Anschluss an diesen Post im Geschichten aus Tamriel-Thread.



Es war zwielichtig im Handelshaus von Vos. Auf jedem Tisch brannte ein Öllämpchen, aber in der Wand des großen Pilzes, aus dem das Haus gearbeitet war, fanden sich keine Fenster. Auch so mochte es draußen vielleicht schon längst Nacht sein. Tirian hatte sein Zeitgefühl inzwischen verloren. Er hatte sich selbst verloren und saß nun mit durchhängenden Schultern an einem der Tische im hinteren Teil der Mitte des Schankraumes. Die schlechte Stimmung, die ihn befallen hatte, schien auf die anderen Gäste abzustrahlen, denn niemand zog es auch nur länger als für einige Augenblicke in Betracht sich zu ihm zu setzen. Der Stuhl ihm gegenüber blieb frei und das passte ihm auch ganz gut so. Er hatte nun schon seinen fünften Humpen Mazte vor sich und setzte immer mal wieder zu großen Schlucken an, während er ein beklagtes Seufzen vernehmen ließ, um das sich die Umhersitzenden schon lange nicht mehr kümmerten. Der Dunmer bot einen eher mitgenommenen Anblick. Die kurzen, schwarzen Haare, die von einem sauberen Mittelscheitel zu beiden Seiten des Kopfes hin abfielen und vorne in langen, nach vorne springenden Strähnen ausfielen, waren stumpf und zerzaust. Ein ungepflegter Drei-Tage-Bart zierte das aschgraue, junge, aber jetzt müde wirkende Gesicht des Dunmers, in dem die eindringlichen blutroten Augen einen Kontrast zu den sie umgebenden Augenringen boten. Wieder ein Seufzen und ein weiterer Schluck aus dem Humpen. „Verflucht! Was soll ich tun?“: fragte er sich in Gedanken. Er war unglaublich müde und das lag nicht nur am steigenden Alkoholpegel. In den letzten Wochen war er kaum zur Ruhe gekommen und war ständig unterwegs gewesen. Tirian war auf der Suche nach seinem Vater Tarrior. Jener wollte allein gegen den mächtigen Telvanni-Ratsherren Behram Meradanz antreten, was der junge Dunmer für einen großen Fehler gehalten hatte. Als Tirian von der Plantage in der Westspalte aufgebrochen war, führten ihn seine Schritte zunächst nach Norden. Er wusste, dass Tarriors Weg nach Maar Gan führte und dazu musste er an einem Lager des Widerstandes vorbei, das den Pass ins Aschland gesperrt hatte. Dort war sein Vater allerdings bereits eines der bestimmenden Gesprächsthemen. Offenbar hatte er mit dem Anführer einer großen magischen Miliz gekämpft und diesen sogar niedergerungen. Aus diesem Grund wandte sich der Heiler auch an jene magische Miliz und kam mit einer Bretonin in Kontakt, die ihm tatsächlich weiterhelfen konnte, was sie auch gerne tat, als er ihr seine Geschichte vortrug - und von der er auch vom Angriff auf die Stadt erfuhr, zu der sein Vater gewollt hatte.

„Am Morgen des Tages, an dem die Daedra angriffen, erhielt ich noch per Falke eine Nachricht von unserer Truppe vor Ort. Euer Vater hat die Stadt vor dem Angriff gen Norden verlassen. Wie es scheint, wollte er eine Höhle in der Foyada aufsuchen. Allerdings könnt ihr nicht denselben Weg nehmen. Die Stadt hat sich in die Hölle verwandelt. Tarrior hat viel für mich getan, deshalb möchte ich euch helfen. Wegen der angespannten Lage auf Solstheim und einer womöglich bevorstehenden Invasion ist eine Garnison von uns in Khuul stationiert. Reist dorthin und ich werde veranlassen, dass ihr mit einem Boot zum Nordende der Foyada übergesetzt werdet“: sagte sie ihm zu und Tirian nutzte das Angebot und fand sich wenige Tage später tatsächlich im Aschland wieder, wo er sich umgehend auf die Suche nach der besagte Höhle machte, die er dann auch fand. Es gestaltete sich allerdings als Suche nach der Nadel im Heuhaufen und so klapperte er alle Höhlenzugänge ab, die auf seinem Weg lagen und fand schließlich vor einer Höhle mit Namen Sha-Adnius, dessen Eingang recht windgeschützt lag, zerwühlte Asche und jede Menge Fußabdrücke, die auf rege Aktivität vor nicht allzu langer Zeit hindeuteten. Tirian untersuchte die Höhle und fand tatsächlich Anzeichen für Kämpfe und er fand auch Leichen, allerdings waren dies bereits vor langer Zeit gestorbene und das als Zombies wiederauferweckte Körper, die deutlich Tarriors feurige Handschrift trugen. Auch die letzte Höhle des Höhlensystems bot Anzeichen eines Kampfes allerdings waren bis auf zersplitterte Skelette keine Toten zu finden. Auch eine Hütte, die er fand, bot keine weiteren Hinweise, denn sie war völlig ausgebrannt. Der Dunmer war sich sicher, dass sein Vater hier gewesen war, aber es gab keinerlei Hinweise auf seinen Schicksal oder gar seinen Verbleib. Er wollte die Untersuchung bereits aufgeben und weiter das umgebende Aschland absuchen, als er dann doch in einem der Wasserbecken, die in diesem hintersten Teil des Höhlensystems terrassenartig von den Höhlenwänden abliefen, ein Zahnrad nach dwemerischer Machart entdeckte. Es war zu groß für irgendwelche Maschinen der Dwemer, die er kannte und so konnte es nur ein Bauteil eines kleineren und filigraneren Animunculus gewesen sein. „Behram!“: ging es Tirian dabei sofort durch den Kopf, denn er wusste aus Tarriors Erzählungen, das der Telvanni solche seltsamen humanoiden Maschinen für seine Zwecke einsetzte. Dem Dunmer war damit sofort klar, wo er seinen Vater würde suchen müssen und entschloss sich zur Rückkehr an die Küste.

Eine Überfahrt mit dem Schiff, auf die er noch einige Tage warten musste, brachte ihn zunächst nach Hla Oad, von dem aus er sich wieder Richtung Norden nach Balmora wandte, um Unterstützung im Rat der Hlaalu zu suchen, um seinen Vater den Ratsherren zu befreien. Leider fehlten ihm die Beweise. Ebenso gestalteten sich auch die Besuche an anderen Stellen, an denen er um Hilfe nachsuchte. Sowohl in Ebenherz als auch in Vivec wurde er bei den mächtigen Ratsherren abgewiesen, wenn sie seine Geschichte überhaupt glaubten, dann war ihnen das Risiko zu groß womöglich einen Krieg mit dem gesamten Fürstenhaus Hlaalu heraufzubeschwören, wenn sie Meradanz angriffen. Tirian wollte schon aufgeben, als er zufällig im Hlaalu-Bezirk auf Dram Bero stieß. Er kannte das markante Gesicht aus vielen Erzählungen Tarriors. So wusste er auch, dass der alte Dunmer eine Art Mentor für seinen Vater war. „Das ist eine verrückte Geschichte, Tirian“: stellte Dram Bero fest. Dennoch war er bereit ihm zu helfen, allerdings konnte auch er nicht viel tun, denn auch ihn trug die Sorge darum, welche Auswirkungen ein Angriff auf den Telvanni haben würde. „Allerdings ist Behram Meradanz nicht ganz unumstritten im Haus Telvanni. Meister Aryon von Tel Vos, ein sehr gemäßigter Magierfürst, hasst ihn. Wenn euch jemand helfen kann, dann ist er es. Ansonsten gab es ja da noch diese Geschichte in Balmora mit der Eiermine…“: schlug Dram Bero damals vor und der Ratsherr organisierte Tirian dann auch zwei Tage später eine Überfahrt von Vivec nach Vos, die sich aufgrund des schlechten Wetters an der Küste hinzog. Gestern kam er schließlich in der Stadt an und ersuchte den Magierfürsten um eine Audienz. Jetzt war er von jener Audienz aus Tel Vos zurück. Und gerade der Gedanke daran, zwang Tirian dazu noch einen kräftigen Schluck aus dem Humpen zu nehmen.

„Es tut mir Leid um euren Vater und ihr könnt mir glauben, dass ich Behram Meradanz mehr als alles andere, am liebsten tot sehen möchte, aber leider kann ich im Moment keine Truppen entbehren. Seit dem Vorfall in Maar Gan haben sich die daedrischen Angriffe auf die Weidenländer verstärkt. Erst vor wenigen Tagen gab es eine große Schlacht hier vor Tel Vos, wo wir einen Belagerungsring der Daedra aufbrechen konnten, aber schon sickern aus dem Aschland neue Verbände heran und ich muss nicht nur Tel Vos und Vos schützen, sondern auch die Stämme der Aschländer stehen unter meinem Schutz. Außerdem muss ich die Verheerung der Weideländer verhindern. Der wild wuchernde Dochtweizen hier, dient inzwischen weiten Teilen Vvardenfells der Grundernährung und natürlich auch unserer Truppen hier vor Ort. So sehr ich es auch möchte, kann ich leider niemanden entbehren“: musste Meister Aryon seine Hilfe versagen. Als er diese Nachricht verdaut hatte, überraschte ihn der Telvanni allerdings noch mit einigen Informationen: „Ich kann euch allerdings mit ein paar Informationen weiterhelfen. Ich habe Spione in Mora Uvirith im Einsatz, um Meradanz zu überwachen. Mir kam deshalb zu Ohren, dass vor etwa einer Woche eine Gruppe unter der Führung von Meradanz’ Sprecher Aytor von Brasselin zwei Särge nach Tel Uvirith geliefert wurden. Ich mag euch jetzt eure Hoffnung nicht nehmen wollen, dass eurer Ratsherr noch am Leben ist. Wenn er noch am Leben sein sollte, dann werdet ihr ihn bestimmt in den Kerkern unter dem Turm finden. Ich weiß trotz meiner Spione Nichts über den Turm. Meradanz lässt nur seine Vertrauten hinein, allerdings ist es auch schon eine Herausforderung die Stadt im Moment überhaupt zu betreten. Jeder Besucher wird durchsucht und überprüft, aber wenn ihr es hinein schafft, könnt ihr euch an meinen Agenten Vingald wenden. Er betreibt ein kleines Geschäft für nordische Waffen am Rande des Marktplatzes von Mora Uvirith. Er könnte euch in den Turm bringen.“

Da Tirian durchaus wusste, dass Unterstützung von solch mächtigen Personen nie aus reiner Herzensgüte gegeben wurde, fragte er: „Und wo ist der Haken an der Sache?“ Der Telvanni lächelte knapp, bevor er antwortete: „Ich gebe euch einen Ring mit. Der wird bei einer Kontrolle am Tor nicht so auffallen, wie ein Schreiben von mir. Wenn Vingald diesen Ring sieht, wird er euch helfen. Wenn er euch in den Turm bringen kann, möchte ich, dass ihr etwas für mich erledigt. Meradanz untergräbt meine Autorität im Rat und sorgt für eine passive Politik, die dafür sorgt, dass ich alleine gegen die Horden der Daedra stehe. Er will mich schwächen. Ich habe den Verdacht, dass er plant die Macht im Haus Telvanni zu übernehmen und sich selbst zum Erzmagister zu machen und deshalb nun seine Konkurrenten ausschaltet. Sucht mir im Turm entweder etwas Belastendes, dass ich im Rat gegen ihn verwenden kann oder aber etwas, dass mir seine Pläne verrät. Wenn er tatsächlich einen Staatsstreich plant, lasst mir die Pläne schnell zukommen und ich werde gegen ihn militärisch vorgehen. Ich habe eine Einheit im Süden in der Nähe der Grenze zu seinem Gebiet stationiert. Die zwar mit den Daedra beschäftigt, aber wenn ihr mir eine Grundlage gibt, die ein militärisches Eingreifen legitimiert, dann genießt ihr meine volle Unterstützung.“ Tirian nickte und nahm nur noch den Ring entgegen, bevor er sich dann entfernte. Er seufzte. „Wo ist Tarrior da nur hinein geraten“: überlegte der Dunmer, der sich wünschte jetzt wieder auf einem Handelsschiff zu sein und die kranken Seeleute zu heilen, anstatt sich in politische Verwicklungen zu stürzen, die er nicht annähernd durchschaute. Aber gerade das Schicksal seines Vaters gab ihm den Willen sich dem entgegenzustellen.

Als er erschöpft wieder in Vos ankam und sich ins Handelshaus zurückzog, wurde ihm allerdings bewusst, wie wenig er bei der Rettung seines Vaters, den er eigentlich immer noch eher als Freund denn als Vater sah, weiter gekommen war. Er selbst wollte sich gegen Behram Merdanz und seine Horde von Animunculi und treuen Wächter stellen – allein. Er hatte Tarrior damals davon abhalten zu wollen, sich allein mit dem Telvanni anzulegen und jetzt befand sich der Heiler selbst in dieser Lage. Keiner war bereit zu helfen. Wie sollte er nur allein gegen all diese Krieger ankommen. Überhaupt war ein lautloses Herangehen wahrscheinlich der beste Weg in den Turm und doch war auch das nicht gerade das, was er tun konnte. „Ich bin Heiler verdammt noch mal“: ließ er seinen Unmut nur einmal gesprochen freien Lauf, doch im Schankraum ging diese klägliche Klage in der Geräuschkulisse einfach unter. Er wusste selbst, dass es wohl besser wäre, anstatt zu trinken, nach Söldnern Ausschau zu halten, aber was sollte ihm das schon nutzen. Die fähigsten Waffenarme fanden sich da draußen im Feld gegen die Daedra und mit einem plumpen Barbaren an seiner Seite käme er nicht einmal durch die Stadttore denn geschweige in den Turm hinein. Er seufzte, starrte ins Leere und hoffte ein Wunder, während sich in Gedanken eine immer stärkere Mordlust gegen den Mann aufbaute, der nicht nur Tarrior sondern nun auch ihn in diese Angelegenheit hinein gezogen hatte – Behram Meradanz.