Zitat von Diomedes
Das Neujahrsfest ist so ein Beispiel für diese Haltung: Das eine Jahr wird abgehakt, man macht sich vielleicht Vorsätze fürs nächste Jahr, blickt dem nächsten Termin entgegen, dem nächsten Punkt an dem man sich vielleicht gönnen wird, zurück zu blicken. Man wünscht sich ein frohes, neues Jahr, und auch wenn das sicher keiner bewusst dabei denkt, blickt man damit nur wieder auf das Endliche hin. Als ob es danach erstmal nichts gibt.
Mir geht es nicht um irgendeine Form des afterlife. Das heißt, schon so halb, aber im Lebenden. Eben um ein zeitgelöstes Bedenken und Betrachten der Dinge und Ereignisse. Etwas, worin ich mehr Potential zur Verwirklichung einer Idee sehe. Statt etwas krampfhaft abschließen zu wollen, etwas nur zu beginnen um es auch zu beenden, wäre es doch mehr im Sinne der Endlichkeit des eigenen Lebens zum Zwecke des Beginnens oder Fortsetzens etwas zu tun. Nicht nur erreichen, was einem selbst noch von Nutzen ist und die eigenen Liste bereichert, sondern etwas dazu leisten, was vielleicht erst in zweihundert Jahren zur Vollendung gelangt, was man heute natürlich noch gar nicht abschätzen kann aber zumindest durch seine Handlung einen möglichen Impuls setzt. Herausforderungen annehmen, die man nicht unbedingt meistern möchte; Beziehungen eingehen, die wahrscheinlich eh nicht lange halten; Projekte anfangen, die man wohl nicht stemmen kann; einen Kreis entlanggehen... einfacher ausgedrückt, für Morgen leben statt nur für Heute. Was nicht heißen soll, dass man gar nichts erreichen oder vollenden darf, aber wie viel Stress würde man sich ersparen, wenn man sich von dem Gedanken trennt, etwas erreichen zu müssen, und sei es auch nur, weil man es unbedingt will, und dass man das unbedingt heute und jetzt und noch zu Lebzeiten wollen und machen muss weil man den morgigen Tag vielleicht nicht mehr erlebt? Wenn man die ganze Zeit durchschreibt, dann hat man schmerzende Finger, ist müde und ideenlos und will nur noch abgeben und sich schlafen legen. Und mit etwas Pech hat man dann noch immer eine halbe Stunde übrig. Ich weiß nicht, ob dieses "nutze den Tag" wirklich so sinnvoll ist.
Und für den Fall, dass man all die Tage genossen hat, nur gefaulenzt und nach Lust und Laune gelebt und ganz entspannt war zu jeder Sekunde, stellt man sich vielleicht doch wieder die Frage, ob man überhaupt für irgendetwas gelebt hat. Die Ausschöpfung des Momentes, sei es aus Genuss, oder aus Panik, oder aus Ehrgeiz, bleibt ambitionell letztlich doch immer etwas beschränkt und sei es nur zeitlich.
Nunja... nur eine Überlegung, die mir zu Neujahr nicht ganz unpassend schien.
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