Dreveni ging auf direktem Weg zu ihrer Kammer, und sah kaum nach rechts oder links unterwegs. Sie ärgerte sich über Tirian, was er auf einmal für einen Ton anschlug, und darüber, warum sie sich daran so störte. Wer war er denn überhaupt? Irgendein weltfremder Heiler, der Angst hatte, Entscheidungen zu treffen und lieber wartete, bis das Schicksal alles für ihn entschied. Ihre Laune, als sie ihr Zimmer betrat, war wieder fast genauso schlecht wie vorhin, als sie an dem Übungsraum vorbeigekommen war.
Außerdem juckte ihr Arm tierisch, da fiel ihr Blick schon auf den Heiltrank, den Tirian vorhin neben sie gestellt hatte. Sie sah noch einmal auf die Kratzer, die noch genauso rot wie vorhin waren, öffnete das Fläschchen und roch vorsichtig daran, wobei sie gleich das Gesicht verzog. Nun ja, es half ja nichts, und mit Todesverachtung trank sie den Inhalt, wobei sie noch angewiderter schaute. Aber es schien zu wirken, jedenfalls merkte sie ein eigenartiges Kribbeln in ihrem Körper und das jucken schien nachzulassen. Sie stellte das leere Fläschchen auf einen Tisch und nahm dann ihre schmutzige Kleidung, Sie musste ja nicht nur gewaschen werden, sondern sollte auch wenigstens halbwegs trocknen, bevor sie weitergingen.
An sich hatte sie auf die weitere Reise so überhaupt keine Lust mehr im Moment, aber jetzt einfach zu gehen verbot ihr die Ehre ihres Standes. Nun ja, zumindest das, was ihr Mordan dazu beigebracht hatte, es hielten nicht alle Assassinen so, wie sie.
Als sie wieder aus der Kammer trat und die Tür hinter sich schloss, fiel ihr erst auf, wie leer es jetzt in der Festung war. Es musste jetzt schon nach Mitternacht sein, und selbst der Betrunkenste würde schon schlafen.
Schließlich kam sie doch noch an einer Wache vorbei, die ihr die Auskunft gab, dass die Waschräume auf der untersten Ebene lagen. Auf dem Weg dorthin hatte sie wieder das ekelhafte Gefühl, dass sie jemand von hinten beobachtete. Es war so stark, dass sie stehenblieb und sich vorsichtig umsah, sie konnte allerdings niemanden sehen, und der Gang bot auch keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Gehört hatte sie auch nichts. Nachdem sie für ein paar Augenblicke lauernd im Gang gestanden war, ging sie weiter, nachdem sie verwirrt den Kopf geschüttelt hatte.
Du wirst paranoid.
Und auch wenn sie nicht glaubte, dass wirklich jemand hinter ihr war, ging sie extra leise weiter, aber auch so konnte sie keine Schritte hinter sich hören, wie sie ein Unsichtbarer trotzdem noch verursachen konnte. Der beste Zauber half nichts, wenn man nicht gut im Schleichen war. Als sie nach der Beschreibung der Wache den Waschraum erreichte, war sie sich sicher, dass sie sich alles nur eingebildet hatte. Die nur spärlich erleuchtete Umgebung mochte ihr übriges tun, auch wenn sie normal wenig empfänglich für solche Dinge war.

Der Waschraum selbst war groß und um diese Zeit ebenfalls nur spärlich von Öllampen und Fackeln erleuchtet. Über einem Feuer, das in einem Kamin an der Wand brannte, hing ein Kessel, in dem sich noch heißes Wasser befand. Bei der Menge in dem Topf bestand auch so bald nicht die Gefahr, das alles komplett verdampfte.
Sie legte ihr Sachen auf einen kleinen Tisch und schritt die Waschzuber ab, bis sie einen fand, in dem noch relativ saubere Seifenlauge war, die allerdings relativ kalt war.
Seufzend ging sie zum Kamin und schleppte - Griff mit einem Lumpen umwickelt - den schweren Topf zu dem Zuber und goss vorsichtig etwas von dem heißen Wasser dazu, bis die Brühe ausreichend warm war. Als sie den Topf wieder über das Feuer gehängt hatte, warf sie ihre Sachen in den Zuber, und rührte mit Hilfe einer dicken Holzstange, die daneben stand, einmal kräftig um. Es würde nicht schaden, wenn das Ganze erst mal etwas einweichen würde, und so setzte sie sich auf den Tisch, auf dem ihre Sachen gerade noch gelegen hatten. Es war absolut still hier unten um diese Zeit, was sie gerade auch so überhaupt nicht störte. Sie saß da und versuchte, an nichts zu denken, vor allem nicht an Tirian. Es wollte ihr nicht so recht gelingen, da lenkte sie ihre Gedanken wieder einmal zu Erynn. Es hätte sie nicht überrascht, wenn die andere doch einmal vor ihrer Tür bei Cheydinhal stehen würde, gerade nach dem, was sie der Echse angetan hatte. Was war eigentlich aus Arranges geworden? Sie schüttelte unwillig den Kopf, auch der Magier stand auf er Liste der Leute, an die sie jetzt nicht unbedingt denken wollte. Sie hoffte nur, dass Erynn ihm nicht wieder in die Arme gelaufen waren, sonst sah es düster für ihre weitere Zukunft aus.
Dreveni hätte nicht sagen können, wie lange sie hier gesessen und ihren Gedanken nachgehangen war, als plötzlich eine Stimme hinter ihr erklang: "Dreveni. Feryns ••••."

Sie sprang erschrocken auf, noch ohne sich umzurehen, und dieses mal war es Dreveni, der alle Farbe aus dem Gesicht wich, und fast das Herz stehenblieb. Wie konnte das sein? Dieses mal hatte sie nicht ein verfängliches Wort gesprochen, und nur an ihrem Aussehen konnte es keiner festmachen. Einen Moment später hatte sie sich soweit gefangen, dass sie sich langsam umdrehen und dabei eine möglichst unbeteiligte Miene aufsetzen konnte: "Bedauere, ihr..." müsst mich verwechseln., wollte sie sagen, aber da erkannte sie den Dunmer auch schon. Ihr schwindelte fast, als sie wieder die Szene aus Molag Mar vor sich hatte, und die beiden Dunmer, die neben ihr an dem Tisch Karten gespielt hatten. Es gab keinerlei Zweifel daran, dass sie einen von den beiden vor sich hatte. Jenen, der auch in der Ruine vor ihr gestanden war. Wie hatte er entkommen können? Und warum hatte sie nicht wenigstens die Ruine nach den Leichen der Dunmer abgesucht, die ihr bekannt waren? Er musste vorher noch gegangen sein, schossen ihr die Gedanken wild durcheinander durch den Kopf.
Der Assassine vor ihr schien sich an ihrer Sprachlosigkeit und ihrem verwirrten Gesichtsausdruck zu laben, denn er stand nur ruhig da, einen verzierten und kostbar wirkenden silbernen Dolch mit gebogener Klinge in der Hand, und sah sie mit einem sadistischen Lächeln an. "Damit hättet ihr nicht gerechnet, nicht wahr?" unterbrach er schließlich das wirre kreisen ihrer Gedanken. Seine Stimme klang ruhig und fest, außerdem lag eine Genugtuung in ihr, als hätte er nur auf diesen Augenblick gewartet. "Damit, dass jemand entkommen ist. Ich habe gesehen, was ihr angerichtet habt. Und glaubt mir, es hat mir nicht gefallen." Dabei trat ein boshaftes und rachsüchtiges Funkeln in seine Augen. "Ich war nur kurz weg, und als ich wieder kam... ", fuhr er fort. Dreveni stand immer noch wie gelähmt vor ihm, während sie überlegte, was sie tun sollte. Nach Hilfe rufen? Wachen hatte sie hier unten nicht wirklich gesehen. Und außerdem hatte ihr Mordan doch wenigstens Grundlegendes über die Morag Tong erzählt. Es war hier wohl nicht wie in Cyrodiil, unter gewissen Umständen durften sie hier sogar offen morden. Der Weg zur Tür war ihr ebenfalls versperrt, da der Mörder genau zwischen ihr und selbiger stand. "Gerade Llevas hättet ihr besser nicht so zugerichtet." Auf ihren fragenden Blick fuhr er sich kurz mit seinem Dolch vor der Stirn entlang und da wusste sie, wenn er meinte. Der Dunmer, der seine schmierigen Finger an ihr gehabt hatte, und dem sie die Verzierung in das Gesicht geschnitten hatte.
Bei allen Daedra, nimmt dass denn gar kein Ende? Sie fragte sich gerade, wieso er ihr bisher in der Festung nicht aufgefallen war. Alles an dem Mann schrie Assassine, von dem kurzen, dunkelgrauen Umhang mit der weiten Kapuze, der dunklen, leichten Lederrüstung bis zu den leichten Schuhen und dem Dolch. Und sein Gesicht erst, dass sie ganz genau kannte. Das hieß, er war gut, wenn er sie die ganze Zeit dermaßen unaufällig beobachtet hatte.

Inzwischen hatte sie sich soweit gefangen, dass sie zu ihrem Dolch griff, doch noch bevor sie ihre Hand auf den Griff legen konnte, schüttelte er nur leicht den Kopf: "Nicht doch. Oder wollt ihr sehen wie gut ich werfe und treffe?" Danach schwieg er und ging vor Dreveni auf und ab, ließ sie dabei aber nicht aus den Augen. Sie wußte worauf das alles abziehlte, und widerstrebend mußte sie zugeben, dass es sie schon nervös machen konnte. Jetzt war nur noch die Frage, ob er bloß auf Rache aus war, oder ihr wieder die gleichen Fragen stellen würe, auf die sie doch keine Antwort hatte. "Ich habe es Llevas schon gesagt.", sprach sie ihn schließlich leise an, als ihr sein Schweigen zuviel wurde. Sollte er doch denken, dass er mit seiner Taktik erfolg hatte und sie nervös wurde. "Er hat sie in Carmala versteckt. Wo er jetzt ist, weiß ich nicht. Solltet ihr ihn aber sehen, richtet ihm bitte noch Grüße von mir aus, bevor ihr ihn abstecht." Sie gab sich alle Mühe, möglichst überzeugend zu klingen, und beobachtete den Meuchler dabei genau. Der war stehen geblieben und strich gedankenverloren mit seinem Zeigefinger über die Klinge seines Dolches, als er sie abschätzend musterte, ohne ein Wort zu erwidern.