Die Kolonne bewegte sich langsam vorwärts. Tatsächlich ging etwas Wind, der den aschefarbenen Sand aufwirbelte. So fielen sie in ihren Staubmäntel nicht auf. Vingald, er und Dreveni als auch Vingalds Knecht waren in die langen Überhänge gehüllt und waren kaum mehr zu erkennen. Malorus ging etwas hinter ihnen. Als sie beim Schmied aufgetaucht waren, hatte der alte Diener sie bereits erwartet und sah alles andere als frisch aus. Nüchtern war er wieder, aber das schien wohl sein Problem zu sein. Viele andere Händler und Lieferanten hielten es mit den Mänteln ähnlich wie selbst. So fielen sie in der Masse nicht weiter auf. Auch schien es nicht so, dass die Wachen besonders streng kontrollierten. Die Wagen wurden nur kurz angehalten und ihr Inhalt in Augenschein genommen, ob er auch auf einer Liste, die an ihrer Pforte - es gab derer drei - von einem etwas unmotiviert dreinschauendem Dunmer abgehakt wurde. Neben dem Wind knallte auch die Sonne, die im Zenit stand, mit aller Kraft vom Himmel und die Wachen wagten es auch nicht den Schatten spenden Raum vor dem Komplex, den man Landebuchten nannte, zu verlassen. Unter den Staubmäntel schwitze man zwar, aber man spürte die Hitze der Sonne nicht direkt auf Haut und Kopf, was von Vorteil war.

Tirian hatte am morgen noch die restlichen Tränke fertiggestellt und Dreveni recht wortlos beim knappen Frühstück den kleinen Flakon mit dem Gift herübergeschoben. Sie wusste schon. Das Fläschchen mit dem Levitationstrank hatte er ihr schon beigelegt, als sie ihre Ausrüstung geprüft hatte. Den Rest der Toniken trug er bei sich. Ein Flakon für sich und notfalls für Tarrior, wenn er denn noch lebte. Das Schwebeelixier brauchte er auch und die Unsichtbarkeitstränke waren ausschließlich für den Heiler, der sich wahrlich nicht für begnadet im Schleichen hielt. Aber nicht jeder konnte ein ausgebildeter Meuchelmörder sein, der sich beruflich Zutritt zu anderer Leute Wohnräumen verschaffte, um diese dann zu… Tirian verfolgte den Gedanken nicht weiter. Ihn schmerzte immer wieder daran denken zu müssen, zu was seine Begleiterin eigentlich fähig war. Er musste an den morgen denken. An diesen schönen Moment, auch wenn er sich nicht im Klaren darüber war, dass es Drevenis angenehme Nähe gewesen war, die er gespürt hatte. Ihn schauderte es. Denn es konnte auch diese Nähe sein, die tödlich für ein potenzielles Opfer ausgehen mochte. Er schüttelte den Kopf und versuchte sich auf den Auftrag zu konzentrieren. Es war besser sie brachten diese Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich und zogen ihrer Wege.

Der Heiler ließ seinen Blick noch einmal über den großen Komplex schweifen. Soweit er das sehen konnte, waren das drei massive kreisförmige Gebäude, die zusammenhingen wie bei einem Kleeblatt. Man konnte sie am besten mit Arenen begreifen, zumindest wenn Vingald und Malorus recht hatten und die hohen aus Felsen und riesigen Wurzeln bestehenden Wände wirklich nur einen großen Innenraum umgrenzten. Von den Bergen im Westen hatte man wohl einen guten Blick darauf, aber sie hatten natürlich keine Zeit die Stadt noch einmal zu verlassen, um die Gebäude in Augenschein zu nehmen, zumal es schon schwierig genug war hinein zu kommen. Allerdings mussten sie zu einem Teil wohl in den Boden eingelassen sein. Auch wenn die Wände hoch waren, waren sie im Vergleich zu typischen Arenen eher niedrig. Tirian kannte kaiserliche Kolonien in Süd-Morrowind. Wurde dort ein Amphitheater oder eine Arena ausgehoben, behalf man sich mit diesem Trick auch gerne, in dem man eine Grube aushob und dann das Gefälle der Öffnung nutzte, statt aufwendig in die Höhe zu bauen. In jedem Fall konnte der Dunmer weit genug schauen, um zu sehen, dass die Kuppeln Dächer aus in einander geschlungenen riesigen Ranken hatten. Etwas weiter oben fanden sich in den aus groben Steinen bestehenden Wänden, die offenbar nur durch die Wurzeln in Form gedrückt und zusammengehalten werden, geschlitzte Fenster, durch die offenbar etwas Licht ins Innere fiel. Ein wenig waren Bögen in der Architektur erkennbar, aber das machte in dem sehr urtümlichen Eindruck, den das Gebäude sonst gab, kaum einen Unterschied. Es wirkte wie auch schon die restliche Stadt als hätte man die Natur gebändigt und in gelenkte Bahnen gezwungen. Der Heiler war ein wenig davon beeindruckt, was der Telvanni scheinbar aus der Stadt gemacht hatte: Stadtmauern, diese monströsen Gebäude, mechanische Brunnen und das scheinbar innerhalb weniger Jahre. Mit Hilfe dieser Pilze und genügend magischer Energie konnte man scheinbar innerhalb weniger Monate eine ganze Stadt im wahrsten Sinne des Wortes wachsen lassen.

In Gedanken versunken war die Zeit vergangen und der Treck war weiter gezogen. Die Leute wurden schneller durchgewinkt, da jetzt die größeren Waren hineingeführt wurden und sich diese schneller in Augenschein nehmen ließen. Vingald rückte näher und winkte Malorus heran. "Die Wagen rollen jetzt schneller rein. Ich denke es wird drin ein gewisses Gedränge herrschen. Ihr werdet euch mit Malorus zusammen absetzen. Es scheint da drin recht dunkel zu sein. Ihr habt also beste Gelegenheit euch da unbemerkt durchzuschleichen": meinte der Nord und wies auf den dunklen Schlund des Portals hinter dem sich alles in Dunkelheit verlor. Gerade gegen die brennende Sonne am Horizont war es kaum möglich etwas darinnen zu erkennen. Und so war es dann abgemacht. Sie kamen an die Riehe. Mit einem Ächzen setzte Vingalds Lehrling den Wagen ab und der Wächter nahm das bestellte Eisenzeug kurz in Anschauung. Entsprechend gab es keine lange Pause für den armen Knecht und er musste den Karren nicht nur wieder in die Höhe stemmen, sondern auch weiterziehen. Hinter dem Portal trafen sie mit den Karren zusammen, die durch die anderen Portale eingelassen wurden und es bildete sich eine recht breite Traube, da auch weitere, die eigentlich bereits weiter vorne hätten sein müssen, sich zurückgestaut hatten, mutmaßlich weil auch dort erschöpfte Lehrlinge nicht mehr so zuverlässig zogen, wie sie eigentlich sollten. Der Stau und das daraus resultierende größere Gedränge wäre eigentlich eine gute Gelegenheit gewesen, um sich heimlich abzusetzen, doch Wächter flankierten den Weg. Die Waren strebten auf einen weiteren Durchgang zu. Wenn Tirian das richtig einschätzte, dann war die Mauer der "Landebuchten" eine Art geschlossene Arkade, die den freien Platz umgab. Hier waren womöglich Lagerräume oder Büros drin untergebracht. Breit genug waren sie auf jeden Fall. Das hieß, dass sie jetzt erst einmal durch den Ring hindurch mussten. Die waren wurden offenbar in der Arena selbst gebraucht. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr. Wenn sie erst einmal darin waren, dann kamen sie gewiss nicht mehr unbemerkt davon. Hier im Gedränge war ihre Chance aus dem Blick der Wachen zu verschwinden wohl am größten. Und Tirian hatte eine spontane Idee.

Zwei Händler direkt vor ihnen, waren sich mit den Wagen recht nahe gekommen, zumal die Wachen darauf drängten den Strom hinter den drei Portalen irgendwie zu regulieren und wieder in Form zu bringen. Jeder Ausfallschritt und hektische Anweisung des Händlers des linken Wagens brachte den jungen Knecht, der das Wägelchen zog, zu hektischer Betriebsamkeit und den Karren damit ins Wanken. Tirian ließ Magie in seinen Arm fließen. Nicht allzu viel. Aus dem Augenwinkel bemerkte er wie kleine Kristalle, die er zuvor im Dunkeln gar nicht bemerkt hatte, ganz schwach nur aufleuchteten. Die Wachen waren scheinbar zu sehr mit den Leuten beschäftigt, um es wahrzunehmen. Tirian begriff erst als er bereits zur Tat schritt, was dieses Aufleuchten wohl zu bedeuten hatte. Er wollte jetzt keinen Rückzieher machen, zumal es ohnehin zu spät war und stützte sich kurz auf den linken Rand des linken Karrens auf. Normal hätte er weder mit Gewicht noch mit seiner üblichen Muskelkraft auch nur winzigste Veränderungen hervorrufen können. Jetzt aber kippte der Wagen dank des Stärkungszaubers fast mühelos nach links über. Allein von der Tatsache abgelenkt, dass die beiden Händler sich gegenseitig zu beschimpfen begonnen hatten, weil der Rechte jedes Nachgebens seines Nachbarn dazu nutzte sich in der Menge bequemer zu positionieren und somit trotz allen nachjustieren die beiden Wagen sehr eng beieinander standen, bemerkte keiner von ihnen den Heiler, der sich auch mit einem Schritt nach hinten ganz unschuldig entfernte, als der Wagen über den Scheitelpunkt geneigt war und fluchend Knecht und Händler versuchten zu retten, was nicht mehr zu retten war.

Mit einem Krachen kippte die Karre um und versprengte laut klirrend etliche Eisenteile, die Tirian dann als bald als ein Großvorrat an geschmiedeten Bolzen identifizierte, über den ganzen Boden. Die Leute fluchten und versuchten aufzupassen auf keine der Spitzen zu treten, während sich der linke Händler nun den Rechten zur Brust nahm und mit einem unvermittelten Schlag in dessen Gesicht eine Keilerei auslöste, da er diesen für die Ursache seiner ausgekippten waren verantwortlich glaubte. Derweil war sein Knecht damit befasst die Bolzen einzeln aufzusammeln, den Schritten der Umherstehenden und den nun herandrängenden Wachen und von den Portalen nachdrängenden Lieferanten, die etwas sehen wollten, auszuweichen um dann scheinbar aber festzustellen, dass der Wagen noch immer umgekippt war und er allein ihn in dem Gedränge nicht aufzurichten vermochte. Mit einem Schulterzucken ließ er die Bolzen, die er aufgesammelte hatte fallen und setze sich hin und beobachtete seinen Meister dabei, wie er dem anderen Saures gab oder selbst Schläge ins Gesicht kassierte. Es war Dreveni, die die Situation erkannt hatte, die den Heiler, der dann schlussendlich selbst gebannt dem Kampf gefolgt war, was er nicht beabsichtigt hatte, packte und zusammen mit Malorus aus der Menge in einen Korridor zog, der gerade frei geworden war, weil die Wachen sich mit Mühe zu den Streithähnen vorzukämpfen versuchten.

Malorus brauchte einen Moment um sich zu orientieren. "Der Tunneleingang ist in einer der anderen Arena. Die die links oberhalb von dieser, näher am Turm selbst liegt. Zumindest war er damals dort, aber ich denke in dem Gebäude müssten wir ihn finden": meinte er und schaute sich um. "Wir haben ja keine andere Wahl als diesen Rundweg zu nehmen und zu schauen, dass wir weiter vorne, wo sich die beiden Kreise berühren in das andere Gebäude rüber wechseln können": meinte er und hielt die Beiden zur Eile an. Sie folgten ihm. Es hatte seinen Vorteil, dass das Gebäude so massiv war. Es viel wenig Licht von außen hinein. Und das wenige Licht erzeugte nur diffuse Schatten, die Dreveni offenkundig zu nutzen verstand. Der Alte wäre unter Protest schneller vorangekommen, aber die Assassine bestand darauf, dass sie sich gemäß ihres Spezialgebietes im Dunkeln bewegten. Und Tirian vertraute da absolut in ihre Kompetenz. Allerdings trafen sie auf niemanden weiter, was Malorus mit: "Ich sagte ja, sie haben nicht genug Wachen. Der verfluchte Usurpator ist sich zu sicher, dass keiner an seinen Wachen vorbei schlüpfen kann, also sind hier auch nicht soviele und wir kommen durch": kommentierte.

Der Schnittpunkt, wo die drei Gebäude sich trafen war allerdings ein großer knubbeliger Pilz in der Mitte der drei Arenen, da wo sich sonst eine kleine Lücke bildete, wenn man drei Kreise aneinander legte. Sie kamen nicht ganz bis zu ihm hin, sondern es gab einige Meter davor bereits einen Durchgang in den anderen Komplex, aber aus der Richtung dieses zentralen Elements drangen laute Geräusche - Stimmen vor allem. Sie entschlossen sich schnell hindurch zu schlüpfen und in den zweiten Ring, der näher am Turm lag, einzutreten. Die Architektur war dieselbe. Ebenso verloren sich die Decken im Dunkeln. Allerdings waren die Arkaden hier zum inneren Kreis hin deutlich häufiger mit offenen Bögen durchbrochen. Der Innenraum war dunkel. Die Wurzeldecke, die eine Kuppel über der Anlage bildete, schirmte Außenlicht fast völlig ab. Aber Tirian konnte, auch weil seine Augen inzwischen besser an die Dunkelheit im Gebäude gewöhnt waren, die Umrisse von etwas sehr, sehr Großem wahrnehmen. Sie waren gerade einige Bögen weitergehuscht. Da hörten sie Stimmen. Dreveni zog sie schnell in die Schatten, denn eine Lichtquelle näherte sich aber trat dann kurz bevor sie sie erreicht hatte, unter die Kuppel hinaus. Das Licht war magisch. Eine kleine Lichtsphäre schwebte über dem Kopf eines jungen Menschen, den Tirian etwa auf seiner Altersstufe verortete. Seine Gesichtszüge hatten etwas leicht elfisch Anmutendes. Der Heiler vermutete, dass der Mann ein Bretone sein könnte. Um den Bretonen selbst aber war Bewegung in der Dunkelheit. Gestalten huschten hin und her. Er wies die Assassine daraufhin, die das aber schon längst bemerkt zu haben schien. Die Lichtsphäre vergrößerte sich einen Moment und enthüllte in Mäntel gehüllte scheinbar unmenschlich gekrümmt laufende Wesen. Hinter ihm tauchten Wächter in Rüstungen auf, die Tirian von der Farbe der Legierung her sofort als aus Dwemer-Material bestehend identifizierte. Der junge Bretone wandte sich der Dunkelheit und dem großen Etwas dort zu. Einen Moment wurde es sehr still, während sich das Gewusel um ihn herum beruhigte. Offenbar wartete man auf eine Ansprache oder etwas in der Art. Malorus wollte sie weiterziehen, doch er wehrte ab. Man konnte nicht ahnen, wem sie vielleicht auf dem Gang noch in die Arme liefen, ohne sich wie jetzt hinter einigen großen Wurzelstrünken, die die Decke stützten, verbergen zu können.

Doch der Bretone gab nur Befehle aus. Etwas sollte verladen werden. Plötzlich lief ein Bebend durch das Ganze Gewölbe. Die organische Struktur geriet kurz ins Zittern und als nächstes konnte Tirian von seinem Versteck aus beobachten, wie ein sich rasch verbreitender Spalt in der Decke auftat, durch den Licht hinein fiel. Die Decke der Halle schob sich tatsächlich auseinander. Mit offenem Mund verfolgte der Dunmer das Schauspiel. Er fühlte Drevenis Hand. Diese wies nach unten. Hatte das Licht zunächst nur den Bretonen in Licht getaucht, enthüllt die herein flutende Helligkeit ein riesiges, Tirian konnte es kaum beschreiben, Konstrukt aus bronzenem Metall. Erst nach etlichen Augenblicken langsamen Erfassens, sah erkannte er einen mit Metallplatten abgedeckten riesigen ledrigen Ballon unter dem ein riesiges Gehäuse aus Dwemer-Metall hing. Im vorderen Teil waren Fenster eingelassen. An den Seiten ragten Streben und Zahnräder und Rotoren heraus. Das ganze Ding war riesig und belegte in der nun hell erleuchteten Halle einen Großteil des Platzes. In der Länge nahm es die Kuppel fast völlig in Anspruch. "Was ist das": flüsterte Dreveni hinter ihm. Tirian hatte eine starke Vermutung. "Das ist dann wohl dieses fliegende Schiff": meinte er und gab nun endlich Malorus' Drängen nach, der sie tiefer in die Gewölbe führen wollte, aber vom Anblick des riesigen Metallkolosses war, dass er sichtlich zitterte. Schließlich erreichten sie eine in den Untergrund führende Treppe. Warme, stickige Luft schlug ihnen sofort entgegen. "Das ist der Zugang zu den Tunneln unter dem Turm. Weiter kann ich euch nicht begleiten. Ich würde euch nur behindern. Ich werde schauen, dass ich hier wieder herauskomme. Viel Glück bei eurem Auftrag": verabschiedete sich Malorus schließlich. Tirian streckte sich noch einmal. "Es scheint als wären die meisten Arbeiter jetzt damit befasst dieses Ungetüm dort hinten zu beladen. Wir sollten aber dennoch vorsichtig sein. Am besten übernehmt ihr ab hier die Führung": meinte Tirian und drückte sich noch leicht darum herum, hinab zu steigen. Dreveni setze einen entschlossenen Blick auf und begann den Abstieg.