Lyviani stützte ihn und er war ihr dankbar dafür. Er fühlte sich wirklich wie gekaut und ausgespuckt und wollte sich endlich ausruhen. Als sie anmerkte, dass sie schnell verschwinden sollte, hatte er Nichts dagegen. Sie gingen durch die Tür und ließen die Kammer hinter sich, passierten einen weiteren Gang und standen endlich vor der Tür nach draußen, die deutlich an der frischen Luft, die hier hereinkam und dem Dämmerlicht, das unterhalb hindurch drang, zu erkennen war. Tirian wollte sie gerade aufstoßen, als er bei der Frage der Assassinin zurückzuckte. Er überlegte einen Moment. "Ich glaube eigentlich nicht. Normalerweise werden die Grufteingänge nicht gesichert, damit die Angehörigen jederzeit und jeder für sich die Gruft betreten können, um ihre Ahnen zu besuchen. Eine Falle oder ein Schloss würden einen Schlüssel erfordern und ich denke nicht, dass jedes Familienmitglied unbedingt einen hat. Ich denke wir können sie passieren": meinte der Heiler und blickte in die roten Augen seiner Begleiterin, die so nah vor ihm waren. "Wir haben es wirklich überstanden. Wir Beide": dachte er und wandte sich mit einem Lächeln der Tür zu. Er drückte die Klinke nach unten und stieß sie auf. Der Luftzug, der sie umfasste, betäubte seine Sinne. Sie roch so gut und frisch. In diesem Moment fühlte sich die salzige Meerluft, die über die Weidenländer geblasen wurde, für ihn an, wie der erste Atemzug seines Lebens. Er saugte sie regelrecht ein. Gemeinsam taten sie nun den letzten Schritt in das dämmernde Tageslicht. War es Morgen- oder Abenddämmerung? Ihm war es egal.

Doch der Moment hielt nicht lange vor. Brutal fühlte Tirian sich gepackt. Er spürte wie ihm die Arme auf den Rücken gedreht wurden und man ihm einen Sack über den Kopf zog. Ein Tritt in die Kniekehlen zwang sie auf die Knie. Den Geräuschen und Flüchen nach zu urteilen, erging es Lyviani in diesem Moment nicht besser. "Was bei den Höllen Oblivions...": schrie er die Leute an, die sie hier überfielen. "Schweigt": vernahm er eine herrische Frauenstimme. "Wo ist der Dolch": fragte sie fordernd. "Welcher Dolch": war es schwach von seiner Begleiterin neben ihm zu vernehmen. "Wo ist der Dolch": wiederholte die Unbekannte ihre Frage energisch. "Antwortet!": vernahm er hinter sich eine weitere knurrige Stimme und er spürte einen leichten Schlag in die Seite. "In einer Innentasche meiner Robe. In meiner Innentasche": antwortete Tirian nun schnell. Man riss ihm seinen geschundenen Mantel auf. Er spürte eine tastende Hand. Und dann hörte er ein selbstzufriedenes "Ausgezeichnet". "Das habt ihr gut gemacht": meinte die Frau und gab Anweisungen ihnen die Säcke vom Kopf zu ziehen. Er sah in das Gesicht einer Altmerin in einer enggeschnittenen Lederrüstung mit eisernen Beschlägen. Die goldene Haut ihres Gesichtes schien im diesem Licht regelrecht zu glühen und ihre braunen, mandelförmigen Augen musterten sie Beide aufmerksam. Ihr braunes Haar war streng zu nibenischen Zöpfen geflochten.

„Sieh mal einer an. Ich hätte nicht gedacht, dass ihr überleben würdet. Ihr habt mich ehrlich überrascht. Für ein paar Spione der Mythischen Morgenröte seid ihr doch ganz schön hartnäckig“: sagte sie. Ihr Tonfall war lauernd. „Wir sind keine Spione der Morgenröte“: sagten Tirian und Lyviani fast gleichzeitig. „Und warum habt ihr euch dann wie welche an unser Lager herangeschlichen?“: wollte sie nun wissen. Jetzt wurde dem Heiler die Sache klarer. „Ihr seid aus der Festung“: stellte er fest. „Ah ein ganz schlauer“: meinte sie ironisch. Die Assassinin mischte sich nun ein. „Eine angeblich verlassene Festung, die jetzt offenbar wieder genutzt wird und wir sollen Zielscheibe spielen und offen darauf zugehen?“: sagte sie bissig. Die Altmerin überging das mit einem Lächeln. „Wir sind keine Agenten“: beteuerte Tirian. „Das wissen wir jetzt auch. Ihr hättet gegen diesen netten Dolch keine Chance gehabt, wenn ihr das gewesen wärt. Dieses Artefakt schneidet durch beschworene Kreaturen und Rüstungen wie ein heißes Messer durch Butter. Und diese kleinen Daedra-Anbeter verlassen sich doch nur auf ihre Rüstungen und Kreaturen. Außerdem haben wir auch bei euren Sachen keine Anzeichen für diesen Kult gefunden“: erklärte die Altmer. „Ihr wart an unseren Sachen?!“: fuhr Lyviani sie an. „Entspannt euch. Wir haben noch nichts genommen, sondern sie nur durchsucht und Nichts Verdächtiges gefunden. Wärt ihr dort unten nicht mehr herausgekommen, naja, dann hätten wir es ja auch nicht verkommen lassen müssen“: sagte die Altmer und strich sich eine lose Strähne aus dem Gesicht.

„Wenn ihr wisst, dass wir keine Spione sind, dann lasst uns gehen“: verlangte Tirian. „Da ihr entgegen meiner Erwartungen aber ganz nach meinen Hoffnungen dort unten herausgekommen seid, hatte ich das ohnehin vor. Schließlich habt ihr es mir erspart ein paar Männer zu opfern“: sagte sie. „Ihr habt uns da unten hinein geworfen, damit wir für euch den Dolch holen“: stellte Tirian fassungslos fest. Er wurde langsam wütend. Sie sah ihn gekünstelt betroffen an. „Wir hätten euch dort unten auch hinein werfen können, ohne das es dort einen Ausgang in Form einer angrenzenden Ahnengruft gegeben hätte. Ihr wäret dann dort unten vor Hunger und Durst verrückt geworden. Vielleicht hättet ihr noch eine Weile von dem Brackwasser leben können, aber schlussendlich hättet ihr euch gegenseitig gefressen“: sagte sie süffisant und lächelte als hätten sie einen Witz gemacht, den aber offenbar nur sie verstand. „Du Metze!“: warf Lyviani von der Seite ein. Einer der bulligen Typen, die hinter ihnen standen, versetzte der Assassinin daraufhin einen Stoß. „Ach haltet mich doch nicht für so ehrlos. Als Söldnerin finde ich es sogar ganz besonders schlimm, wenn die Leute für ihre harte Arbeit keinen Lohn bekommen. Zwar ist es schon ausreichend, wenn wir euch am Leben lassen und euch eure Sachen zurückgeben, andererseits sollt ihr ja nicht denken, dass ich kleinmütig wäre. Ich habe für den Fall eures Überlebens ein behagliches Quartier in der Festung frei räumen lassen. Ihr könnt bleiben, solange ihr dies wünscht. Betrachtet euch als meine Gäste“: sagte sie und streckte die Nase dann in die Luft, roch etwas mehr als auffällig und lächelte dann wieder. „Und ich lasse euch auch warmes Wasser zum Waschen zukommen. Ihr riecht, als gehörtet ihr längst in eine Gruft“: fügte sie noch an.

Die Altmerin schaute in den Himmel. „Ah der Morgen graut ja schon. Wir sollten zur Festung zurückkehren“: meinte sie dann. Tirian und Lyviani warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Diese Frau… sie machte ihn wütend. Sie hatte sie in Todesgefahr gebracht, nur um an diesen verfluchten Dolch zu kommen. Er versuchte sich zu beruhigen, auch wenn er nach außen seine Gefühle unterdrücken konnte, brodelte es in seinem Innern. Kräftig wurden sie wieder auf die Beine gezogen. Auf ein Fingerschnippen hin, wurden sie losgelassen. Der Heiler rieb sich die Handgelenke. Er spürte das dringende Bedürfnis diesem arroganten Weib an den Hals zu gehen, aber er beherrschte sich, außerdem war er viel zu erschöpft, um jetzt noch etwas in dieser Richtung zu versuchen. Flankiert von Söldnern und angeführt von der Altmerin bewegten sie sich zur Festung zurück. Tatsächlich war die Ahnengruft nicht weit vom Sockel Falensaranos entfernt und das Monstrum aus Stein tauchte bald wieder vor ihnen auf. Sie stiegen die Rampe empor und wurden zu Lyvianis Guar geführt, den man in einem Stall aus Zeltplanen angebunden hatte. Das Gepäck hatte man ihm abgenommen. „Wie ihr seht, geht es ihm gut. Kommt“: sagte die Altmerin und führte sie schließlich in das Innere der Festungsanlage. Tirian folgte ihr wie in Trance. Jetzt wo die unmittelbare Bedrohung abgeklungen war, fühlte er sich unendlich müde. Sie suchten sich einen Weg durch das dunkle, nur von Fackeln tranig beleuchtete Gebäude und blieben schließlich vor einer Kammer stehen. „Euer Gepäck ist dort drin. Es werden gleich einige Sklaven kommen und euch Wasser bringen. Wagt es also nicht euch hinzulegen, bevor ihr euch nicht gereinigt habt. Das letzte was ich brauche ist, zwei Betten zu ruinieren, in dem wir den Leichengeruch da nicht mehr herausbekommen“: wies die Söldnerin sie an und öffnete die Tür. „Ich lasse euch nun allein, ach… Wie unhöflich von mir. Ich bin Ilucaria, Anführerin dieses Söldnerhaufens“: sagte sie noch, lächelte dann wieder auf ihre arrogante Art und ließ sie dann allein. Allerdings ließ sie zwei ziemlich breitschultrige Kerle, einen Rothwardonen und einen Kaiserlichen zurück.

Tirian ignorierte sie und betrat die Kammer. Es gab zwei Betten, in der Mitte lag ihr Gepäck wild verstreut auf einem großen Haufen, offenbar waren sie beim Durchsuchen gründlicher gewesen, als dabei es wieder zusammen zu packen. Eine weitere Kleinigkeit über die er sich geärgert hätte, wenn er noch die Kraft dazu besessen hätte. Ansonsten gab es noch ein paar Regale, einen schmutzigen Teppich und ein paar Truhen. Beleuchtet wurde das Ganze nur von einigen Kerzen und Öllampen. Insgesamt war die Atmosphäre wieder so drückend wie in der Gruft. Nur das Fehlen eines rachsüchtigen Ahnengeistes störte da, aber ihm war das ganz recht. Während Lyviani ihre Habseligkeiten prüfte, ob auch wirklich Nichts weggekommen war, sah er sich noch etwas weiter um. Im hinteren Teil des Raumes wurde etwas von einem einfachen Wandschirm verdeckt. Als Tirian dahinter lugte, fand er einen großen Bottich aus Holz. Er nahm sich eine Öllampe und zündete die Kerzen hier hinten an. Der Bottich stellte sich als Waschzuber heraus. Zwar nicht komfortabel genug, um darin zu liegen, aber er war hoch und tief genug, um sich bequem darin zu waschen. „Hier ist wohl der Waschplatz“: meinte der Heiler und ging zu Lyviani zurück. Er suchte eine frische Robe aus seinem Gepäck und stellte fest, dass es die Letzte war. Inzwischen hatte seine Kleidung ziemlich gelitten. Die Robe, die er jetzt trug, konnte er vermutlich noch flicken, aber vorher mussten unbedingt die verfaulten Sekrete der Zombies und das Blut herausgewaschen werden. Seufzend setzte er sich im Schneidersitz auf den Boden. Die beiden Brustwunden schmerzten noch furchtbar, aber noch hatte er keine Kraft gefunden sie zu behandeln. Als er die Assassinin wieder an ihrem Arm kratzen sah, regelrecht scheuern sah, erinnerte sich daran, dass auch sie vielleicht noch einer Behandlung bedurfte. Zunächst wäre aber besser, wenn sie sich waschen würden. „Meint ihr, dass noch alles vollständig ist“: stellte er eine Frage. In dem Moment als seine Begleiterin mit einem langgezogenen „Hmm“ antwortete, klopfte es auch schon an der Tür. Unter regelrechten Schmerzen erhob sich der Dunmer und ging zur Tür.

Er öffnete. Es kamen einige Khajit und Argonier mit dampfenden Eimern hereingewuselt. Auf den ersten Blick bemerkte Tirian die schäbige Kleidung und die etwas mageren Leiber und beim Zweiten dann auch die Sklavenfesseln an den Handgelenken der armen Tiermenschen. Diese drängten sich an ihm vorbei und füllten das Holzbecken im hinteren Teil des Zimmers. Ohne weitere Worte verließen sie den Raum auch schon so schnell, wie sie gekommen waren. Nur ein Argonier in einer Lederrüstung, der sie begleitet hatte und zu überwachen schien, blieb etwas länger. Er drückte dem Heiler eine wächserne Masse in die Hand und bleckte die scharfen Zähne. „Das ist ein Geschenk der Herrin. Sie sagt, dass ihr regen Gebrauch davon machen solltet. Und das solltet ihr wirklich“: sagte er und wandte sich dann auch zum Gehen. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, betrachtete er die annähernd weiße Masse etwas ratlos, bis ihm aufging, was die Söldnerin ihnen geschickt hatte. „Unsere Gastgeberin war so gütig uns ein Stück Kreckenseife bringen zu lassen“: sagte er und verdrehte die Augen. Er setzte sich wieder in den Schneidersitz, legte das Stück Seife neben sich auf den Boden und schaute, ob die Söldner seine Vorräte angerührt oder seine Ausrüstung beschädigt hatten. Seine Wut auf die Obersöldnerin verflog in gleichem Maße in dem die Erschöpfung seine Augenlider immer weiter nach unten zog.