Tirians Weg führte ihn von der Kammer weg direkt wieder in die tieferen Bereiche der Festung. Es schien den Wachen egal zu sein, dass er sich hier aufhielt. Womöglich waren sie von Illucaria noch gar nicht instruiert worden. Egal aus welchem Grund, er war froh darum, dass sie ihn nicht behelligten und er in aller Ruhe nach seiner verschwundenen Begleiterin suchen konnte. Er glaubte wirklich nicht, dass sie ihn für die verrückte Söldnerin sitzen lassen würde. Er glaubte es einfach nicht. Er wusste, dass sie ihren Auftrag nicht so einfach hinwerfen würde. Nicht nur, dass sich ihre ‚Gastgeberin’ sich zuvor verplaudert hatte, Lyviani - Dreveni, verbesserte sich Tirian in Gedanken – hatte zuvor auch mehr als deutlich gemacht dass sie nicht viel von der Söldnerhauptfrau hielt. „Doch wo ist sie jetzt?“: fragte sich der Heiler, als er sich weiter durch die Festung bewegte. In ihrer Kammer war sie nicht mehr anzutreffen, ebenso wenig wie ihre Kleidungsstücke. Bei Tirian machte sich der schreckliche Verdacht breit, dass die Altmer sie womöglich gefangen gesetzt hat und zwingen will, sich ihr anzuschließen. Dies war auch der Grund, warum seine Schritte sich doch allmählich dem Kellergewölbe der Festungsanlage näherten. Dort waren die Zellen der Sklaven. Wenn er an Illucarias Stelle jemanden einzusperren hätte, würde er es auch dort tun. Außerdem befanden sich dort auch nicht nur die Zellen, in denen die Söldnerin ihre Unfreien einkerkerte, sondern auch zwei verschlossene Räume, die dem Dunmer wie gemacht erschienen um dort jemanden gefangen zu setzen. Er hoffe die Assassinin genau an diesem Ort anzutreffen. Aber noch etwas Anderes zog ihn geradezu magisch nach dort unten. Die zwei Gelegenheiten zu denen er an den verschlossenen Räumen vorbei gekommen war, als der Attentäter der Morag Tong seinen Anschlag auf Dreveni verüben wollte, hatten ihm unsägliche Kopfschmerzen bereitet, aber eben nur wenn er sich dort in der Nähe dieser Räume aufhielt, sodass sie auch stärker wurden, wenn er sich ihnen näherte. Ein Gefühl, wie es ihn auch jetzt wieder überkam – ein dumpfes Pochen, das mit jedem Schritt in Richtung Kellertreppe immer mehr im Innern seines Schädels zu klopfen und zu drücken begann. *poch* *Poch* *POCH* *POCH!* Immer kräftiger, bis der Druck nicht mehr nur dumpf war, sonderlich deutlich dröhnender.

Tirian schüttelte den Kopf und versuchte das Gefühl zu ignorieren, seine Gedanken wieder auf die eigentliche Sache zu fokussieren. Den Kopfschmerz verbannte er für den Moment in einen hinteren Winkel seiner Wahrnehmung. Wieder dachte er an die Kammern im Keller und die seltsame Ausstrahlung die sie hatten und sie scheinbar auch nur auf ihn zu haben schienen. Das Illucaria selbst bei brennendem Kopfschmerz nicht einmal mit der Wimper zucken würde, konnte er noch glauben und sich vorstellen, aber er war sich sicher, dass Dreveni oder zumindest die Khajiit-Sklaven ein Anzeichen gezeigt hätten, wenn ihnen ebenso wie ihm Etwas Pein bereitet hätte. Irgendetwas musste die Altmer dort unten verstecken, an dem er interessiert war. Irgendetwas schien er, Tirian wusste selbst nicht wieso, zu spüren. War es vielleicht etwas Magisches? Auch dies wollte der Dunmer heraus finden und natürlich Dreveni zu befreien, wenn Illucaria sie wirklich am unteren Ende der Treppe festhielt, auf die er nun zusteuerte. Söldner sah er nun nicht mehr. Im funzeligen Fackellicht, das ohnehin bestimmend für das Innere des mächtigen Trutzbaus war, bewegte er sich schnell nach unten. Er mochte sich nicht ausmalen, was passierte, wenn die Altmer feststellte, dass der Guar noch im Stall stand und daran bemerkte, dass er die Festung noch nicht verlassen hatte. Sie wollte Dreveni unbedingt und da konnte er ihr nur im Weg stehen.

Beim Abstieg merkte er schnell, wie die Schmerzen in seinem Kopf zunahmen, je näher er seinem Ziel kam. Das Pochen ging nun deutlich im Gefühl von Nadelstichen unter. Seinem Willen die Türen aufzustoßen, Dreveni zu finden und auch dem Geheimnis hinter diesem Kopfschmerz auf die Spur zu kommen, tat das keinen Abbruch. Zwar nagte die Pein an seiner Konzentration, aber beirren ließ er sich nicht. Schließlich langte er auch schon unten an und hatte die geheimnisvollen, wie üblich verschlossenen Durchgänge im Blick. Erst als Tirian sie direkt ansteuerte, ging ihm auf, dass er eigentlich keinerlei Ahnung hatte, wie er sie aufbekommen sollte. Schlösserknacken zählte leider nicht zu seinen Talenten und ein entsprechender, praktischer Zauber entzog sich leider auch seinem Wissen. Tarrior hatte ihn seinerzeit darauf hingewiesen, dass derlei Magie auch in allerlei legalen Situationen von Nutzen sein konnte, sei es um in einer Ruine voranzukommen oder einen uralten Schatz zu heben, nicht zuletzt aber um sich Zugang zum eigenen Haus zu verschaffen, wenn man sich dummerweise ausgeschlossen oder den Schlüssel verloren hatte. Der Heiler allerdings hatte auf seinen Freund nicht hören wollen. Natürlich hatte er geglaubt auch nie in eine solche Situation zu kommen. Jetzt ging es allerdings nicht um einen verlorenen Schlüssel oder irgendeinen Schatz, den er zu seiner persönlichen Befriedigung heben wollte. Nein. Hier ging es womöglich um das Leben von Dreveni und das mochte unter anderem davon abhängen, dass er nun diese Türen aufbekam.

Guter Rat war nun teuer, als der Dunmer seine Hand auf die Klinke legte und sie eher in einem Anflug von Hilflosigkeit als einem bewussten Versuch hinunter drückte. Umso überraschter war er, als sie plötzlich nach innen aufschwang und er ihr stolpernd in einen dunklen Raum folgte. Nur das Fackellicht aus dem Kellergang erhellte in einem breiter werdenden Kegel das Innere der Kammer und enthüllte Berge von Kisten, Tüchern und Körben. Ein betäubender Geruch fasste Tirian ein. Es roch… nach allem möglichen. Der intensive Geruch verschiedener Kräuter, der von frisch würzig bis bestenfalls übel riechend reichte, überdeckt vom schweren Duft exotischer und einheimischer Gewürze, angereichert durch das Aroma mitunter nasser Felle und Tücher, dem Odeur eingelegter Nahrungsmittel deckte sich mit dem Odeur feiner Düfte, die Tirian einem Haufen Kreckenseife und mit farbigen Flüssigkeiten gefüllten Fläschchen zuschrieb. Er war direkt in ein Beutelager dieser Söldner gestolpert. In Anbetracht der Art der hier gelagert waren, waren es aber aus Sicht der Heilers viel eher Banditen. Es war mehr als offensichtlich, dass Illucarias Bande hier allerlei Handelsgüter hortete und die waren gewiss nicht ihr Eigentum. Offenbar war die Altmer sich nicht zu schade auch vorbeiziehende Händler um ihr Hab und Gut zu erleichtern. Er schüttelte den Kopf. „Diese Frau hat kein Gewissen“: stellte er beim Anblick des aufgeschichteten Diebesgutes fest und wandte sich, die Tür hinter sich schließend, ab. Hier war Dreveni nicht und der Dunmer hatte auch Nichts entdecken können, dass irgendwie für seine Kopfschmerzen verantwortlich sein konnte. So wandte er sich der zweiten Tür zu.

Es passte. Das Stechen wurde nun noch intensiver, als er direkt vor dem massiven Holz dieses Durchganges stand. Diesmal probierte Tirian die Klinke gleich, bevor er sich wieder in Hilflosigkeit verlor, doch diesmal wäre dies angebracht gewesen. Die Klinke ließ sich zwar drücken, aber dem Heiler blieb Nichts als das hilflose Rütteln an der verschlossenen Tür, denn aufdrücken ließ sie sich nicht. Die gleiche Situation wie eben zuvor. Was sollte er nun tun? Noch als er überlegte, wie er sein Ziel am besten erreichen konnte, hörte er schwere Schritte und angestrengtes Keuchen die Treppe hinunter dringen. Der Heiler löste sich rasch von der Tür und eilte den Gang hinunter, um sich in den Eingang zu den Baderäumen zu drücken, in denen sich im Moment glücklicherweise niemand aufhielt. „Packt das Zeug in die vordere Kammer“: hörte er aus seinem Versteck eine raue Männerstimme. Mit einem Poltern wurde deutlich hörbar die Tür aufgestoßen. Ächzen war zu vernehmen. Das ging eine Weile so. Tirian vermutete, dass die Söldner gerade dabei waren irgendwelche Waren zu verstauen. „Was ist in der Truhe?“: hörte er die Stimme wieder. Eine zischende Frauenstimme antwortete: „Schmuck, Perlen und so ein Kram.“ Eine kurze Pause. „Das sind keine Handelswaren. Die kommen in das ‚Schatzdepot’ rein“: meinte der Befehlsgeber daraufhin. Schatzdepot betonte er so, dass es dem Wort einen lächerlichen Klang gab. „Ich schließe auf“: fügte er noch an und das Klimpern eines Schlüsselbundes ließ den Heiler aufhorchen. Er lehnte sich nach vorne und konnte sehen, wie ein Nord in einer abgewetzten Lederrüstung tatsächlich die Kammer aufschloss, in die er hinein wollte. Ein Bretone in seinen Vierzigern und eine adlergesichtige Dunmer mit einem Irokesen drängten sich mit einer schwer aussehenden, beschlagenden Truhe vorbei.

Der Nord drehte seinen Kopf. Umgehend zog Tirian seinen zurück. Mit klopfendem Herzen hoffte er, dass der Söldner ihn nicht bemerkt hatte. Anscheinend war das auch der Fall. Zumindest näherten sich ihm keine Schritte. „Gut das war es“: zischelte die Frau wieder. Das Klimpern der Schlüssel war wieder zu hören. „Verdammt“: schoss es Tirian durch den Kopf: „nicht abschließen.“ In diesem Moment ertönte die Stimme der Bretonin wieder: „Lass die Tür geöffnet. Ich hab keine Lust nachher noch einmal solange mit ner schweren Truhe zu warten, bis du den richtigen Schlüssel ins Schloss gefriemelt hast. Du kannst ja immer noch abschließen, sobald wir keinen Trupp mehr zurückerwarten.“ Der Nord machte nur einige dumpfe Hmmpf-Geräusche. Erst nach einigen Augenblicken gab er nach: „Du weist ja nicht, was die Chefin mit mir macht, wenn etwas aus dem Lager gestohlen wurde. Aber na schön.“ Bei den ersten Worten klang er reichlich kleinlaut. Illucaria mochte eine noch so fiese Schlange sein, aber eines musste Tirian leider zugeben – ihre Söldnerbande hatte sie wirklich vollends im Griff. Dem Heiler schauderte allerdings bei dem Gedanken daran, wie sie sich solche Kerle gefügig machen konnte. Er schüttelte diese Überlegungen ab und widmete sich seinem eigentlichen Ziel, als diese Banditen endlich abzogen, nachdem ihr Diebesgut verstaut war. Gewiss hatten sie das Zeug, das gerade eingelagert worden war, einem unschuldigen Händler abgenommen.

Er schlich an die Tür heran, horchte noch einmal die Treppe hoch, ob auch niemand kam und drückte dann die Klinke nach unten. Tirian war kaum über die Schwelle getreten als ihn die Kopfschmerzen abermals mit voller Wucht überkamen und er sich ein leichtes Aufkeuchen nicht verkneifen konnte. Wieder erhellte nur traniges Fackellicht aus dem Gang draußen die Kammer, doch diesmal wollte der Heiler mehr sehen und ergründen, was Illucaria in ihrem „Schatzdepot“ aufbewahrte. Außerdem war es gefährlich die Tür offen zu lassen. Wer wusste schon, wann genau die nächsten Ladungen verstaut werden mussten und ob nicht jemand anders zwischenzeitlich hier entlang kam, die offene Tür bemerkte und noch nachgiebiger seiner Herrin gegenüber wäre und sie direkt über die ungesicherte Schatzkammer informieren würde. So ging er noch einmal kurz nach draußen, nahm sich eine der vielen Fackeln von den Wänden, um damit einen silbernen Kerzenleuchter mit halb herunter gebrannten Leuchtstummeln zu entzünden, den er im Lichtkreis der Tür in der Kammer seitlich des Zugangs auf einem Tisch hatte entdecken können. Die Stummel fingen schnell Feuer. Die Flammen bauten sich schnell zu voller Größe auf und entrissen den Raum der Dunkelheit, auf den Tirian aber kaum einen Blick warf, weil seine Aufmerksamkeit dem Zurückbringen der Fackel und dem nochmaligen Lauschen in Richtung Treppe galt. Erst als er die Kammer hinter sich schloss, war er soweit beruhigt, dass er sich nun – den Leuchter in der Hand haltend – dem Inhalt des Raumes zuwandte. Von Dreveni war keine Spur zu sehen, aber das hatte er auch nicht mehr erwartet, nachdem klar geworden war, dass die Altmer hier ihre Schätze bunkerte. Zwar fragte er sich, wo die Dunmer womöglich sonst festgehalten werden könnte, ohne dabei jedoch auf eine Antwort zu kommen, widmete sich aber unter verstärkten Messerstichen im Kopf deren Quelle ausfindig zu machen.

Sein Blick folgte dem Licht des Kerzenhalters, das fortwährend neue Kisten und Schalen mit Schmuck, aufwendigen Gefäßen, silbernen oder goldenen Schalen, Körbe gefüllt mit wertvollen Juwelen oder billigeren Halbedelsteinen. Daneben hingen feinsäuberlich auf Rüstungspuppen oder in Ständern Bewappnungen und Waffen feinster Machart oder teures Material wie Ebenerz oder Vulkanglas. Gerade auch hübsche Glasarbeiten als letzterem Material neben der eigentümlichen Bronze einiger mehr oder weniger unförmiger Dwemer-Artefakte, die Tirian nicht beschreiben oder gar einem Verwendungszweck oder einem bestimmten Namen zuordnen konnte. Wiederum etwas prunkvoller ausgestellt, fanden sich offenbar auch einige rituelle Waffen als auch, der magische Hauch war unverkennbar spür- als auch schimmernd sichtbar, ein paar Artefakte. In einer liebloseren Ecke türmten sich offene Kisten mit gemischtem Tand und vor allem Stapeln an Büchern. Die Altmer schien wirklich wie eine Elster alles zusammen zu räubern, dessen sie hier in der Gegend habhaft werden konnte.

Von den Artefakten aber, die er nun genauer im Verdacht hatten, schienen die seltsamen, peinigenden Schmerzen nicht zu stammen. Vielmehr führte ihn das unangenehme Gefühl in eine dunklere Ecke des Raumes. Das Licht des Kerzenhalters schob sich flackernd über ein voll gestelltes Regal, in dem wertvoll aussehende Keramik untergebracht war. Tirians Blick blieb allerdings bei einer, zwischen zwei hohen Schalen regelrecht eingeklemmten, Steinfigur hängen, die aus einem dunklen, roten Gestein gefertigt war. Der Heiler trat näher heran, um im Kerzenlicht noch mehr Einzelheiten ausmachen zu können. Die Augen der Statue schienen zwei kleine Rubine zu sein. Ein noch größerer, blutroter Stein prangte in der Stirn der Figur, die etwas Gruseliges und Widernatürliches an sich hatte und doch war er so fasziniert von dem Anblick, er wusste gar nicht wieso, dass er sogar seine Kopfschmerzen einen Moment vergaß. Er starrte die Skulptur an, glaubte plötzlich ein leises Rauschen wie das fast unmerkliche wispern von Stimmen im Wand zu hören und verlor sich schließlich gänzlich im roten, stoischen Blick der kleinen Steinfigur.

Plötzlich fuhr ihm roter Schmerz durch den Kopf. Es war ihm, als würden glühende Eisen direkt in sein Gehirn geschoben und als würden ihm die Augen ausgebrannt und zerrissen. Er konnte nicht einmal vor Schmerz schreien. Der gepeinigte Laut blieb ihm im Halse stecken, während aus seiner trockenen Kehle nur noch ein Krächzen entwich. Schließlich verdrehte er, die Steinfigur immer noch fixierend, seine Augen, bis statt des üblichen tiefen Rots nur noch weiß zu sehen war und fiel schließlich bewusstlos zu Boden. Das Scheppern des Kerzenhalters, als auch dieser auftraf, nahm er schon nicht mehr wahr.