Ah, jetzt haben wir natürlich das Problem, dass ich Teil 1 nicht kenne weil ich ihn so langweilig fand, dass ich immer wieder aufgehört habe zu spielen. Ich dachte, du redest vom zweiten Teil. Wir haben also wirklich zwei unterschiedliche Spiele gespielt. :P
Ich habe gerade das Gefühl, dass deine Meinung aus ganz vielen Einzelteilen zusammengesetzt sind, was mir ein bisschen schwer fällt darauf zu antworten.
Erst einmal: "Während der Geschichte bekommt man nicht alles von einem Char mit", "man sieht nur eine Schicht"... du stellst das als etwas Negatives dar. Ich würde sagen, dass das DER Unterschied zwischen guten und schlechten Charakteren ist. Die guten sind die, bei denen man in der kurzen Zeit, die man sie kennen lernt, nicht alles über sie erfährt. Ich würde nicht sagen, dass das einen Charakter zwingenderweise nicht dreidimensional werden lässt... ich würde sagen, bei einem dreidimensionalen Charakter ist das die einzige logische Art der Darstellung.
"Wenn man einen Char gut beschreiben will, braucht er Screentime über die Geschichte hinaus": Wollen wir das primär? Eigentlich nicht, oder? Wir wollen die Geschichte erzählen. Und diese Geschichte erfordert einen Charakter, und damit die Geschichte gut wird, muss dieser Charakter gut sein. Wenn wir jetzt anfangen den Charakter so weit auszubauen, dass die Geschichte darunter leidet, dann haben wir was falsch gemacht. Wir wollen nicht "Charaktere: Das RPG" machen.
Thema Plot Devices: Auch hier... wenn ein NPC keine Plot Device ist, sollte er nicht da sein, bzw. nur ein Statist. Nach deiner Definition klingt "Plot Device" für mich nicht mehr negativ sondern als eine notwendige Eigenschaft eines Charakters. Wenn ein Charakter genial ausgearbeitet ist (auf welche Art und Weise auch immer), aber nichts zur Story beiträgt, dann muss er raus aus dem Spiel. Gebt ihm ein eigenes!
"Ein Charakter existiert nur für den Plot"... das gilt für JEDEN Charakter, wenn man ein Story-zentriertes Spiel oder Buch oder was auch immer macht. Die Action existiert nur für den Plot. Die Romanze existiert nur für den Plot. Der Verrat des Hochmagiers existiert nur für den Plot. Natürlich, denn der Plot ist das ein und alles einer Geschichte. Oo
Wenn du hingegen sagen willst: "Er hat kein anderes Leben", dann ist das einfach falsch. Dann wäre er ja kein guter Charakter. Von daher... hilf mir, was willst du mir mitteilen?
Ein guter Charakter muss dem Betrachter beim Kennenlernen das Gefühl geben, dass sein Leben von den Erschaffern komplett ausgearbeitet wurde. Er verhält sich nach einem bestimmten Muster, erzählt bestimmte Geschichten aus seinem Leben, deutet Dinge an. Er muss dreidimensional erscheinen. Aber warum interagiert er überhaupt mit dem Protagonisten? Naja, weil der Plot es verlangt. Der Plot grenzt auch ganz klar ein, wie viel wir von dem Charakter zu sehen bekommen.
Elrond aus Herr der Ringe ist ein klasse Charakter. Dazu muss er nicht den ganzen Film über zu sehen sein. Das hätte dem Plot geschadet.
Was hier vielleicht wichtig zu erwähnen ist:
The Witcher 2 ist von der Struktur her wie ein Film (oder ein Buch) gemacht. Du hast einen Hauptcharakter, einige wichtige Nebencharaktere und sehr viele Statisten, und optionale Texte sind extrem rar. Sprich, wenn man von Kämpfen und Nebenquests absieht (die natürlich ihren eigenen kleinen Handlungsbogen haben), erzählt das Spiel seine Geschichte sehr linear (von Entscheidungsmöglichkeiten abgesehen).
Deswegen glaube ich, dass deine Vorstellung von typischem W-RPG-Design hier nicht zutrifft.