja, der Midas ist 3 und der Koloss von Rhodos ist 5."

    Totenstille. Der Hauptwachmann grinste zwar milde, aber das konnte nie und nimmer als Lachen gezählt werden.

    Sie starrte in die Runde und fügte im furztrockenen Tonfall "Ist lustiger in mein Muttersprache." hinzu.

    Als der Kerl plötzlich und ohne Vorwarnung mit seinen riesengroß erscheinenden Händen in ihre Richtung griff, griff sie wiederum in den Beutel mit dem "Wunderpulver", das sie immer nach einer Wahrsagung verstreute (einer meistens völlig falschen, natürlich) und schleuderte ihm eine Handvoll in die Augen, bevor sie ihn mit einem saftigen Tritt ins Gemächt kurzfristig außer Gefecht setzte. Mit einem Bocksprung hüpfte sie über den vor Schmerzen am Boden knienden Kerl und rannte einfach, hinter ihr großes Geschrei der anderen drei "Wachen" hörend. Kurz hörte sie Djángos Gefiepe aus ihrem um den Rücken geschnallten Allzweckbeutel und konnte nur mit einem "Tut mir leid! Wollt' dich nicht wecken!" antworten.


    Heute

    Querfeldein ging sie durch das kleine Wäldchen am Straßenrand, zwar der Straße folgend, aber doch respektvollen Abstand von ihr haltend. Bis sie endlich Rauch am Horizont aufsteigen sah. Sie war hungrig, ihre Füße schmerzten, ihr Rücken noch mehr, Djángo hechelte genau wie sie, sich nach etwas zu fressen sehnend. "Bassza meg... [Och scheiße...]", stöhnte sie. "Ist das irgendwie Vision oder so? Stadt erst nah dran, dann weit weg, dann nah dran... Ist zum kotzen, ist immer dasselbe mit... Elegem van! [Mir reicht's!] Verdammte Scheiße!", sie stoppte um sich beide Hände vors Gesicht zu halten, schreite frustrierte Hasstiraden in ihre Weisheitslinien.

    Warum habt ihr mich zurückgelassen?

    Doch lange hielt diese Frustrationswelle nicht an. Sie ging weiter der Stadt entgegen, langsam, die Hände immer noch vor dem Mund haltend, aber nichts sagend und die Tränen zurückhaltend. Etwa paar hundert Meter vor dem Eingang entfernte sie die Hände vom Mund und rieb sich damit die Augen. Und als sie endlich hineintrat, wurde ihr verschiedene Düfte in die Nase getrieben, Rauch, Essen, Essen, Schafscheiße, Essen. Sie wusste noch nicht genau, woher sie das letztere organisieren sollte, aber irgendetwas würde ihr schon einfallen. Selbst Djángo - das schwarze Frettchen mit weißer Bauchlinie - streckte neugierig den Kopf heraus und schaute sich um, während augenscheinlich einige Blicke an ihr klebten.

    "Oh, das wird lustig...", murmelte sie sich selbst mit sarkastischem Tonfall zu und fixierte in diesem Moment mit ihrem guten Auge einen rothaarigen Burschen, der irgendwie nicht so recht ins Bild passen wollte. Dennoch ging sie strickt in die Richtung, in die sie vermutete, unauffällig etwas zu essen abgreifen zu können. Und vielleicht sollte sie auch noch jemanden suchen, der sich ihren linken Fuß ansah. Denn lange konnte sie so nicht durch die Gegend humpeln mit dem gefühlten halben Dornenbusch in ihrer Fußsohle...

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (21.03.2013 um 17:03 Uhr)

  2. #2
    Luise hoffte inständig, dass Tyrells Symptome kein Zeichen für eine aufkommende Grippe waren. Das letzte was sie gebrauchen konnte, war eine Epidemie, jetzt wo ihr Vater so krank war und sie sich um die Apotheke zu kümmern hatte. Viel konnte sie aber nicht tun, also schlug sie dem Jungen einen Kräutertee vor, der zumindest ein bisschen helfen sollte. Jedenfalls hoffte sie das.
    Plötzlich hörte Luise, wie Konrad sie von der Seite ansprach und die Möglichkeit in den Raum warf, dass Noel doch als Zahlung für die Medizin das Ladenschild wieder richten könne. Luise wusste nicht, ob dieser dürre junge Mann wirklich so geeignet wäre, eine solche Arbeit zu übernehmen. Eigentlich hatte sie ihn noch nie schwer arbeiten sehen, da sie ihm normalerweise nur hier in der Apotheke begegnete, wenn er wieder von seinen Kopfschmerzen geplagt wurde. Und manchmal in der Bibliothek, wenn sie etwas nachforschen wollte, was Adalberts Bücher nicht hergaben. Und unabhängig davon, ob er das Zeug zum Handwerker hatte oder nicht - Noel hatte noch immer dieses gewisse Etwas um sich, das Luise so verunsicherte. Das ihr beinahe Angst einjagte, und dass sie beim besten Willen nicht greifen konnte.
    Aber vielleicht sollte sie sich nicht so sehr von ihren eigenen, unbegründeten Gefühlen leiten lassen. Vielleicht sollte sie dem jungen Mann einfach etwas Vertrauen entgegen bringen. Schließlich war er auch immer freundlich zu ihr.
    "N-nun, wenn Euch das nichts ausmacht, Noel, dann könnt ihr sehr gerne das Ladenschild richten, anstatt den üblichen Preis zu zahlen. Schließlich seid Ihr... äh... s-sehr oft hier und m-möchtet vielleicht n-nicht Euer g-ganzes Geld wegen dieser K-Kopfschmerzen für unsere Medizin ausgeben." Hoffentlich klang das nicht unhöflich. Luise hatte gehört, dass manche Erwachsene empfindlich darauf reagierten, wenn man sie darauf ansprach, ob sie ihren Geldbeutel schonen wollten - anscheinend verletzte es ihren Stolz. Und das war das letzte, was Luise wollte. Also fügte sie mit einem scheuen Lächeln hinzu: "A-aber natürlich nur, wenn Euch das genehm ist. E-ein Schild befestigen i-ist ja sicher anstrengend, u-und kostet bestimmt viel Zeit -"
    Bevor sie lange darüber nachdenken konnte, ob sie Noel nun womöglich als Schwächling bezeichnet hatte, wurde Luise von zwei Bauernkindern unterbrochen, die einen verletzten Fuchswelpen hereintrugen.
    Schlagartig veränderte sich Luises Miene. Das fiepende, pelzige kleine Etwas rang ihrem Gesicht ein warmes Lächeln ab. Vorsichtig streckte sie dem Füchschen ihren Finger entgegen und es schnüffelte ausgiebig daran. Dann öffnete sie das Hemd weiter und zog scharf den Atem ein, als sie die blutverkrustete Pfote sah.
    Schnell warf sie einen Blick in die Richtung ihres Vetters. "Konrad, bitte hilf mir! Das sieht schlimm aus, ich muss es wohl auswaschen und nähen. Bitte, beruhige ihn solange!" Dann lächelte sie. "Tiere mögen dich immer so gern. Und wenn wir uns beeilen, wird es ihm in einer Woche wieder gut gehen."

    Geändert von Zitroneneis (18.03.2013 um 17:14 Uhr)

  3. #3
    Der frühe Vogel fängt den Wurm. So, oder so ähnlich war das Motto, das schon lange in Ross Familie als Devise galt. So kam es, dass er auch heute schon in den frühen Morgenstunden aufstand und sich für die Arbeit fertig machte. Frau und Kinder waren bei Verwandten und auch er wäre gern mitgekommen, allerdings war da noch die Arbeit und die Maultiere mussten ja auch gefüttert werden. So hob Ross schweren Herzens wie an jedem anderen Tag zuvor, seine Axt und Zaumzeug auf und ging in den Stall nebenan, wo er die Maultiere fertig machte.
    Danach fuhr er den alten Karren zum Waldrand, wo er noch einige Zeit wartete, bis sein Partner auftauchte, mit dem er dann zusammen im Wald verschwand, auf dem Weg, um Eisenholzbäume zu fällen.

  4. #4
    Die frühen Morgenstunden schlafend hinter sich lassend, erblickt Rekon erst Mittags den Himmel der Außenwelt. Wie es ein Jäger so tut, begibt sich Rekon direkt in den Wald um zu jagen. Das Glück stand tatsächlich auf seiner Seite und er hat ein Wildschwein erlegt. "Hm... Zeit für ein Frühstück" dachte sich Rekon, ging zurück in sein Haus, aß sein Schwein, bis nichts als Knochen von eben jenem übrig war. "Irgendetwas fehlt... Ach Mist! Die Kräuter!" bemerkte er erst nach dem Verzehr, rannte in den Wald, stolperte beinahe über einen Baumstumpf und dann fing er an, nach Kräutern zu suchen. Als er ein eher seltenes Kraut fand, war er natürlich sehr froh, rannte wieder Richtung Hütte, stolperte beinahe wieder über den selben Baumstumpf, rannte an Ross vorbei und begrüßte ihn dabei mit einem "Guten Morgen, Ross!". Zu Hause angekommen erfreute er sich an seinen Kräutern. Rekon hat die Kräuter in einem Glasbehälter verstaut, diesen in sein Lager verfrachtet und sich danach schon wieder ins Bett gelegt. Irgendwie schien er doch noch nicht so fit zu sein, wie er dachte und dann auch noch so viel Gerenne... Das war zu viel für den armen Rekon. Na ja... Hauptsache er hat seine Kräuter.

  5. #5
    Also kratzte er sich den Bart und wandte sich erneut an Noel: „So wie es scheint, besteht sie darauf euch selbst zu versorgen. Seht mal, Luise nennt euch ja eh schon Noel und wenn ihr mögt könnt ihr mich ebenfalls beim Vornamen nennen. Konrad also.“

    Noel hielt Konrads Blick stand, er blieb, wie er es normalerweise pflegte, gefasst und ruhig.
    Tz... als hätte ich irgendein Interesse, deinen Namen zu sprechen. Allerdings kann es wohl nicht schaden, ihren Cousin nicht zum Feind zu haben.
    Noel war sich nicht ganz sicher, wie er reagieren sollte. Solch eine Angespanntheit war eigentlich völlig untypisch für ihn. Natürlich, es musste an ihrer Anwesenheit liegen.
    Der junge Mann beschloss, seine seltene Gabe, das Gedankenlesen, von der niemand außer ihm selbst etwas wusste, anzuwenden.

    Natürlich, Noel... das ist ja wieder die einfachste Lösung. Du machst es dir so leicht...

    Deusexus...

    Noels Freund hatte sich wieder gezeigt. Der junge, feist grinsende Wolf saß ungeniert mitten in der Apotheke, natürlich konnte nur Noel ihn sehen.
    Nun... "Freund" war eine reichlich mutige Bezeichnung. Das erste Mal hatte Noel den Wolf als kleines Kind wahrgenommen, wohl etwa, als seine Frau Mutter verstarb. Zuerst dachte er, der sprechende Wolf, der sich selbst Deusexus nannte, wäre nichts weiter als eine Sinnestäuschung, ein Ergebnis seines schmerzlichen Verlustes. Doch auch nach Wochen und Monaten war das Tier nicht verschwunden, drängte sich zu den unpassendsten Momenten in seine Wahrnehmung. Also hatte Noel ihn irgendwann einfach akzeptieren müssen. Er wusste nicht, wer oder was Deusexus war... wahrscheinlich nur eine chronische Wahnvorstellung als Nebenwirkung seiner Migräne.

    Halt den Mund. Ich tue es, um meine kleine Elfe nicht zu verlieren. Also misch dich nicht ein.

    Der Wolf hielt sich eine Pfote vor das breite Maul, wäre er ein Mensch, könnte man seine Reaktion wohl als gehässiges Kichern bezeichnen.
    Tz! Genau, das ist deine Ausrede für Alles, du dunkler, hassender Einzelgänger du. Lies nur die Gedanken des Burchen, reagiere entsprechend und stehe als Held da. Du bist erbärmlich.
    Damit war Deusexus endlich wieder verschwunden. Noel hatte mit der Zeit gelernt, die vorlaute Schnauze seines unfreiwilligen Mitbewohners zu ignorieren, also schritt er zur Tat und las die Gedanken Konrads, welcher einen Augenblick lang ruhig verharrt hatte.

    Gütiger Herrgott, ich kann nicht immer auf sie aufpassen.
    Schütze du sie beide und vollbringe weiter deine Wunder an ihm.


    Noels Augen weiteten sich unmerklich. Dieser Mann... man merkte, dass er Bewohner dieses schönen, kleinen Ortes war. Noel konnte ihn nicht so recht einschätzen, er war längst nicht so einfach gestrickt wie er es vielleicht immer glauben wollte. Dann sprach Konrad erneut mit ihm.

    „Weil ihr Vater sie so sehr braucht, vergisst sie manchmal was sie selber braucht um glücklich zu sein. Wenn ihr ihr dem Kind mal eine Freude machen wollt... sie mag Veilchen ganz gerne.“

    "W..."

    Ein gutmütiges Lächeln umspielte Konrads Lippen.
    Zwar zog sich etwas in Noel zusammen bei der Art, wie der Burche das Wort "Kind" betont hatte, doch der Rest kam... unerwartet. Diesmal entschied sich Noel, nicht schlicht die Gedanken seines Gegenübers zu lesen. Es interessierte ihn, wie dieser Mann tickte.
    "Warum habt ihr mir das gesagt?"
    Noels Blick war nach wie vor misstrauisch, doch seine Haltung gegenüber dem großgewachsenem Konrad war deutlich entspannter als noch vor Augenblicken.

    Der rotgelockte Geselle schien einige Augenblicke nachzudenken. Dann zierte erneut ein unbeschmutztes Lächeln sein Gesicht, und er flüsterte.
    "Wisst Ihr, Noel... ich denke, ab und an brauchen wir alle Mal etwas Hilfe. Niemand kann ganz alleine seine Ziele erreichen. Auch Ihr nicht."
    Mit diesen Worten zwinkerte er Noel lächelnd zu, bevor er sich zu Luise und Tyrell begab.

    Etwas erstaunt blieb Noel stumm zurück. Nach unendlichen Augenblicken... zogen sich seine Mundwinkel leicht, ganz leicht in die Höhe.
    Verflucht, da soll mich doch Käpt'n Hook beim schlafen holen... nicht übel, Konrad.
    Noels Blick wanderte entspannt zu Luise herüber.
    Veilchen, hm...?
    Und mit diesem Gedanken beschloss er, dass es für heute genug war. Er wandte sich, den Laden zu verlassen, als etwas unerwartetes geschah. Noel musste träumen.

    "N-nun, wenn Euch das nichts ausmacht, Noel, dann könnt ihr sehr gerne das Ladenschild richten, anstatt den üblichen Preis zu zahlen. Schließlich seid Ihr... äh... s-sehr oft hier und m-möchtet vielleicht n-nicht Euer g-ganzes Geld wegen dieser K-Kopfschmerzen für unsere Medizin ausgeben." Hoffentlich klang das nicht unhöflich. Luise hatte gehört, dass manche Erwachsene empfindlich darauf reagierten, wenn man sie darauf ansprach, ob sie ihren Geldbeutel schonen wollten - anscheinend verletzte es ihren Stolz. Und das war das letzte, was Luise wollte. Also fügte sie mit einem scheuen Lächeln hinzu: "A-aber natürlich nur, wenn Euch das genehm ist. E-ein Schild befestigen i-ist ja sicher anstrengend, u-und kostet bestimmt viel Zeit -"

    "W-w-w-wawawawa... ich fürchte, ich verstehe nicht re-"
    Da kreuzte sich Noels Blick mit dem von Konrad. Feist grinsend zwinkerte der ihm zu.

    PECH UND SCHWEFEL, DIESER VERFLUCHTE !!!!!!!!!!!????!!!*********!!!??***
    Noel hatte keine Zeit, dem falschen Teufelsanbeter noch weitere Flüche an den Hals zu werfen, denn Luise stand vor ihm, nervös, unschuldig wie immer, die großen Augen unsicher die seinen suchend.
    Oh Gott. Wenn es einen Gott gibt, dann hasst er mich.

    HAHAHAHAHAHA, KÖSTLICH, DAS IST JA UNBEZAHLBAR! Du Noel, ein Schild reparieren! ICH KANN NICHT MEHR, mein Bauch, oh bei allen Wolfsmüttern des Mondes, erlöst mich! Hahahahaha!
    Deusexus welzte sich jaulend vor Amüsement durch die Apotheke, Noel hatte das gottgegebene Bedürfnis, Amok zu laufen.

    "Luise, ich fürchte... da hast du etwas falsch verstanden. Natürlich will ich nicht sagen, es war dein Fehler, nein. Vielmehr... scheint es mir... nun..."
    Hach, was sollte man sagen. Seine kleine Elfe konnte manchmal einfach beispiellos perplex und durch den Wind sein. Selbstredend war auch das nur eine weitere ihrer liebenswürdigen Eigenschaften, doch in mancherlei Situation, und zu jenen zählte diese ganz zweifellos, war sie unangenehm. Äußerst unangenehm.
    Noel wollte erneut das Wort erheben, als einige Kinder in die Apotheke gestürmt kamen.
    Offenbar hatten sie ein verwundetes Tier dabei, Luise rief Konrad um Hilfe an. Noels Stimmung beruhigte sich, gleichgültig starrte er auf das jammernde Fuchsbaby und Luises tränennahe Augen, in Sorge getränkt.
    Es zerriss ihn fast. Das war unerträglich. Das würde er nicht dulden.
    Seelenruhig kam Noel auf das Tier zu. Konrad, der gerade herbeigestürmt war, hielt er ruhig mit einem Arm zurück. Ohne seinen Blick zu suchen, verstand dieser offenbar und blieb ruhig stehen. Noel kniete sich herab zum Fuchsbaby, direkt neben Luise.
    "Sorge dich nicht, kleine Elfe... ich habe schon ungezählt viele Bücher über Tiere und deren Pflege gelesen... offenbar ist dieser kleine Freund in eine Falle der... Menschen getreten."
    Behutsam griff Noel nach Luises' Hand, nahm ihr sanft das Fuchsbaby aus den Armen und wusch seine Pfote vorsichtig mit einem feuchten Lappen.
    "Am besten ist es, wenn die Wunde jetzt desinfiziert und abgedrückt wird. Dann sollte sie schon in wenigen Tagen wieder verheilt sein."
    Beruhigend lächelte er Luise an, hielt ihr den kleinen Fuchs hin, welcher eine nun deutlich sauberere Pfote hatte.

    Geändert von Holo (19.03.2013 um 06:56 Uhr)

  6. #6
    "Öh...", stand Tyrell teilnahmslos da, "...ja. Also... Luise, eigentlich fragte Konrad ja, ob ich..." Und gerade, als er zur Kernaussage kommen wollte, sah er Noel, am Boden kniend, sich um den kleinen Fuchs kümmern. Jetzt von einem unglaublichen Arsch von einem Menschen den Job, das Geld, das wertvolle Entgelt, zurückverlangen zu wollen, der zu allem Überfluss vor der weinerlichen Luise den galanten Kavalier raushängen lässt, auch noch im Falle eines verletzten kleinen Tierchens mit niedlichen Glubschaugen... also passend war das jetzt nicht grad'.

    "Ach... das ist mir zu heiß, ich nehm' das Geld", verkündete er resignierend, warf ein paar Münzen auf den Thresen und zischte von dannen, während alle anderen sich über diese merkwürdige Redewendung ihre Köpfe zerbrachen. Wie auch immer, er war auf halbem Weg zu seiner Hütte zurück und freute sich, endlich in aller Ruhe genüsslich einen Kräutertee zu genehmigen und währenddessen weiter in seinem Bastler-Almanach herumzublättern, als plötzlich ein Mann mittleren Alters vor ihm stand, in einer Kluft gehüllt, die Tyrells Aufzug fast schon entlächerlicht, und ihn ansprach:

    "Hey! Hey, du Kleiner! Du wohnst hier, nicht wahr"
    (Nenn mich nicht klein, du Nase!) "Ja, was gibt es denn?", fragte er zurück.
    "Ich kenne mich hier nicht aus. Wie du sicherlich weiß, bin ich der große waise Mann, der sich um euren Hauptmann kümmert", teilte der Medicus Tyrell mit, "wo finde ich hier Euren Apotheker?"
    (Der Hauptmann ist krank? Na, sowas aber auch...), dachte er sich, "Äh, aber selbstverständlich. Uh... unsere Apotheke ist-"
    "Führ mich dorthin, Kind, das sollte Ehre genug sein, meine Wenigkeit zum diesem niederen Gesocks zu führen."
    (Was? Soll das ein Witz sein, den Weg schafft er wohl alleine! Und seine Redensart ist ja zum Kotzen!) Er seufzt einmal: "Na gut, folgt mir."

    Und begleitete den Medicus den langen Weg zurück zur Apotheke.

    Geändert von Ligiiihh (19.03.2013 um 18:13 Uhr)

  7. #7
    Ein wenig überrascht nahm Luise den Welpen entgegen. Sie hätte nie erwartet, dass Noel ein solcher Tierfreund war. Andererseits konnte sich nicht vorstellen, das irgendjemand diesem kleinen, seidig weichem Tierchen widerstehen konnte. Das junge Mädchen lächelte schüchtern: "I-ich danke Euch vielmals, Noel. Das Ihr mir einen solchen Gefallen tut, obwohl ich Euch so lange hier habe warten lassen. U-und obwohl Eure Kopfschmerzen sicher schrecklich sind..." Ihre Stimme erstarb und sie senkte scheu den Kopf. Eine einzelne, widerspenstige Locke fiel in Luises Gesicht, aber sie machte keine Anstalten sie wegzuwischen, denn sie merkte, dass ihr Gesicht wieder zu brennen begann.
    "Ähm... es tut mir Leid, dass ich Euch dazu bewegen wollte, das Schild auszubessern. I-ich habe wohl nicht richtig zugehört und voreilig Schlüsse gezogen"
    , sprach sie peinlich berührt und mit noch immer gesenktem Blick. "D-das war sehr eigennützig von mir... I-ihr seid j-ja kein Handwerker sondern Bibliothekar. Und w-wenn man beim Ausbessern v-von der Leiter f-fällt, dann bricht man s-sich viellecht etwas..."
    Schüchtern suchte Luise sein Gesicht nach Anzeichen für Schuldzuweisungen ab und fuhr, als sie keine fand, etwas mutiger fort: "I-ich sollte meinen Kunden Mittel zur Besserung geben - und sie nicht in Gefahr bringen." Sie würde Tyrell wohl um Hilfe bei dem Schild bitten. Aber zuerst würde sie sich um den Welpen kümmern. Luise nickte Noel noch einmal dankbar zu, dann verschwand sie im Hinterzimmer, wo sie stets alles Notwendige für die Reinigung und Versorgung von Wunden bereithielt.

  8. #8
    "I-ich danke Euch vielmals, Noel. Das Ihr mir einen solchen Gefallen tut, obwohl ich Euch so lange hier habe warten lassen. U-und obwohl Eure Kopfschmerzen sicher schrecklich sind..." Ihre Stimme erstarb.

    Noels Körper fühlte sich an wie der Kern eines ungnädigen Vulkanes. War es das? Fühlte es sich so an, in einen Menschen... verliebt zu sein?
    Sanft lächelnd legte er Luise eine Hand auf den Kopf, einen Moment hatte Noel überlegt, ihr Haar zu streicheln, doch das wäre für nun entschieden zu viel gewesen, also beließ er es dabei, ihren Kopf zu berühern.
    "Es gibt Nichts, für dass du mir zu danken hättest, kleine Elfe..." , Noels Lächeln wurde etwas breiter, aber vorallem war es ehrlich, was sehr selten bei ihm war, "Was macht einen Menschen zum Menschen? selbstverständlich, dass er die Schwachen beschützt und umsorgt, nicht? Ich bin froh, wenn jenes kleines Geschöpf heil ist, doch... so die Sorge aus deinem Gesicht verschwindet und du wieder zu Lächeln in der Lage bist, kleine Elfe... so spüre ich, wie auch das plagende Toben meiner Kopfschmerzen Stück für Stück weniger wird... danke."

    Sie senkte scheu den Kopf. Eine einzelne, widerspenstige Locke fiel in Luises Gesicht, aber sie machte keine Anstalten sie wegzuwischen, denn sie merkte, dass ihr Gesicht wieder zu brennen begann.
    "Ähm... es tut mir Leid, dass ich Euch dazu bewegen wollte, das Schild auszubessern. I-ich habe wohl nicht richtig zugehört und voreilig Schlüsse gezogen", sprach sie peinlich berührt und mit noch immer gesenktem Blick. "D-das war sehr eigennützig von mir... I-ihr seid j-ja kein Handwerker sondern Bibliothekar. Und w-wenn man beim Ausbessern v-von der Leiter f-fällt, dann bricht man s-sich viellecht etwas..."Schüchtern suchte Luise sein Gesicht nach Anzeichen für Schuldzuweisungen ab und fuhr, als sie keine fand, etwas mutiger fort: "I-ich sollte meinen Kunden Mittel zur Besserung geben - und sie nicht in Gefahr bringen."

    Ein leises Lachen drang von Noel her. Er nahm die Hand von Luises Kopf und hielt sie vor seinen Mund, das Lachen zu unterdrücken.
    "Was könnte einen Mann wohl zufriedener machen, als sich bei einem Gefallen für eine junge Prinzessin eine Schramme zuzuziehen?
    Leider, so fürchte ich, gehört handwerkliches Geschick nicht zu meinen vielen Talenten. Verzeih meine Nutzlosigkeit."


    Luise schüttelte energisch den Kopf. Sie wollte wohl noch etwas erwiedern, doch fehlten dem Mädchen die Worte, ihre Gedanken auszudrücken. Also nickte sie ihm nocheinmal lächelnd zu und verschwand dann hastig im Hinterzimmer.

    Noel sah ihr nach, bevor er entspannt die Augen schloss und sich zum Gehen wandte.
    Ja, diesen Besuch kann man zweifelsohne als Erfolg bezeichnen.
    Oyashiro-sama selbst muss wohl ihre schützenden Hände über mich gehalten haben.

    Mit diesem selbstzufriedenen Gedanken erstarb Noels Lächeln, und er nickte Konrad zumindest nocheinmal ohne jede Feindseeligkeit zu. Dieser Mann hatte bisher nicht viele der niederen Eigenschaften gezeigt, die Noel so hasste. Warum ihm nicht eine Chance geben? Mit diesem Gedankenspiel verließ Noel die Apotheke, und der sonnige Tag, der noch immer seine Forten über dem Dorf ausbreitete, erschien Noel auf einmal sehr viel erträglicher. Die Migräne war auf ein erträgliches Maß abgesunken, nun würde er seelenruhig zur Bibliothek schlendern und ein Buch lesen. Ein Buch über Veilchen, ja...

    So in Gedanken versunken stieß er ungemütlich mit einer kleinen Gestalt zusammen, welche sich schmerzhaft auf den Hintern setzte.
    Noels Blick fuhr ungerührt zur Seite: Ein kleines, verwahrlostes Mädchen mit schmutzigen, blonden Haaren saß an einer Häuserwand angelehnt und rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den rechten Fuß. Auch wenn sie ziemlich klein war, so schien sie doch deutlich mehr Sommer gesehen zu haben als etwa seine kleine Elfe.

    "Miért kell mindig engem?", fluchte sie leise, aber für Noel hörbar - allerdings alles andere als verständlich -, "Ők hagytak hátra közepén kurva sehol. Igen, köszönöm mindenkinek! Köszönöm, csak dömping nekem a kurva pokol. Bassza meg! Bassza meg azok a srácok...", sie griff in den Beutel, der nun halbgeöffnet vor ihr lag und hob langsam ein schwarzes Frettchen heraus, das ihre miese Stimmung wohl innerhalb von Millisekunden zumindest etwas bessern konnte. "... legalább Djángo itt van. Igaz, haver? Igen, te olyan jó fiú! Te olyan ...!" - dann sah sie auf zu dem Rothaarigen, den sie vorhin kurz gesehen hatte. "Hast du ein Problem?", sagte sie und sah ihn scharf an, bevor sie mit einem Kopfnicken deutete, er solle sich verziehen. "Geh' weiter." Doch er blieb einfach stehen, schien fast zu grinsen. Langsam ließ sie das Frettchen wieder in den Beutel gleiten, ihn imemr noch ansehend. "Ey, Seggfej, ich mag es nicht wenn man mich so anstarrt, ja? Ist unhöflich, ja?" Immer noch keine Regung. "Ey! Nézd meg máshol! Guck' woanders hin, ja? Oder mach' dich nützlich. Hol' wen für mein Fuß, ja?"

    Noel blieb ungerührt, überhörte das unaussprechliche Gefluche der Göre einfach. Stattdessen fiel sein Blick auf den rechten Fuß des Mädchens: Er war voll mit Dornen, das sah äußerst schmerzhaft aus.
    Einen Moment lang starrte der rothaarige Mann die erbärmliche Gestalt, die vor ihm im stand an, als er sich, einem unbewussten Reflex folgend, vor sie kniete und ihren Fuß in die Hand nahm.
    Na ja, wo ich gerde schonmal dabei bin... so Fortuna will, sieht mich Luise vielleicht sogar dabei. Man kann nie genug Gold ansammeln, sagte einst schon ein berühmter Dichter.

    "EY! EY! Ne érj hozzám! Kurvára ne érj hozzám!", sagte sie halblaut. Wild aufeinanderfolgend erschienen ihr Bilder vor Augen, die sie nicht wieder...
    Das Mädchen zog und zerrte, wollte ihren Fuß aus Noels Griff lösen, doch er ignorierte sie vollkommen, beachtete sie gar nicht und zog still als auch vorsichtig die langen, dünnen Stacheln aus dem schutzlosen Schuhwerk des Mädchens.
    "Meine Güte, musst du unvorsichtig gewesen sein, Mädchen... hätte Rotkäppchen überlebt, wenn sie so unvorsichtig durch den Wald gelaufen wäre?"

    "Rotkäppchen hätte dir in dein fasz getreten wenn du sie so angerührt hättest.", entgegnete sie, immer noch alles andere als erfreut über die überraschende Hilfe.

    Düster lächelnd, ja fast amüsiert entfernte Noel weitere Stacheln aus ihrem Fuß, achtete darauf, möglichst wenige Schmerzen dabei zu verursachen.
    Als er schließlich fertig war, erhob er sich stumm und schenkte dem Gör einen letzten, emotionslosen Blick.
    "Pass besser auf dich auf, Mädchen. In dieser Welt voller Gesindel kann man sich nie oft genug umsehen."
    Und mit diesen Worten ging der junge Mann still von dannen.

    Was war denn bitte jetzt DAS?
    Deusexus lief neben dem schweigendem Noel her, sah zurück auf das blonde Mädchen.
    Mauserst du dich jetzt etwa zum herzlichen Menschenfreund? Nun... nicht, dass ich eure Schweigsamkeit dabei behindern will, aber eine gewisse Ironie hätte das ja schon, nicht? Hehehehe...

    Noel, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, reagierte garnicht auf die Stichelein seines Begleiters. Stumm wanderte er die nach wie vor spährlich belaufenen Straßen entlang.

    Oder ist es, weil das Mädchen, obgleich ihres Alters, dich an deine Kindheit erinnert? Immerhin warst du doch genau so ein Streuner, bevor die Fanatiker der Gottes Augen dich aufnahmen, hrr.

    Stillschweigend gingen die beiden nebeneinander, als Noel schließlich etwas erwiederte.
    "Sei still, Deus."

    Und so machte Noel sich, wie jeden Morgen, auf zur Bibliothek.

    Geändert von Holo (19.03.2013 um 06:57 Uhr)

  9. #9
    Als er Luise im Hinterzimmer beim verarzten des Fuchses half, war Konrad ungewöhnlich still. Erst als der Fuchs in einer kleinen Holzkiste saß und schlief, sprach er wieder. „Du bringst niemanden in Gefahr, im Gegenteil du machst eine wunderbare Arbeit, Luise. Ich werd mal was zu futtern für den Knirps besorgen. Muss jetzt eh los. Bis heute Abend dann.“ Er umarmte sie zum Abschied fest und ging dann in Richtung der Ställe, die ans Gasthaus angrenzten um die Pferde zu versorgen.

    Der Jäger kam ihm auf diesem Weg mit einer prächtigen Wildsau über der Schulter aus dem Wald entgegen und Konrad fragte sich, nachdem er Recon sowie Ross und seinen Kollegen freundlich gegrüßt hatte, ob die Wohl für das prächtige Essen am Palmsonntag gedacht war. All die Leckereien, nach denen es aus dem Backofen des Dorfes roch, waren auf jeden Fall genug Grund sich auf das kommende Osterfest zu freuen.
    Das Tyrell den Laden so fluchtartig verlassen hatte, tat ihm ein wenig Leid. Der Bursche hatte es so schon schwer genug. Umso erstaunter war Konrad, als er Tyrell nun mit dem Medicus zusammen gen Apotheke laufen sah. Hoffentlich ging es ihrem Hauptmann schon besser, welchen andren Grund gab es das der Medicus hier draussen und nicht bei ihm war?

    Von der Stalltür aus sah er noch Noel neben einem blondgelockten Mädchen knien und wie er der Fremden ohne jede Scheu ans Bein langte um ihren Fuß zu verarzten. Der Anblick verwirrte Konrad so sehr, das er beinah das Paket fürs Kloster fallen ließ. Und wie immer, wenn er nicht wusste was richtig oder falsch war, machte er sich auf die Suche nach einem Vermittler zwischen Gott und den Menschen – immerhin würde ein Geistlicher sicher wissen ob Noels Verhalten schamlos war oder ob St. Martin ihn mit genug Hilfsbereitschaft für sie alle mitgesegnet hatte. Und dann war da noch der Holzesel für die Palmsonntagsprozession, den er abliefern sollte.

    Geändert von Viviane (19.03.2013 um 09:44 Uhr)

  10. #10
    Peter verabschiedete sich an diesem Morgen von seiner Frau und den Kindern. „Seit brav, ihr zwei und hört auf eure Mutter“ sagte er ihnen mit einem Anflug von einem Lächeln und strich ihnen dabei über den Kopf. Margarethe gab er noch einen Abschiedskuss. „Heute ist einiges an Arbeit auf dem Felde zu tun, der Acker muss für die Aussaat vorbereitet werden. Ich bin zum Abendessen wieder im Haus.“ Er setzte seinen Hut auf und ging hinaus in den kleinen Stall.

    „Hallo mein Brauner“ begrüßte er den alten Wallach, tätschelte ihn leicht am Hals und führte ihn hinaus, wo er ihn vor den Karren spannte. Auf dem Weg zum Feld rannte Rekon an ihm vorbei. Er wirkte sehr gehetzt und achtete nicht einmal auf seine Schritte, wäre er doch beinahe über einen kaum zu übersehenden Baumstumpf gestolpert und gefallen. Peter konnte über diesen Mann nur den Kopf schütteln. Seine Jagdkunst mochte nicht zu verachten gewesen sein, aber sein sonstiges Verhalten hatte der Landwirt noch nie verstanden. Besonders argwöhnisch fand er seine Rüstung. Rekon war doch kein Ritter?

    Während Peter noch Rekon hinterher blickte, kam der junge Konrad in sein Blickfeld, der ein wenig verwirrt herumzuirren schien. Ob es dem Apotheker schlechter ging? „Guten Morgen, Konrad!“ rief er ihm zu und fragte dann, mit etwas gedämpfterer Stimme: „Ist etwas passiert?“

  11. #11
    Sie blinzelte und schlug dann die Augen auf.
    Es war noch ziemlich früh und sie war in der Nacht noch lange unterwegs gewesen, weswegen Viktoria nun etwas schwerfällig aus dem Bett stolperte.
    Sie gähnte und band ihre Haare zu einem strengen Dutt. Dann zog sie ihre schlichten Kleider an und ging hinunter, wo ihre Mutter und ihr Bruder gerade frühstücken.
    Sie schnappte sich eine Scheibe Brot und nuschelte ihrer Mutter ein leises "Guten Morgen" zu.
    "Machst du bitte den oberen Knopf zu Viktoria Valeria", erwiderte ihre Mutter streng.
    Viktoria warf ihrem Möpschen ein Stück Fleisch hin, dann knöpfte sie ihn zu.
    Nachdem sie die Scheibe Brot aufgegessen hatte, begab sie sich in ihre Schneiderei, in der sie bis zum Mittag blieb. Die Schneiderei "Von Eichenstein", lag direkt gegenüber von dem Wohnhaus der von Eichensteins und somit musste sie nur ein kurzes Stück zu Fuß zurück legen.
    Am Mittag beschloss sie eine Pause einzulegen und ging mit ihrem Mops Friedrich zurück ins Wohnhaus.
    Sie setzte sich auf einen alten Holzstuhl und schloss für einen Moment die Augen.
    Der ganze Stress der Arbeit machte ihr Kopfschmerzen und somit massierte sie für einen Moment ihre Schläfen.
    Sie begann sich davon zu träumen. Sie erinnerte sich an gestern Abend. Sie hatte sich, wie an jedem Abend, heimlich ins Wirtshaus geschlichen. Als sie auf der Bühne stand, war sie jemand anderes. Sie war "Die rote Viola". Die Frau, die niemand im Dorf kannte und die eine wundervolle Stimme hatte. Nachdem sie ein Lied gesungen hatte, lief sie einfach schnellen Schrittes wieder hinaus und alle die ihr hinterherliefen, verloren sie irgendwann im Dunkeln des Waldes.
    Plötzlich hörte sie ein lautes Bellen. Sie riss erschrocken die Augen auf. "Friedrich!", stellte sie fest und rannte hinaus in den Garten, von dem sie meinte, dass Bellen vernommen zu haben.
    Sie rannte in Richtung Veilchenfeld.
    "Was machst du denn hier?!", fragte sie völlig erschrocken.
    Luise drehte ihren Kopf in ihre Richtung. Friedrich lag auf ihrem Schoss und ihre Hand lag in seinem Fell. Jedoch standen Tränen in ihren Augen. Viktoria ließ sich neben sie fallen und genoss für einen Moment den Geruch der Veilchen.
    Dann fragte sie: "Brauchst du jemanden zum Reden?"
    Das junge Mädchen schluchzte leise:"E-es tut m-mir L-leid. I-ich h-hätte h-helfen können, a-aber..." Ihre Stimme brach ab und bisher zurückgehaltene Tränen liefen erneut ihr Gesicht herab.
    Erschrocken fragte Viktoria: "Was ist denn passiert?"
    Luise senkte den Kopf, sodass ihre Augen vom roten Haar verdeckt wurden. "D-der Hauptmann... er... d-da war d-dieser Mann. D-dieser Medicus, d-der H-herr K-kirschgrund-A-affenwiese... oder so ähnlich - aber er war kein e-echter Arzt, d-dass hat mein Vater gesagt. U-und dann ist er weggelaufen."Sie holte Luft und machte eine kurze Pause. "D-den M-mann, Hirschgrund-Apfelwiese meine ich. M-mein Vater i-ist ja krank, d-der kann gar nicht w-wegrennen... Aber ich b-bin m-mit T-tyrell..." Dann schluchzte sie erneut auf.
    Viktoria legte ihr eine beruhigende Hand auf den Arm:"Schsch... atme erst einmal wieder." Sie strich Luise sanft über den Kopf. "Was ist denn mit Tyrell?"
    Luise blickte auf: "T-tyrell? Ihm g-geht´s gut. A-aber der Hauptmann..."Sie holte tief Luft bevor sie mit erstaunlich fester Stimme sagte: "Der Hauptmann ist tot."
    Schockiert blickte Viktoria das junge Mädchen an.
    "Was?"
    "V-vergiftet. V-von diesem H-herrn Hi-Hirschdung-A-apfelwiese... und ich k-konnte nichts t-tun. Ich bin Sch-schuld, weil i-ich es n-nicht rechtzeitig ge-gemerkt habe..."
    "Nein, nein, das ist doch nicht deine Schuld." Viktoria strich ihr vorsichtig über den Kopf warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. "Aber... wer soll nun das Dorf anführen?"
    Luise schaute sie verständnislos an. Dann schien ihr etwas zu dämmern und erschrocken sprang sie auf. "Genau! Er sagte, wir müssen alle einen neuen Anführer wählen!" Sie nahm Viktoria an der Hand. "Wir müssen zum Dorfplatz!!! Hoffentlich ist T-tyrell n-nicht wütend, w-eil ich ihn a-alleine gelassen habe..."
    Und so machten sich beide auf den Weg zum Dorfplatz, um dort den neuen Hauptmann zu wählen

    Geändert von Himbeereis (20.03.2013 um 22:29 Uhr)

  12. #12
    "Du... du.... sag mal, hast du sie noch ALLE?!"

    Tyrell stieg herauf und zeigte wild mit seinem belederten Zeigefinger gen Noel. "Als wäre die Situation nicht schon schlimm genug, wagst du es auch noch, dich hier auf irgendwas einzubilden und mich meterweit in den Schmutz zu werfen?! Geht's noch?!" Tyrell holte tief Luft. Noel würde sowieso nicht zuhören, aber es konnte nicht schaden, Noel vor dem Dorf zu bewahren. "Wir befinden uns hier in einer wichtigen Phase des Dorfes und das Letzte, was wir brauchen, ist ein zwielichtiger Kerl mit 'nem blutbefleckten Mantel, der sich einen Dreck ums Dorf schert! Du entwürdigst damit unsere Hauptmannswahl, dem letzten Wunsch von eben diesem Verstorbenen! Aber wenn du ihn ach so verehren würdest, wie du beschreibst, hättest du es sicherlich mitgekriegt. Du bindest uns hier einen Bären auf, ohne auch nur eine Miene zu verziehen! Das ist verachtenswert, verachtenswerter als jeglicher Menschendreck, den es hier gibt!" Sein Blick richtete sich dann gegen die anderen Dorfbewohner, die ihre Gesichter nicht von den beiden abwenden konnten: "Was wir brauchen, liebe Bewohner von Düsterwald, ist ein Hauptmann, der andere Menschen gerecht behandelt und ehrlich ist. Dieser Mensch da ist nicht in der Lage, eben diese Eigenschaften aufzuweisen. Man sehe sich nur sein Verhalten allein an diesem Tage an. Wir brauchen jemanden mit Herz und eben dieses besitzt er nicht! Für niemanden... außer vielleicht..." Tyrell dachte kurz nach. "...na ja, wie auch immer. Es ist nicht von Nutzen."

    "Es braucht jemanden, der uns nicht versucht, mit Furcht und Tücke zu führen, sondern mit einer neutralen, aber menschlichen Hand. Das können hier die meisten im Dorf sein, aber Noel ist es mit Sicherheit nicht! Lasst euch nicht die Köpfe von ihm verdrehen!"

  13. #13
    Als er gerade die Bühne verlassen wollte, kam ihm wieder Tyrell entgegengedackelt, das Gesicht voll mit Schlamm, seltsam mit dem Finger wedelnd.
    Anschließend brüllte er einige Minuten etwas, dass Noel größtenteils nicht verstand, weil er über interessantere Dinge nachdachte. Nun, eigentlich starrte er nur Wolken an.

    Als er nach minutenlang immer noch herumplärte, reichte es Noel, sein gespieltes Nervenkostüm war aufgebraucht. Aber natürlich durfte er nicht das eben mühsam aufgebaute Gesicht verlieren. Er trat an den Jungen heran und beugte sich mit dem Oberkörper vor, damit er mit ihm auf einer Augenhöhe war. Freundlich lächelnd flüsterte er Tyrell etwas zu.
    "Haben deine Eltern dir nicht beigebracht... oh, verzeih, du hast keine. Nun, dann möchte ich es dir sagen: Bitte schweig, wenn Erwachsene reden, ja? Ich denke, das hier ist nichts für einen kleinen Müllsammler von so geistesüberschaubarer Gestalt, hm?"

    Das letzte Wort sprach er mit beinahe ekelhafter Süffisanz, als er ihn, ohne dass jemand Notiz davon nahm, erneut in den Schlamm stieß, womit auch der letzte Fetzen Tyrells' Kleidung vollkommen verunreinigt war.

    "Oh, meine Güte, Tyrell... warte ich helfe dir... du musst besser aufpassen."
    Mit besorgtem Blick wollte Noel dem vor Wut kochendem Jungen aufhelfen, bevor er schließlich kaum merklich feixend davon ging.
    Also, das hat doch Mal wirklich Spaß gemacht.

    Bester Laune setzte Noel sich auf eine Bank etwas ab vom Dorfplatz, wo es ruhiger war und er entspannt den Ausgang der Wahl beobachten konnte.

    Geändert von Holo (20.03.2013 um 23:43 Uhr)

  14. #14
    Nur kurz nach Tyrells Ansprache, in welcher der junge Mechaniker Merete für den frei gewordenen Posten der Dorfleitung vorschlug, trat sie zu ihm, ohne die Reaktionen der restlichen Bewohner Düsterwalds abzuwarten. Mit wieder gedrosselten Lautstärke sprach sie zu ihm.

    "Ich danke Euch für das Vertrauen, das Ihr in mich setzt!" Sie nickte, war noch zu sehr in ihren eigenen Gedanken gefangen, um Tyrell über deren Essenz in Kenntnis zu setzen. War sie für diese Aufgabe geeignet? Wollte sie überhaupt für diese Aufgabe geeignet sein? Sie hatte die Gefahr erkannt, die dieser Posten offensichtlich beherbergte. Wollte sie diese Gefahr auf sich nehmen, ihre eigene körperliche Unversehrtheit, ihr Leben aufs Spiel setzen, um dem Dorf treu zu dienen, wie es der Hauptmann vor ihr getan hatte? Aber wer versprach ihr, dass dem so war? Wer sagte, dass die Aufgabe mit dem Risiko verbunden war, von dem sie ausging? Würden sich nicht früher oder später wieder alle für ihr Wohl opfern? So haben es zahlreiche Kämpfer der Uppreisamoti Kirkja getan. So hat es Arik getan.

    "Ja. Ich danke Euch und lehne nicht ab." Ein erneutes, höfliches Nicken sollte ihren Worten den angemessenen Nachdruck verleihen, bevor sich Merete wieder von Tyrell entfernte, in der kleinen Menge der Dörfler verschwand und den Worten ihrer Nachredner lauschte. Rekon, der Holfzfäller - beide sagten Dinge, die sie nicht dumm fand. Je länger sie darüber nachdachte, desto bewusster wurde ihr, dass die Menschen in diesem Dorf wohl eine richtige Entscheidung treffen würden, für wen sie sich auch entscheiden würden. Das musste sie hoffen.

    Ein Zerren am ledernen Rock der Isländerin weckte sie aus ihren Gedanken. Hm? Vermutlich der Wind, ihr treuer, frischer Freund, der diesem Dorf und ihr so oft einen Besuch abstattete. Er erinnerte sie an ihr Vorhaben.

    Ohne groß auf den gesichtstätowierten jungen Mann zu achten, der in diesem Moment rüpelhaft an einigen anderen vorbeilief, verließ sie den Schauplatz der Versammlung und der Reden, die sie hörte, die sie sprach und die nun noch folgen würden. Ihr Ziel war eindeutig. Das Haus des Hauptmannes. Ein letzter Besuch bei dem Mann, der ihr ermöglichte, hier für zwei Sommer in Frieden zu leben, schien ihr unumgänglich.

    Sie erreichte seine Unterkunft am Rande des Dorfes und schob die knarrende Eingangstür nach innen. Dort lag er, wie friedlich schlafend und nahezu komplett ins Dunkle gehüllt. Nur die geöffnete Tür ließ ein paar der späten Sonnenstrahlen des Tages hinein, um ihr den Blick auf seinen Leichnam nicht komplett zu verwehren. Bevor ihr Weg Merete zu seinem Bett führte, stellte sie sich an das Fenster, vor dem ein graues Leinentuch hing. Sie zog das Tuch herunter, ließ einen ganzen Schwall Licht herein, der das Todeszimmer des Hauptmanns in ein mattes aber ausreichendes Licht legte. Die Fischerstochter ließ sich einen Moment blenden, bevor sie sich umdrehte und seufzend an das Todesbett ihres engsten, vor kurzem noch lebenden Vertrauten zu machen. "Hauptmann..."

    Nur kurz darauf fand sich Merete in den eigenen vier Wänden wieder. Sie tauchte den kleinen Teil des Leinentuchs, den sie vom Stoff des Vorhangs in der letzten Lebensstätte des Hauptmannes abtrennte, in ein kleines, etwa kruggroßes Fass mit Pech, zog ihn anschließend heraus und wickelte es gekonnt um die knöcherne Spitze eines Pfeils, den sie fest in der linken Hand behielt, während sie ihren Köcher auf die Holzablage legte, die ihr am nächsten war. Dann verließ sie das Haus in Richtung Wald. Auf das Jagen würde sie heute verzichten. Doch ihrer Tradition würde sie folgen.

    Erst am kleinen Waldsee stoppte Merete, blickte für einen Moment raus auf die glasklare Oberfläche des Wassers und ließ mit einer eleganten Bewegung den Bogen von ihrer Schulter rutschen, den sie schließlich auf einen großen Stein legte. Ihre rechte Hand fuhr an ihre Hüfte, zog an dem ledernen Fingerhandschuh, den sie fest zwischen Hüfte und Ledergürtel geklemmt hatte, streifte sich ihn über. Einen Augenblick später hatte sie schon ein kleines Knäuelchen Zunder aus dem Leinenbeutel neben dem Dolch genommen, an den ebenso aus dem Beutel stammenden Feuerstein gelegt, während sie den Pfeil unter ihrer linken Achsel einklemmte. Als letztes wurde das Funkeneisen aus dem Beutel geholt. Merete schlug es an den Feuerstein und die entstehenden Funken ließen das Zunderknäuel brennen. Sie führte es an die pechgetränkte Pfeilspitze, die sofort in Flammen aufging und ließ die restlichen Utensilien zu Boden fallen.

    ***

    Der gespannte Bogen lag ruhig in ihrer Hand, sie sah durch die lodernden Flammen in den rotblauen Himmel und beruhigte ihren Atem, ihren Herzschlag, bis er kaum noch zu spüren war. Zeige- und Mittelfinger hielten - geschützt vom Leder des Handschuhs die Naturfeder und den dünnen Stab des Pfeils zurück, bis sie den Druck löste. Der brennende Pfeil schoss weit und steil in die Luft und Meretes Augen folgten ihm, bis er kehrtmachte und schlussendlich im Schlund des hungrigen Sees verschwand, ein letztes Zischen ertönte und dünne Rauchschwaden nur seicht in den Himmel stiegen, bevor sie nicht mehr auszumachen waren. Eine Tradition, die sie lernte, fernab von Staat und Kirche. Nicht mehr.

    Sich nach ihren Sachen beugend, flüsterte die Schützin - stellvertretend für jeden Freund des Dorfleiters - ihren Wunsch in den Wind, bevor sie sich zurück in die Gemeinde begab.

    "Auf dass Ihr erfüllt gestorben seid, Hauptmann!"

    Geändert von MeTa (21.03.2013 um 01:52 Uhr)

  15. #15
    Nichts machte Lumi unglücklicher als Stunk, der nicht berechtigt war. In gewisser Reichweite hockte sie hinter einer Häuserwand und sah dem Schauspiel zu, verzog eine etwas angewidertáe Grimasse als der Rotschopf dem Jungen mit der beschissenen Handschrift über die Parade pinkelte und dachte bei sich Sag' ich ja - komische Leute..., um danach den Plan noch einmal durchzugehen. Es würde großartig werden. Am Horizont konnte sie ein kleines Licht hochschießen sehen. Wunderschön. Das war wohl das leiseste Feuerwerk, das sie je gesehen hatte. Aber auch gleichzeitig in seiner Einfachheit das schönste.

    Fix zog sie sich wieder die Kapuze ins Gesicht (so tief, dass sie selbst kaum was sehen konnte) und setzte, hier und da zur Seite und nach vorne tastend (einmal verpasste sie irgendweinem Typen auf einer Bank aus Versehen eine leichte Ohrfeige), ihren Weg in Richtung des Dorfplatzes fort. Sie konnte bei der immer deutlicher hörbaren Geräuschkulisse nicht mehr weit sein. Sie war nervös, schwitzte stärker, je näher sie den Leuten kam. Selbst Djángo war vor lauter Nervosität leise. Sie blickte auf. Die Bühne war leer, die Leute waren zu sehr damit beschäftigt, einen Ersatz für ihren Hauptmann (Analbert?) zu suchen.

    Volltreffer.

    "Nun, ihr könnt wählen und mutmaßen - aber will denn niemand wissen, was genau passiert ist?", sagte sie laut. Hier und da verstummte die Konversation, die Blicke waren auf die kleine zierliche Gestalt gerichtet.
    "Wer bist du?", sagte eine Stimme. Eine Männerstimme.
    "Meine Name ist Lu-", nein nein nein, erste Regel: Benutz' bei einem Verbrachen nicht deinen Namen!, "-ma-ni-so-de-la-dings." Eine peinliche Stille lag über dem Dorfplatz. "Nenn mich einfach Szábo, das muss reichen!"
    "Sabo, also?", wurde verwirrt nachgehakt.
    "Nein, nein, mit tsch an Anfang: Tschabo."
    "Zabo."
    "TSCH-abo!", wiederholt sie, nun energischer.
    "S-z-a..."
    "Ach vergiss es, meine Name nicht wichtig.", brach sie ab. "Wie ihr wisst...", sie hüpfte alles andere als grazil von vorne auf die Bühne, und kletterte allerdings recht fix herauf und schaute auf die verwirrte Menschenmasse. "... ist eure Hauptmann gestorben. Aber was wohl nicht erwähnt wurde ist, dass es gute Gründe gab für sein Ermörderung."
    "Was bist du? 'ne Hexe?!", fragte der Junge mit der beschissenen Handschrift, der jetzt auch noch aussah als ob er Kacke im Gesicht hätte. Lumi grinste.
    "Hexe? Nein, ich bin nicht Hexe...", mit siegessicherem Stand griff sie in ihren Beutel und warf eine Ladung des Wunderpulvers direkt vor sich. Es verpuffte mit lautem Knall und erzeugte einen Nebel direkt vor ihr, der allerdings nur einige Sekunden lang anhielt. Die Sekunden nutzte sie, um den Umhang theatralisch nach hinter sich hin abzulegen und aus ihrem Beutel sowohl Frettchen als auch Spielkarten zu organisieren. Und während der Zeit musste sie sich ernsthaft zusammenreißen, um keinen Hustenanfall zu bekommen.

    Als sich der Nebel verzog, saß sie nur mit einem kurzen schwarzen Rock und einem weißen Hemd ohne Ärmel bekleidet auf der Bühne, Spielkarten vor sich ausgebreitet. Kunstvoll und stumm schnappte sie sich die ausgebreiteten Karten, mischte, grinste dabei als wäre sie auf Opium. Sie hatte völlig vergessen, dass man das Wunderpulver nicht durch die Nase inhalieren sollte. Jetzt war sie.... oh nein....
    "Eeeeeeeeeeeyyyyyyyyyyyyyyyyyy macht euch keine Sorge, ja?", sagte sie, im Schneidersitz hockend und offensichtlich nicht mehr ganz auf der Höhe, "Ich werde sehen, ob mir die Geister in der... der... Anderswelt vielleicht sagen können, warum der Typ euren Typen umgebracht hat. Muss doch Grund geben, oder? Gib immer Grund für alles."
    "Hey, bist du nicht etwas jung, um mit Geistern zu sprechen?"", fragte der Junge mit Schlamm im Gesicht abermals.
    Lumi unterbrach das kunstvolle Mischen, um mit quasi zur Rückhandschelle ausgeholter Hand drohend zu antworten. "Junge, du stellst viel zu viel Fragen.", sie senkte die Hand wieder und mischte weiter. "Außerdem solltest du wissen: Äußerlichkeits sind immer... wie sagt man? Irrenführend."
    Vor sich breitete sie nun einige der Spielkarten aus. Eins. Zwei. Bube. König. Ass. Alles Pik oder Kreuz. Ihre Mutter hätte jetzt wohl Tod und Verderben prophezeit. Keine von Lumis "Prophezeiungen" war bisher in Erfüllung gegangen. Und nichts sagt mehr "Ihr braucht mich." als etwas, das zumindest wirkt wie die Wahrheit.
    "Jaaaaa, ich seh' was.", ein Raunen ging durch die Menge. "Ich sehe - Rollen. Jeder wird eine Rolle spielen. Jeder hier wird Ziel und gleichzeitig Täter sein. Jeder wird etwas über sich erfahren was ihm vorher nie bewusst war."
    "Sag' uns etwas, was wir noch nicht wissen!", rief's von unten.
    "Gut, meinetwegen..., sie legte fünf weitere Karten. Alle ohne irgendwelche Bedeutung. Aber das hatte sie noch nie aufgehalten. "Ein rothaariger Kerl mit Mantel und komisches Zeichen auf Gesicht - er hat ein Geheimnis." (Er hat Fußfetisch! Hahaha!)
    "Was für ein Geheimnis?"
    "Hör' mal, seh' ich aus wie Barde? Ja? Nein. Fogd be a pofád [Halt' deine Fresse].", sie würde bestimmt nicht über seinen Fußfetisch hier Sachen herausposaunen - das ziemte sich nicht. "Aber was wirklich wichtig ist: (klischeehafter Spruch den du noch nicht gebracht hast?) Fremde Kräfte werden schon bald an Werk sein (Perfekt!) und ihr werdet auf ein hartes Probe gestellt von den (Ääääähhh...) Mächten, die.... (ääääh....) am Werk sind, wenn die Kacke dampft, echt.", sie wurde von Wort zu Wort leiser. Es schien ihr, als würde vor ihren Augen eine Feuerwerk explodieren. Sie war gerade auf einem Wunderpulver-Trip vom feinsten.

    Und plötzlich schlug's über sie wie ein Holzhammer. Unkontrolliert fing sie an zu schreien. Sie wollte nciht so dick auftragen, aber nun hatte sie die Kontrolle über ihre Feinmotorik verloren, spannte unkontrolliert ihre Muskeln in Beinen und Armen an. "Halál. Kimúlását. Add ide az összes pénzt!", wiederholte sie ein paar Male, was eigentlich nichts weiter bedeutete als Tod. Verderben. Gebt mir all eure Kohle., aber da hier wohl eh niemand ihre Sprache sprach, schmiss sie noch ein paar "A vöröshajú egy láb fétis. [Der Rothaarige hat 'nen Fußfetisch]"s dazwischen, wo sie schonmal da auf der Bühne herumrollte und Djángo jede Bewegung von ihr imitierte. Schweren Atems stoppte sie unvermittelt und schaute herunter.

    "Aber... mit meine.... Hilfe sind eure... Überlebenschancen zumindest ein bisschen größer.", sagte sie geheimnisvoll, wählte sich damit quasi selbst zum Hauptmann und dachte sich indes Lumi, du bist ein Genie.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (21.03.2013 um 21:27 Uhr)

  16. #16
    Der Weg durch den Wald war nicht weiter ereignisreich. Das einzige, was passierte, war Rekon, dem Ross und sein Partner begegneten. Nachdem sie ihn begrüßt hatten, war er auch schon wieder in Richtung Dorf verschwunden.
    Der Weg schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, er war kaum befestigt, mit Außnahme des schmalen festgetrampelten Pfades den die Tiere durch ihr regelmäßiges Begehen selbst gemacht hatten. Mit der Zeit kamen sie so immer tiefer in den Wald, die Vegetation veränderte sich bereits und der Wald schien sich mit jedem Meter immer weiter zu verfinstern. Überall um sie herum waren die merkwürdigsten Laute zu hören und ab und zu blitzen kurzzeitig rote Augen auf, nur um im nächsten Moment wieder zu verschwinden. Hier in dem Bereich des Waldes lag immer ein seltsamer Druck, doch egal was passierte, die Maultiere trotteten unendwegt vor sich hin, bis sie schließlich den großen freien Platz erreichen würden, der mit einem Schild markiert war, auf dem Ross Name und der seines Partners standen.
    Damals, als die Holzfällerei noch die Haupteinnahmequelle des Dorfes war, gab es noch weitere solcher Plätze, alle von anderen Holzfällern reserviert, heute waren Ross und sein Partner die einzigen, die noch im Dorf geblieben waren. Zum einen lag es daran, dass die Industrie, wie sie es nannten, sich in größeren Städten zu entwickeln schien und es somit weitaus lukrativere Arbeitsplätze gab und zum anderen war der Wald mittlerweile so gefährlich geworden, dass immer weniger Menschen sich freiwillig in die dunklen Untiefen des unerforschten Waldzentrums vorwagten.
    Auch Ross würde sich wohl bald einen neuen Job suchen müssen, denn sein Partner hatte auch bereits Pläne gemacht, das Dorf zu verlassen und alleine jeden Tag Holz zu fällen, wäre auf jeden Fall viel zu gefährlich, dessen war sich Ross gewiss, auch wenn es ihm absolut nicht gefiel, eine lange Familientradition aufzugeben.

    Vor ihnen lichtete sich der Wald und Ross machte vor dem Schild halt, das anzeigte, dass er angekommen war. Dort sicherte er ersteinmal seine Maultiere, sollte doch etwas passieren, wäre es äußerst gefährlich wenn sie die Flucht ergreifen würden. Danach machten er und sein Partner sich auf, das Gelände abzustecken. Leider kam es nur allzu oft vor, dass sich irgendwelche gefährlichen Tiere über Nacht eingenistet hatten und für den Fall wäre es töricht, einen Baum zu fällen und gleich von einem wilden Tier angefallen zu werden. Nachdem die beiden sicher sein konnten, dass alles sicher war, begutachteten sie die Bäume, die sie noch gestern markiert hatten. Die Bäume, die heute gefällt werden sollten.
    Eisenholz war robustes Holz, robust, gut zu verarbeiten und hielt sehr lange. Selbst jetzt, wo die "Industrie" wie sie es nannten, sich immer weiter ausbreitete, war es sehr selten und äußerst begehrt. Mit nur ein paar Stämmen konnte man sich so sehr leicht seinen Wochenunterhalt verdienen.

    Bis alle Vorbereitungen erledigt waren, war es bereits Mittag. Der erste Schlag hallte durch den Wald, als die Axt den ersten Baum traf und schreckte einige Vögel auf. Allerdings war es so tief im Wald, dass man es im Dorf nicht hören konnte. So ging das noch bis in den späten Nachmittag, Ross hatte sich bereits für den Rückweg fertig gemacht, wenn sie wieder im Dorf waren, würden sie zuallererst zum Sägewerk am anderen Ende der Stadt fahren, um die Stämme abzuliefern, morgen würde es wohl ersteinmal nichts zu tun geben, da sein Partner am Abend noch fürs erste das Dorf verlassen würde und niemals würde Ross alleine in den Wald gehen. Zumindest hätte er fürs erste genug Geld zusammen.

    Nun ging es also wieder zurück ins Dorf.

  17. #17
    Nach dem munteren Gruß des Bauern Peter zog er den Hut zum Gruß. "Grüß dich, Peter. Eben hab ich Tyrell bereits zum zweiten Mal zur Apotheke laufen sehn – dieses Mal mit dem Medicus. Ich hoffe das bedeutet unser verehrter Hauptmann ist über den Berg." Er reckte sich und tätschelte sacht den Hals des Braunen. „Meinem verehrten Ohm Adalbert geht es jedenfalls mit jedem Tag besser, Luises Pflege seis gedankt. Aber noch muss er sich schonen. Und dann hatten wir in aller Herrgottfrühe auch noch was Neues zum Gesundpflegen im Haus.
    Sei froh das deine beiden Kinder noch so jung sind, das sie dir noch keinen Familienzuwachs ins Haus schleppen. Du kannst dir ja vorstellen, was Luise bei dem Kerlchen für große Augen gemacht hat. Ich hätte ihn ja lieber in den Stall mitgenommen, aber jetzt werd ich froh sein wenn ich sie nicht alle Vorräte im Haus an den Rotpelz verfüttert.
    .“ Er zwinkerte dem Bauern gutgelaunt zu. Mit einem Mal erstarrte er jedoch blickte das Pferd an, als sehe er zum ersten Mal in seinem Leben eines.
    Da hab ich wegen dem Kerl doch glatt vergessen die Pferde zu füttern! Na, ich hoffe der Wirt hats noch nicht gemerkt. Verzeih' Peter, du kennst das ja die Arbeit wartet nicht. Komm doch heut abend im Wirtshaus vorbei. Und grüß deine Familie von mir!
    Peter indes war völlig unklar von was für einem "rotpelzigen Kerlchen" Konrad gesprochen hatte. Denn die Beschreibung traf ja auf so einiges zu.

    Für den Rest des Mittags schuftete und rackerte Konrad in den Wirtsställen, sobald jedoch die Pflicht erfüllt war machte auch er sich zum zweiten Mal an diesem Tage auf den Weg. Diesesmal bedeutend klarer im Kopf, jedoch unverändert besorgt was Noel und Luise anging führte ihn sein Weg letztlich auf heiligen Boden. Mit ernster Miene zog er den Hut vom Kopf, bekreuzigte sich und lief dann an dem Gemäuer entlang um in den Kräutergärten nach einem der Geistlichen des Dorfes Ausschau zu halten – um das Paket auf seiner Schulter und das in seinem Herzen loszuwerden.

  18. #18
    Nachdem Luise den Fuchswelpen versorgt hatte, den Konrad auf den entzückenden Namen Kürbis getauft hatte, holte sie einen kleinen Korb, den sie mit einem weichen Deckchen polsterte. Dort hinein legte sie das Füchschen und trug es zurück in den Verkaufsraum. Das Körbchen stellte sie in eine geschützte Ecke hinter der Theke und kniete sich davor nieder.
    "Und unternimm keine Abenteuer, mein Kleiner. Du musst schließlich deine Pfote schonen", flüsterte Luise ihrem frisch adoptierten Haustier liebevoll zu. Als Antwort schleckte Kürbis ihren Finger ab. Das Mädchen kicherte leise. "Bestimmt möchtest du draußen spielen. Gedulde dich ein bisschen, ja? Später können wir bestimmt noch zusammen spazieren gehen. Ruh dich einfach erst etwas aus und lauf niemandem unter die Füße..."
    In diesem Moment ertönte das Glöckchen über der sich öffnenden Eingangstür. Kürbis stieß ein erschrockenes Fiepen aus.
    "Schsch, mein Kleiner. Keine Angst, niemand tut dir etwas", sprach Luise, während sie dem Fuchswelpen eine beruhigende Hand auf den Kopf legte. Dann stand sie auf und schaute, wer sich denn nun entschlossen hatte, der Apotheke einen Besuch abzustatten. Es handelte sich um einen anscheinend wenig begeisterten Tyrell und einen Mann mittleren Alters in... ungewöhnlicher... Kleidung. "Was kann ich...", begann Luise, wurde aber sofort unterbrochen.
    "Was ist das denn!?", rief der Mann mit sichtlicher Empörung. "Sind die Apotheken in dieser hinterwäldlerischen Umgebung etwa Spielgruben für kleine Kinder!?"
    Luise bemerkte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und ihre Hände schwitzig wurden und zu zittern anfingen. "N-nein, mein Herr. I-ch bin d-die Tochter von... äh mein Vater... ihm gehört diese Apotheke, aber er ist ..."
    Ungeduldig stampfte der Mann auf den Boden. "Na, worauf wartest du dann? Hol ihn her, Mädchen!"
    "He, lasst sie doch erstmal ausreden!", warf Tyrell ein, welcher den Mann schon seit geraumer Zeit missmutig betrachtet hatte.
    "Misch du dich nicht ein, Junge!", fuhr dieser ihn an. Dann wandte er sich wieder an Luise: "Hör gut zu, kleines Fräulein! Ich habe keine Zeit für deine Spielchen! Ich bin der hochgeachtete Medicus Hugo Abrosius Godefridus von Hirschgrund-Apfelwiese, Studierter Absolvent der Universität zu Mandelsheimhausen und jahrelanger Leibarzt des Königs von Nord-Estparien! Ich weiß, dass dein kleiner roter Kopf wahrscheinlich nicht weiß, was das bedeutet. Also fasse ich mich kurz: Nach meinen langen Jahren als fleißiger, treuer, weiser und bescheidener Arzt im Dienste des Königs, traf ich die schwere Entscheidung, mich in die Dienste, des einfachen ungebildeten Volkes zu stellen und für viel zu geringe Summen, welche meinen Fähigkeiten keineswegs entsprechen, worüber ich mich aber nie beschweren würde. Also wanderte ich nur mit meinem tiefen Wissen und meiner geschmackvollen Medikus-Garderobe gerüstet in diese unwirtliche, gottverlassene Gegend und traf nach einer Ewigkeit fernab jeglicher Zivilisation in diesem Dorf, bei Eurem Hauptmann, welcher meine große Weisheit sofort erkannte, und auch, dass nur ich ihm helfen kann. Er leidet nämlich an einer furchtbaren Krankheit, die nur ich heilen kann. Wir dürfen keine Sekunde verlieren! Wo ist dein Vater, Mädchen?"
    "Warum redet er soviel über sich selbst, wenn es angeblich schnell gehen soll?", murmelte Tyrell, leise in sich hinein.
    "N-nun Herr K-kirschgrund-Affenwiese", stammelte Luise, völlig benommen von diesem Redeschwall. "I-ich verstehe die Situation u-und dass Ihr w-eit gereist seid b-bei Euren... hüb... schen K-Kleidern, aber m-mein Vater ist sehr krank. D-deshalb leite ich im Moment die Apotheke."
    "WAS!? Wie kann denn ein so kleines Kind schon Apothekerin sein!?", rief Medikus Hirschgrund-Apfelwiese ungläubig aus. "Du bist doch bestimmt noch keine elf Sommer alt! In zehn Jahren kannst du´s vielleicht mal versuchen!!!"
    Luise senkte beschämt den Kopf. Sicherlich wollte er Salz in ihre Wunde träufeln. Ihr ihren Platz bewusst machen. Es wusste doch jeder, dass es keine Apothekerinnen gab. Dieses Handwerk war allein Männern vorbehalten.
    "Nun macht mal halblang. Luise kennt sich im ganzen Dorf am besten mit Heilmitteln aus! Sie weiß immer, was man Kranken geben muss."
    Erstaunt und dankbar blickte Luise auf. Dass Tyrell sie in Schutz nahm, obwohl sie ihn heute Morgen so lange hatte warten lassen.
    Bevor jedoch irgend jemand der drei etwas weiteres sagen konnte, öffnete sich die Tür zum Wohntrackt und Adalberts bleiches Gesicht schaute Luise an.
    "Ist alles in Ordnung, mein Kind? Ich habe laute Stimmen gehört und..." Er brach ab und seine Augen weiteten sich als er den Medikus erblickte. "Du - HUGO!?"
    Der Medikus erwiderte den Blick verständnislos. "Kennen wir uns?" Dann breiteten sich erst Erkenntnis und dann Schock auf seinem Gesicht aus. "A-adalbert...?" Einen Moment hielt er inne, dann stürmte er durch die Eingangstür hinaus. Verständnislos schauten Luise und Tyrell hinterher.
    "Sieht aus, als würde er das Dorf verlassen...", murmelte Tyrell.
    "Das wird er sicher. Er ist ein umherziehender Quacksalber, dem ich schon mehrmals begegnet bin. Jedes mal geht er irgendwohin, nimmt Kranke Menschen aus und verschwindet, sobald man ihn entlarvt", sagte Adalbert mit einer untypischen Grimmigkeit in der Stimme. Gefolgt von einem Husten.
    "Vater, du musst zurück ins Bett!", rief Luise erschrocken.
    "Aber Kind, wenn solche Verbrecher hier herumlaufen, kannst du doch nicht ganz alleine..." Ein lautes Husten ertönte.
    "Ach was! Konrad passt auf mich auf. Und gerade war Tyrell dabei, mir zu helfen. Ich komme zurecht..."
    Nachdem Adalbert wieder in seinem Zimmer war, wandte Luise sich an Tyrell. "D-danke, dass du m-mich so verteidigt hast. Das ist mehr, als jemand wie ich verdiehnt hat...", murmelte sie schüchtern. "A-aber auch wenn dieser Herr... äh... K-kirschgrund-Affenwiese mit den... schönen... Kleidern kein echter Arzt war, so würde ich doch gerne sehen, wie krank der Hauptmann tatsächlich ist. Würdest du mich begleiten, damit wir notfalls sofort Hilfe holen können?"

    Geändert von Zitroneneis (19.03.2013 um 17:48 Uhr)

  19. #19
    Merete trat aus der Tür und nahm einen tiefen Zug der frischen Luft in ihre Lungen auf. Obwohl sie nicht zu häufig die eigene Behausung verließ, so gehörte es zu den schönsten Momenten eines Tages, dies zu tun. In der Luft lag alles, was das Dorf ausmachte. Ruhe und Frieden. Keine Unsicherheit über die nächsten Stunden, den nächsten Tag. Hier war die Luft rein, nicht blut- und kampfgetränkt.

    Den Bogen mustergültig neben der ledernen Halterung für den Köcher auf den Rücken geschnallt, trat sie langsam voran, ertaste mit starr nach vorne gerichtetem Blick den Jagddolch an der Seite ihrer Hüfte, dessen Schneide im hölzernen Schnitzwerk lag. Nur gelegentlich verließ ihr Blick die gerade Linie, blieb für wenige Augenblicke liegen auf den anderen Gestalten dieses Dorfes. Da war der Schreinergeselle, in etwa in ihrem Alter, offenbar verzweifelt auf der Suche nach irgendetwas.

    So wie Merete die anderen, interessierteren Bewohner von Düsterwald kannte, würde sie zu ihm gehen müssen, ihn Fragen, wen oder was er suche, um unter Umständen helfen zu können. Irgendein neugieriger Teil in ihr fragte sich manchmal, ob sie es nicht einfach tun sollte. Sich einfach der Versuchung hingeben, das Gespräch suchen, vielleicht auch, um die ein oder andere Sympathie zu erfahren, auf die sie zurückgreifen könnte, wenn sie Hilfe bräuchte. Doch bis jetzt hatte sie alles alleine geschafft. Und das Interesse war nicht groß genug. Verdammt, sie wusste ja nicht mal den Namen des Mannes. Wenn sie genauer darüber nachdachte, kannte sie nur vier Namen.

    Da waren auf der einen Seite die junge Apothekerstochter Luise und ihr Vater Adalbert. Bereits häufig war Merete in die Verlegenheit gekommen, die Dienste der beiden in Anspruch zu nehmen, wenn die Schmerzen im Kopf zu groß wurden oder sie sich bei der Jagd verletzte.
    Für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie darüber nach, in welcher Verbindung zum Apotheker der junge Schreinergeselle stand. Irgendetwas sagte ihr, dass die beiden verwandt seien, doch nur wenig später ertappte sie sich beim unerwünschtem Entwickeln von Interesse und schob den Gedanken bei Seite. Was kümmert es dich?

    Auf der anderen Seite war da Rekon, der ältere und erfahrenere Jäger im Ort. Nicht, dass sie jemals viel mehr als die üblichen Begrüßungsfloskeln ausgetauscht hätten, doch allein ob seiner Profession stand er Merete näher als jeder andere Bewohner des Dorfes. Ihn hatte die junge Isländerin noch nicht entdecken können, doch wie sie vermutete war er bereits in den frühen Morgenstunden im Wald gewesen. Sie vermied das, nicht zuletzt, weil man sich in der Gegend von einem Bären erzählte, der das Vieh riss und auch für sie eine Gefahr darstellen könnte. Nicht, dass sie sich nicht zutraute, sich vor einem Bären schützen - ach was, ihn erlegen - zu können, doch gefiel ihr das Risiko nicht. Ihr Kampfeswille war im Zuge des Sesshaftwerdens eingeschlafen - und so war es sicher auch ihr Reaktionsvermögen.

    Der letzte, ihr bekannte, Name war der des Hauptmannes. Ein guter Mann, dem Merete dankbar war. Er machte eine Frau zur Jägerin, ermöglichte ihr dieses neue, ruhige Leben, welches ihr gefiel, weil es nicht den Tod bedeutete. Umso bezeichnender war es, dass ausgerechnet er derjenige war, der nun im Sterben lag. Auch - und hauptsächlich - für ihr eigenes Wohl wäre es zuträglich, wenn der Hauptmann am Leben bleiben würde. Solange er das war, konnte sie ruhigen Gewissens der Jagd nachgehen.

    Gerade in diesen Tagen wurde so viel gejagt, wie sonst selten. Ein Fest stand bevor und benötigt wurden große Mengen an Wild. Merete hatte - wie so oft - aufgrund von mangelndem Interesse vergessen, um was für ein Fest es sich handelte, doch war sie sich sicher, dass es eine dieser Feierlichkeiten war, die sich jährlich wiederholten.

    Ein Blick in den Himmel riss sie aus ihren Gedanken. Die Sonne stand hoch, schien heiß auf das Dorf und die angrenzenden Wälder. Zu heiß. Das Wild würde sich nun eher in den schützenden, tieferen und weiter entfernten Wäldern befinden, sich nicht der Sonne aussetzen. Sie müsste noch eine Weile warten, bis die Tiere zurückkehrten.

    Die Augen schützend zusammengedrückt setzte sie sich an den Dorfbrunnen, blickte stumm zum Wald hinaus, zog den Dolch von ihrer Hüfte und malte mit ihm musterlose Bewegungen in den weichen Grund.

    Geändert von MeTa (20.03.2013 um 15:32 Uhr)

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