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Thema: Das Dorf Gottes Tag 0 (Anmeldung noch bis Mittwoch 20h)

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  1. #1

    Das Dorf Gottes Tag 0 (Anmeldung noch bis Mittwoch 20h)

    Das kleine Dorf Düsterwald erwacht aus seinem Schlaf an diesem Wochentag. Noch nichts von dem drohenden Unheil ahnend ist gehen die Bürger ihren Geschäften nach auch wenn Gerüchte über eine Sekte in der Umgebung die Runde machen. Außerdem bestimmt weiterhin das Thema der letzten Tage die Gespräche: Der Hauptmann liegt mit Fieber darnieder; ein anwesender fahrender Medicus gibt ihm wenig Chancen den heutigen Tag zu überleben...


    Tag 0 dient zum Kennenlernen und Einspielen der Charaktere. Nach dem Ende der Anmeldung stirbt der Hauptmann, sodass ihr dann einen Nachfolger wählt.

    Tag 0 endet Donnerstag um 20 Uhr.



    Den Medicus und den Hauptmann dürft ihr bis Anmeldungsende benutzen, ersterer verläßt danach das Dorf.

    Geändert von Einheit092 (18.03.2013 um 13:17 Uhr)

  2. #2
    Der Morgen war noch jung, als Luise erwachte.
    Durch die zugezogenen Vorhänge fielen einige matte Sonnenstrahlen in die kleine Kammer herein und auch Vögel waren vereinzelt zu hören. Verschlafen blinzelte das junge Mädchen einige Male mit seinen großen grauen Augen. Dann setzte es sich auf und strich sich eine ihrer flammenroten Locken aus dem Gesicht.
    Eigentlich wollte sie am liebsten weiterschlafen. Sich einfach wieder hinlegen und all die Stunden, welche ihr in den letzten Tagen geraubt worden waren, nachholen. Luise wusste, dass ihr das niemand übelnehmen würde. Adalbert, ihr Vater, und Konrad, ihr Vetter, beide wollten immer nur das beste für sie und waren ständig besorgt, dass sie sich womöglich zu viel zumutete.
    Aber Luise wusste auch, dass sie im Moment dringender als sonst gefragt war. Adalbert war mit seinem Husten und Fieber nicht in der Lage, sich um irgendetwas zu kümmern. Und so sehr Luise Konrad mochte, ihm fehlte das notwendige Wissen, um die Apotheke alleine zu beaufsichtigen. Zudem hatte er noch andere Verpflichtungen, während Luise rein gar nichts zu tun hatte.
    Seufzend kletterte sie aus ihrem Bett und kleidete sich an. Konrad schien noch zu schlafen und auch von draußen waren kaum menschliche Geräusche zu hören. Es würde noch ein langer Tag sein.
    Luise begab sich in die Küche und begann, Haferbrei zu kochen. Das wichtigste um den Tag gut zu beginnen, war ein gutes Frühstück. Das hatte Luises Mutter, Brida, immer gesagt. Mit den Augen hatte sie dann immer gezwinkert und ihrer Tochter einen weiteren Löffel auf den Teller gehäuft. Und manchmal auch ein paar Beeren...
    Aber das war nun vorbei. Luise musste sich ihre Beeren selbst suchen oder einem Händler abkaufen. Und sie war selbst für ein gutes Frühstück verantwortlich. Und dafür, dass Adalbert gut versorgt war. Es war erschreckend, wie sehr sich die Rollen innerhalb eines Jahres wandeln konnten. Manchmal fragte Luise sich, wie es wohl erst sein würde, wenn sie eine erwachsene Frau war. Erwachsene redeten immer so gerne davon, dass sich die Dinge stets änderten. Ob es nun um Steuern, Missernten oder die Moral der junger Menschen ging - alles schien mit der Zeit schlimmer zu werden. Und Luise wollte nicht darüber nachdenken, was sie in ihrem Leben noch alles erleben würde, wenn die bisherigen Ereignisse nicht das schlimmste gewesen waren...
    Als der Haferbrei fertig war, füllte sie einen Teil in eine Schüssel und goss einen Becher Kräutertee auf, welchen sie mit Honig süßte. Einer der Vorteile als Apotheker war, dass man selten einen Mangel an solchen Dingen hatte. Und Luise wusste immer, was man bei welchen Leiden verabreicht werden musste.
    Mit der dampfenden Schüssel in der einen, dem dampfenden Becher in der anderen Hand, ging sie zu Adalberts Zimmer. Als sie es betrat stieg ihr stickige Luft in die Nase. Der Raum befand sich auf der Westseite des Hauses, also war es zu dieser Uhrzeit noch sehr dunkel hier drinnen. Am Fenster stand ein großes Bett, worin zugedeckt eine einzige Gestalt lag, die sich nun langsam aufsetzte. Ein leises Röcheln war zu hören.
    "Guten Morgen, Vater", grüßte Luise und versuchte möglichst unbesorgt zu klingen. "Ich habe dir Haferbrei gemacht. Und etwas Tee. Mit Kräutern und Honig. Für deinen Hals."
    "Danke, du bist so ein liebes Kind", hörte Luise ihren Vater mit brüchiger Stimme sagen während sie die Vorhänge öffnete. Sie lächelte scheu und fühlte, wie Blut in ihre Wangen schoss.
    "Ach was... ich will doch nur, dass du schnell wieder gesundest."
    Adalbert erwiderte das Lächeln. Aber es wirkte hohl, nur noch ein Schatten von seinem früher so warmen, jugendlichen Lächeln. Ironisch, in seinem bleichen, ausgemergelten Gesicht. So unpassend zu seinen stumpfen, grauen Augen.
    "Ähm, du rufst mich, wenn du noch etwas brauchst? Ich muss noch etwas tun, und die Apotheke sollte auch bald geöffnet werden..."
    Das Lächeln verschwand von Adalberts Gesicht und Besorgnis trat an seine Stelle. "Luise, du weißt, dass du das nicht tun musst."
    "Es ist kein Problem, Vater. Ich schaffe das. Konrad ist ja auch noch da." Sie nickte bestätigend und widerholte: "Ja, Konrad ist auch da. Ich bin nicht allein. Und du wirst auch wieder bald gesund!"
    Mit diesen Worten drehte sie sich um.
    "Übernimm dich trotzdem nicht, Liebes", hörte sie noch bevor sie den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss.

    Geändert von Zitroneneis (17.03.2013 um 21:56 Uhr)

  3. #3
    Der junge Mann wurde von dem entfernten Zwitchern aktiver Vögel geweckt, seine dunklen Vorhänge verhinderten, dass sich zur Kette der ersten Eindrücke sanfte Sonnenstrahlen gesellten. Er knirschte mit den Zähnen und drückte sich gereizt die Hände auf die Ohren. Dieses Vogelgezwitcher... nichts anderes als das Scharben von Kakerlaken.

    Schwerfällig erhob er sich aus seinem Bett, schlurfte zu seinem kleinen Spiegel: wie jeden Morgen starrte ihn daraus ein ausgemerkelter, dünner und wenngleich junger mit Narben übersäter Körper an. Und natürlich spiegelte sich das glänzende, silberne Amulett, dass er permanent um den Hals trug. Entspannt schloss Noel die Augen, nahm das Amulett in beide Hände und drückte einen sanften Kuss darauf.

    Als er sich in seinen verschlissenen, schwarzen Mantel und seine Unterwäsche gekleidet hatte, aß er einige Happen Brot. Essen war für Noel schlicht Mittel zum Zweck, ein Kraftstoff, um Energie zu haben. Er konnte Leute nicht verstehen, die dafür unmengen Gold ausgaben oder sich damit unnötig lange aufhielten. Narren waren das, Idioten die nicht wussten, worauf es ankam. Schließlich ließ er sich gelangweilt in den alten Sessel seiner kleinen Hütte fallen und überlegte, was er nun mit seiner Zeit anfangen könnte. Bis Noel seine Pflicht in der Bibliothek anzutreten hatte, hatte er sicherlich noch zwei oder drei Stunden Zeit. Wie immer war er grundlos äußerst gereizt, seine chronische Migräne meldete sich bereits schwach zu Wort, es war ein sonniger Tag. Noel HASSTE die Sonne. Trübe, regnerische Tage waren ihm lieber, sie passten besser zum Gesicht dieser Welt.
    Schließlich beschloss der junge Mann nach einigem grübeln, das einzig existente Gegenmittel für seine schlechte Laune aufzusuchen: Luise.

    Er trat aus seiner Hütte, ließ seinen Blick über den Himmel schweifen und griff zu seinem Dolch, der Noel seit frühester Kindheit begleitete. Wie ein Mann, der betete, kniete er sich auf den Waldboden, umschloss seinen Dolch und schloss die Augen.

    "Verachtung ist das Blut, das durch meine Adern fließt,
    Hass die Seele, die sich an mein Inneres schmiegt."


    Es war der Satz, den Noel jeden Morgen sprach, eine Art Lebensmotto.
    Schließlich trat er den kurzen Weg zum Dorf an. Die wenigen Dorfbewohner, die ihm in dieser unwirtlichen Frühe entgegenkamen und grüßten, benickte er nur kurz oder ließ sich zu einem gelogenen Lächeln herab. Er hegte eine leichte Empathie für die Leute dieses Ortes, Noel hasste sie nicht. Und doch konnte er einfach nicht mit Menschen. Erst als ein kleines, weißes Gebäude in sein Blickfeld kam, löste sich die brennende Spannung in seiner Brust und sein verrottetes Herz begann, sich mit Kraft zu füllen und schneller zu schlagen: Die Apotheke.
    Seicht lächelnd betrat er die Eingangstür und sah sich um: Es war kaum jemand hier, so war es ihm am liebsten. Unaufmerksam begann er, in einem der aufgestellten Regale zu wühlen, so als würde er etwas bestimmtes suchen. Natürlich war das, wie beinahe jeder Besuch hier, nur ein Vorwand. Was er wirklich suchte, war die Göttin, die er verehrte, das Licht, dass er zu sehen sich wünschte. Also sah er sich ruhiger Hoffnung im Laden um, wie jeden Tag die leidenschaftlichen, glänzenden Haare zu entdecken, die er so liebte.

    Geändert von Holo (18.03.2013 um 01:53 Uhr)

  4. #4
    "HA-TSCHII!!"

    Die ersten zwei Silben am Fuße der neuen Sonne. Deprimiert zog Tyrell seine Nase hoch und schaute im Halbschlaf gegen die Wand vor ihm. "Was war das denn... ich bin noch nie mit 'nem Niesen aufgewacht." Es schoss ihm durch den Kopf: Er würde am nächsten Tag krank im Bett hocken. Doch das kam ihm nicht recht. Bald würde er nämlich seine neueste Erfindung, den Blitzfänger, fertiggestellt haben und müsste fortan nicht dauernd seine Hütte reparieren. Und krank würde sich das aber verzögern. Und das will er nicht. Natürlich nicht, außerdem war er doch krank so unausstehlich nutzlos. Ja, er hasste es, krank zu sein. Und zwar nur, weil es absolut niemanden gab', der sich dann um ihn kümmern würde. Also stand er schnell auf, zog sich an, wobei die fiebrige Wärme in seinem Körper jedes Mal an der Haut kratzte, wenn er sich bewegte und machte sich auf in Richtung Apotheke.

    "Ich lasse mir einfach irgendwas Günstiges verschreiben, dann werde ich sicher noch genug Geld für eine einfache Abendschnitte haben, damit mein Geldplan nicht durcheinander kommt", dachte er sich beim Hinweg. Und kaum fertig geplant, stand er direkt davor. Erschreckend nah, eine halbe Sekunde später und er wäre an die Tür geknallt. Doch nicht mit ihm, auf keinen Fall. Bevor sein Tag noch vor dem Abend verurteilt wird. Tyrell öffnete die Tür, als ein sanftes Klingeln durch den Raum verstrich und seine Anwesenheit verkündete. "Aahh, dieses Bimmeln", klagte er leise, "es tut mir im Kopf weh, und nur, weil ich krank bin! Wieso ist das eigentlich so? Man müsste eine Eingangsglocke erfinden, die man auch krank erträgt..." Und schon hatte er eine neue Idee. Jedenfalls schien Luise noch ein bisschen beschäftigt. Kein Wunder, die Apotheke hatte doch erst geöffnet und da muss man sich noch ein bisschen vorbereiten. Mit diesem einfachen Gedanken kramte er erstmal auf eigene Faust durch die Regale. "Große Güte, ist das alles teuer... ich glaube, weiter rechts waren die günstigeren Produkte..." Dann bemerkte er, dass außer ihm noch jemand da war. Noel, der hübsche, aber nicht besonders laute junge Bursche, der erst seit einiger Zeit in Düsterwald seine Wege fand, schien merkwürdig mit seinen Händen in den Regalen herumzufuchteln. Dabei schaute er mehrmals, mehr oder weniger, unauffällig zur Seite, als Tyrell bemerkte, dass es seine Blicke genau Richtung Theke verschlug.

    Er kam Noel unangenehm näher und fragte ihn: "Sag mal, was schauste eigentlich die ganze Zeit dort drüber? Wenn du das haben willst, was du willst, sollteste schon lieber auf die Dinger hier schauen, ansonsten kannste mir deinen Platz überlassen. Ich brauch' nämlich auch noch was."

  5. #5
    Ein leises Magenknurren weckte Konrad auf. Die Luft roch nach würzigem Tee und die ersten Sonnenstrahlen kitzelten seine sommersprossige Nase. Er schmunzelte, während er sich ankleidete und zum Morgengebet neben seine Bettstatt kniete. Die Lächfältchen um seine Augen vertieften sich, als sich sein Blick zum erhellten Fenster wendete, vor dem zwei Eichhörnchen saßen und laut keckerten.
    Gütiger Gott, ich danke dir für diesen neuen Tag voller Wärme und für die Kraft aufzustehen und meine Arbeit zu tun.
    Ich danke dir für die Menschen, die zu mir gehören, für meine Familie und alle, die mir gut sind.
    Lass unsren guten Hauptmann und Onkel Adalbert unter den Händen der Heiler bald gesunden.
    Schenk mir die Kraft, allen, die mir heute begegnen, gut zu sein, wie du gut bist. Amen.

    Nach einem kurzen Gespräch mit seinem Onkel Adalbert stieß Konrad dann auch zu seiner Cousine Luise, die in der Küche saß. Er lächelte breit, als er sich daran machte die übrigen Fensterläden im Haus weit zu öffnen. "Einen schönen guten Morgen, Luischen. Dein Herr Vater lässt ausrichten das er, sollten wir uns noch mehr um ihn kümmern wollen, bald einen Stock brauchen wird um uns aus seinem Zimmer zu vertreiben." Ein leises Hüsteln kaschierte das aufkommende leise Lachen, aber seine Augen funkelten.
    Mit hingebungsvoller Miene blickte er auf ihren Haferbrei, hielt sich selber aber zurück. Noch war Fastenzeit und das hieß für ihn, das er nur abends ein Mahl ohne Fleisch und Alkohol essen durfte. Wie er Luise beneidete, denn da sie noch keine 14 Sommer alt war durfte sie essen was sie wollte, wie auch ihr kranker Onkel. Er strich sich gedankenvoll durch den Bart und blickte auf ihre feinen Hände, als sie ihm eine Tasse Tee reichte. "Du bist wirklich ein Segen. Danke dir. Er ist sehr tapfer, dein Herr Vater. Und das liegt wohl nicht zuletzt daran, das du ihn so umsorgst. Was sind deine Pläne für den Tag? Ich dachte nur, das einer von uns das Ladenschild vielleicht bei Tyrell vorbeibringen könnte - ich hab gestern gesehen das es kaum noch an einer Angel hängt und er kann da sicherlich was machen. Er hat doch ein Händchen fürs Eisen.
    Oder denkst du, der Medicus braucht wieder deine Hilfe, wie gestern? Es sah ja fast so aus als hätte er einige deiner Vorräte geplündert, bei seinen Behandlungen. Ich hab noch einen fertigen Auftrag hier, den ich ins Kloster bringen soll, dabei kann ich dir auch gern wieder einige Kräuter...
    "

    Ein Geräusch aus dem Laden ließ ihn innehalten. Er grinste Luise an, nicht wirklich vorwurfsvoll eher neckisch murmelte er leise "Na, das nenn ich doch mal einen eifrigen Kunden, der noch vor dem Morgenläuten in einen ungeöffneten Laden stürmt. Bleib bei deinem Frühstück Luise, ich kümmer mich drum." Immerhin war klar, wer da im Laden stand. Also ließ sich Konrad unchristlich viel Zeit dabei, seinen Tee auszutrinken und das Paket für die Mönche einzupacken. Dann erst betrat er den Laden, in dem inzwischen zwei Männer standen.
    Noel würde wohl selbst an Sonntagen im Laden stehen, wenn es sie dann geöffnet hätten. Sorgsam schloss Konrad die Tür, die das übrige Haus mit dem Laden verband und trat auf den Bibliothekar zu.
    "Einen gottgesegneten guten Morgen wünsche ich euch, Herr..." verflixt, der Name dieses Mannes war so kompliziert wie die ganze Erscheinung war, "... Bibliothekar. Wie ich euch bereits gestern sagte, selbst wenn ihr vor dem Morgenläuten hier eintrefft so heißt das nicht das die Apotheke dann auch schon geöffnet hat. Würde es euch etwas ausmachen, in Zukunft diese Zeiten einzuhalten?"
    Der andere Mann war der Bastler des Dorfes, nur wenige Sommer jünger als er selbst aber ein erfinderischer und beschwingter Geist. Aber bevor er auch ihn begrüßen konnte, fuhr ihm der feurige Noel auch schon ins Wort.

  6. #6
    Noel wühlte nun seit gefühlten Stunden im Regal, noch immer war der Laden menschenleer. Vermutlich war die kleine Elfe mit ihrem bedauernswerten Vater beschäftigt - Ein Zeitgenosse der, wie er wusste, schon früh die Grausamkeit der Menschen kennenlernen musste.
    So in seinen Gedanken versunken bemerkte Noel nicht, dass ein Junge ihn von hinten ansprach. schließlich packte der fromme Geselle ihn an der Schulter, so dass Noel ihn endlich bemerkte.
    Reflexartig wandte der rothaarige, junge Mann sich um, seine rechte Hand schoss sofort zum Dolch an seinem Gürtel, einen Augenblick später stand er einem seltsam gekleideten Jungen gegenüber, hatte sein Handgelenk fest gepackt. Der Junge verzog vor Schmerzen leicht das Gesicht, versuchte sich aus Noels Griff zu befreien.
    Ganz ruhig. Es ist alles okay, beruhige dich. Beruhige dich.
    Wortlos ließ Noel die Hand los, beäugte seinen Gegenüber und versuchte sich zu entsinnen, ob er ihn kannte. Dann dämmerte es ihm.
    Oh gütige Herzkönigin, köpfe mich oder lass es beiben.
    Er kannte den jungen, es war ein aufgeweckter, unbekümmerter Burche, in Düsterwald bekannt wie der weiße Hase im Wonderland. Grässlich, Noel war bereits einmal mit Tyrell auf offener Straße zusammengestoßen. Er war jene Art Mensch, die Noel nur mit Freuden um die Ecke bringen würde, von denen er sich wünschte, den roten, warmen Saft, der durch ihre Kehle pulsierte, auf seiner Wange zu spüren.
    Optimisten. Widerlich.
    Gereizt blaffte er den Knirps an.
    "Was willst du, Bengel?!"


    Da trat ein weiterer Mann aus dem Schatten des Thresens, ein Mann, den Noel ebenfalls gut kannte.
    Ein Mann, den er hasste wie die schwarze Pest.

    Einen gottgesegneten guten Morgen wünsche ich euch, Herr..." verflixt, der Name dieses Mannes war so kompliziert wie die ganze Erscheinung war, "... Bibliothekar. Wie ich euch bereits gestern sagte, selbst wenn ihr vor dem Morgenläuten hier eintrefft so heißt das nicht das die Apotheke dann auch schon geöffnet hat. Würde es euch etwas ausmachen, in Zukunft diese Zeiten einzu...?"

    Noel rümpfte geräuschvoll die Nase. Seine Hand zitterte am Gürtel, Affekte schossen durch seinen Körper, frassen sich wie Parasiten in sein Bewusstsein.
    Dieser Mann war es, der Luise, abgesehen von ihrem Vater, am nahesten Stand. Dieser hässliche, grobe Wicht war es, der der kleinen Elfe so nahe stand, wie es Noel nie möglich war.
    Hass.

    Noel zwang sich zur Ruhe. Er sollte mittlerweil gelernt haben, sich in diesen Momenten zu beherrschen, verdammte Axt.

    "Ich sage Euch was, Konrad. Kümmert Euch verantwortungsbewusst um das Verschliessen eurer Ladentür und öffnet diese erst, so ihr euren müßigen Hintern zum Arbeiten verwenden wollt, und ich werde, so habt ihr mein Wort darauf, nicht mehr unangekündigt eindringen, Niederer."

    Geändert von Holo (18.03.2013 um 02:00 Uhr)

  7. #7
    Bei ihrem kleinen Frühstück hatte Konrad Luise Gesellschaft geleistet. Er tat ihr ein wenig Leid, durfte er während der Fastenzeit doch nicht frühstücken. Aber seine gute Laune und die schelmischen Komplimente hatten ihre Stimmung deutlich gehoben. Als ihr Gespräch vorzeitig von einem frühen Apotheken-Besucher unterbrochen worden war, hatte Konrad sofort angeboten, sich darum zu kümmern. Dafür war Luise ihm sehr dankber gewesen, denn sie hatte noch etwas zu erledigen gehabt, bevor sie sich auf ihre Arbeit hätte kontzentrieren können.
    Also hatte sie sich erneut in ihre Kammer begeben und eine fein geschnitzte Holzfigur von ihrem Tisch genommen. Sie stellte den Erzengel Raphael dar, den Schutzpatron der Apotheker. Luise hatte diese Figur in ihrer frühen Kindheit als Geburtstagsgeschenk erhalten und es war eins ihrer wichtigsten Besitztümer geworden. Denn über die Jahre hatte das helle Holz all ihre Sorgen in sich aufgenommen. All ihre geheimen Wünsche und stummen Gebete hatte Luise dieser Figur vorgetragen und jedes mal Mut und Kraft daraus geschöpft.
    Auch diesmal hatte sie sich, wie so oft zuvor, auf die Bettkante gesetzt, das Kleinod mit beiden Händen umfasst uns still gebetet, dass ihr Vater sich bald wieder erholen würde. Und zwar diesmal für immer.
    So saß Luise eine ganze Zeit dort, bis ihr wieder einfiel, dass sie ja in der Apotheke gebraucht wurde. Sie erschrak. Hastig stellte sie die Figur zurück an ihren Platz und eilte zur. Eigentlich hatte sie sich noch ihr scheußliches rotes Haar zurückbinden wollen. Doch dafür blieb nun keine Zeit. Besser man sah sie mit offenen, unordentlichen Haaren, als dass ein womöglich kranker Besucher auf seine Medizin warten musste.
    Ihre Eingebung schien richtig zu sein, denn sie fand gleich mehrere Personen im Verkaufsraum vor.
    Konrad war natürlich dort.
    Aber am auffälligsten war Noel. Er war schon seit einiger Zeit im Dorf und etwa so alt wie Konrad. Allerdings weitaus weniger kräftig.
    Zwar war er immer freundlich zu Luise gewesen, doch sowohl Konrad als auch Adalbert hatten sie vor ihm gewarnt. In acht nehmen sollte sie sich vor ihm.
    Und obwohl Luise selbst unsicher war, was genau, so gab es doch etwas um den jungen Mann, dass ihr Schauer über den Rücken laufen ließ. Vielleicht war es das blaue Mal, welches sein ansonsten hübsches Gesicht verunstaltete. Oder das rote Haar, welches im Gegensatz zu ihrem eigenen nicht die Farbe von Feuer trug. Sondern die Farbe von Blut. Vielleicht waren es auch seine ersten Worte an sie gewesen:
    "Du hast wundervolles Haar."
    Bis heute wusste Luise nicht, ob er sie hatte verspotten wollen oder sich einfach einen harmlosen, gedankenlosen Scherz erlaubt hatte...
    Doch was es auch war, das Luise an Noel so verunsicherte, sie nahm das nicht als Grund, unfreundlich zu ihm zu sein. Er war ein Mitglied der Dorfgemeinschaft und ein regelmäßiger Besucher der Apotheke, also bemühte sie sich darum, ihn wie alle anderen auch zu behandeln.
    Die dritte Person im Raum war Tyrell. Er war ein aufgeweckter Junge, der gerne Dinge reparierte und dies auch gut beherrschte. Manchmal erschien er Luise etwas übermütig und sehr neugierig, doch sie hielt ihn für einen guten Menschen.
    Wie dem auch sei, die Stimmung im Raum schien angespannt. Noel und Konrad standen sich offenbar wenig freundlich gesinnt gegenüber und Tyrell trug einen etwas schmerzlichen Gesichtsausdruck. Luise überkam ein leichtes Schuldgefühl. Hätte sie nicht so viel Zeit in ihrem Zimmer verbracht, hätte sie sich schon um die Patienten kümmern können und niemand müsste sich hier streiten.
    "Ahem... entschuldigt bitte vielmals", sagte sie mit schüchterner, schuldbewusster Stimme in die Runde. "Ich hätte schon längst hier sein sollen. Ich hoffe, niemand hat zu lange warten müssen..."
    Luise bemerkte selbst, dass sie zu leise sprach und fragte etwas lauter: "Was kann ich für euch tun, Tyrell und Noel? Ich hoffe, es ist nichts ernstes?"

    Geändert von Zitroneneis (18.03.2013 um 00:01 Uhr)

  8. #8
    "Okay, okay! Alles okay!", sagte Tyrell kleinlaut und hob seine Hände vor sich auf und ab, "wir müssen morgens doch nicht so giftig sein!" "Wie meinen?", fragte Luise verwundert mit einem leicht gesenkten, besorgtem Gesicht. "Was? Nichts, nichts, ich habe gar nicht mit dir geredet! Aber wo wir doch schon mal dabei sind", entgegnete er ihr und führte sie unweit von den beiden anderen Personen weg, "ich bin heute sehr ungenehm mit einem Niesen aufgewacht, weißt du? Und ich glaube, nichts wäre mir unpassender als krank zu werden, vielleicht weißt du ja was Leichtes, wofür ich vielleicht nicht mein letztes Hemd ausgeben muss."

    Beide kamen an dem Thresen an und Luise begab sich auf die andere Seite, während sie ihn fragte: "G-gut, dann sag mir doch erstmal, wie du dich fühlst." Er überlegte kurz: "Hm... also... ich habe ein seltsames Gefühl im Körper. Unangenehm warm. Und Lärm bereitet mir ein bisschen Kopfweh... und Bewegungen sind auch gerade etwas anstrengend, um ehrlich zu sein." "Oh je, das klingt ganz nach einer Grippe...", murmelte Luise leise vor sich hin. "Wie bitte?" "Weißt du was, ich denke, für den Anfang reicht es erstmal aus, wenn du dir diesen Kräutertee zur Gemüte führst und dich für eine Weile schonst. Bestimmt liegt es daran, dass du so spät aufbleibst, weil du an deinen Erfindungen herumbastelst und..." "Pardon, Luise? Du wirst immer leiser, ich habe den letzten Satz gar nicht verstanden. Woran liegt es bestimmt?" Luise schien etwas nervös, immerhin wollte sie gerade Tyrells Gewohnheiten auf seine Krankheit verurteilen. "Äh, nicht so wichtig", sagte sie und antwortete in der Hoffnung, er würde von selbst drauf kommen: "Pass auf dich auf. Bezahlen kannst du morgen, damit wir schauen können, ob es dir besser geht oder du noch etwas anderes brauchst." "Ach, i wo, ich habe doch mein Geld dabei. Wieviel kostet mich das?"

    Und gerade, als er seinen Geldbeutel gezückt hatte, kam auch schon Konrad ihm entgegen.

    Geändert von Ligiiihh (18.03.2013 um 00:07 Uhr)

  9. #9
    Konrad sah Noels zitternde Hand und ein wenig Mitleid überkam ihn. Noel hatte es so schon nicht einfach, aber sein Temperament und seine spitze Zunge reizten lieber die Gemüter, als das er versuchte sich Freunde zu machen. Vielleicht lag es daran, das er alleine lebte und auch nur selten in die Kirche ging.
    Da wurde manch einer eben sonderlich.
    "Mein Guter, ihr habt vollkommen Recht was das sorgsame Verschließen angeht. Nur wisst ihr sicherlich das nicht ich sondern mein Onkel diesen Laden leitet. Ich fürchte ihr werdet diese Lektion meiner lieben Cousine Luise gegenüber wiederholen müssen, denn sie bestand darauf das diese Aufgabe zu ihren gehört."

    Noels Atem stockte. Er wich unbewusst einen Schritt zurück. Mit etwas geschlagener Miene sah er zähneknirschend zu Boden. Er dachte nach, in Noels Kopf arbeitete es. Doch letztendlich war das ein Schlag von Konrad, dem er sobald nichts entgegenzusetzen hatte.
    Er wollte irgendetwas erwidern, als eine zierliche Gestalt den Verkaufsraum betrat: Luise.
    Seine kleine Elfe. Ihr Haar war seidigweich wie immer, sofort floss warmer Honig durch Noels Brust, seine Wut verrauchte wie heiße Luft an einem roten Sommermorgen, seine zitternde Hand entspannte sich und ein wundervolles Gefühl aus zuckersüßer Watte befüllte seinen Kopf.

    "Ahem... entschuldigt bitte vielmals", sagte sie mit schüchterner, schuldbewusster Stimme in die Runde. "Ich hätte schon längst hier sein sollen. Ich hoffe, niemand hat zu lange warten müssen..."
    Luise bemerkte selbst, dass sie zu leise sprach und fragte etwas lauter: "Was kann ich für euch tun, Tyrell und Noel? Ich hoffe, es ist nichts ernstes?"

    Noels Gesicht füllte sich in einem Sekundenbruchteil mit flammender Hitze, sein Hals trocknete aus als wäre er das Zentrum einer unbarmherzigen Wüste, Noels Herz schien fast aus seiner Verankerung zu springen.
    Unsicher starrte der rothaarige Mann zu Boden, suchte seine schwarzen Stiefel mit den Augen.
    "N-nein, ich-"

    "Okay, okay! Alles okay!", sagte Tyrell kleinlaut und hob seine Hände vor sich auf und ab, "wir müssen morgens doch nicht so giftig sein!"

    Da schnitt ihm Tyrell das Wort ab. Normalerweise hätte Noel den Jungen nun am Kragen gepackt und aus dem Laden befördert. Mit einem Tritt. Aber in Luises' Anwesenheit war er letztendlich... so menschlich.

    "Wie meinen?", fragte Luise verwundert mit einem leicht gesenkten, besorgtem Gesicht.

    "Was? Nichts, nichts, ich habe gar nicht mit dir geredet! Aber wo wir doch schon mal dabei sind..."

    Mit diesen Worten führte der Junge Luise zum Thresen fort.
    Schon war sie wieder außerhalb seiner Reichweite.
    Noel ließ seinen Blick erneut sinken, biss sich schmerzlich auf die Lippe. Frustration tobte durch seinen Kopf, weniger als Bestie der Wut denn mehr als Wolf von Trauer. Da erinnerte er sich der Anwesenheit von Konrad. Schließlich überwand Noel seine Abneigung gegenüber dem großgebauten Gesellen und nahm das Wort auf. Er deutete eine leichte Verbeugung an, schloss die Augen und begann leise zu sprechen.
    "Verzeiht mir. Ich war harsch an diesem schönen Morgen. Wie so oft plagt mich eine luzifergesegnete Migräne, ich möchte mein Verhalten nicht auf sie abschieben, doch reizt sie meinen unreifen Geist zusätzlich, müsst Ihr wissen."
    Die Hälfte dieser Entschuldigung war gelogen, doch schienen diese Worte Noel am geeignetsten, die Wogen zu glätten. Konrad stand Luise nuneinmal nahe, dagegen konnte man nichts machen. So er vorhatte, weiterhin Kontakt zu seiner kleinen Elfe pflegen zu können, hatte er sich mit ihm gutzustellen.

    "Hm", der lockenhaarige Bursche nickte mit undeutbarer Miene, "Luise wird Euch sicherlich ein Schmerzmittel geben können, immerhin kennt sie Euer Leiden schon länger, nicht, Herr Bibliothekar? Wartet einen Moment hier, ich werde sie Mal fragen."

    Mit diesen Worten, welche in Noels Ohren zumindest nicht abweisend klangen, entfernte Konrad sich zu den anderen Beiden. Unsicher sprang Noels Blick zu Luise, welche so unschuldig lächelnd wie immer Tyrell bediente. Mit fast blutendem Biss auf seine Unterlippe blieb Noel still zwischen den Regalen stehen.

    Geändert von Holo (18.03.2013 um 02:01 Uhr)

  10. #10
    Ein durchdringender Blick von Luise ließ Konrad innehalten. Wenn es eines gab, bei dem sie sich nicht stören ließ, war das die Behandlung der Hilfesuchenden.
    Also kratzte er sich den Bart und wandte sich erneut an Noel: „So wie es scheint, besteht sie darauf euch selbst zu versorgen. Seht mal, Luise nennt euch ja eh schon Noel und wenn ihr mögt könnt ihr mich ebenfalls beim Vornamen nennen. Konrad also.“
    Sein Gesicht war weiterhin gefasst. Konrad war kein Narr, er sah wie sich Noels Art wandelte in Luises Gegenwart.
    Gütiger Herrgott, ich kann nicht immer auf sie aufpassen.
    Schütze du sie beide und vollbringe weiter deine Wunder an ihm.

    Nach dem Stoßgebet war ihm leichter zumute.

    „Weil ihr Vater sie so sehr braucht, vergisst sie manchmal was sie selber braucht um glücklich zu sein. Wenn ihr ihr dem Kind mal eine Freude machen wollt... sie mag Veilchen ganz gerne.

    Danach wusste er nicht mehr viel mit sich und dem Bibliothekar anzufangen und war dankbar, als Tyrell seine Geldbörse zückte, was ihn auf eine Idee brachte. „Falls du möchtest kannst du auch gerne im Austausch das Ladenschild richten, Tyrell. Wobei es Luise obliegt zu entscheiden ob der Preis für die Medizin und deine Arbeit sich aufwiegt.“ Er wusste das der Junge in einer recht baufälligen Hütte wohnte und es war nichts ungewöhnliches dabei Arbeit mit Arbeit zu vergelten. „Luise, was denkst du? Falls das Mittel nicht genügt, helf ich dir auch gerne beim Instandsetzen deines Hauses. Da gab es doch ein paar kleinere Reperaturen nicht?

    Er hatte kaum den Mund zugeklappt, da kamen drei aufgeregte Bauernjungen in die Apotheke gestolpert und bestanden darauf das sich Luise sofort um ein verletztes Tier kümmerte, weil der Medicus sie schon weggeschickt hätte und sie den Jäger nicht gefunden hatten. "Bitte mach ihn wieder gesund", bat sie ein Junge von etwa 8 Jahren und streckte ihr ein in sein Hemd eingewickeltes Bündel hin, das leise fiepte. "Wir haben ihn im Kürbisfeld gefunden und seine Pfote sieht ganz scheußlich aus." "Aber er ist sooo süß. Können wir ihn gesund pflegen? Wir könnten ihn Kürbis nennen." Das Mädchen zog vorsichtig am Hemd und eine spitze kleine Schnauze kam zum Vorschein. Konrad verkniff sich ein Lachen. Nunja, kürbisorange war das Fell des jungen Fuchses ja...

    Geändert von Viviane (18.03.2013 um 07:41 Uhr)

  11. #11
    Zwei Tage zuvor, im Nachbardorf

    "Ich schwör, sieht nur so aus, ist eigentlich nicht so und wenn du Beweis haben willst, dass nicht so ist, schwör ich da gerne nochmal drauf."
    , sagte sie in schneller Abfolge mit starkem osteuropäischen Akzent, pausierte eine Sekunde und fügte ein langgezogenes "Schwööööö~r." hinzu.
    "Lumi, hör' auf mich anzulügen.", sagte der etwas dickliche Kerl mit der Axt dessen Namen sie sich ums Verrecken nicht merken konnte. "Ich sehe den kleinen Tisch, sehe die Würfel, habe genau gehört wie du gewürfelt und 'Ohhhh, wiederrrr kein Glück!'...", dabei äffte er ihre Sopranstimme und ihren Akzent nach, "... gesagt hast."
    Auf frischer Tat ertappt. "Bassza meg... [Och scheiße...]", flüsterte sie leise in ihren nicht vorhandenen Bart und sah nur noch eine Möglichkeit, dieser Situation...
    "Lumi, nein. Guck' mich nicht an mit diesem Hundeblick. Das funktioniert nicht, diesmal nicht, diesmal...", reagierte er folgerichtig auf ihre Taktik, mit der sie offensichtlich gegen eine Wand lief. Weiterhin den Hundeblick auf dem Gesicht sagte sie: "Was soll ich tun, damit du mich ziehen lässt?", während sie im Hinterkopf dachte: Oh Gott, bitte sag' nicht das was ich hoffe dass du nicht sagst bitte bitte bitte...

    "Erzähl' mir 'nen Witz.", war seine Antwort. Er verschränkte die Arme und blickte auf die zierliche 1,55 m kleine, blonde, grünäugige Gestalt herab mit einem Lächeln auf dem Gesicht. "Wenn du mich zum lachen bringst, lasse ich dich ziehen."
    Kurz musste sie verarbeiten, was er da von ihr wollte. Der Dackelblick wich einem entgültig skeptischen Gesichtsausdruck samt halbgeöffneten Mund und hochgezogener Augenbraue. Und außer einem "Im Ernst?" wollte erst einmal so nichts recht aus ihrem Mund kommen.
    "Ja, aber warte, ich hole noch kurz-UWE! PETRUS! MANFRED! Kommt mal eben kurz!", er trommelte jetzt nicht ernsthaft...? Doch. Die drei anderen Vigilanten, die einen auf Wache in dem Dorf machten, kamen jetzt auch dazu, einer weniger sympathisch aussehend als der nächste.
    "Gut, fang' an, Zigeunerin!", sagte er, grinsend seine Kollegen und danach wieder sie ansehend.
    "Hát... [Nun...]", begann sie, kratzte sich unter ihrem linken, halbblinden Auge und dachte spontan an den einzigen Witz den sie kannte:

    "Also, ein Mann sitzt... Ein Mann sitzt bei Arzt. Arzt sagt: 'Ich habe geguckt bei dir, ähm, untenrum, ja!? Und untenrum ist soweit gut, nur du hast zwei verschiedene, ähm, golyók - Eier. Hoden. Und Mann sagt: 'Oh, was meinen Sie denn damit?' Und Arzt sagt dann: 'Ein Ei ist aus Gold und ein Ei aus Bronze.' Der Mann ist, ähm, rázott, weißt du - völlig weg, so und sagt: 'Wie soll ich das denn mein Kindern erklären?' Der Arzt guckt so überrascht und sagt: 'Kinder? Schwör?' und Mann antwortet: 'Ja, der Midas ist 3 und der Koloss von Rhodos ist 5."

    Totenstille. Der Hauptwachmann grinste zwar milde, aber das konnte nie und nimmer als Lachen gezählt werden.

    Sie starrte in die Runde und fügte im furztrockenen Tonfall "Ist lustiger in mein Muttersprache." hinzu.

    Als der Kerl plötzlich und ohne Vorwarnung mit seinen riesengroß erscheinenden Händen in ihre Richtung griff, griff sie wiederum in den Beutel mit dem "Wunderpulver", das sie immer nach einer Wahrsagung verstreute (einer meistens völlig falschen, natürlich) und schleuderte ihm eine Handvoll in die Augen, bevor sie ihn mit einem saftigen Tritt ins Gemächt kurzfristig außer Gefecht setzte. Mit einem Bocksprung hüpfte sie über den vor Schmerzen am Boden knienden Kerl und rannte einfach, hinter ihr großes Geschrei der anderen drei "Wachen" hörend. Kurz hörte sie Djángos Gefiepe aus ihrem um den Rücken geschnallten Allzweckbeutel und konnte nur mit einem "Tut mir leid! Wollt' dich nicht wecken!" antworten.


    Heute

    Querfeldein ging sie durch das kleine Wäldchen am Straßenrand, zwar der Straße folgend, aber doch respektvollen Abstand von ihr haltend. Bis sie endlich Rauch am Horizont aufsteigen sah. Sie war hungrig, ihre Füße schmerzten, ihr Rücken noch mehr, Djángo hechelte genau wie sie, sich nach etwas zu fressen sehnend. "Bassza meg... [Och scheiße...]", stöhnte sie. "Ist das irgendwie Vision oder so? Stadt erst nah dran, dann weit weg, dann nah dran... Ist zum kotzen, ist immer dasselbe mit... Elegem van! [Mir reicht's!] Verdammte Scheiße!", sie stoppte um sich beide Hände vors Gesicht zu halten, schreite frustrierte Hasstiraden in ihre Weisheitslinien.

    Warum habt ihr mich zurückgelassen?

    Doch lange hielt diese Frustrationswelle nicht an. Sie ging weiter der Stadt entgegen, langsam, die Hände immer noch vor dem Mund haltend, aber nichts sagend und die Tränen zurückhaltend. Etwa paar hundert Meter vor dem Eingang entfernte sie die Hände vom Mund und rieb sich damit die Augen. Und als sie endlich hineintrat, wurde ihr verschiedene Düfte in die Nase getrieben, Rauch, Essen, Essen, Schafscheiße, Essen. Sie wusste noch nicht genau, woher sie das letztere organisieren sollte, aber irgendetwas würde ihr schon einfallen. Selbst Djángo - das schwarze Frettchen mit weißer Bauchlinie - streckte neugierig den Kopf heraus und schaute sich um, während augenscheinlich einige Blicke an ihr klebten.

    "Oh, das wird lustig...", murmelte sie sich selbst mit sarkastischem Tonfall zu und fixierte in diesem Moment mit ihrem guten Auge einen rothaarigen Burschen, der irgendwie nicht so recht ins Bild passen wollte. Dennoch ging sie strickt in die Richtung, in die sie vermutete, unauffällig etwas zu essen abgreifen zu können. Und vielleicht sollte sie auch noch jemanden suchen, der sich ihren linken Fuß ansah. Denn lange konnte sie so nicht durch die Gegend humpeln mit dem gefühlten halben Dornenbusch in ihrer Fußsohle...

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (21.03.2013 um 18:03 Uhr)

  12. #12
    Luise hoffte inständig, dass Tyrells Symptome kein Zeichen für eine aufkommende Grippe waren. Das letzte was sie gebrauchen konnte, war eine Epidemie, jetzt wo ihr Vater so krank war und sie sich um die Apotheke zu kümmern hatte. Viel konnte sie aber nicht tun, also schlug sie dem Jungen einen Kräutertee vor, der zumindest ein bisschen helfen sollte. Jedenfalls hoffte sie das.
    Plötzlich hörte Luise, wie Konrad sie von der Seite ansprach und die Möglichkeit in den Raum warf, dass Noel doch als Zahlung für die Medizin das Ladenschild wieder richten könne. Luise wusste nicht, ob dieser dürre junge Mann wirklich so geeignet wäre, eine solche Arbeit zu übernehmen. Eigentlich hatte sie ihn noch nie schwer arbeiten sehen, da sie ihm normalerweise nur hier in der Apotheke begegnete, wenn er wieder von seinen Kopfschmerzen geplagt wurde. Und manchmal in der Bibliothek, wenn sie etwas nachforschen wollte, was Adalberts Bücher nicht hergaben. Und unabhängig davon, ob er das Zeug zum Handwerker hatte oder nicht - Noel hatte noch immer dieses gewisse Etwas um sich, das Luise so verunsicherte. Das ihr beinahe Angst einjagte, und dass sie beim besten Willen nicht greifen konnte.
    Aber vielleicht sollte sie sich nicht so sehr von ihren eigenen, unbegründeten Gefühlen leiten lassen. Vielleicht sollte sie dem jungen Mann einfach etwas Vertrauen entgegen bringen. Schließlich war er auch immer freundlich zu ihr.
    "N-nun, wenn Euch das nichts ausmacht, Noel, dann könnt ihr sehr gerne das Ladenschild richten, anstatt den üblichen Preis zu zahlen. Schließlich seid Ihr... äh... s-sehr oft hier und m-möchtet vielleicht n-nicht Euer g-ganzes Geld wegen dieser K-Kopfschmerzen für unsere Medizin ausgeben." Hoffentlich klang das nicht unhöflich. Luise hatte gehört, dass manche Erwachsene empfindlich darauf reagierten, wenn man sie darauf ansprach, ob sie ihren Geldbeutel schonen wollten - anscheinend verletzte es ihren Stolz. Und das war das letzte, was Luise wollte. Also fügte sie mit einem scheuen Lächeln hinzu: "A-aber natürlich nur, wenn Euch das genehm ist. E-ein Schild befestigen i-ist ja sicher anstrengend, u-und kostet bestimmt viel Zeit -"
    Bevor sie lange darüber nachdenken konnte, ob sie Noel nun womöglich als Schwächling bezeichnet hatte, wurde Luise von zwei Bauernkindern unterbrochen, die einen verletzten Fuchswelpen hereintrugen.
    Schlagartig veränderte sich Luises Miene. Das fiepende, pelzige kleine Etwas rang ihrem Gesicht ein warmes Lächeln ab. Vorsichtig streckte sie dem Füchschen ihren Finger entgegen und es schnüffelte ausgiebig daran. Dann öffnete sie das Hemd weiter und zog scharf den Atem ein, als sie die blutverkrustete Pfote sah.
    Schnell warf sie einen Blick in die Richtung ihres Vetters. "Konrad, bitte hilf mir! Das sieht schlimm aus, ich muss es wohl auswaschen und nähen. Bitte, beruhige ihn solange!" Dann lächelte sie. "Tiere mögen dich immer so gern. Und wenn wir uns beeilen, wird es ihm in einer Woche wieder gut gehen."

    Geändert von Zitroneneis (18.03.2013 um 18:14 Uhr)

  13. #13
    Der frühe Vogel fängt den Wurm. So, oder so ähnlich war das Motto, das schon lange in Ross Familie als Devise galt. So kam es, dass er auch heute schon in den frühen Morgenstunden aufstand und sich für die Arbeit fertig machte. Frau und Kinder waren bei Verwandten und auch er wäre gern mitgekommen, allerdings war da noch die Arbeit und die Maultiere mussten ja auch gefüttert werden. So hob Ross schweren Herzens wie an jedem anderen Tag zuvor, seine Axt und Zaumzeug auf und ging in den Stall nebenan, wo er die Maultiere fertig machte.
    Danach fuhr er den alten Karren zum Waldrand, wo er noch einige Zeit wartete, bis sein Partner auftauchte, mit dem er dann zusammen im Wald verschwand, auf dem Weg, um Eisenholzbäume zu fällen.

  14. #14
    Die Debatte um den nächsten Hauptmann ging weiter, Ross hatte bislang sehr gute Aussichten, es zu werden, was Brunhilde sehr zusagte. Allerdings mischten sich unter die Hauptdebatte immer mehr kleine private Gespräche, aber das war eigentlich bei jeder größeren Versammlung früher oder später der Fall. Ihr Blick streifte gerade Konrad und das fremde Mädchen, die zum Dorfbrunnen gingen. Bei diesem Anblick und unter Beachtung, dass es bereits sehr spät war, fragte sich die Wirtin, wo das junge Ding denn heute Nacht oder auch für länger überhaupt zu schlafen gedenke. Kaum einer der Dorfbewohner hatte noch ein Bett geschweige denn ein Zimmer für solche Fälle frei und unter freiem Himmel zu nächtigen kam ob der doch noch sehr kalten, teils frostigen Nächte absolut nicht in Frage. Wenn nur ihre Gästekammer nicht gerade belegt wäre…
    Moment, der Medicus, -Schande über ihn!- schien geflohen zu sein, oder von einem göttlichen Gericht vom Erdboden getilgt- ihr war es eigentlich einerlei. Genaugenommen war er ihr tot sogar lieber, da das Recht dann besagen würde, dass ihr alle seine hinterbliebenen Güter im Gasthaus gehörten- Gott vergebe ihr diese Gedanken. Aber vor allem war die Kammer frei und sie könnte das Mädchen fragen, ob es bei ihr schlafen wöllte. Als Gegenleistung kann sie ihr ja zur Hand gehen, im Wirtshaus und den Ställen gibt es immer mehr als genug zu tun. Apropos… Mit einem lauten *Patsch* knallte ihre linke Handfläche gegen die Stirn. Da hatte sie in all dem Aufruhr glatt vergessen, die Schankstube herzurichten und alles vorzubereiten. Dabei musste sie das Wirtshaus schon bald öffnen. Auf keinen Fall würde sie riskieren, in den Ruf zu gelangen, nicht püntklich zu öffnen oder ihr Wirtshaus nicht in astreinem Zustand den Gästen zu präsentieren. Und sie hatte das Gasthaus nichtmal abgeschlossen, sondern nur Rüdiger davor postiert. Diesen Meter verflohte Verfressenheit, der selbst vor seinem eigenen Schatten flieht. Sie könnte vollkommen ausgeraubt worden sein… Vielleicht total erledigt…!
    Rasch lief die Frau zu ihrem Wirtshaus, vor welchem Rüdiger an gleicher Stelle lag, wo er zurückgelassen wurde- völlig regungslos. Vorsichtig stieß Brunhild ihm ihre Schuhspitze in die Seite, ein dumpfes Jaulen war die unzufriedene Antwort.
    “Wäre auch zu schön gewesen…“, murmelte sie in sich hinein, als sie auch schon eiligst in die Schankstube lief, den Besen aus der Ecke nahm und begann, durchzukehren, danach die Stühle herunterzustellen und über alle Tische und vor allem den Tresen zu wischen. Dann entfachte sie ein Feuer im Ofen und eilte noch mit dem glimmenden Anzündholz in der Hand zur Gästekammer. Dort zog sie das alte Bettzeug mit einem raschen Zug ab, klemmte sich noch die dagebliebene Reisetasche des Medicus’ unter den Arm und schmiss alle in Windeseile in eine Ecke ihrer oberen Zimmer. Ebenso schnell ward ein frisches aus dem Schrank geholt, wieder nach unten gesprungen oder eher gestolpert und das Bett neu bezogen. Hastig riss sie die Fenster auf, kehrte noch einmal durch die Kammer und besah sich dann alles prüfend. Für’s erste musste das reichen, sie konnte ja morgen noch einmal perfekt nachrichten. Die Kammer wurde verschlossen und sie begann in der Schankstube hastig ein paar Krüge vorsorglich schon einmal mit Bier zu füllen. Gäste würden auf jeden Fall kommen, es kamen immer welche.
    Just beim dritten abgezapften Bier betraten Konrad, Peter und das blonde Mädchen den Schankraum. Alle Hast war bei ihr vergessen, als sie die drei mit einem strahlenden “Immer hereinspaziert die Herren und die Dame! Peter, hat man dich wirklich mal von Weib und Herd weglocken können, warst ja schon ewig nicht mehr hier… und setzte den dreien jeweils einen Bierkrug vor die Nase.
    Die gehen aufs Haus, dem verblichenen Hauptmann zu ehren…, meinte sie mit einem kurzen Blick auf die Fremde, ehe sie ihr schlicht zulächelte und gerade nach ihrem Namen und ihren Plänen hier im Dorf fragen wollte, als auch schon Patricia die Schankstube betrat. Mit breitem Lächeln empfang sie auch diesen oft gesehenen Gast:
    Meine gute Patricia, schön Dich zu sehen, setz Dich nur, setz Dich nur, ich bring Dir gleich was zur Erfrischung und was Ordentliches für den Magen…
    Geschwind wurde ein neues Bier abgezapft und vor der imposanten Erscheinung abgestellt, und alsbald wuselte Brunhild schon zurück hinter den Tresen, um die nunmehr bereits leeren Krüge aufzufüllen und danach in der Vorratskammer nachzuschauen, was sich für Patricia eignete. Mit einigen gut abgehangenen Würsten, einem halben Laib Käse und einem Kanten Brot beladen trat sie wieder heraus, schubste den neugierig-sabbernden Rüdiger unwirsch zur Seite und präsentierte die Speisen auf einem ausladenen Holzbrett. Dass Patricia sich um’s Fasten Gedanken machte, durfte mehr als angezweifelt werden, sonst hätte sie bereits an früheren Abenden protestiert.
    So verging die Zeit und die grauen Gedanken an das Verscheiden des guten Hauptmannes hatten neben der Schankroutine kaum Platz, auzukeimen, und wurden entgültig verdrängt, als die Wirtin gerade an Konrad vorbeischritt, um Patricias nunmehr zum zweiten Mal geleerte Platte mitzunehmen.
    [COLOR=“#DAA520“] "Oh süße Göttin des edlen Hopfenbräus! Du Engel unter den Malzerinnen!" [/COLOR], Konrad erhob seine vierte Maß schwungvoll und prostete Peter zu, dann ging er vor Brunhild auf die Knie und griff nach ihrer Hand. "Hört mich an! Eine Erscheinung traf mich heut, wie sie dem edlen Franziskus einst erschien - und doch handelt es sich hierbei nicht um einen gewöhnlichen Bettler, nein, eine Zarentochter, mittellos und von aller Welt und allem Glück verlassen trat in unser Dorf ein um uns mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Nun, vermögt ihr verehrteste Schankmaid und wohlgerundete Venus nicht nur süßen Nektar auszuschenken - eine Bettstatt und ein wenig Essen um diese Augen zum strahlen zu bringen, mehr braucht es nicht. Ihr würdet mich damit sehr glücklich machen - und damit ihr ihre Anwesenheit nicht als Last empfindet werde ich doppelt so hart arbeiten um eure zarten Hände vor jedweder Arbeit zu schonen."
    Drauf küsste er die vom Spülwasser aufgeweichten Wirtinnen-Hände so hingebungsvoll, das es einem allein schon vom Hinsehen die Schamesröte ins Gesicht trieb.
    Bei Brunhild selbst war dies mehr als der Fall. Mit geweiteten Augen und einem Mund, der immer wieder auf und zu ging, weil sie nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte. Eine niegekannte Wärme breitete sich von der geküssten Hand aus in Windeseile in ihrem Körper aus, sodass sie das Gefühl hatte, sich mitten in einem Schmelzofen zu befinden. Schnell und unregelmäßig pochte ihr Herz gegen die sich rasch hebende und senkende Brust und ihr war, als würde sie gleich ohnmächtig werden.
    Doch just das war es, was sie wieder zur Besinnung kommen ließ- wie könnte sie sich je erlauben, während der Ausschankes ohnmächtig zu werden, weil ein trunkener Jungspund kniend ihr Worte wie Honig zusprach in Verbindung mit einem Handkuss, der jede Burgherrin hätte neidisch werden lassen. Und eigentlich genau das war, was sich Brunhild von Konrad erhofft hatte- vielleicht ohne die Trunkenheit, aber besser als garnichts. Auch dieser Gedanke wurde gleich verbannt; was war denn auf einmal los, dass sie sich während der Arbeit so vollkommen vergaß?
    Da sie wie eingefroren dastand und 10 Augenpaare auf ihr lagen (Rüdigers nur, weil er sich erhoffte, dann Patricias Platte abschlecken zu dürfen), entzog sie ihre Hand Konrads griff, rieb sich vergessen mit der anderen über die geküsste Stelle und meinte:
    “Ähm…nun, ja, natürlich kann das junge Fräulein hier bleiben…äh ja. Ich habe die Gästekammer bereits für Dich hergerichtet, weil ich auch schon daran dachte- ähm…Mädchen, ja…komm, komm am besten mal mit, dann zeige ichs Dir und Du kannst Dich gleich zu Bett begeben, wenn Du magst…“
    Mit einem Kopfnicken wies sie die blonde Fremde an, ihr zu folgen, führte sie zu der Kammer, erklärte ihr fahrig alles Notwendige und händigte ihr schließlich den dazugehörigen Schlüssel aus. Die Wirtin kam zurück in die Schankstube, in der die beiden Männer am Tresen bereits ihre nächste Runde forderten und Patricia ebenfalls schon ungeduldig wartete. Rüdiger war zu ihr getrottet und sabberte fiepend auf ihren Rocksaum, während Brunhild noch immmer bzw. wieder über ihre Handfläche strich.
    Das würde auf jeden Fall eine lange, lange Nacht für sie werden…

    Geändert von Mephista (22.03.2013 um 12:26 Uhr)

  15. #15
    Still entkleidete sich Noel und warf sich auf sein Bett, zog die schwarze Satindecke über den blassen, vernarbten Körper. Es war stockdunkel in seiner kleinen Hütte. Durch die schwarzen Vorhänge konnte man schon des Tages kaum etwas sehen, doch Nachts war es beinahe pure Finsternis.

    Noel lag auf der Seite und hielt sein silbernes Amulett in der einen Hand, während er es mit der Anderen streichelte wie ein lebendes Wesen. Sein Körper zitterte, obgleich der wärmenden Decke und der junge Mann fühlte sich innerlich wie tot.
    Vor dem Bett auf dem Fußboden lag Deusexus, welcher ihn schweigend mit verdrieslicher Miene beäugte.

    Noel drückte das Amulett an sich und flüsterte etwas, seine Stimme bebte.
    Es war ein Singsang.



    "Kleine Elfe, hast du mich gesehen?
    Kleine Elfe, willst du zum Flusse gehen?

    Kleine Elfe, lächelst hell da wie das Licht.
    Kleine Elfe, streichle dein Gesicht.

    Kleine Elfe, tanzt im Wasser galant,
    Kleine Elfe, hast mich Bruder genannt

    Kleine Elfe, unsere Liebe ist so rein.
    Kleine Elfe, lass ewig uns zusammen sein."




    Noel weinte nicht, da brauchte es mehr, als so eine wahrscheinlich nur eingebildete Missachtung seitens Luise. Aber immerhin schluchzte er stumm, und offenbar reichte dies, damit sein pelziger Freund sich Sorgen um ihn machte.

    Nun reiß dich mal zusammen! Eine Hauptmannwahl, gute Güte. Du führst dich ja auf wie ein kleines Kind, was ist denn heute bloß Los mit dir?!


    Noel lag mit dem Rücken zu Deus, und natürlich drehte er sich nicht, als er ihm flüsternd antwortete.

    "Deus... beantworte mir eine Frage.
    Habe ich es nicht verdient?
    Habe ich nicht die Zuneigung eines einzigen Menschen verdient?

    Ich habe jahrelang diese schrecklichen Parasiten gemordet... jeden Abend war mein ganzer Körper voll mit dem Blut dutzender Menschen. Habe ich es nicht verdient, auch endlich etwas Ruhe zu finden?!"


    Der Wolf antwortete nicht. Noel wollte auch gar keine Antwort von ihm, dessen waren sich beide bewusst.
    Er legte seinen Kopf auf die Pfoten, es war ein langer und ereignisschwerer Tag. Morgen würde es beginnen, das morbide Spiel der Deuses'. Hoffentlich, so dachte Deus, würde sein Schützling nicht als Erster fallen.

    Noel drückte das Amulett an seinen Kopf, genoss die metallische Kälte auf seiner heißen Wange, immer noch das Lied summend und zitternd schlief er unruhig ein mit dem Bild von roten Strähnen im Kopf.

    Geändert von Holo (22.03.2013 um 01:18 Uhr)

  16. #16
    "Die gehen aufs Haus, dem verblichenen Hauptmann zu ehren."
    "Ihr trinkt doch sicherlich auch auf den verehrten Hauptmann, nicht Brunhild?"
    Natürlich tranken alle auf ihren braven verblichenen Hauptmann.

    "Und noch einen auf die Gesundheit von Lumi-Zarentochter hier. Trinkt Leute, die Rechnung heute Abend nach der ersten Runde geht heute auf mich."
    Wie Lumi gesagt hatte - Essen für lau ließ man sich nicht zweimal sagen.
    "Und auf Peter, den Prachtkerl, einer der wenigen in diesem Dorf bei dem man weiß, was man an ihm hat."
    Auf Peter!
    "Und einen auf den alten Kirschbaum, möge er noch 100 Jahre dort stehn!"

    Auf den Kirschbaum!

    [...Es folgt der leidenschaftliche Handkuss...]


    Konrads Geldbörse war merklich schnell leer geworden, dafür stieg die Stimmung im Wirtshaus bei jeder Runde die er ausgab um einiges an. Als Konrad die Stimme wieder erhob blickte er Brunhild verheißungsvoll und lange in die Augen.
    "Und..." Leckte sich über die vollen Lippen. "...noch einen..." Legte den Kopf auf seine Hand, während sein aufgeschnürter Hemdsauschnitt einen großzügigen Blick auf die festen, geschmeidigen Muskeln freigab. Eben als Brunhild die fünfte Maß zapfte, beugte er sich über den Tresen und fuhr mit dem Zeigefinger seiner freien Hand den Rand ihres heruntergerutschten Schürzenträgers nach und zog ihn mit einem Zwinkern wieder an die richtige Stelle. "einen für das Beste... zum Schu... uhuss." Dann fiel sein Blick in ihr Dekollté.

    Und nur einen Wimpernschlag später auf den treuen Schäferhund Rüdiger, der sich nun an sein Bein drückte.
    "... und zwa..~haaar.. einen auf... Rü-rü-rüdigaaa..~har. Weil ... er ~aaalles richtig macht, die treue Seele. Sie säen nicht und er ernährt sie doch, hm? N' Hund müsste man sein. An eurem Kachelofen liegen, verehrte Wirtin, den goldenen Stimmen der holden Maiden lauschen die sich hierher verirren und keine Sorgen haben, als den besten Sonnenplatz zu finden. Jaah... das wär schon was." Konrad ging auf die Knie, nachdem er umständlich vom Stuhl geklettert (und halb gefallen) war, kraulte Rüdiger hinter den Ohren und streichelte ihm über den Bauch, bis dieser vor Wohlbehagen anfing leise zu brummen wie eines der aufgezogenen Spielzeuge von Tyrell.
    "Was hälst du davon Lumi, du und Django und ich und Rüdiger, hm?" "Wie meinen?" Seine einzige Antwort war ein breites vorfreudiges Grinsen, das ihn einige Jahre jünger (und um einiges weichbirniger) wirken ließ. "Wir lassen es uns gut gehen Rüdiger, du alte Wurst.", murmelte er dem Schäferhund liebevoll zu, der leise und erwartungsvoll japste und ihm einmal übers Gesicht schleckte.

    ~*~

    Konrad stand nach den 5 Bier zwar nur noch auf halbwegs festen Beinen, es gelang ihm aber noch in der Speisekammer ein besonders lang eingelagertes Bier aufzutreiben.
    "Adalbert krank, Tyrell krank, Noel beißt wie ne Zecke und der Hauptmann ist tot. Wenn ich Ostern noch erlebe - das wär'n Wunner." Was musste er wohl tun um Brunhild dieses kostbare Fässchen abzuschwatzen? Er war ganz gut im Geschichten erzählen, immerhin hatte er ein Gedächtnis wie ein Eisenholzbaum seine Rinde. Würde er wohl mal nachsehen, was seine hochverehrte Arbeitgeberin so tat. "Wenn ichs mir nu recht bedenk, kann ich froh sein wenn ich hier wegkomm bevor mich irgendwer verheiratn will tun. Luise braucht mich ja nu nich mehr - sie hat ja Tyrell. Bei meinm Barte. Nu ich kann nich lesen, nich - egal was für Briefe die mir hinnerherschniggn, kann mir nu egal sein. Kann die ja nicht lesn, nich." Er wirkte höchst zufrieden über dieses ausgefuchste Detail seines "Fluchtplans". "Und wenn i nich lesn kann, sag ich Bruni einfach ich hätt gedacht dassei das Fass dassi nur fürs Restbier hernimmt. Kann ja nich lesn tun." Ein Hammerschlag, ein Bierhahn flugs aufgedreht, ein voller Krug zur Güte. "Prost, Konrad, du alter Hund, du. Auf dich. Mögen dir deine Locken nie ausfallen. Prost du Teufelskerl."

    Das (ein wenig leichter gewordene) Fäßchen sorgsam unter einen Arm gepackt und aus Gewohnheit eine feine Wurst für Rüdiger eingesteckt, stromerte der Lockenkopf los und schlingerte zurück in den Schankraum, wo er sich am warmen Kachelofen ausstreckte wie ein fauler Braunbär und sich wohlig die Brust kraulte. "Wenn wir die Banditen im Wald finden könnten... auf die ist ein Kopfgeld ausgesetzt, wisst ihr?" "Kopfgeld?" "Aye, Kopfgeld. Damit könnte man sicher was machen." "Wenn man den Kopf hat, klar. Aber woher solln wir den Banditenkopf kriegen - bevor die Banditen aus uns Gulasz machen? Dumme Plan, Dummkopf."

    "Nur noch nicht ganz... ausgereift... wir könnten ja den Wyrm zu ihrem Versteck.. locken. Der macht das dann schon für uns.", murmelte Konrad schläfrig und spielte mit Rüdiger, der neben dem Ofen lag das "erschieß mich"-Spiel. Der Hund hob aber immer schneller als er die Pfoten... als Konrad zum vierten Mal "getroffen" zu Boden fiel war es das letzte an was er sich erinnerte. Irgendwie war er aber in seine Werkstatt in der Apotheke gekommen. Irgendwie nur mit dem Kopf voraus in einem Korb voller Lavendel. Und Fuchsbaby. "Ein Hund müsste man sein", seufzte er glücklich und zufrieden mit sich und der Welt und dem Bauch voller Bier und dem Mund voller Fuchsschweif.

    Geändert von Viviane (22.03.2013 um 13:45 Uhr)

  17. #17
    Unsicher drückte Viktoria Luise noch immer die Hand, als sie merkte das Luise sichtlich nervös wurde, während die beiden den vollen Dorfplatz betraten.
    Konrad lief auf die beiden Mädchen zu.
    Er begrüßte Viktoria höflich und sie lächelte ihm freundlich zu als er schließlich zu Lusie sagte: "Luise... es ist etwas passiert"
    "Ich... weiß. Weil ich schuld... dran bin.", stammelte Lusie ihm als Antwort zu.
    Viktoria neben ihr schüttelte den Kopf langsam hin und her. Es schien für sie noch immer unbegreiflich, dass Luise das denken konnte.
    Während Konrad Luise als Antwort in ihren Mantel wickelte und sich mit ihr an den Brunnenrand setzte.
    Plötzlich huschte ein glühendes Licht über den Wald hinweg.
    „Hast du das Feuer gesehn, Konrad!“ „Das war eine Schnuppe, nicht?“ „Nein, das war der Wyrm, aus dem Wald, der Feuer gespeit hat.“ Konrad lächelte den beiden zu: „Ich denke, es war ein himmlisches Zeichen, das unsrem guten Hauptmann den Weg zeigen soll. Ihr betet heute abend für ihn, ja?“ "Ja, das machen wir!"
    Viktoria blickte noch einen Moment lang gedankenverloren in den Himmel und dann zurück zum Dorfplatz.
    Gerade als sie überlegte, wen sie zum Hauptmann wählen sollte, sagte Konrad zu ihr, :"Was denkst du, was es wirklich war?"
    Sie sah ihn an. Einen Moment lang schien sie zu überlegen und es nicht recht zu wissen.
    Schließlich antwortete sie, :"Ich weiß es nicht, aber irgendwie macht es mir ein mulmiges Gefühl. Ich denke ebenfalls, dass es ein Zeichen für uns ist, aber wer sagt uns das es ein positives ist?"
    Sie starrte wieder auf die Menschen die auf dem Dorfplatz standen und sich darum stritten, wer heute zum Hauptmann gewählt werden sollte.
    Schließlich beschloss sie innerlich sich aus dem ganzen Streit heraus zu halten und sich zu enthalten. So wie sie es fast immer tat. Sie wollte lieber unauffällig bleiben und sich nicht zur Schau stellen, indem sie am Ende jemanden wählte der den meisten des Dorfes nicht gefiel.

    Am Abend dieses Tages machten sich die anderen Dorfbewohner auf den Weg um im Wirtshaus noch etwas zu essen.
    Viktoria nutzte die Gelegenheit um unbemerkt nachhause zu laufen, wo ihre Mutter schon auf sie wartete.
    "Wo warst du so lange?!", fragte sie streng.
    "Weg", antwortete Viktoria nur, weil sie keine Lust hatte ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Ihre Mutter hatte also nicht mitgekriegt, was passiert war. Sie hatte nicht mitbekommen, dass der Hauptmann vergiftet wurde, ihr war nicht aufgefallen das der Dorfplatz voll gewesen war, weil dort der neue Hauptmann gewählt worden war.
    Viktoria rannte in ihre Kammer und schloss die Tür hinter sich.
    "Viktoria Valeria von Eichenstein!", brüllte ihr ihre Mutter hinterher und lief ihr nach.
    "Hast du so schlechte Ohren?! Ich habe dich gefragt wo du dich den ganzen Tag herum getrieben hast?", sie glühte fast vor Wut.
    Viktoria gab ihrem Hund, der auf ihrem Zimmerboden lag ein paar Brutkrummen aus der Hand. Er leckte sie auf. "Ich war auf dem Dorfplatz."
    "Was macht eine junge Frau wie du auf einem Dorfplatz?! Viktoria Valeria das geht zu weit! Ich möchte das du tagsüber deine Arbeit erledigst in der Schneiderei, die nun schon seit 5 Generationen in der Familie der von Eichensteins geführt wird! Ich habe dich gebeten deine Arbeit ernst zu nehmen. Ich dachte wir hätten uns darauf geeinigt?!"
    "Haben wir auch, Mutter", entgegnete Viktoria kleinmütig.
    "Gut! Dann möchte ich das du das tust und dich nicht zum Vergnügen auf dem Dorfplatz herumtreibst."
    "Okay", nickte Viktoria.
    Ihre Mutter haute die Tür hinter sich zu.

    Viktoria legte sich ins Bett und weinte, wie so oft. Es war einfach zu viel. Sie vermisste ihren Vater in den Momenten. Ihre Mutter verbot ihr alles woran sie Spaß hatte. Es gab nur eine Sache die sie ihr nicht verbieten konnte!
    Viktoria erhob sich wieder, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und ging zu ihrem Schrank. Dort hatte sie ihre Lockenwickler versteckt. Sie drehte sie mit viel Geduld in ihre glatten braunen Haare. Während die Lockenwickler in ihren Haaren steckten schlüpfte sie, nachdem sie sicher gestellt hatte, dass ihre Familie schlief, in ihr rotes Kleid mit den Schleifen. Das schönste Kleid was sie besaß.
    Sie schmierte sich das grüne Färbemittel in das inzwischen gelockte Haare.
    Dann setzte sich die weiße Halbmaske auf und schlich aus dem dunklen Haus in den Garten um durch den Wald zum Wirtshaus zu laufen. Dort war die Stimmung bereits gehoben. Viktoria schlich sich zur Hintertür und das so das niemand sehen konnte woher sie gekommen war.
    Dann lief sie durch diesen Eingang auf die große Fläche innerhalb des Wirtshauses, in der sie jeden Abend auftrat.
    "Die rote Viola!", rief sofort jemand aus dem Publikum.
    Viktoria scherte sich nicht darum, sie begann einfach zu singen und ließ alle Gefühle des heutigen Tages in ihre Stimme einfließen.
    Die Traurigkeit von Luise die sie zutiefst bewegt hatte, sie mochte sie, hatte sie lieb gewonnen und wollte gerne eine Freundschaft mit ihr aufbauen. Die Wahl des Hauptmanns, den Schock darrüber, dass der alte Hauptmann tot war. Die Wut auf ihre Mutter.
    All das floß in ihre Stimme und ließ diese aufbeben. Niemand erkannte sie, niemand wusste, dass es die langweilige Viktoria Valeria von Eichenstein war, die auf der Bühne stand und mit all ihren Gedanken sang. Die nun vollkommen abwesend war und in der Musik war. Die gerade nicht sie selbst war.
    Als sie ihre Stimme ruhiger werden ließ und sich nach dem letzten Ton verbeugte applaudierten die Menschen für sie.
    Sie lächelte, dann rannte sie einfach hinaus. Raus in den dunkelen Wald und nachhause. Ob ihr jemand hinterherrannte bekam sie nicht mehr mit.
    Sie war mit den Gedanken bereits zuhause, wo ihre Mutter nicht merken durfte, dass sie weg war.
    Sie wusch ihre Haare in dem Regenauffangbecken vor dem Haus aus, lief hinein, zog ihr Kleid aus und kämmte ihre Haare, solange bis sie wieder glatt und langweilig von ihrem Kopf hingen. Dann legte sie sich ins Bett.
    Sie fühlte sich gut! All ihr Ärger war vergessen, denn sie hatte es in das Lied des kleinen Elefanten gesteckt, was sie als 7-jährige von ihrem Vater gelernt hatte.

  18. #18
    Luise war froh, eine Möglichkeit zu haben, Tyrell für seine Bemühungen zu entschädigen. Außerdem hob es ihre Stimmung, dass er ihr offensichtlich nicht böse war.
    Sie glaubte noch immer, dass er einen guten Hauptmann abgegeben hätte.
    Nachdem die Hauptmannsentscheidung also auf Ross gefallen war, gingen beide zu Luises Haus, wo zu allererst Tyrells wohlverdienter Tee gekocht wurde.
    Auch das Essen war schnell zubereitet, und so standen schon bald dampfender Getreidebrei und ein wenig Gemüse auf dem Tisch.
    Konrad schien heute, wie so oft, seinen Abend in der Taverne zu verbringen und Adalbert war zu schwach um aufzustehen, weshalb er seine Mahlzeit in seinem Bett zu sich nahm.
    Aus diesem Grund waren Luise, Tyrell und der friedlich an etwas Dörrfleisch knabbernde Fuchswelpe Kürbis alleine in der kleinen Küche.

    Nach dem Abendessen schlug Tyrell vor, sich dem bunten Treiben in der Taverne anzuschließen.
    Etwas mulmig war Luise dabei zu Mute, immerhin geziemte es sich für ein so junges Mädchen eigentlich nicht, zu so später Stunde das Haus zu verlassen und einen solchen Ort aufzusuchen. Einen Ort mit vielen, lauten Erwachsenen.
    Aber irgendwie widersprach sie dem jungen Bastler nicht und so fand sie sich bald vor der Eingangstür zum Gasthaus wieder. Drinnen herrschte lebhaftes Treiben. Luise hörte Konrads ungewöhnlich laute Stimme bis nach draußen. Und sehr lautes Lachen. Irgendwie gefiel ihr das nicht. Hoffentlich würden die ganzen Erwachsenen nicht wieder die ganze Zeit Scherze machen, die Luise nicht verstand...
    Als sie das Wirtshaus betreten hatte, stellte sie sich erstmal scheu in eine Ecke, wo nicht allzu viele Leute vorbeikamen. Tyrell war bald anderweitig beschäftigt und sonst wurde sie von niemandem angesprochen. Nicht mal Konrad schien bemerkt zu haben, dass sie hier war. Er schien aber auch sehr damit beschäftigt zu sein, das fremde Mädchen mit dem kranken Auge und die freundliche Brunhilde zu unterhalten.
    Luise fühlte einen Stich im Herzen. Konrad war immer wie ein großer Bruder für sie gewesen. Ein ältere Junge, der stets gut gelaunt war, sie manchmal gerne neckte aber auch immer ein offenes Ohr für sie hatte. Ein netter Junge.
    Doch in diesem Moment wurde ihr schmerzlich bewusst, dass er kein Junge mehr war. Er war ein Erwachsener. Und früher oder später suchte sich jeder Erwachsene einen anderen Erwachsenen. Um den Rest des Lebens miteinander zu verbringen.
    Luise fühlte einen Stich im Herzen. Niemals hatte sie daran gedacht, dass Konrad sie jemals verlassen würde. Dass er immer für sie da sein würde. Aber nun, da sie ihn hier sah, taten sich in ihr Zweifel auf. Sie war unsichtbar für ihn. Er hatte nur Augen für die anderen Erwachsenen. Und das war doch in Ordnung. Wer war sie, dass sie ihn aufhalten sollte? Dankbar sollte sie ihm sein, dafür dass er ihr so viel half und sie immer umsorgte.
    Dennoch... selten zuvor hatte sich Luise so fehl am Platze gefühlt wie in diesem Augenblick.
    Sie dachte schon daran, das Wirtshaus heimlich und still zu verlassen. Doch ehe sie diesen Plan in die Tat umsetzen konnte, betrat jemand den Schankraum... und einen Moment lang stockte es Luise den Atem.
    Jemand im Raum rief aufgeregt: "Die rote Viola!"
    Doch es war nicht das auffällige rote Kleid, welches Luise zuerst ins Auge sprang. Es war nicht die auffällige Maske, welche das wahrscheinlich sehr hübsche Gesicht halb bedeckte.
    Es war das Haar. Das wundervolle, glänzende, seidige Haar, in einer so himmlischen Farbe. Wie das Grün eines Baumes im Sommer.
    Und ehe Luise schmerzlich an ihr eigenes, schreckliches rotes Haar erinnert wurde, erhob die Rote Viola ihre Stimme. Und Luises Sorgen waren wie weggeblasen. Gebannt lauschte sie der sanften Stimme, war für einen Moment nicht mehr im Wirtshaus "Zur Runden Hirschkuh", sondern nur dort wo das Lied sie hintrug.
    Wie lange sie dort gestanden und dem wundersamen Lied gelauscht hatte, wusste Luise nicht. Doch der Zauber war gebrochen als Violas Stimme verstummte und die Besucher der Taverne in lauten Applaus ausbrachen. Und die Rote Viola den Schankraum verließ, um auf die Straße zu laufen.
    Ohne lange nachzudenken, hastete Luise ihr hinterher und rief noch: "W-warte bitte..."
    Doch schnell wie der Wind war die Rote Viola in der Dunkelheit verschwunden und zurück blieb eine ratlose Luise.
    Sie hatte nur aus Geschichten von jenen großen Bestien gehört. Sie waren angeblich gigantisch, mit riesigen Zähnen ausgestattet und besaßen eine endlos lange Nase, mit der sie selbst den stärksten Mann von den Füßen reißen konnten.
    Aber vielleicht waren sie in Wirklichkeit ja ganz freundliche Tiere. So wie Kürbis kein listiger, hühnerraubender Jäger war, sondern ein niedlicher, flauschiger Welpe.
    Danach hatte Luise die Frau fragen wollen. Und auch danach, wer sie war. Doch dazu war es nun wohl zu spät.
    Der Mond stand schon hoch am Himmel und der kalte Nachtwind brachte Luise eine Gänsehaut ein. Nun, da die mysteriöse Sängerin verschwunden war, würde Luise wohl kaum zurück in die Taverne gehen.
    Stattdessen machte sie sich zu ihrem eigenen Haus auf. Und sang währenddessen leise vor sich hin:
    "Ich schreibe ein Lied für dich,
    Über einen Elefant, den du nie erschießen sollst,
    Den du nie erschießen sollst..."

    Geändert von Zitroneneis (23.03.2013 um 14:23 Uhr)

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