Ich würde eher sagen, dass die Ziele gewählt werden die man erreichen kann bzw. sie verworfen werden, wenn klar ist, dass man sie nicht mehr erreichen kann. Oft geht das sicher mit der Alternativensuche einher, also dass man alternative Strategien sucht, um sein Ziel doch noch zu erreichen oder irgendein Substitut sucht, welches ggf. einen ähnlichen Effekt für einen hat oder vielleicht nicht ganz so gut ist, aber immer noch gut (bspw. wenn ich sehe ich packe das Gymnasium nicht, gehe ich nicht komplett von der Schule ab, sondern mache die Realschule fertig und ggf. im Anschluss ein Fachabitur).
Ich sehe in keinem deiner Beispiele eine Situation in der "das Leben" als solches keinen Sinn oder Zweck hätte, denn ein Leben ist mMn. das, was ich daraus mache und wenn ich eine geringe Lebenserwartung habe, oder keine Kinder zeugen kann, dann gibt es evtl. eben Alternativen (wie du ja selbst geschrieben hast). Allerdings sind diese Einschränkungen nicht das ganze Leben bzw. das Zentrum des Lebens - oder sie sind es nur, wenn man sie dazu macht. Wenn ich immer nur auf die Defizite (kurze Lebenserwartung, Zeugungsunfähigkeit) achte, dann werde ich doch nicht glücklich. Aber ich kann auch andere Dinge in den Fokus nehmen, die mein Leben und evtl. das meines Umfeldes bereichern. Ich selbst werde z.B. nie ein Auto fahren können, dadurch fallen bestimmte Berufe für mich weg und ich bin auch sonst im Alltagsleben hinsichtlich der Mobilität stark eingeschränkt, von vielen anderen Problemen oder Barrieren mit anderen Menschen etc. ganz zu schweigen. Allerdings kreise ich nicht ständig darum, sondern lebe halt damit und versuche für mich Dinge zu finden die ich eben machen kann und die mir Spaß machen. Klar, würde ich Rennfahrer werden wollen, hätte ich ein Problem. Aber die Ziele die ich setze entsprechen mir ja, dass ich kein Rennfahrer werden kann, damit muss ich eben leben, aber es kann eben niemand "alles" sein/werden. Jeder muss mit Einschränkungen in seinem Leben klar kommen, das ist doch normal.
Ich würde sagen das man sich in so einer Situation überlegen sollte, was man mit seiner verbleibenden Zeit noch machen möchte. Ich glaube nicht, dass es hierfür ein Patentrezept gibt, aber als eigenständiger Mensch kann man sich überlegen, wie man seine Zeit nutzen möchte. Ich denke da wird man dann schon wissen, wie und was man machen möchte. Wenn man Lust dazu hat, warum sollte man nicht eine Bürolaufbahn einschlagen? Wer weiß ob man wirklich stirbt, wer definiert den "Nutzen" oder den "Sinn" dahinter? Das muss doch jeder für sich selbst festlegen. Wenn du hier argumentierst von wegen "das nützt ja nichts" bist du doch genau in eben jenem Zweckrationalismus, den du am carpe diem kritisierst. Es geht aber für viele Menschen nicht (immer nur) um einen objektiven Nutzen oder Zweck, sondern um das, was sie subjektiv in einer Sache sehen. Wer immer [Beruf] sein wollte, wird diese Erfüllung vielleicht auch weiterhin verspühren, auch wenn er weiß, dass er nicht mehr 30 Jahre in diesem Beruf arbeiten kann.
Verstehe ich nicht ganz, denn genau das führt diese Leute doch wieder zu einem rein zweckgerichteten Handeln bzw. zu Zielen, die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten (z.B. Zeit) noch erledigen können, was wiederum ausschließlich der Optimierung von Ziel und Zeit (Rationalität) wäre.
Ich würde im Gegensatz zu dir genau das Gegenteil "raten" (siehe die Zeilen von gerade eben, einen Quote drüber). Eben weil es nicht darauf ankommt, irgendwelche Ziele zu erreichen, sondern glücklich zu sein, wie auch immer man für sich Glück definiert. Es geht mMn. nicht darum, sich selbst "nützlich" oder "brauchbar" zu machen und sich danach zu richten, was man an Arbeit noch "erbringen" kann. Und wenn ich nur noch einen Tag zu leben habe und das Bedürfnis empfinde, Latein zu lernen, dann mach ich das, wenn es mir den Tag versüßt. (Nur als Beispiel).
Wieso sollen "Mentalitäten" altersunabhängig sein? Ich glaube das die meisten Leute im Laufe ihres Lebens neue Erfahrungen machen und sich ihre Meinung zu vielen Dingen im Laufe ihres Lebens ändert. Allein schon, dass bei vielen im Laufe ihres Lebens die persönlichen Verantwortlichkeiten steigen (z.B. gegenüber Familie, Kinden, Arbeit etc.) führt dazu, dass die meisten Leute - zumindest in gewisser Weise - konservativer werden, mehr auf Sicherheit aus sind etc..
Ah ok, aber das eine schließt das andere ja nicht prinzipiell aus. Ich meine, mein Ziel kann ja bspw. sein, ein guter Handwerker zu sein, der durch seine Dienstleistung anderen hilft, oder ich werde Wissenschaftler um durch meine Forschung wichtige Erkenntnisse zu erzeugen. Das hilft mir genauso wie anderen Leuten (prinzipiell). Im Grunde kann man das für viele Berufe konstatieren, denn alle sind in irgendeiner Weise relational mit anderen Menschen verbunden, ohne diese "nur" auszubeuten oder "nur" dem eigenen Zweck zu dienen. Auch kann man, wenn dies möchte, ja auch ehrenamtlich aktiv werden und so etwas uneigennütziges (zumindest primär uneigennütziges) tun, dass einem zwar vielleicht ein gutes Gefühl bietet, aber in der Hauptsache eher den anderen Menschen hilft. Dabei ist das Ehrenamt in Deutschland nicht gerade gering ausgeprägt:
Klar werden Chancen auf Längerfristigkeit geprüft, was aber auch mit den spezifischen Interessen zu tun hat. Gibt ja auch Leute, die keine langfristige Beziehung wollen. Oder solche, die eine eher offene Beziehung wünschen. Grundsätzlich sind aber Familie und Kinder nach wie vor hoch im Kurs, insbesondere auch bei jungen Menschen. Das zeigen auch Ergebnisse (bspw.) der 16. Shell-Jugendstudie von 2010: 65% der männlichen jungen Leute und 73% der weiblichen möchten später Kinder haben (Quelle) was mMn. durchaus darauf hindeutet, dass auch hier eine langfristige Beziehung erwünscht ist und zwar unabhängig davon, ob die Scheidungsraten in den letzten 50 Jahren gestiegen sind oder nicht. Der Wunsch ist mMn. hier wichtig, denn darum gehts ja.Zitat
Naja klar, Motivation kann immer fragil sein, aber deshalb bleiben manche Leute eben bei ihren langfristigen Zielen, andere schmeißen hin und brechen ab. Ich sehe darin aber eher etwas individuelles als etwas grundlegendes. Es kann vielleicht auch nicht jeder "etwas Großes" schaffen und die Frage ist mMn. auch, ob dies je anders war. Letztlich sind doch in allen Zeitaltern ein paar Leute "groß" geworden, andere vielleicht genauso fähige eben nicht, was aber natürlich nicht heißt, dass deren gesellschaftlicher Beitrag nicht ebenso wichtig gewesen wäre. Ich glaube man kann sowas nicht wirklich werten, weil man die Bedeutung oder den Beitrag nur schwer bemessen kann, insbesondere nicht, wenn man die anderen Beziehungen die für die Leute ggf. wichtig und wesentlich waren, nicht auch berücksichtigen kann. Deshalb sollte man die eigenen Leistungen auch nicht überhöhen, sondern immer im Kontext der anderen, für einen wichtigen Menschen sehen.
Mit deinem ersten Beispiel im obigen Quote verweist du eben auch auf Dinge, die letztlich nicht planbar oder abschätzbar sind, wärend andere konkretere Dinge/Ziele eher greifbar sind. Was aus einem Leben (wenn man es denn letztlich leistungsmäßig werten möchte) wird, kann mMn. aber niemand einschätzen, weil die Zukunft eben Kontingent ist und das "Erreichte" wohl nur im Rückblick überhaupt zu bewerten ist. - wenn überhaupt.
Aber das sind doch trotzdem zwei völlig unterschiedliche Dinge, denn das eine verweist auf eine absolut abstrakte, wandelbare Sache, wärend das andere auf einen konkreten, fortsetzbaren und erweiterbaren Zustand abzielt. Außerdem können beide Ebenen auch aufeinander verweisen. Sie schließen sich jedenfalls nicht aus und gehen oft Hand in Hand. Du kannst auf abstrakter Weise einer glücklichen Beziehung nachjagen (abstrakt, Definition von Glück sehr wandelbar) kannst diese aber auch konkret immer weiter voran treiben, in dem du lange zusammen bist, dich um die Beziehung bemühst, man an Konflikten arbeitet und Kompromisse aushandelt etc.. In dieser Weise wäre der Zustand - sofern er aktuell vorhanden ist - das erreichte Ziel, welches dann aber auch fortgesetzt werden soll.
Zum einen weiß ich nicht "was die Natur des Menschen" ist. Ich habe in meinem Post an Tyr ja schon kurz dargestellt wie mein "Menschenbild" aussieht. Du bist allerdings auf meine Argumente der gleichzeitigen Zielgerichtetheit nicht eingegangen. Also dass das hier und jetzt auch immer planbare und unplanbare Konsequenzen hat. Mir ist dein alternativer Ansatz auch noch nicht so ganz klar, d.h. ich weiß nicht, welchen Ansatz du nun konkret im Kopf hast, weil mir deine Argumentation noch nicht ganz schlüssig erscheint. Zumal bewusst im Hier und Jetzt zu leben, ein Leben für Morgen ja wie gesagt nicht ausschließt.