Genau das ist es doch, was ich als Problem ansehe. Diese Vorgehensweise, wie du sie beschrieben hast, scheint naheliegend, allerdings drückt sich darin ja genau dieser Anspruch aus, den ich für problematisch halte: Nur das tun, bzw. nur das anfangen, was man auch erreichen kann.Zitat von Whitey
Ich sehe schon im Rest deines Beitrages, dass wir uns eh ein wenig unfreiwillig im Kreis bewegen, deswegen will ich mal versuchen, jetzt an mancher Stelle stärker ins Deskriptive zu gehen um zumindest in Begrifflichkeiten etwas mehr auf einen Nenner zu kommen, statt nach deiner Antwort wieder das Gefühl zu haben, dass wir so halb aneinander vorbeireden. Aber du siehst hoffentlich, was ich meine. ^^
Ich selbst auch nicht, aber dabei gehe ich ja auch nicht von mir selbst aus.Zitat
Die Überlegung ist folgende: Gehen wir davon aus, dass jemand gemäß der Devise vorgehen möchte, für den Tag zu leben. Das heißt, nur Ziele zu setzen die er erreichen kann und bei Dingen zu bleiben, die er als "gut" oder "sinnvoll" erachtet. Was alles darunter fällt, kann man natürlich nochmal bis auf ewig diskutieren, vor allem wenn man zu einer allgemeinen Gültigkeit gelangen will, aber der Einfachheit halber nehmen wir jetzt für das Beispiel die Weitergabe der Gene. Das heißt, da ist nun jemand, der für das Erreichen eines Zieles lebt und die Fortpflanzung als Zweck seines Lebens erkennt.
Trifft vielleicht nicht auf dich zu, auch nicht auf mich, vielleicht auf kaum jemanden, aber über die Qualität des Beispieles können wir uns vielleicht streiten, wenn wir uns wenigstens über die Beschaffenheit des Gedankenganges, den ich hier vorbringen möchte, einigermaßen in den Eckpunkten einig sind. Ich sage damit nicht, dass das Beispiel sehr nahe an der Realität ist oder zwingend akzeptiert werden muss, damit das, was ich fasel, erst einen Sinn ergibt, aber sonst bliebe mir ja nur übrig, dich ein Beispiel wählen zu lassen für etwas, das du noch nicht so richtig greifen kannst.
Fällt nun dieses Ziel, das ja eben gewählt wurde, da es nach Ansicht des Betreffenden einen Sinn hätte, für ihn weg, dann damit auch der Sinn, weiterzumachen. Als Außenstehender kann man natürlich sagen, dass das ja noch nicht das Ende ist, aber für den Betroffenen ist das, und da stimmst du mir hoffentlich zu, nicht ganz so einfach. Ich sage nicht, dass in einer solchen Situation das Konzept bereits ausgehebelt wäre, aber es stößt hier zumindest vorübergehend an ein Problem: Der Betroffene müsste sich nun ein neues Ziel setzen, in dem er gleichzeitig einen Sinn sehen kann und das für ihn noch erreichbar bleibt. Die Alternativen sind bestimmt noch da, aber er kann bis dahin nicht einfach so weitermachen, denn maßgeblich für eine solche Phase ist ja, dass man sich fragt, wozu man überhaupt noch aufstehen soll, wenn man in seinem Tun keinen Sinn mehr erkennt.
Das andere Beispiel nähert sich diesem problematischen Punkt von einer anderen Seite: Hier ist das Problem, dass es nicht vereinbar ist mit der Ausgangsdevise, sich allzu langfristig angelegte Ziele zu setzen, demnach es schwieriger ist, etwas zu finden, das man erreichen kann und zugleich als sinnstiftend erachtet.
Um es nochmal festzuhalten: Ich gehe in dieser Diskussion davon aus, dass sich im "carpe diem" ausdrückt, nur unter dem Anspruch des Erreichens ein Ziel gesetzt wird, und sich mit dem Erreichen ein Sinn erfüllen muss. Damit diese These etwas besser nachzuvollziehen ist, will ich das noch kurz erläutern: Wenn jemand sagt "nutze den Tag" oder was immer ungefähr das Gleiche ausdrückt, dann sagt der sich damit "Ich tue, was ich kann und solange ich es kann, denn ich weiß ja nicht, ob ich es morgen noch könnte". Darin ist enthalten, dass man tut was einem Freude macht, woran man interessiert ist usw., allerdings notwendigerweise auch, was man für sinnvoll erachtet, denn sonst würde man es ja gar nicht wollen bzw. wirklich etwas daran setzen, es auch zu erreichen. Dass etwas im eigenen Tun einen sinnnstiftenden Charakter haben sollte, damit nicht immer wieder die Frage aufkommt "was mache ich hier eigentlich?" ist hoffentlich einigermaßen nachvollziehbar. Weiterhin soll hier auch nicht der Eindruck aufkommen, ich würde von einem objektiven "sinnvoll" ausgehen, sondern von einem aus Sicht des im Beispiel Betroffenen gewählten "sinnvoll". Und in den Beispielen will ich diese Denkweise anwenden auf Fälle, in denen das Sinnstiftende entweder Wegfällt (Beispiel mit der Zeugungsunfähigkeit) oder es sich durch gegebene Umstände schwerer ausmachen lässt (Beispiel mit geringer Lebenserwartung). Warum man mit einer geringeren Lebenserwartung schwerer einen Sinn ausmachen kann, würde ich damit begründen, dass man bis zu einem gewissen Alter (vorsichtig geschätzt etwa bis 20) noch kaum eine Vorstellung davon hat, was man für Möglichkeiten im Leben hat, aber sehr wohl schon eine Vorstellung davon, dass man nicht ewig lebt und dass es sich ohne ein Ziel schwer leben lässt, egal wie viel Zeit man noch haben mag. Hinzu kommt, dass man vorgelebt bekommt, womit man selbst nichts anfangen kann.
Mir erscheint die folgende Erläuterung zwar etwas albern, aber ehe jemand auf die Idee kommt, das noch zu hinterfragen: Eltern bei der Geburt zwischen 20 und 30 Jahre alt, Kind befasst sich mit derlei Fragen wohl frühestens zwischen 12 und 15, Eltern sind da schon mindestens über 30. Kind wird wohl nicht älter als 30 -> unvermeidbar, dass es in einer Umgebung großwird, von der es sich, was Lebensplanung betrifft, abgrenzen muss.
Damit du das nicht falsch verstehst (und die Sorge habe ich ein wenig): Ich gebe damit keine Defintion raus, welches Leben sinnvoll ist und welches nicht. Falls ich das nach deiner Auffassung doch tun sollte, dann verwechselst du die Wahl des Modells mit einer Meinung, wogegen ich mich dann auch nicht mehr wehren kann. Sollte also hier noch immer Unklarheit herrschen, dann musst du dir selbst ein Beispiel überlegen das sich auch mit dem Kern der Argumentation befasst, und zu dem ich dann sagen kann, ob es dem nahekommt, worauf ich hinaus will.
Hm... von dem, wozu man raten könnte, mal ganz weg (was ich hoffentlich im obigen Abschnitt schon etwas deutlich machen konnte, dass das nicht meine Intention ist): Von "Glück" will ich grundsätzlich nicht reden. Was genau damit ausgedrückt wird, ist schon deswegen schwer zu sagen, weil sich das Wort auch auf verschiedene Weisen verstehen lässt (Glück als glücklicher Zufall, Glück als momentanre Zufriedenheit, Glück als Lebensgefühl) und als Ziel ist es denkbar schlecht geeignet ist, weil man keine dieser Formen von Glück wirklich herbeiführen kann. Man kann tun, wovon man glaubt, es trage zum Glück bei, aber ob man damit glücklich wird, bleibt Dingen überlassen, auf die man keinen Einfluss hat. Ich stör mich ziemlich an dieser Einstellung, man lebe um glücklich zu sein oder glücklich zu werden. Sicher auch aus persönlichen Gründen ein wenig, allerdings schon deswegen, weil man nicht gegenständlich machen und verfolgen kann, was man nichtmal richtig beschreiben kann. Ähnliches gilt für die Formulierung "man sollte sein Leben lieben". Ich glaube, kaum jemand kann sich vorstellen, Liebe als Akt des Willens zu definieren, als ob man es sich aussuchen könne, was und wen man liebt.Zitat
Aber das nur so am Rande.
Unter einer Mentalität verstehe ich eine generelle Einstellung im Denken und Handeln, bildlich gesprochen eine Farbe des Geistes. Der Begriff wird ja üblicherweise gebraucht, um eben so eine generelle Einstellung von größeren Gruppierungen (z.B. Bevölkerung eines Landes) zu beschreiben.Zitat
Und inwiefern eine Person nun einer Mentalität näher ist, hängt deswegen nicht vom Alter ab, weil man innerhalb von ihr aufwächst und durch sie geprägt wird. Natürlich kann man an den Punkt gelangen, an dem man sich sagt, damit nichts anfangen zu können oder sich davon distanzieren zu wollen, aber das ist eben auch keine Frage des Alters sondern der Einstellung, ob man sich damit noch identifizieren kann/möchte, oder nicht.
Ich habe den Begriff der Mentalität hier eingeführt, um von dem Begriff "Jugend" etwas wegzukommen, und näher bei dem Begriff der "jüngeren Generation" zu bleiben. Wenn ich sage, dass ich einen Trend zu dieser "Mentalität" in der jüngeren Generation sehe, dann meine ich damit, dass es sich zu einer allgemeinen Denkweise herausbildet, die entsprechend das Denken und Handeln einfärbt und prägt, und es sich dabei eben nicht nur um einen Ausdruck jugendlichen Lebensgefühls handelt und mit fortschreitendem Alter verfliegt.
Ginge es nur um ehrenamtliche Arbeit oder soziales Bewusstsein, würde sich das nicht ausschließen, aber das meine ich damit ja auch nicht.Zitat
Um meinen Gegenentwurf etwas näher zu erläutern:
Ich verfolge mit dem Ansatz das Ziel, das Element des Erreichens eines Zieles gegenstandslos für das Handeln zu machen, damit also eine neue Basis für die Motivation zu schaffen. Dazu wähle ich einen unpersönlichen, also einen nicht auf die eigene Person gerichteten Willen, um von diesem "Ich tu das, um..." wegzukommen, da ich darin eben die Probleme sehe, wie ich sie in den Beispielen skizziert habe.
Ein solcher unpersönlicher Wille sieht nun so aus, dass man natürlich weiterhin tut, was man selbst als sinnvoll erachtet, aber nicht den Sinn im Erfüllen oder Erreichen von irgendetwas sieht sondern im Tun an sich. Es geht also nicht um das, was in erster Linie der eigenen Person zugute kommt, also etwas zu erreichen, was man sich vorgenommen hat. Statt dessen soll sich im Tun der Wille ausdrücken, etwas zu tun: Es spielt erstmal keine Rolle, was das nun im Einzelnen ist, aber charakteristisch ist, dass ein Vorhaben nie als abgeschlossen gesehen wird.
Das beschränkt sich nicht auf bestimmte Tätigkeiten, allerdings ist dieser Ansatz insofern von der eigenen Person losgelöst, als dass es für die eigene Person unbedeutend bleibt, ob nun etwas zu Erfolg oder Misserfolg führt. Damit geht natürlich ein wesentlicher Teil der Motivation verloren, da man nicht mehr persönlich eingebunden ist. Stell dir vor, du würdest etwas tun, alleine damit du es tust. Du tust es nicht, bis du einen bestimmten Punkt erreicht hast, oder bis dir die Lust vergeht (was ebenfalls ein Punkt wäre), weil du nicht mit der Vorstellung angefangen hast, etwas zu erreichen oder dich daran zu erfreuen. Ich denke, es ist erkennbar, inwiefern dies eine unpersönliche Handlung wäre. Aber das soll auch nicht das Ideal sein, es soll auch kein Ideal geben. Unpersönliches Handeln soll hier, in diesem Ansatz, nur bedeuten, dass das Tun für einen bereits eine Funktion hat.
Das erfüllend Sinnstiftende liegt dabei im "morgen". Für einen selbst ist an der Tätigkeit nur wichtig, dass man ihr nachgeht, ohne sich fest vorzunehmen, ein Ziel zu verfolgen, da es im Ungewissen bleibt, ob das Ziel erreicht wird. Wenn ein Ziel erreicht wird, ist das ein angenehmer Begleiteffekt, schließt die Handlung aber nicht notwendigerweise ab. Man arbeitet nicht auf etwas hin, sondern immer nur weiter, ohne ein Ende herbeiführen zu wollen.
Um das gedanklich abzuschließen, will ich auch gleich noch dazusagen, warum dies nach meiner Einschätzung mehr der "Natur des Menschen" entspricht, was dir ja auch noch nicht ganz klar gewesen ist.
Der Mensch ist als Lebewesen per Definition sterblich. Dem Umstand ist das "carpe diem" (auch dem Ursprung nach) ja eigentlich geschuldet - weil man nicht ewig lebt, und nicht weiß, wie lange man lebt, soll man etwas aus seinem Leben machen, solange man es hat.
Aber wenn man daraus folgert, dass es Ziel im Leben sei, Dinge zu erreichen und abzuschließen, dann kommt man ja wieder genau zu diesem Punkt zurück: Man weiß nicht, wie lange man lebt, und kriegt vielleicht gar nicht erreicht und abgeschlossen, was man sich vorgenommen hat.
Was ich schon angedeutet habe mit der Parabel der Schularbeit - volles Blatt, leerer Kopf und noch eine halbe Stunde Zeit übrig - ist eine andere Problematik, die sich aus dem zielorientierten Handeln ergibt: Wenn man in die Situation kommt, in der man kein Ziel mehr hat, bleibt der Rest der Tage, die man noch hat, nach eigenem Ermessen sinnlos. Etwa bei alten Menschen die sich aus dem hohen Alter ergebende Antriebslosigkeit, wäre ein Beispiel dafür (nochmals: das ist NICHT eine verallegemeinerte Aussage, dass man im hohen Alter keinen Antrieb mehr besitzen kann).
Deswegen halte ich es vor dem Hintergrund der Sterblichkeit für mehr "in der Natur des Menschen liegend", eine andere Motivationsgrundlage zu wählen als das Erreichen von Zielen. Wenn man seinem Leben denn einen Sinn geben möchte (und davon gehe ich allgemein aus), dann hielte ich es für angemessener, nicht erst den Sinn dort zu suchen, wo man etwas erreicht hat oder etwas erreichen kann, sondern dort, wo man etwas tut, ganz gleich was dabei herauskommt (aber womöglich einen Beitrag leistet für etwas, das man noch nicht erahnen kann).
Zum übrigen:
Das sind natürlich zwei verschiedene Dinge. Deswegen habe ich es ja auch als Bild bezeichnet und hier eingeführt: Ich wollte dir damit anschaulich machen, wie man den Unterschied zwischen den zwei Ansätzen verstehen kann, dass nämlich das eine eher begrenzt ist und das andere eher unbegrenzt. Wäre kein Kontrast im Bild zu erkennen, könnte ich das ja auch nicht daran anschaulich machen.Zitat
Wenn ich extra schon darauf hinweise (was ich zugegebenermaßen nicht oft tu), dass ich etwas veranschaulichen möchte, ohne dass es sich im Wortlauf auf die Sache übertragen lässt, dann erwarte ich halt, dass man da ein bisschen mitdenkt.![]()
Was du sagst, stelle ich ja auch gar nicht weiter in Frage. Wenn allerdings die Argumente nicht zur Thematik gehören, kann ich auch schlecht darauf eingehen, sonst behandeln wir zwei Themen parallel. Falls du allerdings immer noch meinst, dass sich die zwei Ansätze, wie ich sie nun hoffentlich ausreichend dargelegt habe, sich nicht gegenseitig ausschließen oder unvollkommen in der Umschreibung sind, dann kann ich mich dem nochmal näher zuwenden.Zitat
Vorsorglich weise ich schonmal darauf hin, dass ich auch in den Beispielen keine Realfälle behandle. Wenn du mich also mit Statistiken über Hochzeitswilligkeit oder meinetwegen als Reaktion auf das, was ich hier schon nannte, Zahlen zu Fällen von Depression bei Zeugungsunfähigen konfrontierst, dann ist das ja durchaus interessant, allerdings sehe ich nicht, inwiefern das irgendetwas innerhalb dieser Diskussion belegen oder widerlegen soll. Bestandteil der These ist ja nicht, wie sich Dinge tatsächlich verhalten. Und eigentlich gehe ich davon aus, dass die Beispiele auch nicht so willkürlich gewählt sind, dass man sie überhaupt nicht nachvollziehen könnte oder als vollkommen irreal abtun müsse. Ehe DAS jetzt falsch verstanden wird: Nein, ich unterstelle dir nicht, dass du eben das tust. Ich will damit nur sagen, dass ich ganz generell etwas Entgegenkommen von einem Diskussionspartner einfordere.
Sollte ich immer noch in Rätseln zu sprechen scheinen, musst du mir entgegenkommen und versuchen, meinen Gedankengang mit eigenen Worten nachzuzeichnen bis zu dem Punkt, an dem er für dich nicht mehr verständlich ist. Dann seh ich eher, wo es noch Verständnisschwierigkeiten gibt. ^^
Ich hoffe jedenfalls, es war jetzt ein wenig leichter zu verstehen.