The Handmaiden / Die Taschendiebin





Der aktuelle Film vom Regisseur von Oldboy. Hatte mich schon ne ganze Weile drauf gefreut und wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil! War super.

Da wäre zum einen die Story: Im Korea der 30er Jahre unter japanischer Besatzung machen eine Taschendiebin und ein Heiratsschwindler gemeinsame Sache, um an das Geld einer japanischen Edeldame zu kommen. Und mehr werd ich dazu nicht sagen, denn das würde sehr leicht in Richtung Spoiler gehen. Je weniger man über den Film weiß, bevor man ihn schaut, desto besser ^^ Jedenfalls liebe ich solche cleveren, verschachtelten Geschichten mit überraschenden Wendungen und WTF?-Momenten. Wenn man einmal meint, man durchschaut es, kippt die Erzählung wieder in eine andere Richtung. Sie ist quasi wie ein Puzzle. Glaub da lohnt sich auch ein zweites Anschauen, um frühe Hinweise in bestimmte Richtungen nochmal bewusst mitzubekommen.

Zwischendurch gab es Momente wo ich dachte, ich bin kurz davor den Faden zu verlieren (wir haben das koreanisch-japanischsprachige Original geschaut, aber die Untertitel in unserer Vorab-Version vom Verleih - den Film gibts hier noch nicht auf BD/DVD - waren nur mit Anstrengung zu entziffern, und wir haben zu spät gelernt, wie man die Dinger besser rendern kann bzw. dass es für sowas überhaupt Optionen gibt xD Aber ich schweife ab... Jedenfalls haben diese Umstände nicht gerade zu einem besseren Verständnis beigetragen), vor allem beim Wechsel vom ersten zum zweiten Kapitel. Aber keine Sorge, das war so beabsichtigt und hinterher ergibt auf jeden Fall alles einen Sinn und es ist auch nicht wirklich übermäßig kompliziert, nur eben meisterhaft erzählt! Dennoch durchaus so, dass man eine Menge darin sehen und interpretieren kann. Interessant ist zum Beispiel, wie Worte und Identitäten hier als Waffe eingesetzt werden; in diesem Zusammenhang ist das Setting perfekt gewählt (etwa der "Subtext", wenn Japanisch gesprochen wird -_^). Die Handlung basiert lose auf einem britischen Roman, der in England spielt. Hab ich nicht gelesen, aber behaupte, dass der Film alleine schon durch diesen speziellen, veränderten Hintergrund verdammt viel Tiefe hinzu gewinnt. Auch über Gender-Themen wird man zum Grübeln angeregt.

Dann verzaubert The Handmaiden einen regelrecht mit seinen opulenten Bilderwelten. Echt mal, die Ausstattung, sowohl was Kulissen als auch was Kostüme angeht, war der Ober-Hammer Alleine schon diese Farben! Das Ganze wird dann aber auch noch genial mit der Kamera eingefangen und wird niemals langweilig. Ein Film, der dermaßen gut aussieht, und dann gleichzeitig aber nicht nur oberflächlich überzeugt, sondern auch eine packende Story mit faszinierenden Charakteren zu bieten hat, ist für mich automatisch ein großer Gewinner. Das Herrenhaus wirkt fast lebendig mit bestimmten Orten oder Zimmern, die immer wieder vorkommen. Viele Szenen haben eine grandios dichte Atmosphäre.

Ich hatte ja eine gewisse Ahnung, was mich erwarten würde, aber in vielerlei Hinsicht war es tonal und thematisch dann doch um einiges krasser *g* Es ist ein erotischer Thriller, mit einigen für mich überraschend deutlichen Szenen. Wird imho niemals pornographisch, aber das sollte man wissen und abkönnen. Hehe, ein paar meiner Kolleginnen wussten nichts über den Film und haben sich zwar amüsiert, aber wirkten manchmal glaub ich ein wenig überfordert oder es wurde beschämt weggeschaut ^^

Ein weiterer Punkt, den ich verdammt gut fand, aber mit dem ich null gerechnet hatte, war der Humor. So viel Drama da auch drin ist, The Handmaiden hat über die komplette Spielzeit diverse augenzwinkernde oder verpeilte, abstrus-abgefahrene oder zynische Momente eingestreut, die für mich, wie auch (gemessen an den Reaktionen) für unser kleines Publikum maßgeblich zur Unterhaltung beigetragen haben. Nicht unbeschwert und voller Leichtigkeit, aber eben auch nicht völlig düster, böse und erschütternd, sondern einfach nur gefühlvoll und spannend mit etwas willkommener Auflockerung.

Viel zum Kritisieren fällt mir nicht ein. Wenn ich Nitpicking betreiben müsste, wären das allenfalls ein paar kleinere Tempo-Probleme im letzten Drittel. Wenn man einmal wirklich über die Hintergründe bescheid weiß, geht die Geschichte noch eine ganze Weile weiter. Will nicht sagen, dass ab dem Zeitpunkt die Luft raus gewesen wäre, denn tatsächlich passieren noch ein paar, öhm, bemerkenswerte Sachen, aber ich glaube das hätte man vielleicht noch ein wenig straffen können. Der Film geht immerhin zweieinhalb Stunden! Und zu dem, was ich gerade erwähnte, gehört dann auch das Herr der Ringe: Rückkehr des Königs Ending Syndrom. Nicht ganz so heftig wie dort, aber auch hier gibt es mehrere Szenen, die wie ein Schluss wirken, an den noch ein weiterer drangehangen wird.

Dieser intelligent strukturierte und wunderschöne Film wurde bei den Oscars schändlich übergangen. Jetzt rückwirkend eines meiner ganz großen persönlichen Highlights aus dem Jahr 2016. Dringende Empfehlung 9/10