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Thema: Das Dorf Gottes Tag 0 (Anmeldung noch bis Mittwoch 20h)

Baum-Darstellung

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  1. #2
    Der Morgen war noch jung, als Luise erwachte.
    Durch die zugezogenen Vorhänge fielen einige matte Sonnenstrahlen in die kleine Kammer herein und auch Vögel waren vereinzelt zu hören. Verschlafen blinzelte das junge Mädchen einige Male mit seinen großen grauen Augen. Dann setzte es sich auf und strich sich eine ihrer flammenroten Locken aus dem Gesicht.
    Eigentlich wollte sie am liebsten weiterschlafen. Sich einfach wieder hinlegen und all die Stunden, welche ihr in den letzten Tagen geraubt worden waren, nachholen. Luise wusste, dass ihr das niemand übelnehmen würde. Adalbert, ihr Vater, und Konrad, ihr Vetter, beide wollten immer nur das beste für sie und waren ständig besorgt, dass sie sich womöglich zu viel zumutete.
    Aber Luise wusste auch, dass sie im Moment dringender als sonst gefragt war. Adalbert war mit seinem Husten und Fieber nicht in der Lage, sich um irgendetwas zu kümmern. Und so sehr Luise Konrad mochte, ihm fehlte das notwendige Wissen, um die Apotheke alleine zu beaufsichtigen. Zudem hatte er noch andere Verpflichtungen, während Luise rein gar nichts zu tun hatte.
    Seufzend kletterte sie aus ihrem Bett und kleidete sich an. Konrad schien noch zu schlafen und auch von draußen waren kaum menschliche Geräusche zu hören. Es würde noch ein langer Tag sein.
    Luise begab sich in die Küche und begann, Haferbrei zu kochen. Das wichtigste um den Tag gut zu beginnen, war ein gutes Frühstück. Das hatte Luises Mutter, Brida, immer gesagt. Mit den Augen hatte sie dann immer gezwinkert und ihrer Tochter einen weiteren Löffel auf den Teller gehäuft. Und manchmal auch ein paar Beeren...
    Aber das war nun vorbei. Luise musste sich ihre Beeren selbst suchen oder einem Händler abkaufen. Und sie war selbst für ein gutes Frühstück verantwortlich. Und dafür, dass Adalbert gut versorgt war. Es war erschreckend, wie sehr sich die Rollen innerhalb eines Jahres wandeln konnten. Manchmal fragte Luise sich, wie es wohl erst sein würde, wenn sie eine erwachsene Frau war. Erwachsene redeten immer so gerne davon, dass sich die Dinge stets änderten. Ob es nun um Steuern, Missernten oder die Moral der junger Menschen ging - alles schien mit der Zeit schlimmer zu werden. Und Luise wollte nicht darüber nachdenken, was sie in ihrem Leben noch alles erleben würde, wenn die bisherigen Ereignisse nicht das schlimmste gewesen waren...
    Als der Haferbrei fertig war, füllte sie einen Teil in eine Schüssel und goss einen Becher Kräutertee auf, welchen sie mit Honig süßte. Einer der Vorteile als Apotheker war, dass man selten einen Mangel an solchen Dingen hatte. Und Luise wusste immer, was man bei welchen Leiden verabreicht werden musste.
    Mit der dampfenden Schüssel in der einen, dem dampfenden Becher in der anderen Hand, ging sie zu Adalberts Zimmer. Als sie es betrat stieg ihr stickige Luft in die Nase. Der Raum befand sich auf der Westseite des Hauses, also war es zu dieser Uhrzeit noch sehr dunkel hier drinnen. Am Fenster stand ein großes Bett, worin zugedeckt eine einzige Gestalt lag, die sich nun langsam aufsetzte. Ein leises Röcheln war zu hören.
    "Guten Morgen, Vater", grüßte Luise und versuchte möglichst unbesorgt zu klingen. "Ich habe dir Haferbrei gemacht. Und etwas Tee. Mit Kräutern und Honig. Für deinen Hals."
    "Danke, du bist so ein liebes Kind", hörte Luise ihren Vater mit brüchiger Stimme sagen während sie die Vorhänge öffnete. Sie lächelte scheu und fühlte, wie Blut in ihre Wangen schoss.
    "Ach was... ich will doch nur, dass du schnell wieder gesundest."
    Adalbert erwiderte das Lächeln. Aber es wirkte hohl, nur noch ein Schatten von seinem früher so warmen, jugendlichen Lächeln. Ironisch, in seinem bleichen, ausgemergelten Gesicht. So unpassend zu seinen stumpfen, grauen Augen.
    "Ähm, du rufst mich, wenn du noch etwas brauchst? Ich muss noch etwas tun, und die Apotheke sollte auch bald geöffnet werden..."
    Das Lächeln verschwand von Adalberts Gesicht und Besorgnis trat an seine Stelle. "Luise, du weißt, dass du das nicht tun musst."
    "Es ist kein Problem, Vater. Ich schaffe das. Konrad ist ja auch noch da." Sie nickte bestätigend und widerholte: "Ja, Konrad ist auch da. Ich bin nicht allein. Und du wirst auch wieder bald gesund!"
    Mit diesen Worten drehte sie sich um.
    "Übernimm dich trotzdem nicht, Liebes", hörte sie noch bevor sie den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss.

    Geändert von Zitroneneis (17.03.2013 um 20:56 Uhr)

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