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Mythos
Weidenländer, Falensarano, Waschküche
Tirian beeilte sich nicht zurück in die Festung zu kommen. Er hoffte darauf, dass sich Lyviani vielleicht schon wieder hingelegt hatte. Ihn drängte es nicht, ihr nach dem letzten Gespräch noch einmal zu begegnen. Daher wäre es gut, wenn sie wieder schlief, wenn er seine Kleidung zum Waschen aus der Kammer holte. Er ließ sich daher auch Zeit ihre Kammer in dem Gewirr enger Gänge zu suchen. Die Zeit verstrich allmählich, aber länger konnte und wollte er sich auch nicht mehr herumdrücken ohne das es lächerlich wurde und lenkte seine Schritte schließlich doch noch zur Unterkunft. Die Festung war über die Nacht wirklich wie leer gefegt. Bis auf vereinzelte Wachen, die zentrale Punkte der Anlage bewachten, war kein Mensch, kein Mer zu sehen. Die Anlage machte geradezu einen eher trostlosen Anblick in der Nacht und man fühlte, dass die Festung eigentlich lange schon aufgegeben und verlassen worden war. Man sah es an dem rissigen Mauerwerk, den ausgedehnten Rußpuren der Fackeln an den Wänden und dem allmählichen Zerfasern des Holzes der Türen. Auch die Tür ihrer Kammer hatte schon bessere Zeiten gesehen und zeugte von den Jahren, in denen sie nun schon treu ihren Dienst verrichtete. Tirian stand etwas unschlüssig vor dem Raum. Er fragte sich, ob er wohl richtig gehandelt hatte. Es kam ihm selbst mies und schäbig gegenüber der Assassine vor, sie jetzt direkt so von sich zu schieben, allerdings war er dennoch davon überzeugt, dass er sich und ihr damit wohl doch einen Gefallen getan hatte. Lyviani hatte ja ohnehin durchblicken lassen, dass dies für sie sowieso nur eine reine Zweckgemeinschaft darstellte. Etwas das ihn gewissermaßen traurig machte, aber zugleich davor bewahrte, doch mehr Nähe in die gemeinsamen Erlebnisse der letzten Zeit hinein zu interpretieren, als es gut war. Und doch wollte dieses unbestimmte Gefühl nicht weichen ihr Unrecht getan zu haben.
Er schüttelte den Kopf. Das brachte ihn im Moment auch nicht weiter. Er legte die Hand auf die Klinke und drückte sich vorsichtig nach unten, um möglichst wenig Lärm zu verursachen, für den Fall, dass sie doch schon schlief. Er öffnete die Tür und trat schließlich in die Kammer ein. Als erstes ging sein Blick zu den Betten, doch sie waren unberührt. Weitere Blicke in den Raum folgten, wobei der Heiler schnell feststellte, dass seine Begleiterin nicht da war. Er atmete hörbar erleichtert aus und machte sich daran seine Schmutzwäsche als auch die geschundene und wahrhaft abartig stinkende Robe aus der Ahnengruft zusammen zu suchen. Er packte alles zusammen, was irgendwie mit dem fauligen Miasma der Untoten in Kontakt gekommen sein konnte, ließ dabei seine Schwertscheide und das Schwert auch nicht aus und packte alles auf einen Haufen. Mit einigen Tritten brachte er den Stapel soweit zusammen, dass er ihn bequem hochnehmen konnte, ohne dass ihm alles auseinander fiel. Penibel achtete er auch darauf, dass die besudelten Kleidungsstücke sich im Inneren der Wäschekugel verbargen, die er nun mit sich herumtrug. Die Schwertscheide mit Inhalt balancierte er oben auf. Probeweise ging er einige Schritte auf und ab, um zu sehen, ob er genug Griff und Halt hatte und verließ dann, die angelehnte Tür jeweils mit dem rechten Fuß öffnend und schließend, die Unterkunft und begab sich auf den Weg in die unterste Ebene der Festung, auf der er schon zuvor am Abend gewesen war.
Mit leichtem Schrecken dachte er nun daran wie elend es ihm in der früheren Nacht dort ergangen war. Langsam überkamen ihn Zweifel, ob er wirklich dorthin zurückwollte. Aber nun war er schon einmal mit einem Haufen stinkender Kleidungsstücke unterwegs und eigentlich wollte er auch herausfinden, was dort unten plötzlich mit ihm los war. Kopfschmerzen und seltsame Visionen überkamen jemanden nicht einfach so. So etwas hatte er bisher noch nie erlebt. Aber in letzter Zeit schien sich das zu häufen, zumindest in dieser Festung. „Diese schrecklichen Alpträume haben auch erst angefangen, nachdem wir hier angekommen sind“: überlegte er, aber verdrängte den Gedanken daran. Es erschien ihm lächerlich die Festung dafür verantwortlich machen zu wollen. „Vielleicht hat mich die Ahnengruft mehr mitgenommen als erwartet oder vielleicht auch das Alles“: dachte Tirian. Seit Wochen fürchtete er nun schon um das Leben seines Vaters und war mit Zweifeln und Sorgen geplagt. „Gewiss hinterlässt das seine Spuren“: versuchte er sich zu beruhigen. Er musste unwillkürlich an Hrotanda Vale denken. Auch diese Untoten verseuchte Ruine war schrecklich gewesen, aber tatsächlich hatte er danach kaum mit Alpträumen zu kämpfen. Scheinbar kratzten die Nöte der letzten Zeit doch an seiner Seelenruhe. Der Heiler glaubte erst wieder glücklich werden zu können, wenn sein Vater gerettet war und sie sich in Sicherheit gebracht hatten. Fern ab des Telvanni-Hexers am Besten. „Ja außer Reichweite seines langen Arms. Zu meiner Mutter nach Tränenstadt oder zu unseren Verwandten nach Hochfels“: dachte Tirian an die Zukunft. In diesem Moment erreichte er auch die Treppe, die ins Untergeschoss der Festung und somit zu den Waschräumen führte. Er wischte die Gedanken beiseite. Er brauchte die Konzentration um mit dem Wäschestapel vor Augen die Treppe herunter zu kommen, ohne hinunter zu fallen. Vorsichtig mit den Füßen tastend, nahm er eine Stufe nach der Anderen und kam tatsächlich unbeschadet in den Gewölben an.
Der Raum in dem die Wäsche gewaschen wurde, befand sich in einigen Türen Entfernung dazwischen, so erinnerte sich der Heiler gab es noch zwei Räume, die er am frühen Abend geschlossen vorgefunden hatte und dann die Kammer, in dem sich die Söldner gewaschen hatte. Im spärlichen Fackellicht suchte er seinen Weg. Den Blick hielt er zur linken Seite gerichtet, um die Türen zu zählen. Als er an der zweiten Tür vorbeikam, schoss ihm wieder Schmerz durch den Kopf. Er musste sich beherrschen, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Diesmal blieben die Visionen zwar aus, aber dafür verstärkte sich der Schmerz, umso weiter er voranschritt. „Was bei Almsivi ist das nur?“: fragte er sich. Inzwischen wankte er mehr, als das er ging. Der Heiler wollte dem Schmerz entkommen. „Nur noch die Wäsche ablegen und ich verschwinde“: entschied er. Hielt sich tapfer an der Wand bis er endlich die ersehnte Kammer mit einem Blick am Wäschestapel in seinen Händen vorbei erkennen konnte. Die Tür stand offen und es fiel Licht in den Korridor. Der Schmerzpegel nahm langsam wieder ab. Die Schmerzwellen, die zuvor durch seinen Kopf spülten, verschwanden auf einmal ebenso schnell wie sie gekommen waren. Vielmehr blieb ein andauernder, aber im Vergleich erträglicher Schmerz zurück, dem sich Tirian aber dennoch nicht länger als nötig aussetzen wollte. „Nur noch schnell die Wäsche ablegen“: ging es ihm durch den gepeinigten Kopf. Jedoch wurde er aus seinen Überlegungen gerissen, als er plötzlich Stimmen vernahm, die offenbar aus der Waschküche drangen.
"… jemand entkommen ist. Ich habe gesehen, was ihr angerichtet habt. Und glaubt mir, es hat mir nicht gefallen“: hörte der Heiler. Er verlangsamte seine Schritte und trat näher an die Tür heran. Er hielt sich im Schatten und versuchte hineinzulugen. "Gerade Llevas hättet ihr besser nicht so zugerichtet“: hörte er weiter. Eine Männerstimme aus der deutlich der Hass sprach. Er schob seinen Kopf etwas in die Türöffnung. Vor ihm stand ein Mann, ein Dunmer offenbar, zumindest konnte er das an den aschgrauen Händen ablesen, der Rest seines Körpers war von einem grauen Umhang mit weiter Kapuze und einer dunklen Lederrüstung, die darunter hervorlugte, verhüllt. Erst jetzt bemerkte Tirian, mit wem der Mann sprach. Der Dunmer stand zwischen ihm und Lyviani. "Nicht doch. Oder wollt ihr sehen wie gut ich werfe und treffe?": sagte er plötzlich. Der Heiler kniff etwas die Augen zusammen und sah, dass die Dunmer wohl versuchte hatte, nach ihrem Dolch zu greifen. „Ein Attentäter“: schoss es ihm durch den Kopf. „Sie meinte doch, dass sie verfolgt wird“: rief er sich ins Gedächtnis. „Worauf hast du dich bloß eingelassen, Tirian?“: fragte er sich selbst. Fieberhaft überlegte er, was er tun sollte und leider waren diese Kopfschmerzen dabei nicht sonderlich hilfreich. Eine kleine, boshafte Stimme tauchte mit dem Schmerz in seinen Gedanken auf. „Lass sie das doch alleine regeln. Sie ist eine Fremdländerin und hat sich mit den falschen Leuten angelegt. Sie meinte doch noch, dass sie kein Mitleid und keine Hilfe braucht. Sie meinte doch, dass sie alleine klar kommt. Wenn sie es überlebt gut für sie, wenn nicht, kann es dir doch egal sein“: wisperte es in seinen Gedanken, als spräche sein böser Zwilling zu ihm. Zusammen mit dem latenten Kopfschmerz, der jedwedes Nachdenken ohnehin anstrengend machte, hatten die Überlegungen etwas angenehm Einfaches und Eindeutiges an sich, dass er sogar einen Moment gewillt war, einfach umzudrehen und zu gehen.
Energisch entschied er sich dagegen und packte den Wäschehaufen auf den Boden. Er wusste das in Lyviani mehr steckte als die kalte Meuchelmörderin, die selbst gerne zum Besten gab und die sie wohl auch sein wollte, um sich nicht einzugestehen, dass sie in ihrem Innern doch noch Gefühle und Schwächen hatte. Und selbst wenn er sich doch täuschte, konnte er sie nicht einfach hier ihrem Schicksal überlassen. Das konnte und wollte er einfach nicht. Er wandte sich wieder zur Tür und versuchte sich trotz des Schmerzes auf die Situation zu konzentrieren: "Er hat sie in Carmala versteckt. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht. Solltet ihr ihn aber sehen, richtet ihm bitte noch Grüße von mir aus, bevor ihr ihn abstecht": waren die ersten Worte, die er von der Dunmer vernahm. Der Attentäter schien einen Moment lang nachzudenken. Das war vielleicht der Moment, um ihn zu überraschen. „Ihr könnt ihn in Oblivion selbst grüßen, sobald wir ihn euch nachschicken. Wisst ihr, ich habe hier in meiner Tasche einen Exekutionserlass, der von seiner Hoheit Herzog Dren unterschrieben wurde. Er lautet auf euren Namen, Dreveni. Der Mord an so vielen guten Assassinen der Tong in der derzeitigen Lage, die Daedra und so weiter, kamen bei den offiziellen Stellen nicht so gut an. Selbst wenn ich wollte, könnte ich euch nicht gehen lassen“: sagte der Attentäter siegesgewiss. Tirian seufzte innerlich: „Die Morag Tong!“ Jetzt verstand er auch, warum die Dunmer so überempfindlich war. Wenn die Tong hinter ihr her waren, dann war sie in Morrowind und gerade auf Vvardenfell nirgendwo wirklich sicher. Sein Schädel dröhnte noch immer. „Verflucht worauf habe ich mich nur eingelassen, als ich sie in Vos anheuerte“: fragte er sich in einem Anflug von Verzweiflung selbst. Als er jedoch sah, dass der Dunmer seinen Dolch hob, um Ernst zu machen, gab es keine Zweifel mehr. Er musste handeln. Lyviani brauchte hier und jetzt seine Hilfe. Der Heiler musste handeln. Er griff sich aus dem Wäscheberg die stinkende, faulige Robe. Er stieß die Tür auf. „Sie hat noch einen Vertrag zu erfüllen, Bastard“: schrie er und warf dem überraschten Assassinen, das jämmerlich stinkende Kleidungsstück mitten ins Gesicht, das er ihm reflexartig zugewandt hatte. Tirian wollte sein Schwert ziehen, um die Sache schnell zu beenden, aber zu spät fiel ihm auf, dass er es gar nicht um hatte, sondern das es ja zwei Schritte entfernt auf dem Wäschehaufen lag.
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