Tarrior runzelte überrascht die Stirn. Der Telvanni bemerkte seine Überraschung und kicherte etwas. Tarrior konnte sich nur schwer vorstellen, dass jemand, der die technisch-rationale Welt der Dwemer für sich selbst erklärte, an so etwas wie Schicksal glauben konnte. Behram setzte, nach dem er sich beruhigt hatte, zu einer Erklärung an: „Ihr habt den Begriff sicher auch schon gebraucht ohne das ihr damit sagen wolltet, dass ihr euch wie ein Puppe an Fäden auf ein Ziel zubewegt, dass ein anderer euch bereits gesteckt hat.“ Tarrior nickte. Er verstand worauf der Hexer hinaus wollte. Er glaubte nicht an Vorbestimmung, aber er glaubte schon, dass jedes Wesen seinen eigenen Pfad des Lebens hatte, dass es schicksalshafte Verbindungen gab, die man aber stets selbst schmiedete und umschmiedete. „Kagrenac sah es als Schicksal der Dwemer nach immer größerer Perfektion zu streben, weil es in ihrer Art und ihrer Persönlichkeit lag. Es war etwas das ihnen eigen ist. Alles was der Zeit unterliegt ist einem Pfad des Lebens unterworfen. Wir können uns nicht entscheiden den Weg nicht zu gehen, wie wir uns entscheiden können, wie wir ihn gehen wollen. Das was das Schicksal der Zeit ausmacht ist der Umbruch und der Zusammenbruch irgendwann und mit ihm stets die Entstehung von etwas Neuem. Die Reiche der Ayleiden gingen unter, das Kaiserreich zerfällt nun unter den Hammerschlägen der Daedra - Ordnungen von denen man dachte, sie währten ewig. Es ist nur eine Zeitfrage. Wir Nachgeborenen oder Überlebenden dieser Zusammenbrüche können aber am Wegesrand die Trümmer der alten Zeit finden. Es liegt an unserer Entscheidung die Brocken aufzuheben und der alten Zeit eine neue Chance zu geben. Das Schicksal der Dwemer kann zwar nicht umgeschrieben aber neu geschaffen werden und das ist mein Schicksal. Es ist das was ich bin“: philosophierte Behram und Tarrior fühlte den Stich. Er wusste nur allzugut was geschah, wenn man sein Schicksal verlor – die Leere, die Müdigkeit. Er hatte den Blick gesenkt nun hob er ihn wieder und fixierte den Telvanni.

„Kagrenacs Artefakte sind verschollen. Vielleicht hat sie der Nerevarine noch, vielleicht auch nicht. Aber das wird alles bald keine Rolle mehr spielen“: wechselte Behram das Thema, stand auf und ging zu einem der schmalen Fenster hinüber: „Tarrior du wolltest mir deine Entscheidung mitteilen.“ Der Hlaalu lehnte sich auf dem Stuhl etwas zurück, um die verkrampfte Haltung loszuwerden, in der sich befand. Nach Meradanz‘ Einlassungen fiel es ihm ausgesprochen schwer, ihm allzu sehr zu widersprechen, doch drängte sich der Verdacht, den der Dremora aufgemacht hatte, mit neuer Macht in seinen Geist. „Der Dwemer und die Daedra – ein Treppenwitz der Geschichte mochte man nach dem langen Gefasel über die göttliche Metaphysik meinen. Wie passt das in eure Weltordnung mit den Dwemern? Seit wann verehrt ein Dwemer die Herren des Reichs des Vergessens“: machte er ihn auf diesen Widerspruch aufmerksam, um mehr über die Beziehungen zwischen ihm, der mythischen Morgenröte und ihrem Meister herauszufinden. Meradanz lachte wieder, aber es klang kalt. „Niemand verehrt die Daedra. Mit der Mythischen Morgenröte habe ich paktiert um den Rat ruhig zu stellen und Chaos zu säen, wie du weißt. Sie sind mir nicht mehr als Mittel zum Zweck“: widersprach der Telvanni. „Und eure Liaison mit Dagon?“: hakte Tarrior weiter nach. Behram schwieg einen Moment. „Das könnt ihr unmöglich von Jonicus wissen“: sagte er nach einer gemessenen Pause, doch dann als hätte ihn ein Geistesblitz im wahrsten Sinne getroffen, stellte er fest: „Dieser Wurm unten in den Kerkern hat geplaudert, nicht wahr?“

Tarrior verschränkte die Arme vor der Brust. „Es ist also wahr?“: fragte er. „Und wenn es so wäre?“: forderte ihn Behram heraus. Tarrior ging nur zu gerne darauf ein: „Dann sehe ich einen jämmerlichen Heuchler vor mir. Ein Möchtegern-Erbe der Dwemer, der Abkommen mit Daedra-Prinzen schließt und sich an sie verhurt. Wenn ihr wirklich vom Geblüt der Tiefelfen seid, würden sich eure Vorfahren gewiss für euch schämen.“ Behram stürzte, noch bevor Tarrior seinen Satz ganz beendet hatte, vom Fenster zu ihm herüber und krallte die Hand in seine Schulter. Augenblicklich fühlte er ein unmenschliches Brennen an seinen Handgelenken. Die Sklavenfesseln schienen aus flüssigem Eisen zu bestehen. Er spürte wie das Fleisch unter den Bändern aufplatzte. Er war vom Schmerz so betäubt, dass er nicht einmal schreien konnte. „Haltet den Mund bei Dingen, von den ihr nicht die leiseste Ahnung habt“: brüllte Behram ihn an, dann ließ er seine Schulter wieder los und der Schmerz ebbte von der einen Sekunde auf die andere völlig ab. Ruhiger sprach Meradanz weiter, während sich Tarrior noch erholte: „Es ist notwendig. Es muss leider sein. Mehrunes Dagon ist die einzige Macht, die in dieser Situation helfen kann.“ Er klang selbst sehr bitter darüber. „Und der Preis? Was ist mit dem Preis, Meradanz? Dagon wird euch ja wohl kaum einfach so helfen“: wollte Tarrior wissen. „Das Kaiserreich verliert diesen Krieg ohnehin. Warum das Unausweichliche nicht beschleunigen und seinen Vorteil daraus ziehen?“: gab der Hexer ganz offen zu. „Das Kaiserreich mag einerlei sein, aber ihr weiht damit das Volk von Morrowind der Sklaverei und dem Tod!“: warf ihm Tarrior vor. Der Telvanni zuckte nur mit den Schultern.

„Es ist nicht mein Volk da draußen. Ein kleines Opfer für die Rettung eines größeren Volkes, einer größeren Kultur aus dem Dunkel der Geschichte. Ein Volk gegen ein anderes Volk, wer mag das ermessen? Ich tue was getan werden muss. Die Anderen können sich in den Dienst der Sache und damit unter meinen Schutz stellen“: trug sich Meradanz ganz offensichtlich nicht mit dem mindesten moralischen Problem. Eine Haltung die Tarrior, das erschreckte ihn ein wenig, nicht selten selbst an den Tag legte. Aber selbst zu Zeiten des Sechsten Hauses stand es nie zur Debatte die ganze Welt dem Daedra-Prinzen der Zerstörung auszuliefern! „Außerdem endet meine Rolle in dieser Geschichte hier auf Vvardenfell. Wenn das Kaiserreich zerfällt dann nicht wegen des Verlustes einer Insel in einer östlichen Provinz, sondern durch die Niederlage, die ihm die Mythische Morgenröte im Herz zugefügt hat mit der Ermordung der Septime“: fügte er dann noch ebenso kühl an. „Dennoch tut ihr euren Teil für den Fall das Reiches und vor allem für den Untergang unseres - wenn ihr euch auch einbilden mögt es sei nicht eures – Volkes. Sind es diese Kreaturen, die ihr – nur die Götter wissen wie - heranzüchten wollt, wert die Dunmer dieser Insel zu opfern? Ihr erschafft vielleicht Dinger, die aussehen wie Dwemer, aber ihr selbst versteht nicht einmal die Sprache der Dwemer in Gänze, wie sollen diese Wesen echte Dwemer werden, wenn die Kultur, die sie irgendwie annehmen sollen, seit Jahrhunderten verloren ist und nur noch relikthaft existiert? Sind diese Kunstwesen ein ganzes Volk, vielleicht eine ganze Welt wert?“: hielt Tarrior dagegen und war von sich selbst überrascht, dass er sich so für Vvardenfell einsetzte und schob es darauf, dass er ja genauso unter der Knechtschaft der Daedra enden würde und sich deshalb so wehrte. Ja das musste es sein.

„Ihr erkennt den Kern meines Problems und habt euch damit die Antwort zur Hälfte schon selbst gegeben. Verlasst euch darauf. Ich werde schon sehr bald, Aytor bereitet im Moment alles vor, im Besitz der Mittel sein, die ich brauche um die Rasse physisch auferstehen zu lassen. Doch ihr Geist bleibt vage. Aus diesem Grund brauche ich die Hilfe der Daedra“: erklärte sich Behram. „Wollt ihr sagen, dass sie dieses Wesen etwa beseelen sollen?“: spottete Tarrior. „Nein. Was sie brauchen werden, ist der dwemerische Geist. Die Kultur, die Kunst, die Wissenschaften. Der Ertrag der Generationen des Volkes – das Wissen, die Geschichte, quasi die Essenz des Volkes. Sie sollen nahtlos anknüpfen können. So sind sie vollständig physisch wie psychisch, körperlich wie identitär“: widersprach Behram, doch Tarrior schüttelte deutlich sichtbar den Kopf. „Es ist aber auch nicht so, dass so etwas wie der ‚dwemerische Geist‘ einfach so auf der Straße herumliegt“: kam sein nächster Einwand. Meradanz schaute ihn mit einem wissenden Lächeln an. „Auf der Straße wohl nicht, aber was sind uns Bibliotheken anderes als Speicher von Wissen und Kultur. Woher lernt ein Kaiserlicher was Kaiserliche Kultur ausmacht? Zuvorderst von seinen Eltern? Aber bringen die ihm die jahrhundertealte Geschichte seines Reiches näher? Unwahrscheinlich. Er wird, wenn er dafür geeignet ist, auf eine Schule geschickt und erlernt dort dieses Wissen von einem Lehrer, der es sich wiederum aus dem erlesen hat, was die vorderen Generationen tradierten. Ebenso tun es die Eltern, wenn sie das Wissen, dass sie von ihren Vorfahren erworben hatten, an ihre Kinder weitergeben“: erklärte er auch dies.

„Ich kann auch die Schriften der Altmer studieren, werde aber wohl nie Altmer werden“: erhob Tarrior die nächste Gegenrede, doch Behram antwortete schnell: „Freilich nicht, weil ihr eure Identität als Dunmer bereits anerzogen bekommen habt. Ihr wäret bereits ein Dunmer. Die neuen Tiefelfen wären wie Rohlinge, die frei geformt und geschmiedet werden können. Sie sind unbeeinflusst und entwickeln ihre Identität nicht anders als neugeborene Kinder und werden somit zu Dwemern werden.“ Doch noch immer war der Dunmer nicht überzeugt: „Ihr werdet es ihnen einpauken wie ein Lehrer seinen Schülern. Ihr schafft damit nicht mehr als Pseudo-Dwemer.“ Der Hexer jedoch winkte ab.

„Wisst ihr, auch schon bevor ich erfuhr, dass es eine Möglichkeit gibt die Dwemer physisch neu zu schaffen, habe ich überlegt, wie es wohl zu bewerkstelligen wäre dieses Volk zumindest geistig auferstehen zu lassen. Ich hatte gar die Idee mit ein paar Gleichgesinnten eine alte Dwemer-Stadt zu beziehen und quasi nach Art der Dwemer dort zu leben, sodass unsere Kinder dann womöglich zu Dwemern mit dunmerischen Aussehen würden. Ich bin lange, bevor ich hier in Tel Uvirith Stellung bezog, für meine Forschungen über die Dwemer durch ganz Tamriel gereist und habe gleichwohl auf meinen Reisen die Menschen und Mer ausgiebig beobachtet und studiert, wie sie sich entwickeln, wie sie ihre Geschichte und altes Wissen, wie sie Normen und Umgangsformen tradieren. Kinder sind wie ungeprägte Münzen. Erst der Druck der Zeit und der Umgebung prägen die Muster in sie ein. Kleine Kinder kennen zum Beispiel keine bestimmten Grußformeln. Sie schauen sie sich von ihren Eltern ab und lernen sie, doch sie vergessen, dass sie es dereinst aktiv gelernt haben. Irgendwann ist es so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es ihnen so ist, als wäre es etwas, dass ihnen von Natur aus bereits eigen ist. So verhält es sich mit allem, was zur Ausprägung der eigenen kulturellen Identität dient. Es kommt also maßgeblich darauf an, dass das Wissen der Dwemer so umfangreich wie möglich vermittelt wird, damit sich das Wesen so nah wie möglich ausprägen kann. Natürlich lässt sich das Wesen und Wissen der Dwemer, vor allem all das viele informelle, nicht bis ins Detail kopieren. So einiges wird unter dem Schleier des Nichtwissens auch auf Dauer verborgen bleiben. Die Lücken werden sich improvisatorisch lösen und ja es wird nicht völlig korrekt sein, aber darauf kommt es schlussendlich nicht an, denn wie wir wissen, können sich auch Sitten und Gebräuche im Laufe der Zeit ändern. Selbst das Haus Dres soll seine sehr traditionell verankerte Einstellung zur Sklaverei inzwischen überdenken. Das dies Dinge sind, die sich ohnehin im steten Umbruch befinden, ist es also unschädlich für uns, wenn die neuen Dwemer sich darin unterscheiden. Es ist der Geist auf den es hier ankommt. Ah ich sehe in euren Augen, wie sich erneut Widerspruch regt. Es ist selbstverständlich, dass sich diese Natürlichkeit, die sich im Lauf der Geschichte erst über Generationen hinweg einschleift, bei der ersten Generation von Dwemern, die ich schaffen werde, nicht einstellen wird. Mit eurem Schülervergleich habt ihr da nicht so ganz unrecht. Sie werden sich unter Umständen noch etwas fremd darin vorkommen, weil selbst ich diese Natürlichkeit eben nicht vermitteln kann, weil ich auch nur ein Dunmer bin. Aber sie selbst werden diesen Geist an ihre Kinder und diese wiederum an ihre Kinder weitergeben und dies schließlich mit wachsender Selbstverständlichkeit“: gab er dazu eine lange Erklärung.

Tarrior schüttelte ein weiteres Mal den Kopf – innerlich wie äußerlich. Offenbar war der Hexer schon lange wahnhaft vom alten Volk der Tiefelfen besessen. Es hatte wohl keinen Sinn noch großartig mit ihm darüber zu diskutieren. Der Plan war gereift und er würde ihn umsetzen… und dafür alles opfern, wenn es nötig war, wenn man ihn nicht aufhielt. Er fühlte plötzlich so etwas Verantwortung. „Er muss gestoppt werden“: ging es ihm durch den Kopf und dachte dabei nicht zuerst an sich sondern zuvorderst an Morrowind und Tamriel. „Ein seltsames Gefühl“: befand er und verzog dabei das Gesicht. Das wiederum nahm der Hexer offenbar falsch auf. „Ihr glaubt mir nicht, aber das macht rein gar nichts. Euer Verständnis der gesamten Zusammenhänge ist ohnehin nur reichlich begrenzt“: reagierte der Hexer darauf, forderte damit aber doch noch einen Kommentar von Tarrior heraus: „Nur sind von eurem dwemerischen Geist kaum mehr als ein paar verschimmelte Bücher oder kryptische Skizzen und ein Haufen rostiger Artefakte in verfallenen Städten übrig. Genauso gut könntet ihr etwas guten Weingeist hernehmen.“ Behram schlug in diesem Moment voller Elan auf den Tisch. „Und genau das ist der Grund, wofür und warum die Daedra ins Spiel kommen. Ich sagte ja schon vorhin, dass ihr das Problem erkennt, doch ich habe auch die Lösung dafür gefunden! Es gibt einen Ort an dem alles Wissen der Dwemer gespeichert ist – ihre Kultur, ihre technischen Fortschritte, die Geschichte ihrer Staaten. Es war das letzte und das wohl grandioseste ihrer gemeinsamen Großprojekte über die Zwistigkeiten ihrer einzelnen Stadtstaaten hinweg“: schwärmte Meradanz und präsentierte auf einen fragenden Blick Tarriors hin auch die Lösung: „Ich spreche natürlich vom legendären Omnicon.“

Der Hlaalu stutzte. Legendär traf wirklich zu, wenn man bedachte, dass es diesen Ort nicht gab. Er war ein wildes Gerücht unter Dwemer-Forschern. Es war so wildwuchernd, dass sich selbst einige Aschevampire seinerzeit in ihrem Bestreben Kagrenacs Artefakte noch besser zu verstehen, damit beschäftigt hatten, ob es dieses Omnicon gab und wo man es finden könnte. Und Tarrior wusste noch sehr gut, dass die Meister diesen Wahnwitz irgendwann aufgegeben hatten. Es gab kein Omnicon und das sprach er auch aus. Behram schüttelte mitleidsvoll den Kopf als wäre sein Gegenüber ein Narr, der die Wahrheit nicht erkennen konnte. „Es stimmt schon, dass das Omnicon in all den Jahren nicht gefunden wurde, aber diese Idioten wussten auch nicht, wonach sie suchten. Das tat ich zugegebenermaßen auch nicht, aber ich war dann zumindest in der Lage die Hinweise zu erkennen und richtig zu deuten, die verstreuten, überlieferten Berichte und den Austausch über das Projekt. Es gab Listen an Beiträgen einzelner Kolonien, den Beitrag von Schmieden und Ingenieuren aus dem gesamten Bereich des Rates von Bamz-Amschend verteilt über unzählige Fundstellen und immer wieder tauchte der Name einer Dwemer-Stadt namens Alezxardanz auf. Alle Hinweisen deuten daraufhin, dass sich dort das Omnicon befindet, der große Wissensspeicher der Dwemer“: erklärte Meradanz und bezeichnete in einem kurzen Atemzug sämtliche anderen Koryphäen auf dem Gebiet der Dwemer-Forschung als Idioten. Tarrior interessierte sich zwar nur am Rande für die Tiefelfen aber unter den Forschern, die er kannte, gab es nicht einen, der das Omnicon für mehr hielt als eine Spinnerei. Von dieser Dwemer-Stadt hatte er zudem noch nie gehört, aber das musste nichts heißen. Er kannte kaum alle Ruinen auf Vvardenfell denn geschweige von ganz Tamriel.

„Wenn es das Omnicon wirklich gäbe, warum wurde es dann noch nicht gefunden? Und wenn es in Alezxardanz liegen soll, warum ist dann bisher keine Expedition dahin aufgebrochen? Wenn es diesen Ort gibt, heißt das natürlich“: fragte der Dunmer kritisch nach. Behram ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, sondern lächelte nur allzu überlegen. „Meine geschätzten Kollegen glauben nicht an das Omnicon oder Alezxardanz, weil sie auch meinen, dass es keine Stadt dieses Namens geben würde. Sie irren. Es gab diese Stadt dereinst. Morrowind war zur Zeit der Dwemer-Staaten noch größer. Heute fehlt ein nicht unwesentlicher Teil des Landes“: gab der Telvanni zu bedenken und deutete mit seiner Hand aus dem Fenster… auf das Meer. Tarrior fiel es wie Schuppen von den Augen: „Das innere Meer! Morrowind wurde seinerzeit durch das Tribunal geflutet, wodurch das innere Meer entstand!“ Der Hexer nickte nun. „Ob durch das Tribunal oder durch eine Erdverschiebung aber gesichert ist, dass einige Teile Morrowinds damals versanken und dazu eben auch viele Dwemer-Ruinen, die sich auf dem heutigen Gebiet der Inneren See befunden hatten. Ihr seht endlich das Problem?“: wollte der Telvanni wissen. „Dann liegt eure Bibliothek tief unter Wasser, aber warum benutzt ihr nicht…“: antwortete er, doch Behram vollendete seine Frage: „Wasseratmung? Ich habe alte Dwemer-Berichte studiert und musste mich schließlich quer durch uralte Privatarchive auf den Summerset-Inseln wühlen um an alte altmerische Reiseberichte zu kommen, um den Standort Alezxardanz‘ zu ermitteln. Ich war dort mit einer kleinen Expedition und doch reichte die Wasseratmung nicht aus. Die Leute, die ich angeheuert hatte, starben beim Tauchversuch an inneren Blutungen. Die Stadt ist weit abgerutscht. Sie liegt tief im Meer, zu tief“: stellte Behram das Problem dar. Tarrior zog die Augenbrauen zusammen. So langsam begriff er endlich, worum es hier eigentlich ging: „Mehrunes Dagon soll die Stadt für euch anheben, damit ihr in den Besitz der Bibliothek gelangen könnt.“ Es war offensichtlich, dass nur ein Gott in der Lage wäre eine solche Verschiebung in die Wege zu leiten.

Der Telvanni ging zu seinem Schreibtisch hinüber und wühlte etwas in seinen Unterlagen. „Was glaubt ihr, was ihr nach all den Jahrhunderten dort unten noch für Wissen bergen könnt? Das wird alles zerfallen sein! Dafür wollt ihr das Schicksal Morrowinds und Tamriels aufs Spiel setzen?! Dafür wollt ihr den Daedra den Weg ebnen? Um als Belohnung Matsch zwischen zwei Buchdeckeln in Besitz zu nehmen?“: ereiferte sich Tarrior. Behram kam nun wieder zu ihm hinüber und legte ein schmutziges, eingerissenes und offensichtlich sehr altes Pergament auf den Tisch vor ihn. Zu sehen war die technische Skizze eines in einem verzierten Würfel befindlichen Dodekaeders in dessen Inneren sich wiederum ein überaus großer Diamant, wenn Tarrior die Skizze in Originalgröße deutete, befand. Es gab mehrere Löcher in dem Konstrukt und Einplanungen für speziell geschliffene Linsen. Komplexe Formeln und einige Notizen an den Rändern bedeckten die Skizze. „Ein weiterer großer Fehler, den meine nicht sonderlich geschätzten Kollegen machen, ist in ihrer beschränkten Kleingeistigkeit von der Technik auszugehen, die sie kennen. Das Omnicon ist keine Bibliothek, wie wir sie kennen. Das, Tarrior, hier vor euch ist das Omnicon. Das ist eine der wenigen Zeichnungen davon, die ich auf den vielen, vielen Reisen entdecken konnte, die ich unternahm. Es ist auch die beste, die ich habe, weil sie zeigt, wie diese ‚Bibliothek‘ funktioniert. Kennt ihr die alten Observatorien der Dwemer?“: fragte der Hexer. Tarrior konnte nur nicken. Er war von der Wucht der Enthüllungen in diesem Moment erschlagen.

„Die Dwemer experimentierten lange vor ihrem Sturz mit Licht, Linsen und Projektionen. Das Omnicon sollte die Krönung dieser Technik werden. Es war, soviel konnte ich aus den wenigen erhaltenen Dokumenten rekonstruieren, die Krone dieser Technologie. Man hatte bereits Erfolge damit erzielt Informationen – Bilder und Texte – in Kristalle zu gravieren und sie über bestimmten Lichteinfall an Wände projizieren zu können. Je kleiner und ausgefallener die Gravuren, umso mehr Informationen konnte man somit quasi speichern. Stellt euch nun einen Diamanten vor: Ein Material, das unglaublich widerstandsfähig ist. Was wäre besser geeignet, um das Wissen eines ganzen Volkes aufzunehmen? Dieser etwas mehr als faustgroße Diamant hier auf der Skizze war wohl eine Gabe der Kolonien am Roten Berg, Die besten Dwemer-Schmiede fertigten aus den hochwertigsten der stabilen, bronzenen Legierungen das Gehäuse, die besten Linsenschleifer, die auch die Teleskope für die Observatorien bestückt hatten, sollten die Linsen auch für das Omnicon erstellen und die besten Feinarbeiter waren Tag und Nacht damit beschäftigt Muster und Schriftzeichen dicht an dicht in den Diamanten zu gravieren – den gesamten Geist der Dwemer. In Alezxardanz dann entstand wohl das Observatorium, mit dem man das Omnicon mittels Licht lesen konnte. Das ist nicht irgendein Haufen schimmliger Bücher sondern das Wissen einer ganzen Zivilisation, seine Kultur, seine Geschichte konzentriert auf die Größe einer Schatulle“: erläuterte der Hexer.

Zum ersten Mal empfand Tarrior tatsächlich so etwas wie Anerkennung, in gewisser Weise auch Ehrfurcht vor der Arbeit seines Feindes. Der Telvanni mochte diese Informationen jetzt sehr strukturiert zum Besten gegeben haben, aber er konnte sich kaum vorstellen, wie lange und mit welcher fanatischen Besessenheit Behram nach jedem noch so kleinen Fitzel an Informationen gesucht haben musste, um sie zu diesem Gesamtbild zusammenfügen zu können. Er hatte es wahrlich nicht einfach mit einem Verrückten zu tun, sondern mit jemanden der wusste was er tat und in seinem Fanatismus bereit war, alles für seine Ziele zu opfern. Inzwischen hatte der Hexer die Skizze fein säuberlich wieder weggelegt und goss sich und ihm ein Glas Wein ein, bevor er sich nun wieder mit der zuvor fallengelassenen falschen Freundlichkeit zurück zu ihm an den Tisch setzte. „Du siehst, dass es hier nicht um Kleinigkeiten geht, sonder tatsächlich um die Rettung und Wiederauferstehung eines untergegangenen Volkes. Das es mehr als nur möglich ist, die Dwemer, mein angestammtes Haus zurückzubringen. Ich bin ihr Erbe und es ist daher nicht nur mein Wille sondern auch meine Pflicht es zu tun. Wer könnte das besser verstehen als du? Welcher Preis wäre zu hoch, um das zurückzubringen, dem wir uns zugehörig fühlen? Die Daedra etwa? Verflucht seien die Daedra. Hätten euer Kult und der Nerevarine nicht dazwischen gefunkt, hätte ich die Macht des Herzen von Lorkhan nutzen können, doch das ist mir nun nicht mehr vergönnt. So müssen es leider die Daedra sein. Doch es ist ein Opfer für einen höheren Zweck. Haus Dwemer und Haus Dagoth, Tarrior. Wir sind die Erben der Häuser. Mein Angebot steht noch. Du hilfst mir und ich werde auch dir helfen. Du musst dich nur entscheiden meine Hand zu nehmen, statt sie zurückweisen und deine eigene verdorren zu lassen“: erneuerte Behram noch einmal sein Angebot.