-
Held
Etwas später öffnete Maria mit 5 Büchern in einem Korb die Tür der Bibliothek. Eines ihrer Bücher war die Bibel, diese würde sie später auf dem Friedhof brauchen, denn sie las dort den Toten oft aus ihrer Bibel vor. Doch die anderen vier Bücher mussten zurück in den Fundus der Bibliothek gebracht werden. Also war die Gelegenheit gut, mal mit Noel über Konrads Sorge zu sprechen.
"Hallo", rief Maria vorsichtig hinein. Anscheinend zu leise, denn es kam keine Antwort. Sie ging ein paar Schritte und sah, dass Noel gerade hinter seiner Theke saß und seicht lächelnd in einem Buch blätterte. Sonst war niemand hier.
"Guten Tag, Noel. Ich wollte ein paar Bücher zurückgeben und mich erkundigen, wie es dir geht."
Sie trat zu ihm, und blickte ihn mit einem geradezu nonnenhaft freundlichen Blick an. Noel hingegen beachtete sie nicht und blätterte einfach weiter in seinem Buch über... Veilchen? Somit legte Maria sie ihm einfach hin. Ihr erschien es so, als sei Noel heute nicht sehr Gesprächsgelaunt.
"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du dich zurzeit um andere Menschen kümmerst", versuchte sie es schließlich erneut. "Und, nunja, vielleicht solltest du nochmal überdenken, dass der Herr, der Gütige, auch dir Einlass in den Himmel gewähren wird, wenn du dich an die-"
"Es gibt keinen Herrn."
...Äh...wie bitte?
Immer noch blätterte Noel ungerührt in seinem Buch, wandte seinen Blick nicht ab, als er antwortete.
"Es gibt keinen Gott."
Das war für die junge, nonnige Nonne ein Schock bis zum Herzen. Noel glaubte nicht an den Herrn?
Junger, ungestümer Bursche... ich bitte dich, bedenke deine Worte nochmals. Der Herr zeigt einem jeden den Weg, er weiß Rat und er ist allmä-"
Plötzlich brach sie ab, Noel hatte schweigend sein Buch beiseite gelegt, sich erhoben und war Maria bis auf wenige Milimeter entgegengetreten. Emotionslos sah er sie mit den Händen in den Manteltaschen an.
"Ich sag dir was. Es gibt keinen "Gott", es gibt nur Menschen, und davon viel zu viele. Nach meinem Stand des Wissens, und der ist zumeist vertrauenswürdg, circa 4 Milliarden an der Zahl. Davon sind grob berechnet 3,9 Milliarden dreckige Abschaum, den man kreuzigen lassen sollte. Der Rest ist umgänglich bis gut erträglich. Letztendlich gibt es aber nur einen Menschen auf dieser Welt, der dem Idealbild, dass ihr, die Kirche, so oft anpreist, nahe kommt. Ein Engel. Ein Mensch. Von 4 Milliarden. Es ist... traurig, nicht?"
Der junge Bursche sprach mit unverhohlener Verachtung, ein kalter, abgestumpfter Blick untermauerte das Gesagte. Die schwergläubige nonnige Nonne Maria wusste nicht, was sie erwiedern sollte.
Plötzlich wurde die Tür der Bibliothek aufgerissen und ein junger Bursche, scheinbar ein Dorfbotschafter, rannte hinein, was sowohl Noels Aufmerksamkeit auf sich zog, als auch Marias. Beide blickten den keuchenden Jungen erwartungsvoll an, um zu hören, was er zu sagen hatte.
"Alle ... Dorfbewohner auf den Dorftplatz! ... Es gibt eine wichtige .. Versammlung, bei der alle da sein müssen! ... Schnell!", er musste sich selbst wirklich sehr beeilt haben, so sehr ring er nach Atem. Maria seufzte leise, gerade wusste sie mit Noel sowieso nicht weiter und vielleicht würde ihr das etwas Zeit verschaffen. Sie nahm sie ihren Korb und ihre Bibel und eilte dem Botschafter nach draußen. Es musste ja wichtig sein, wenn sich der Junge so bemüht hatte.
Wenig später traf sie auf dem Platz ein.
Geändert von Wencke (20.03.2013 um 22:35 Uhr)
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln