Tirian drückte sich zusammen mit Dreveni dichter an den Durchgang heran, um in den stickigen Raum dahinter zu spähen. Nach der langen Zeit in dem schummrigen, dunklen Tunnel, brannte das nun allgegenwärtige Rot in den Augen und die stickige heiße, auf eine unangenehme Art zugleich feuchte sich aber trocken anfühlende Luft, raubte ihm den Atem. Ein penetranter Gestank von Schwefel hing allgegenwärtig und massiv in der Luft. Vor ihnen öffnete sich eine große Höhle. Von der Decke hingen Stalagtiten und die Ränder der Höhle waren mit Stalagmiten, kleinen Schwefelgeysiren und heiß brodelnden terrassenartig angeordneten Tümpeln belegt. Der rote Schein rührte von kleinen und größeren Lavagruben her, die wie blutige Einsprengsel im grauen Gestein der Höhle wirkten. Das Wurzelgeflecht war hier zu einem das den Boden bedeckendes Parkett geworden und wand sich als schmaler Weg durch die Höhle und verband ihren Durchgang mit zwei weiteren im hinteren Teil, von denen die eine mit einem massiven Eisentor gesichert war. Ein weiterer, breiterer Abgang führte zu einem großen, runden gemauerten Durchgang, der ganz den Eindruck erweckte hier handle es sich offenkundig um einen repräsentativen Weg.

„Womöglich befindet sich dahinter der Zugang zum Turm“, überlegte der Heiler, als er die Entfernung schätzte, die sie bereits zurückgelegten hatten. Sie mochten sich nun ungefähr unter dem Turm des Hexenmeisters befinden. Sein Blick fiel nun nach links. Die ganze dortige Seite der Höhle nahm eine Grube von riesigen Ausmaßen ein, die zudem auch einen Gutteil der Höhle selbst ausfüllte. In der Mitte dieses kreisrunden Schlunds erhob sich eine große, schwarze Felsnadel. Der Rand, den er von seiner Position aus einsehen konnte, ging allein einige Meter in die Tiefe, bevor er hinter dem Erdboden verschwand. So mochte die Grube wohl noch viel tiefer sein. Auch von dort leuchtete es rot hinauf, was darauf hinwies, das sich am Grunde dieses Trichters wahrscheinlich Lava befand. Was Tirian jedoch merkwürdig fand war, dass eine weitere Abzweigung des Wurzelstegs, direkt zum Rand der Grube führte und dann über diesen hinweg nach unten hin verschwand. „Dort muss es weitergehen“: überlegte der Dunmer und schaute sich noch einmal um. Es waren keinerlei Wachen oder andere Leute zu sehen. Der Weg war frei, dass sie sich umschauen konnten. Wenn sie so nah am Turm waren, mussten die Kerker also hier direkt vor ihnen liegen. Er konnte fast schon körperlich spüren, dass ihm Tarrior nahe war.

Ein kurzer Blick zurück zur Assassine, ein ebenfalls kurzes Nicken und die beiden schlichen geduckt, sodass die Felsnadeln ihnen Deckung geboten hätten, wäre plötzlich jemand aus einem der anderen Durchgänge aufgetaucht, in den Raum hinein. Offenbar hatten sie wirklich Glück gehabt, dass Behram offenbar einen Ausflug mit seinem Luftschiff machen wollte. Tirian hatte den Verdacht, dass die Kreaturen in den Kutten, die sie gesehen hatten, sich sonst hier unten herumtrieben. So wie ihre Mäntel gerochen hatten, verbrachten sie wahrscheinlich die meiste Zeit in den Höhlen, wenn sie denn überhaupt jemals ans Tageslicht kamen, was er bezweifelte. Da sie jetzt dieses metallene Ungetüm in dem Hangar beluden, waren die Höhlen und Tunnel hingegen fast leer. Sehr zu ihrem Glück. So erschien trotz aller Vorsicht auch keine weitere Überraschung in einem der Durchgänge und sie befanden sich schnell in etwa der Mitte der Höhle an dem Punkt, wo sich der Weg zu einer Kreuzung verwandelt hatte und jetzt mehrere mögliche Abzweigungen bot. Rechts lag der gemauerte Ausgang, von der sich der Heiler sehr sicher war, dass er in den Turm hinein führen würde. Kurz zuckte die Erinnerung an Meister Aryon auf. Er hatte ihm einen Beweis im Austusch für seine Hilfe versprochen. Obwohl er Heiler sonst geneigt war Abmachungen einzuhalten, erschien ihm der Gedanke viel sinnvoller mit Tarrior zusammen die Tunnel zu verlassen, am besten auf dem gleichen Weg, den sie gekommen waren und einfach aus der Stadt zu fliehen. Die direkte Konfrontation mit dem Hausherrn zu suchen, war in keinem Fall etwas, worauf er Lust hatte.

Als er so grübelte, deutete Dreveni schon nach links und wies auf die Grube. „Bevor uns dahinter schleichen, sollten wir vielleicht mal einen Blick darunter werfen“: schlug sie vor. Der Heiler war einverstanden. Womöglich ließ der Telvanni seine Feinde ja in Käfigen über dem Feuer rösten. So etwas taten, laut Tarrior, die Dremora Mehrunes Dagons in Oblivion mit ihren Feinden. Tirian lief ein Schauer den Rücken herunter, bis er sich besann, dass das Tarrior nichts ausmachen würde. Langsam näherten sich die beiden dem Rand, schoben sich heran und warfen schließlich mehr als einen Blick hinunter. Was sie sahen ließ sie staunen, zumindest der Heiler brauchte einen Moment, um die Szene zu erfassen.
Die Wurzeln bildeten, nachdem sie unter dem Rand abfielen eine Treppe, die sich entlang der Grubenwand in einer Spirale nach unten zog. Knapp vor ihnen hing, scheinbar ebenfalls aus Pilzen und Wurzelmaterial gewachsen – obwohl es vom Aussehen her an eine fette Raupe erinnerte, die sich an die Wand klammerte – ein Gebilde mit vergitterten Fenstern, das man offenbar durchqueren musste, denn auf der anderen Seite setzte sich der Weg in die Tiefe einfach fort. Weiter unten jedoch waren dann auf mehreren Etagen Kammern mit Gittern, ebenfalls aus Wurzeln, in die Grubenwand gehauen, sodass es über dem mit Lava gefüllten Grund des Schachts mehrere Ebenen mit Zellen gab, die über jenen Wurzelstieg angeschlossen wurden, der auf der Zellenbene direkt am Grund herum um die brodelnde Lavagrube endete. Mehrfach liefen Wurzeln von der Treppe zur der großen Felsnadel in der Mitte hin und umklammerten diese, scheinbar um der Konstruktion am Rand den nötigen Halt zu verleihen. Es war eindeutig. Sie hatten den Kerker von Tel Uvirith gefunden. „Mein Freund muss irgendwo da unten sein“: flüsterte der Heiler Dreveni zu. Der Assassine deutete mit einem Nicken ihres Kopfes nach rechts an, dass sie den Rand etwas entlang krabbeln sollten, was sie auch taten.

Offenbar wollte sie sich das Gebilde, das den Weg knapp unter dem Rand blockierte, genauer anschauen. So geriet es auch für Tirian genauer in den Blick. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. In dem Raum befand sich vermeintlich nichts weiter als ein großer Tresen, hinter diesem mehrere Truhen und auf einem Stuhl sitzend offenbar so etwas wie ein Wärter, der scheinbar den Durchgang und damit die Gefangenen bewachte. Wenn Tirian das richtig erkennen konnte, handelte es sich angesichts der hellen Haut um einen Menschen, die doch beeindruckende Körpergröße, die sich trotz der schwarzen Robe abzeichnete, sprach sogar für einen Nord. „Hm schlau. Jeder der in den Kerker hinabsteigen oder ausbrechen will, muss zwingend an dem Wächter vorbei“: dachte der Heiler, dann fiel ihm etwas Seltsames auf. „Trägt der Kerl eine schwarze Augenbinde?“, fragte er halblaut, und erntete, wie er mit einem Seitenblick bemerkte, ein nachdenkliches Nicken seiner Begleiterin. „Meradanz wird ja wohl kaum einen Blinden zur Bewachung seiner Gefangenen abstellen“: verwarf Tirian ebenso halblaut diesen dummen Gedanken gleich wieder. Das Gesicht der Assassine blieb ausdruckslos, „Oder doch?“