Les Mis(érables)
Als großer Fan des Original-Musicals musste ich mir diesen Film natürlich ansehen. Und achtung, FANGIRLTEXTWALL.
Ein flüchtiger Gefangener, Valjean, verspricht in Zeiten vor einer Studentenrevolution einer sterbenden Prostituierten ihre Tochter Cosette zu finden und sie zu versorgen. Doch er wird von dem ehrgeizigen Polizeiinspektor Javert gejagt und kämpft in Zeiten des Umbruchs für Cosette und ihre große Liebe, den Studenten Marius.
Und wie fand ich den Film als Musical-Fangirl? Leider nur gut. "Leider", da ich fand, dass dieser Film durchaus besser sein könnte. Darüber hinaus glaube ich aber, dass man den Film bestimmt toll finden kann, wenn man das Original nicht kennt. Deshalb meine kleine Pro- und Contra-Abhandlung.
Was war nicht so gut?
- Der Film versucht etwas das Musical mit dem Stil des Victor Hugo-Romans zu verbinden, was grundlegend keine schlechte Idee ist. Leider ist das Musical teilweise schon übertrieben pompös, was in der ersten Hälfte etwas fehl am Platze ist, da die Sets ziemlich simpel gehalten sind. Teilweise laufen die Personen während dem Singen auf einem Quadratmeter hin und her und es kommt einem doch etwas vor, als hätte man die falsche Musik eingespielt. Und hört auf ständig mit der Kamera zu wackeln. Das macht es wirklich nicht dramatischer… (Und ums gleich am Anfang loszuwerden: Das CGI ist schrecklich.)
- Das Musical hat schon das Problem, dass es mehrere Jahrzehnte abdeckt und deshalb ziemlich schlagartig vom einen Jahrzehnt ins nächste springt. Mir war deshalb klar, dass der Film bestimmt seeeeehr hektisch erzählen muss. Also sehe ich etwas ein, dass die Übergänge für das Filmmedium viel zu rasant und hektisch sind, allerdings sehe ich nicht ein, warum man dann noch neue Lieder einbaut. Diese tragen noch dazu nichts zum Charakter bei. Irgendwie hat man einfach vergessen, dass Filme dramatische Pausen brauchen, damit auch das Publikum mal durchatmen kann.
- Die Hauptcharaktere sind in dieser Version ziemlich schwach. Ich fang mal mit Hugh Jackman an, da kann man sich streiten. Er ist nicht unbedingt schlecht, allerdings strengt er sich meiner Meinung nach etwas zu sehr an. Er will beweisen, dass er singen kann und das ist ja ok, aber ich sah in dem Film nie Jean Valjean, sondern Hugh Jackman, der Valjeans Lieder gesungen hat. Aber das Beste hab ich mir natürlich zum Schluss aufgehoben…
- … denn Russell Crowe als Javert schießt den Vogel ab. Mit einem Raketenwerfer. Es hilft natürlich nicht, dass Javert mein Lieblingscharakter ist, aber so schwer zu spielen ist er echt nicht. Abgesehen davon, dass Crowes Gesang eine totale Qual ist – wirklich, er klingt, als hätte er Schmerzen – hat er wohl vergessen, was "Betonung" bedeutet. Der Gute ist auch schauspielerisch die ganze Zeit total gelangweilt, seine Motivationen kommen eigentlich gar nicht gut rüber und, Junge, es bringt einen niemand um, wenn man mal seinen Gesichtsausdruck ändert. Ich hab ihn sogar relativ lange noch ausgehalten, aber als er meine Lieblingslieder ("Confrontation", ein Duett mit Jackman, und "One Day More", ein Medley) total verkorkst hat, hätte ich fast faules Gemüse geschmissen.
- Dadurch, dass der Konflikt zwischen Valjean und Javert durch das weniger pralle Casting total unterging, hat der Film leider viele Pluspunkte verloren. Dieser Konflikt ist nämlich die Rahmenhandlung des ganzen Stücks und auch ehrlich gesagt der interessanteste Handlungsstrang. Beide sind gläubig, beide kommen von einem kriminellen Hintergrund, beide sehen sich darin beauftragt das Gute zu tun… und als beide mit der selben Situation konfrontiert werden, Valjean am Anfang, Javert am Ende, zeigt sich ihr wahrer Charakter.
Also… Was war gut?
- Während die Hauptcharaktere eine kleine bis enormst derbe Enttäuschung waren, war der restliche Cast bombastisch gut:
- Anne Hathaway hat bei mir mit "Dark Knight Rises" ja schon viel rausgeholt, aber hier ist sie als Fantine wirklich klasse. Ihr "I dreamed a dream" hat mich echt mitgenommen und ich muss sagen, dass ich überrascht war, wie gut sie Fantines Absturz dargestellt hat.
- Colm Wilkinson, der Original-Valjean, kommt vor! Toller Fanservice. Auch wenn er dadurch Jackman etwas blasser dastehen lässt.
- Samantha Barke als 'Ponine ist spitze, wie erwartet. Auch hier hat man eine Musical-Darstellerin genommen und man wird nicht enttäuscht.
- Marius (Eddie Redmayne) ist die beste Darstellung, die ich bisher von diesem Charakter gesehen hab. Denn Marius ist im Stück eigentlich 'n ziemlich romantisches Weichei, das so aus Versehen in die Studentenrevolution rutscht. Hier hat man jedoch dafür gesorgt, dass Marius durchaus mit Elan dahintersteht, was den Jungen gleich viel sympathischer gemacht hat. Außerdem hab ich bei "Empty Chairs at Empty Tables" fast geheult, so traurig war das.
- Die Studenten haben zwar verdammt kurze Screentime, aber nutzen diese wirklich gut. Das sind alle sympathische Typen und man ist somit schnell auf ihrer Seite.
- Die Thernadiers. Punkt. Eigentlich keine Überraschung, denn Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter sind einfach die Schauspieler für die Rolle. Man kann natürlich darüber streiten, dass der Film auf einmal total abdreht, wenn die beiden auftauchen. Allerdings ist der Film so düster, dass sie ihn wunderbar auflockern. Ich muss auch sagen, dass ich Bonham Carter hier viel besser fand als in Sweeney Todd, weil sie viel mehr Spaß mit der Rolle hatte.
- Während die erste Hälfte etwas zu schwach ist, was die Bildsprache angeht, ist die zweite Hälfte super. Der Aufbau der Barrikaden und die Revolution ist wirklich gewaltig gemacht und reißt auch mit.
- Der Film hat durchaus ein paar Details, die Entwicklungen etwas klarer gemacht haben als im Musical. Ponine taucht nicht einfach als Erwachsene auf und ist plötzlich Thernadiers Tochter, die Beziehung zwischen ihr und Marius macht mehr Sinn… Es waren schöne Details, die durchaus etwas mehr aufgeklärt haben.
- Der Gesang ist nicht toll. Warum steht das nicht bei "Contra"? Da der Film durchaus Aspekte hat, bei denen er merkt, dass er ein Film ist. Es wird viel mehr auf die schauspielerische als auf die gesangliche Darbietung gesetzt und es funktioniert erstaunlich gut.
Fazit?
Kann der Film mit dem Musical mithalten? Nein, sorry, dazu sind die Hauptcharaktere einfach zu schwach. Darüber hinaus war der Film für mich mehr eine Aneinanderreihung von teils bombastisch guten Szenen (mit Russell Crowe dazwischen, aaaah!) als ein konsistenter Film, da die Übergänge einfach viel zu hektisch waren.
Wenn man das Musical allerdings nicht kennt, glaube ich, dass der Film durchaus mitreißen und für das Musical begeistern kann. Ehrlich gesagt: Was viel besseres hätte man von Hollywood nicht erwarten können. Und Les Mis hatte schon wesentlich schlechtere Umsetzungen.