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Drachentöter
Weidenländer, Falensarano
Dreveni merkte, wie Tirian ihrem Blick auswich, als er neben der Leiche kniete, und versuchte, noch den Puls des Dunmers zu fühlen. Lass es gut sein. Ihm kannst du nicht mehr helfen., dachte sie sich, da schnippte die verrückte Altmer auch schon ihre Söldner herbei, um die Leiche zu entsorgen. Wo bei Mephala war sie hier nur gelandet? Ausdruckslos beobachtete sie das treiben, auch wie die beiden Sklaven herbeigerufen wurden, auf ihren Einwand hin, dass sie hier noch etwas zu erledigen hatte. Die Altmer schien wild entschlossen, ihr unbedingt einen auszugeben, und ihr viel kein Grund ein, das auszuschlagen. Es wäre ohnehin mehr als schlecht, sie zu verärgern.
Schließlich wurde sie von der Söldnerin fast aus dem Raum gezogen, da hörte sie, wie ihr der Heiler hinterher rief: "Du bist wie sie!" Sie schloss kurz die Augen, aber es traf sie nicht wirklich. Nein, sie war nicht wie die Söldnerin. Sie war eine Assassine, genau wie der Dunmer, den sie gerade getötet hatte. Und auch wenn Tirian es nicht sehen wollte, wusste er doch seit Vos genau, wer - oder besser was - sie war. Und daran konnte weder er noch sonst jemand etwas ändern, egal, wie oft er noch bat, dass sie jemanden verschonen sollte. Es war einfach ihre Welt, in der galten andere Gesetze als es Tirian gewohnt war.
Sie hätte ihn gehen lassen sollen.
Bei diesem Gedanken verzog sich ihr Mund zu einem bitteren Lächeln. Wenn es doch nur so einfach hätte sein können. Glaubte Tirian wirklich, der Assassine wäre auf Knien rutschend von Dankbarkeit aus der Festung verschwunden?
Über diese Gedanken merkte sie gar nicht, dass sie schon die Gaststube erreicht hatten, und sie von der Söldnerin in einen Stuhl gedrückt wurde. Sie bemühte sich, gute Miene zu dem ganzen zu machen, um die Altmer auf keinen Fall zu reizen.
"WEIN!", brüllte die Söldnerin einem ihrer Männer in Ermangelung eines Sklaven zu. "Den Guten. Nicht den Dreck, den die Händler und ihr bekommt",rief sie noch hinterher.
Dreveni zuckte bei dem Gebrüll der Söldnerin kurz und fast unmerklich zusammen, und wurde dadurch endgültig aus ihren Gedanken gerissen. Hier unten brannten immer noch die Öllampen und Fackeln, und von irgendwoher waren auf einmal auch wieder einige der Söldner gekommen. Wurde es schon wieder morgen? Sie hätte es beim besten Willen nicht sagen können.
Inzwischen waren die Männer mit dem Wein und ein paar Kelchen wieder aufgetaucht, einer davon wurde vor Dreveni auf den Tisch geknallt, die beschlossen hatte, außer einem freundlichen: "Danke", in Richtung er Altmer erst einmal gar nichts zu sagen, und sich statt dessen das mittlerweile geronnene Blut von der Wange zu wischen.
Die Altmer goss den Wein für beide ein. "Rot wie Blut, schwer Blut, nur nicht so eisern", meinte sie kichernd. "Der hier ist aus Hochfels. Ein gutes Anbaugebiet. Schwere, gute Böden. Das Land dort hat viel Blut gesehen. Man schmeckt diese Note im Wein", sagte sie und nahm einen großen Schluck. "Ah hervorragend. Lasst uns nun auf diesen herrlichen Kampf anstoßen": sprach sie feierlich und erhob ihren Kelch. Sie sah Dreveni auffordernd an.
Bei den letzten Worten der Altmer waren alle Zweifel ausgeräumt, die Dreveni vielleicht noch zu dem Geisteszustand der Söldnerin gehegt hatte. Die Frau war komplett irre, und schien auch noch einen seltsamen Fetisch zu haben, was Blut anging. Nicht dass Dreveni mit Blut an sich ein Problem gehabt hätte, nur konnte sie auf dessen Geschmack gut verzichten, was sie gerade wieder gemerkt hatte, als sie den Assassinen in die Hand gebissen hatte. Es blieb ihr aber nichts anderes übrig, als das Spiel der anderen mitzuspielen, und so hob sie den Kelch ebenfalls um mit ihr anzustoßen: "Auf den Kampf. Auf den Sieg über diese elende Ratte, möge sie in der Kanalisation verrotten." Dabei schaffte sie es tatsächlich noch, einen leicht fiesen Ton in ihre Stimme zu legen, obwohl sie eigentlich am liebsten nur noch hier raus wollte. Auf das Plateau auf der Festung, ihretwegen auch noch in die Kammer - solange dort nicht Tirian war - nur weg von dieser Verrückten.
Und weg von diesem Lärm, sie musste nachdenken, und das konnte sie hier und jetzt wirklich nicht.
Die Altmer lächelte und nahm noch einen kräftigen Schluck. "Ihr seid vom richtigen Schrot und Korn, Dreveni. Das lässt sich über euren Freund nicht gerade sagen", meinte sie. "Warum zieht ihr überhaupt mit solch einem Hasenfuß über Land?": wollte sie wissen.
Dreveni nippte ebenfalls an dem Wein, der tatsächlich so gut war, wie die Söldnerin versprochen hatte. "Wir haben einen Vertrag, und er zahlt gut.", antwortete sie, ohne konkret zu werden und sah die Altmer dabei wachsam an.
"Er ist also gar kein Freund von euch? Das ist ja hervorragend, ich wollte auch schon an euch zweifeln. Ein Kunde also? Egal was er euch geboten hat. Ich zahle besser und bei mir müsst ihr euch nicht mit seinem Gewissen herumschlagen. Das wäre ja auch langweilig", sagte die Altmer. "Ich hätte ihm vermutlich schon längst die Zunge rausgeschnitten", überlegte sie laut und schwenkte den Rest wein in ihrem Kelch. "Manche Nord fertigen sich aus den Zungen und Ohren ihrer Gegner Halsketten an...", schweifte sie gedankenverloren ab.
Halsketten... Das war ein gutes Stichwort, dachte sich Dreveni. Auch wenn sie sich selber auf die Ohren dieser arroganten Ziege beschränken würde. "Es gibt da noch weitere Vereinbarungen...", antwortete Dreveni vorsichtig, während sie mit der Hand den Stiel des Kelches entlang strich. "An was für Aufträge hättet ihr denn gedacht?", fragte sie schließlich noch, während sie überlegte, wie sie sich da am besten rausreden konnte. Da fiel ihr Blick auf einen Dunmer, der sich schräg hinter die Altmer an einen der Tische gesetzt hatte. Er sah ebenfalls zu Dreveni herüber, so konnte sie sein Gesicht voll sehen. Über der rechten Gesichtshälfte zog sich eine Narbe von der Stirn übers Auge bis zum Mundwinkel, aber abgesehen davon sah er nicht schlecht aus. Auch das was sie von seinen Oberarmen unter der kurzärmligen Tunika sehen konnte, wirkte vielversprechend. Sie ließ sich nur kurz ablenken, dann glitt ihr Blick wieder zu der Söldnerin.
Die Altmer folgte unmerklich Drevenis Blick. "Wenn ihr euch gut macht, sehr viele. Ihr könntet uns begleiten. Im Moment allerdings habe ich eine Diamantenmine an der Grenze zur Molag Amur ins Auge gefasst. Sagen wir, dass wir noch Gelder aus unserem Vertrag von dort erwarten, aber bisher nicht bekommen haben. Natürlich wollen die dortigen Verwalter Nichts davon wissen, dass wir ein Abkommen getroffen haben, behaupten es gäbe keinen Vertrag und solche Sachen. Aber natürlich haben wir die Daedra auch für die ferngehalten und deshalb verlange ich eine entsprechende Entlohnung dafür - natürlich in Naturalien. Stellt euch Schatullen voller Diamanten vor. Da ich natürlich nicht riskieren will, dass wir noch einmal ausrücken müssen, wenn die Raten ausbleiben, wäre es doch gut, wenn ein paar von meinen Jungs dort blieben und sie freundlich an ihre Abgaben erinnerten. Zuvor müssen aber noch ein paar Wachen aus dem Weg geräumt werden, die unberechtigterweise Anspruch auf meine Edelsteine erheben", erzählte sie von dem Auftrag und ballte beim letzten Satz wütend die Fäuste. Dann entspannte sie sich ebenso schnell wieder. "Was auch immer das noch für vertragliche Verpflichtungen sein mochten, ich bin mir sicher, dass der Glanz ein paar schön funkelnder Steinchen, doch sicher eine gute Entschädigung sein dürfte", sagte sie und genoss noch etwas Wein.
Dreveni hörte dem Angebot der Altmer geduldig zu, und wechselte dabei noch den einen oder anderen Blick mit dem Dunmer hinter dieser.
Es klang wirklich verlockend, was die andere erzählte, wäre Dreveni eine Söldnerin gewesen. War sie aber nicht, und tatsächlich hatte sie spätestens jetzt den festen Vorsatz gefasst, dass dies der absolut letzte Auftrag dieser Art war, den sie annehmen würde. Von nun an würde sie wieder ausschließlich allein arbeiten, und sich auf das beschränken, was sie konnte und mit Leidenschaft tat, und nichts anderes.
"Das Angebot klingt in der Tat verlockend.", antwortete sie schließlich, wobei sie der Altmer fest in die Augen sah. "Und ich hoffe ihr habt Verständnis, dass ich euch nicht jetzt sofort eine Zusage erteilen kann.", versuchte sie sich unauffällig aus der Affäre zu ziehen und gleichzeitig die Söldnerin in dem glauben zu lassen, dass sie das Ganze ernsthaft in Erwägung zog, "aber da gibt es tatsächlich noch die eine oder andere Sache mit meinem Begleiter wenigstens zu klären. Ich muss zumindest noch einmal kurz mit ihm sprechen. Später. Wenn sich seine schwachen Nerven wieder etwas beruhigt haben.", fügte sie noch mit einem zynischen Lächeln hinzu, und hielt der Altmer wieder den Kelch zum Anstoßen hin. Vielleicht ergab sich ja Tagsüber die Gelegenheit, unauffällig zu verschwinden. Da fiel ihr Blick wieder auf den Dunmer, der ihr inzwischen mehr als eindeutige Blicke zuwarf. Warum eigentlich nicht?
"Darüber nachdenken!", rief die Altmer aus und lachte. Dann legte sie ihre Hand auf Drevenis und strich sacht darüber. "Das ist gut, dass ihr darüber nachdenken wollt", sagte sie und lächelte verständnisvoll. Im nächsten Augenblick straffte sich ihr Arm und zog Dreveni überraschend zu sich über den Tisch. Mit verengten Augen schaute sie ihr Gegenüber an. "Vielleicht denkt ihr dabei auch gleich darüber nach, wie ihr besser lügen solltet! Ihr meintet wohl ihr würdet euch mit eurem Begleiter heimlich davonstehlen. Das wolltet ihr doch sagen, oder?! ODER?!", fuhr sie die Assassinin an. Sie ließ ihrem Arm los und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. "Soll euch Zeit zum Nachdenken geben, während ich eurem Begleiter hier die Haut bei lebendigem Leibe abziehen lasse und ihm das kleine naive Herz durchbohre!? Dann gibt es keinen Vertrag mehr zu erfüllen!", fragte sie, nur um sich dann wieder vorzubeugen und ruhig von ihrem Wein zu trinken. "Ich kann euch natürlich nicht zwingen. Ich weiß das nur zu gut. Mein Vater wollte mich auch zwingen Hofmagierin in Summerset zu werden. Stellt euch das vor. Hofmagierin für einen König, der selbst der Magie mehr als mächtig ist!": sagte sie dann wieder mit ruhigerer Stimme. "Ihr seid wie eine Zwillingsschwester. Wir sind uns ähnlich, daher verstehe ich das. Also denkt noch einmal über mein Angebot nach": wechselte sie nun zu einem gönnerhaften Tonfall und lächelte wieder, um dann nochmals die Kelche zu füllen.
Dreveni hatte, während sie von der Altmer im wahrsten Sinne des Wortes über den Tisch gezogen wurde, die andere Hand fester um den Griff des Dolches des Assassinen geschlossen, welchen sie unter dem Tisch auf ihrem Schoß liegen hatte. Ihr kam langsam der Gedanke, ob ihr der Rest der Söldnerbande nicht dankbar wäre, wenn sie dieses kranke Weib einfach abstach. Hier, mitten in der Gaststube. Sie mochte vielleicht in den letzten Wochen etwas aus der Übung sein, aber sie traute sich noch absolut zu, ihr Stilett in einem Auge der Altmer zu versenken, noch bevor jemand auch nur auf zwei Schritte heran war. Andererseits hatte sie nie selbstmörderische Tendenzen verspürt, wenn es um die Erledigung eines Auftrags ging, und so war ihr das Risiko zu groß, dass ihre Gedanken falsch sein könnte.
"Es freut mich dass ihr es versteht. Es geht mir auch weniger um meinen kleinen, feigen Begleiter. Ich möchte mir - uns - nur gerne alle Optionen offen halten. An diesem Auftrag hängt nämlich mehr als nur dieser kleine Dunmer. Und falls es sich jemals ergibt, möchte ich uns den Weg in Cyrodiil nicht unnötig erschweren. Was leider der Fall wäre, würde dieses Jüngelchen zu Schaden kommen. Deswegen muss ich mich mit ihm im Guten einigen."
Sie hoffte ernsthaft, dass diese Irre die Finger von Tirian lassen würde. Andererseits konnte der Heiler sich seiner Haut schon gut erwehren, wenn es sein musste.
Da merkte sie wieder den Blick des Dunmers auf sich, und sie fragte, auch um das Thema zu wechseln: "Gehört der da zu euch?", und nickte dabei leicht in seine Richtung.
Die Altmerin zog einen Schmollmund. "Überlegt es euch. Das Angebot steht weiterhin. Cyrodiil ist doch so ein langweiliger Flecken", bedauerte sie. Erst dann folgte sie dem Nicken. "Ihr beobachtet ihn schon eine Weile. Er ist auch ein schönes Stück Fleisch, nicht wahr?", sagte sie und leckte sich über die Schneidezähne. "Ja er gehört zu meinen Männern. Ganz unter uns. Er hat sich regelrecht darum gerissen, euch beobachten zu dürfen. Ich wollte den großen Jungen nicht dadurch enttäuschen, dass ich ihn auf euren Begleiter ansetze", meinte sie und sprach dem Wein weiter zu. "Ich kann ihn nachher auf eure Kammer schicken und dafür sorgen, dass sich euer Kunde eine Weile nicht dort blicken lässt", bot sie gönnerhaft an. "Er dürfte auch schon etwas ausgehungert sein. Von den Sklavinnen sind leider nur noch die Katzen und Echsen da und die sind wohl unter seiner Würde", plauderte sie ganz offen.
Während Dreveni wieder den Stiel ihres Kelches mit den Fingern entlang fuhr, und der Söldnerin einen Augenaufschlag schenkte, der ihre Zustimmung zu dem "schönen Stück Fleisch" ausdrücken sollte, entstand in ihrem Kopf ein Bild, wie schön sich die Schneidezähne der Altmer zwischen ihren Ohren an der Kette machen würden. Und erst die Eckzähne...
"Lasst den Kleinen nur in der Kammer schlafen, sonst wird er wieder quengelig wenn er übermüdet ist. Ich denke ich finde schon eine ruhige Ecke mit ihm...", wobei sie wieder leicht zu dem Dunmer hinüber nickte. Um Drevenis Lippen spielte nun ein feines Lächeln und der Blick dem sie der Söldnerin zuwarf, war mehr als eindeutig.
Jetzt wo sie schon hier war und gezwungen war, das irre Spiel mitzuspielen, konnte sie auch gleich in die Vollen gehen. Warum auch nicht?
Mit dem Dunmer da hinten würde sie schon fertig werden, sollte es sich anders entwickeln als geplant, und außerdem wurde es verflucht noch mal wieder einmal höchste Zeit, während der ganzen Reise mit Erynn und Arranges, überhaupt schon während der ganzen Sache mit Feryns Auftauchen in Cyrodiil hatte sie nicht einmal auch nur nach einer Gelegenheit Ausschau gehalten. Und sie konnte sich so hoffentlich bald von der Altmer loseisen.
Wenn alle Stricke rissen, mussten sie es eben doch irgendwie schaffen, zu entkommen. Unsichtbarkeitszauber halfen schon viel, und die Stalljungen bei dem Guar konnte sie immer noch niederschlagen oder meucheln, da sie das Tier nur ungern zurück lassen würde. Und zur Not würde sie Tirian gefesselt und geknebelt hinter sich her schleifen, wenn er wieder Einwände gegen ihre Vorgehensweise hatte.
"Ich denke ihm wäre auch dieser Tisch hier recht. Zumindest die Bar fand er damals mit einer der Sklavinnen schon sehr einladend. Seid doch so gut und spielt noch etwas die Unnahbare. Er liebt es zu glauben, dass er eine Frau bezwungen hat. Er spielt das dann auch aus. Er mag es dann kräftig und ruppig. Das gibt ihm dabei wohl ein Gefühl von Macht oder was auch immer... Er ist halt ein großer Junge, der seine Bestätigung braucht. Leider hält er nicht gar so lange durch, wie er den Anschein erweckt. Gebt ihm doch bitte das Gefühl, ansonsten ist er wieder grummelig", bat die Altmer und trank den Rest deines Weines direkt aus der Flasche. "Hm danach muss ich für euch wohl einen anderen Wächter suchen", sagte sie dann und lachte. Sie wandte sich zum Gehen. "Ich hoffe euer kleiner Begleiter wird nicht eifersüchtig": lachend entfernte sie sich und legte dem Söldner eine Hand auf die Schulter, bevor sie ging.
Dreveni sah der Söldnerin mit gemischten Gefühlen nach. Wie hieß sie überhaupt noch mal? Ilucaria, oder etwas in der Art, erinnerte sie sich.
Sie ließ noch einen letzten Blick zu dem Dunmer schweifen, bevor sie sich wieder dem Kelch vor ihr widmete. Mit jemanden, der sich seine Hände an diesem Miststück beschmutzt hatte, wollte sie an sich nichts zu tun haben. Dumpf brütend starrte sie so eine Weile vor sich hin. Was mochte Tirian jetzt wohl gerade treiben? Sie hoffte wirklich, dass diese •••••••• von Altmer ihn in Ruhe lassen würde. Vermutlich hatte sich die weitere Reise gemeinsam ohnehin erledigt. Sie hatte sehr wohl gemerkt, wie Tirian sie angesehen hatte, und langsam kam ihr der Verdacht, dass das ganze Unternehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Und irgendwie tat ihr das mehr leid, als sie gedacht hatte. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte sie nie einen Mer wie Tirian getroffen, höchstens in einem ihrer Opfer, aber wenn, dann hatte sie es nicht erfahren da sie sich nie so lange mit ihnen befasst hatte. Auch wenn er sie einen nicht unwesentlichen Teil ihrer gemeinsamen Zeit genervt hatte mit seiner Einstellung, lag ihr doch mehr an ihm, als gut war.
Währen sie den Kelch in ihren Händen auf dem Tisch gedreht und die Bewegung des Weines darin beobachtete, hatte sich der Dunmer an ihren Tisch gesetzt. Dreveni war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie es erst merkte, als sie mit leiser Stimme, in der der leichte Akzent Vvardenfells lag, angesprochen wurde: "Nehmt euch in Acht."
Dreveni blickte auf und sah direkt in die Augen des Mannes, den sie vorhin noch beobachtet hatte. Aus der Nähe betrachtet waren sie noch schöner, zwar hatten sie nicht den dunkelroten Ton, der Dreveni sonst so faszinierte, statt dessen waren sie von einem fast stechendem, hellen Rot, mit dem sie einen aber genauso eindrucksvoll ansehen konnten.
Ihr Blick ruhte einen Moment auf dem scharf geschnittenem Gesicht mit der langen Narbe auf der rechten Seite - er hatte Glück gehabt, dass er nicht sein Auge verloren hatte, schoss ihr durch den Kopf - bevor sie ihm mit abweisender Stimme antwortete: "Wollt ihr nicht lieber der Altmer zeigen, wer der Herr im Hause ist? Vielleicht gleich hier?", dabei deutete sie auf den Tisch neben dem, an dem sie selbst saß.
Gleich darauf bereute sie ihre Worte, weniger dem Dunmer gegenüber, vielmehr wusste sie nicht, ob er nicht gleich zu seiner Chefin laufen würde. Aber immerhin hatte diese ja mehr oder weniger genau das gleiche gerade selbst von sich gegeben.
Der Söldner antwortete erst nicht, sondern verzog nur den Mund zu einem bitteren Lächeln. Er sah sich kurz um und sagte schließlich: "Habt ihr mir nicht zugehört? Ich dachte ihr hättet gesehen, wie schnell sie etwas in den falschen Hals bekommen kann."
Kaum hatte er ausgesprochen, reichte es Dreveni endgültig. Was zum Henker lief zur Zeit eigentlich falsch? Sie nahm den Dolch in die Hand, der immer noch auf ihrem Schoß gelegen hatte, und stach ihn mit Schwung vor sich in die Tischplatte.
"Ich lasse mir nicht gerne drohen. Und obwohl das schon mehr als einer bereut hat, versucht es zur Zeit irgendwie jeder dem ich begegne aufs Neue.", sagte sie, ohne ihre Augen von dem Dolch zu nehmen.
"Sie wird euch nicht gehen lassen, und das ist keine Drohung sondern eine Tatsache.", antwortete der Dunmer nur, scheinbar gleichgültig und zuckte dabei mit den Schultern.
Nun blickte Dreveni doch auf und sah dem Anderen lange ins Gesicht. Sie konnte dort beim besten Willen nichts von dem erkennen, was die Altmer vorhin behauptet hatte. Statt dessen sah sie hellrote Augen, die überraschend intelligent blickten für diesen Ort und seinen Stand, einen immer noch leicht bitteren Zug um den Mund, aber auch etwas wie Stolz in seiner Miene, und keine Spur von Resignation, auch wenn man diese in seine Worte hinein interpretieren konnte. Die feinen Linien um seine Augen und den Mund verrieten, dass er älter war als sie aus der Entfernung zuerst gedacht hatte. Hatte sie tatsächlich gerade den einzigen halbwegs normalen Mer hier in Falensarano gefunden? Natürlich konnte das alles auch Täuschung sein, oder er riss sich nur jetzt noch am Riemen und er war an sich genauso irre wie Ilucaria, aber das glaubte Dreveni irgendwie nicht.
"Ich habe noch nie eine Erlaubnis gebraucht, wenn ich gehen wollte.", sagte sie schließlich.
"Das glaube ich gerne, und auch ich war einmal genau derselben Meinung.", antwortete er. "Sie ist genauso verrückt wie sie grausam und schön ist. Und außerdem eine Sadistin. Sie meint ich würde ihr noch etwas schulden, dabei habe ich es ihr schon mit Zinseszins zurück gezahlt. Ihre einzige Antwort war das da.", wobei er auf die Narbe in seinem Gesicht deutete.
"Eine schöne Geschichte.", antwortete Dreveni schließlich mit leichtem Sarkasmus in der stimme, nachdem sie den Rest des Weines getrunken hatte. "Und sobald ich euch mein Leid und meine Pläne geklagt habe, rennt ihr schnurstracks zu ihr, wo ihr ihr alles erzählt, wenn sie euch dafür nur in ihr Bett lässt."
"Nur weiter so, man kann hier nicht misstrauisch genug sein.", antwortete er, und strich dabei sanft mit seinen langen Fingern über ihre Hand, die auf dem Tisch neben dem Dolch, der immer noch im Holz steckte, ruhte.
Zuerst wollte sie ihn wütend anfunkeln, doch er schien seine Bemerkung völlig ernst zu meinen. Und auch seine Hand auf der ihren störte sie jetzt nicht mehr im geringsten, ganz im Gegenteil. Als er so leicht über ihren Handrücken strich, fühlte sie einen angenehmen Schauer ihren Rücken hinunterlaufen. Sie war sich zwar immer noch nicht sicher, was sie von ihm zu halten hatte, aber in einem war sie sich sicher: Was ihr in den letzten Wochen gefehlt hatte. Die Reise durch Morrowind hatte durchaus ihre schönen Seiten gehabt, aber das war einfach nicht ihr Leben. Sie lebte nicht für Straßenkämpfe und auch nicht dafür, um sich durch Gräber und Ruinen zu kämpfen. Ihr Leben war, sich in fremde Gefilde einzuschleichen, sich das Vertrauen anderer zu erschleichen und dabei ständig die Gefahr im Nacken zu haben, das Risiko sich zu verschätzen oder entdeckt zu werden. Dauernd auf der Hut zu sein, sich zu verstellen, hinter jedem das Böse zu vermuten und sich auf niemanden sonst als sich selbst zu verlassen. Es war dumm gewesen, überhaupt mit etwas anderem anzufangen. Und es hätte ihr klar sein müssen, dass es nie und nimmer gut gehen konnte. Vor allem der dauernde Hauch subtiler Gefahr hatte ihr gefehlt. Es war etwas anderes als ob hinter jeder Ecke Banditen lauern konnten, oder ob man sich nicht sicher war, ob einen das Gegenüber nicht schon lange enttarnt hatte. Oder ob man nicht ebenfalls beobachtet wurde, während man sich an das Opfer heran machte.
Der Dunmer erwiderte ihren Blick fest, und in seinen Augen lag das gleiche Funkeln, dass sich bei diesen Gedanken in die ihren geschlichen hatte. Hatte sie sich nicht die ganze Zeit vorgenommen, zu ihrem alten Selbst zurück zu finden? Welches zwar durchaus vorsichtig und überlegt war, aber andererseits auch jeden Augenblick genoss, denn es konnte buchstäblich ihr letzter sein?
Gerade als sie etwas erwidern wollte, stand er auf und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Sie zögerte keine Sekunde mehr, zog dem Dolch aus der Tischplatte und verließ hinter dem Dunmer die Gaststube. Nun sah sie auch, dass er einen guten Kopf größer war als sie selbst, und zwar eine muskulöse Figur hatte, aber nicht übermäßig breit gebaut war. Alles in allem ganz anders, als der eher schlacksig wirkende Tirian. Bei diesem Gedanken schüttelte sie leicht den Kopf, um ihn so zu vertreiben. Sie konnte nicht die ganze Zeit an den Heiler denken, jedenfalls nicht genau jetzt.
Sie konzentrierte sich wieder mehr auf den Mann, der vor ihr lief. Als einzig sichtbare Waffe hatte er ebenfalls einen Dolch am Gürtel, sonst trug er nur die einfache Tunika und eine ebenso einfache Hose, außerdem leichte Schuhe. Anscheinend hielt er es nicht für nötig, hier in der Festung voll gerüstet und bewaffnet herumzulaufen. Vielleicht kämpfte er auch ohnehin lieber mit Magie, dachte sie sich, als ihr wieder einfiel, wie weich seine Finger auf ihrer Hand gewesen waren. Unauffällig fuhr sie mit den Fingern über die eigenen Handflächen, auf denen schon der Ansatz zu Schwielen zu fühlen war, die sie wohl den ganzen Schwertkämpfen in den letzten Tagen verdankte. Das ging ihr dann doch etwas gegen den Strich, sie hatte ihre Hände immer gemocht, und vor allem dass man ihnen kaum ansah, mit was sie ihr Auskommen bestritt.
Ohne ein Wort zu sprechen ging der Dunmer vor ihr her, und sie folgte ihm ebenso schweigend. Schließlich betrat er eine kleine Kammer, in der neben einigen offenbar alten Schwertern, Bögen, sowie kaputten Pfeilen ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett stand, dessen Matratze aus nicht mehr als einem mit Stroh gefülltem Sack bestand. Der Dunmer ließ ihr den Vortritt und schob hinter ihr den Riegel von innen vor die Tür. Als er sich umdrehte, stand Dreveni schon vor ihm, schlang ihm die Arme um den Hals, vergrub eine ihrer Hände in dem dichten, dunkelroten Haar an seinem Hinterkopf und küsste ihn stürmisch, was er nach einem kurzen Moment der Überraschung ebenso stürmisch erwiderte. Sie unterbrachen sich nur kurz, um sich gegenseitig der Kleidung und Waffen zu entledigen. Dabei gab er nicht nur den Blick auf ein paar Narben frei, die seinen Oberkörper zierten, sondern auch auf eine Tätowierung, die seine linke Schulter, einen Teil seiner Brust und fast die Hälfte seines Rückens bedeckte und aus einem kompliziertem, ineinander verschlungenem Muster bestand. Sie hatte etwas in der Art noch nie zuvor gesehen, nahm aber an, dass es sich um eine rituelle und/oder magische Tätowierung handelte. So oder so, jetzt war der denkbar ungünstigste Zeitpunkt danach zu fragen, und so begnügte sie sich damit, mit den Fingern darüber zu streichen und die Muskeln unter seiner Haut zu spüren.
Inzwischen war sie sich auch restlos sicher, dass er zumindest nicht regelmäßig mit einem Schwert kämpfte, so weich wie sich seine sehnigen, schlanken und doch kräftigen Hände anfühlten, als sie den Kurven ihres Körpers folgten.
Das Bett gab einen protestierenden Laut von sich, als sie sich schließlich darauf fallen ließen, aber es hielt, und auch als sie später in seinen Armen lag, den Kopf auf seiner Brust, war es immer noch nicht durchgebrochen.
Es war ein rundum friedlicher Moment, als sie so da lagen, Dreveni fuhr sanft mit ihrem Finger die Muster in der weichen Haut auf seiner Brust nach, während er über ihren Oberarm streichelte, und sie immer noch schwiegen. Sie wusste nicht einmal, wie er hieß, und es war ihr auch egal im Moment. Sie befand sich in dieser seltsam gelösten, entspannten Stimmung, die ihr gleichzeitig eine Nähe und Vertrautheit zu dem anderen vortäuschte, die doch nicht existierte.
Sie konnte sein Herz schlagen hören, ruhig und gleichmäßig, und das machte sie schläfrig. Als sie an die Worte der Söldnerin dachte, musste sie nur leicht lächeln. Dämliche Ziege, wenn du wüsstest... Sie konnte es auch keinem verübeln, wenn er schnell wieder von diesem Weib weg wollte.
Inzwischen bewegte sich seine Hand auf ihrem Oberarm nicht mehr und seine regelmäßigen Atemzüge verrieten ihr, dass er eingeschlafen war. Es war zu verlockend, mit ihm hier liegen zu bleiben und ebenfalls zu schlafen, aber sie konnte hier nicht die nächsten Stunden selig vor sich hinschlafen während in der Festung sonstwas passieren konnte. Sie genoss noch ein paar Minuten die Ruhe, dann befreite sie sich vorsichtig aus seiner Umarmung und stand leise auf. Sie beugte sich hinunter und küsste ihn noch einmal leicht auf die Stirn, schlüpfte in ihr Kleid, legte ihre Waffen wieder an und sah noch einmal auf ihn herab. Konnte sie ihn jetzt hier so einfach schlafen lassen?
Sie kam zu dem Schluss, dass es übel ausgehen konnte, würde man - oder vielmehr, die Altmer - ihn hier alleine ohne Dreveni entdecken, und so beschloss sie, ihn wenigstens aufzuwecken. Sie wollte nicht, dass er ihretwegen Ärger bekam, vor allem nicht als ihr Blick auf die Narbe in seinem Gesicht fiel.
Sie setzte sich auf den Rand des Bettes und strich ihm über die Wange, bis er die Augen aufschlug und anstalten machte, sich aufzusetzen. "Danke.", sagte sie nur leise, und das war das erste Wort seit der Gaststube, das zwischen ihnen gesprochen wurde. Als sie merkte, dass er wach genug war, stand sie auf, nahm den Dolch des Assassinen, der noch auf dem Tisch gelegen hatte, schob den Riegel zurück und verließ schnell die Kammer.
Geändert von Andromeda (08.06.2013 um 23:36 Uhr)
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