Zitat Zitat von Whitey
Fickt euch mit eurer Schauspielerei
Schön gesagt und so, aber nicht ganz das, worauf ich hinaus wollte. ^^
Zumindest nicht dieses Mal. Und da ich selbst von Zeit zu Zeit sowas wie ein Schauspieler bin (wenn auch ein ganz mieser), würde ich wohl auch andere Worte gebrauchen. ^^

Wichtiger war es mir mehr, mich mit der Denkweise des "carpe diem" zu befassen; dieser Einstellung, dass jeder Tag voll genutzt werden sollte und gelebt, als wäre es der letzte. Denn im Grunde wird mit "Nutze den Tag" ausgedrückt: Es geht um den Tag, ehe er endet, denn es gibt kein Morgen.

Mir scheint es, als würde es sich zu einem Trend entwickelt haben, einem Mantra der jüngeren Generation, nur im Jetzt und Heute zu leben. An sich ist das ja auch legitim und durchaus pragmatisch gedacht. Es ist ja auch kein Ausdruck des reinen Hedonismus sondern eine Anerkennung der Endlichkeit des Lebens. Ich sehe die Verwirklichung indes in Praktiken wie: Studieren für den Beruf, Beziehung für die Familie, Arbeit in der Woche, Feiern am Wochenende, Verreisen im Urlaub... das erreichen, was man sich so im Leben vorgenommen hat und alles ausprobieren, solange es möglich ist. Sicher drückt sich in dieser Haltung auch aus, immer aus dem Gegebenen das Beste zu machen, spontan zu sein, vielleicht sogar furcthlos, aber was will man damit letztlich erreichen? Liegt darin überhaupt noch der Ehrgeiz, etwas zu erschaffen? Wenn man nur in der Gegenwart lebt, bleibt einem auch nicht viel mehr übrig als spontan auf das zu reagieren was kommt. Man vermag natürlich nur zu einem sehr geringen Teil seine Zukunft tatsächlich zu gestalten, aber wenn man nur das Ziel vor Augen hat, damit das Ende einer Handlung, was bleibt zu tun, wenn das Ziel erreicht ist? Nach der pragmatischen Haltung freilich neue Ziele suchen, neue Freunde, neue Hobbys... als würde man eine zu Beginn noch leere Seite möglichst voll kriegen wollen, bevor man das Blatt abgeben muss.

Das Neujahrsfest ist so ein Beispiel für diese Haltung: Das eine Jahr wird abgehakt, man macht sich vielleicht Vorsätze fürs nächste Jahr, blickt dem nächsten Termin entgegen, dem nächsten Punkt an dem man sich vielleicht gönnen wird, zurück zu blicken. Man wünscht sich ein frohes, neues Jahr, und auch wenn das sicher keiner bewusst dabei denkt, blickt man damit nur wieder auf das Endliche hin. Als ob es danach erstmal nichts gibt.

Mir geht es nicht um irgendeine Form des afterlife. Das heißt, schon so halb, aber im Lebenden. Eben um ein zeitgelöstes Bedenken und Betrachten der Dinge und Ereignisse. Etwas, worin ich mehr Potential zur Verwirklichung einer Idee sehe. Statt etwas krampfhaft abschließen zu wollen, etwas nur zu beginnen um es auch zu beenden, wäre es doch mehr im Sinne der Endlichkeit des eigenen Lebens zum Zwecke des Beginnens oder Fortsetzens etwas zu tun. Nicht nur erreichen, was einem selbst noch von Nutzen ist und die eigenen Liste bereichert, sondern etwas dazu leisten, was vielleicht erst in zweihundert Jahren zur Vollendung gelangt, was man heute natürlich noch gar nicht abschätzen kann aber zumindest durch seine Handlung einen möglichen Impuls setzt. Herausforderungen annehmen, die man nicht unbedingt meistern möchte; Beziehungen eingehen, die wahrscheinlich eh nicht lange halten; Projekte anfangen, die man wohl nicht stemmen kann; einen Kreis entlanggehen... einfacher ausgedrückt, für Morgen leben statt nur für Heute. Was nicht heißen soll, dass man gar nichts erreichen oder vollenden darf, aber wie viel Stress würde man sich ersparen, wenn man sich von dem Gedanken trennt, etwas erreichen zu müssen, und sei es auch nur, weil man es unbedingt will, und dass man das unbedingt heute und jetzt und noch zu Lebzeiten wollen und machen muss weil man den morgigen Tag vielleicht nicht mehr erlebt? Wenn man die ganze Zeit durchschreibt, dann hat man schmerzende Finger, ist müde und ideenlos und will nur noch abgeben und sich schlafen legen. Und mit etwas Pech hat man dann noch immer eine halbe Stunde übrig. Ich weiß nicht, ob dieses "nutze den Tag" wirklich so sinnvoll ist.
Und für den Fall, dass man all die Tage genossen hat, nur gefaulenzt und nach Lust und Laune gelebt und ganz entspannt war zu jeder Sekunde, stellt man sich vielleicht doch wieder die Frage, ob man überhaupt für irgendetwas gelebt hat. Die Ausschöpfung des Momentes, sei es aus Genuss, oder aus Panik, oder aus Ehrgeiz, bleibt ambitionell letztlich doch immer etwas beschränkt und sei es nur zeitlich.

Nunja... nur eine Überlegung, die mir zu Neujahr nicht ganz unpassend schien.