Ich beziehe mich jetzt mal nur auf diesen Aspekt, um die Diskussion erstmal etwas einzuschränken, auch weil ich denke, dass hier der Kern der Sache liegt.

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Um meinen Gegenentwurf etwas näher zu erläutern:
Ich verfolge mit dem Ansatz das Ziel, das Element des Erreichens eines Zieles gegenstandslos für das Handeln zu machen, damit also eine neue Basis für die Motivation zu schaffen. Dazu wähle ich einen unpersönlichen, also einen nicht auf die eigene Person gerichteten Willen, um von diesem "Ich tu das, um..." wegzukommen, da ich darin eben die Probleme sehe, wie ich sie in den Beispielen skizziert habe.
Ein solcher unpersönlicher Wille sieht nun so aus, dass man natürlich weiterhin tut, was man selbst als sinnvoll erachtet, aber nicht den Sinn im Erfüllen oder Erreichen von irgendetwas sieht sondern im Tun an sich. Es geht also nicht um das, was in erster Linie der eigenen Person zugute kommt, also etwas zu erreichen, was man sich vorgenommen hat. Statt dessen soll sich im Tun der Wille ausdrücken, etwas zu tun: Es spielt erstmal keine Rolle, was das nun im Einzelnen ist, aber charakteristisch ist, dass ein Vorhaben nie als abgeschlossen gesehen wird.
Ich glaube, dass hier schon der Knackpunkt an der ganzen Geschichte liegt. Du gehst davon aus, dass das möglich ist bzw. sprichst hier von - so verstehe ich das in seiner praktischen Anwendung jedenfalls - einer Sache, die doch recht abstrakt motiviert ist, da sie ja, wie du sagst, nicht an die Person gebunden ist bzw. sein soll. Das meint aus meiner Sicht dann eine sehr idealistisch geprägte Motivation, denn irgendeinen Grund zum Handeln muss es geben, sonst handelt man nicht. Du betonst das ja selbst schon, in dem du sagst, dass es an sich schon sinnhaft sein muss, nur eben nicht im Erreichen des Ziels, sondern im Tun. Sprich, die Philosophie ist "der Weg ist das Ziel" (erwähnte ich ja schon mal). Einerseits glaube ich nicht, dass dies für einen großen Teil der Menschen wirklich "brauchbar" ist als Motivator, denn unsere Gesellschaft ist zunehmend zweckrational z.B. im Vergleich zu früher, wo man ggf. hoffte, man kommt in den Himmel oder ins Paradies, wenn man hier im Diesseits "gut" handelt. Andererseits bin ich der Meinung, dass je abstrakter der Motivator ist, desto geringer bzw. schwächer auch die Motivation die daraus gewonnen wird. Irgendeinen Nutzen, Sinn etc. muss man in seinem Handeln sehen und es spielt mMn. nur eine geringe Rolle, ob diese nun im Erreichen eines Ziels besteht, oder im Handeln selbst. Wenn ich ehrenamtlich handele, dann geht es mir zielgerichtet vielleicht darum, dem Klienten dem ich helfe zu helfen, aber gleichzeitig (!) auch um die Tätigkeit an sich. Insofern werden hier beide Ebenen gleichzeitig mitgeführt, denn die Tätigkeit endet ja nicht, wenn ich der Person geholfen habe.

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Das beschränkt sich nicht auf bestimmte Tätigkeiten, allerdings ist dieser Ansatz insofern von der eigenen Person losgelöst, als dass es für die eigene Person unbedeutend bleibt, ob nun etwas zu Erfolg oder Misserfolg führt. Damit geht natürlich ein wesentlicher Teil der Motivation verloren, da man nicht mehr persönlich eingebunden ist. Stell dir vor, du würdest etwas tun, alleine damit du es tust. Du tust es nicht, bis du einen bestimmten Punkt erreicht hast, oder bis dir die Lust vergeht (was ebenfalls ein Punkt wäre), weil du nicht mit der Vorstellung angefangen hast, etwas zu erreichen oder dich daran zu erfreuen. Ich denke, es ist erkennbar, inwiefern dies eine unpersönliche Handlung wäre. Aber das soll auch nicht das Ideal sein, es soll auch kein Ideal geben. Unpersönliches Handeln soll hier, in diesem Ansatz, nur bedeuten, dass das Tun für einen bereits eine Funktion hat.
Das steht aber wieder im Widerspruch mit dem, was du oben geschrieben hast, nämlich dass die Person schon einen Sinn darin sehen soll. Dieser "Sinn" ist wichtig, genauso wie das Erfolgserlebnis. Eine Handlung die keine sinnhafte ist, wird glaube ich, eher selten durchgeführt. Woher soll nun die Motivation kommen, wenn man keinen persönlichen Bezug dazu hat? Daher, dass irgendwer sagt "das ist richtig"? Ich meine, irgendwoher muss ein Sinngehalt kommen, denn woher soll die Motivation entstehen? Daraus, dass man sagt "prinzipiell wäre es gut"? Halte ich für nicht wirklich tragfähig und auf diese Tragfähigkeit kommt es doch letztlich an, ansonsten führen wir hier eine lediglich rein theoretische Diskussion ohne praktischen Nutzen, was das Thema für mich eher uninteressant macht.

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Das erfüllend Sinnstiftende liegt dabei im "morgen". Für einen selbst ist an der Tätigkeit nur wichtig, dass man ihr nachgeht, ohne sich fest vorzunehmen, ein Ziel zu verfolgen, da es im Ungewissen bleibt, ob das Ziel erreicht wird. Wenn ein Ziel erreicht wird, ist das ein angenehmer Begleiteffekt, schließt die Handlung aber nicht notwendigerweise ab. Man arbeitet nicht auf etwas hin, sondern immer nur weiter, ohne ein Ende herbeiführen zu wollen.
Wie gesagt, ich glaube, dass viele Handlungen (wie das Beispiel Ehrenamt) durch diese doppelte Ebene geprägt sind, oder Arbeit im sozialen Bereich etc.. Insofern gibt es das mMn. schon, wird aber in seiner Existenz von dir ggf. wenig(er) wahrgenommen bzw. negiert. Auch ich studiere bspw. nicht nur für einen Abschluss, der spielt natürlich auf direkter Weise eine Rolle (wäre ein Ziel), aber auch, um als Mensch zu wachsen und mich weiter zu entwickeln (hier gibt es keinen Abschluss, da man lebenslang lernt).

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Um das gedanklich abzuschließen, will ich auch gleich noch dazusagen, warum dies nach meiner Einschätzung mehr der "Natur des Menschen" entspricht, was dir ja auch noch nicht ganz klar gewesen ist.
Der Mensch ist als Lebewesen per Definition sterblich. Dem Umstand ist das "carpe diem" (auch dem Ursprung nach) ja eigentlich geschuldet - weil man nicht ewig lebt, und nicht weiß, wie lange man lebt, soll man etwas aus seinem Leben machen, solange man es hat.
Du verkürzt diesen Spruch mMn. immer noch. Ich habe ja schon gesagt, dass ich ihn bspw. nicht so isoliert auffasse, sondern er mehrschichtig ist. Das schließen auch die obigen Beispiele von mir mit ein.

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Aber wenn man daraus folgert, dass es Ziel im Leben sei, Dinge zu erreichen und abzuschließen, dann kommt man ja wieder genau zu diesem Punkt zurück: Man weiß nicht, wie lange man lebt, und kriegt vielleicht gar nicht erreicht und abgeschlossen, was man sich vorgenommen hat.
Was ich schon angedeutet habe mit der Parabel der Schularbeit - volles Blatt, leerer Kopf und noch eine halbe Stunde Zeit übrig - ist eine andere Problematik, die sich aus dem zielorientierten Handeln ergibt: Wenn man in die Situation kommt, in der man kein Ziel mehr hat, bleibt der Rest der Tage, die man noch hat, nach eigenem Ermessen sinnlos. Etwa bei alten Menschen die sich aus dem hohen Alter ergebende Antriebslosigkeit, wäre ein Beispiel dafür (nochmals: das ist NICHT eine verallegemeinerte Aussage, dass man im hohen Alter keinen Antrieb mehr besitzen kann).

Deswegen halte ich es vor dem Hintergrund der Sterblichkeit für mehr "in der Natur des Menschen liegend", eine andere Motivationsgrundlage zu wählen als das Erreichen von Zielen. Wenn man seinem Leben denn einen Sinn geben möchte (und davon gehe ich allgemein aus), dann hielte ich es für angemessener, nicht erst den Sinn dort zu suchen, wo man etwas erreicht hat oder etwas erreichen kann, sondern dort, wo man etwas tut, ganz gleich was dabei herauskommt (aber womöglich einen Beitrag leistet für etwas, das man noch nicht erahnen kann).
Wenn man das Thema so fasst wie ich es tue, dann stellt sich dieses Problem nicht in dieser Form, denn dann gibt es viele Inhalte innerhalb des eigenen Lebens die eben nicht final zielgerichtet sind bzw. nicht abgeschlossen werden (können). Hier kommt es aber eben mehr auf die Art und Weise an, wie ich diese Dinge sehe, rahme, betrachte, bewerte und mit ihnen umgehe. Ich kann theoretisch den Fokus natürlich auf das reine Erreichen des Ziels legen, muss ich aber nicht, ich kann auch den Blick nur auf "die Sache an sich" (also auf einer abstrakten Ebene) richten, was mir dann ggf. die Motivation für das Konkrete nimmt. Ideal wäre, beide Ebenen parallel mit sich zu führen.

Ich glaube, dass dies der wesentliche Punkt erstmal ist, weil darauf auch deine Beispiele mEn. hinauslaufen und den sollten wir erstmal klären.