[Tirian]
Tirian griff nach dem Dolch. Er nahm in die Hand und besah ihn sich ausdauernd. Er fuhr mit dem Finger die Klinge nach. Sie war kalt. Er hatte zumindest erwartet eine gewisse Faszination zu spüren, als er ihn in der Hand hatte, doch Nichts davon war der Fall. Er besah sich Lyviani. Nicht einmal, wenn sie bewaffnet gewesen wäre, hätte er auch nur im Traum daran gedacht, auf sie los zugehen. Er stand auf und ging auf die Assassine zu. Den Dolch hielt er fest in seiner Hand. Er stand direkt vor ihr. Sie schaute ihn herausfordernd an. So sehr der Heiler seinen Körper auch zwingen wollte, zumindest zur Probe einmal auszuholen, es gelang ihm nicht. Er hob den Dolch hoch und setzte die Spitze Lyviani an den Hals. Er zitterte. Sie sah ihn immer noch an. Er fühlte... Nichts - keine Aufregung, keine Spannung, keine Befriedigung. Das Einzige was nur in Spuren vorhanden war, war ein Gefühl der Hemmnis in seinem Kopf, das nur nicht stärker war, weil er ohnehin nicht vorhatte seiner Begleiterin etwas anzutun. Er nahm die Klinge herunter und gab sie der Dunmer zurück in die Hand und trat einen Schritt zurück. "Nein das bin ich nicht": sagte er kopfschüttelnd. Er sah in den Himmel, musste wieder an Tarrior denken. "Ihr habt Recht und doch... Sagt, erinnert ihr euch noch an eure Eltern?": fragte Tirian.

[Dreveni]
Dreveni beobachtete Tirian genau, als er nach dem Dolch griff und über die Klinge strich. Sie fragte sich ob ihm bewußt war, wieviele Menschen und Elfen sie mit dieser Klinge schon hinterrücks erstochen hatte. Vermutlich nicht.
Dreveni ihrerseits fiel es schwer einzuschätzen, was der Heiler jetzt wirklich tun würde. Sie glaubte nicht, dass er wie ein Berserker auf sie losgehen würde, hielt sich aber doch bereit auszuweichen und seine seltsamen umgedrehten Heilzauber durch einen Stillezauber zu unterbinden.
Nichts dergleichen geschah, er hielt ihr nur mit zittriger Hand die Spitze des Dolches an ihren Hals. Schließlich trat er zurück und gab die Waffe wieder Dreveni.
Sagte ich es nicht? Es braucht mehr als gelegentliche Aussetzer, um alles in Zweifel zu ziehen.
Seine nächste Frage kam allerdings völlig unerwartet. Was hatte er nur für seltsame Gedankensprünge?
"Nein?", antwortete Dreveni leicht perplex. "Das kommt darauf an. Ich weiß, wer mich aufgezogen hat. Meine leiblichen Eltern kenne ich nicht.", fügte sie noch an, nachdem sie Tirian kurz gemustert hatte.

[Tirian]
"Sie weiß also Nichts von ihnen?": ging es Tirian durch den Kopf, während er sich wieder hinsetzte. "Das tut mir leid": sagte er mitfühlend und zögerte. Ihm fehlten die Worte. Er dachte einen Moment nach, bevor er sprach: "Denkt ihr manchmal darüber nach, ob ihr etwas von ihnen geerbt habt? Ich meine nicht euer Aussehen, sondern ob ihr ihnen auch vom Charakter her ähnlich gewesen wärt - das ihr etwas an euch sucht, dass von einem der Beiden stammt?" Er kam sich selbst ziemlich idiotisch vor, als er das fragte. Er schaute sie an und wartete auf eine Antwort.

[Dreveni]
Was soll dass denn jetzt?, dachte sich Dreveni auf Tirians fragen. Sie sah noch immer nicht, wie der Heiler jetzt auf dieses Thema kam.
"Es braucht euch nicht leid tun. Wie gesagt, ich kannte sie nicht. Der Mann der mich aufgenommen hat ist für mich wie ein Vater." Sie überlegte kurz, während sie versuchte in Tirians Gesicht zu lesen. "Natürlich habe ich mich oft gefragt, wer meine Eltern sind und wie sie gelebt haben. Und vermutlich bin ich ihnen ähnlich, immerhin sind es meine leiblichen Eltern. Aber was spielt dass denn für eine Rolle? Ich bin wie ich bin, was macht es für einen Unterschied ob ich manche Eigenschaften von meiner Mutter oder meinem Vater habe?" Während sie sprach, hatte sie sich nach ihrem Schwertgürtel und dem Stilett gebückt und beides aufgehoben, ohne Tirian aus den Augen zu lassen. Tatsächlich hatte sich Dreveni widerholt gefragt, wer ihre Eltern waren und warum sie sie weggeben mußten. Ob sie überhaupt noch lebten. Aber nicht in dem Sinne, wie Tirian es zu meinen schien. Jedenfalls bis jetzt nicht.
"Ihr glaubt aber auch, dass euch diese Eigenschaften zu dem machen der ihr seid? Wenn es ein Teil eures Charakters ist, glaubt ihr nicht, dass es dann auch euer Leben bestimmt?": stellte der Heiler eine weitere Frage.
Dreveni schloß für einen Moment die Augen, bevor sie den Heiler wieder mit purer Skepsis in ihrem Gesicht ansah. "Was sind denn das für Fragen? Natürlich macht mich das zu dem was ich bin. Hätte ich nicht das geringste Talent zum kämpfen, wäre ich vermutlich keine Assassine geworden. Wäre ich nervös, ängstlich oder übervorsichtig vermutlich auch nicht. Worauf bei allen Höllen Oblivions wollt ihr eigentlich hinaus?"

[Tirian]
"Worauf ich hinaus will?": er verzog leicht das Gesicht. "Wisst ihr, ich bin ohne meinen leiblichen Vater aufgewachsen. Meine Mutter hatte mir erzählt, dass er sie verlassen hat, als sie schwanger wurde. Sie hat nie schlecht über ihn gesprochen, aber auch sonst nie etwas von ihm erzählt. Da sie kurz darauf einen anderen Mann heiratete, den ich dann als meinen Vater kennenlernte, wäre das wohl auch nicht gerecht ihm gegenüber gewesen, wenn gleich sie mir nicht verschweigen wollte, dass mein Vater eben nicht mein Vater ist. Ich habe mich seit damals oft gefragt, wie er wohl so sei, ob wir uns ähnlich wären und ob ich ihn erkennen würde, wenn wir uns zufällig begegneten. Und natürlich habe ich mich auch oft gefragt, was an mir von ihm ist": erzählte er.

Tirian musste tief Luft holen, bevor er weitersprechen konnte: "Vor wenigen Wochen erfuhr ich, wer mein Vater ist. Ironischerweise war ich ihm tatsächlich zuvor schon einmal begegnet. Wir haben uns nicht erkannt. Eigentlich ist er ganz umgänglich und freundlich, aber er hat auch etwas Anderes an sich - einen gewissen Jähzorn und auch Kaltblütigkeit. Außerdem steckt er wohl wegen eines schlimmen Ereignisses in seiner Vergangenheit im Moment in Schwierigkeiten und ich quäle mich auch mit der Frage danach, was er Schreckliches getan haben musste, um das auf sich zu ziehen. Ich frage mich wozu er fähig sein konnte und in meinen Gedanken sehe ich da die schrecklichsten Dinge." Während der ganzen Zeit blickte er zu Boden. Er konnte und wollte Lyviani dabei nicht anschauen, zu real waren die Bilder aus seinen Erinnerungen und seinen Gedanken, die sich vor einen Augen manifestierten. Er wusste nicht einmal, ob sie überhaupt noch zuhörte.

Noch einmal atmete er tief durch. "Noch immer frage ich mich, was von meinem Vater in mir steckt, doch fürchte ich die Antwort auf diese Frage. Diese 'Aussetzer', ich frage mich, ob das nicht der Teil von ihm ist, der in mir steckt. Das ich eigentlich mehr sein sollte, wie er, dass ich auch zu Gräueltaten fähig bin. Das es das ist, was ich eigentlich sein soll": erzählte er Lyviani von den Ängsten, die ihn im Moment plagten und die mit jedem Schritt, dem sie Tel Uvirith näher kamen, noch größer wurden. Er stützte den Kopf auf seine Arme und schaute einigen kleinen Käfern zu, wie sie durchs Gras krabbelten.

[Dreveni]
Dreveni seufzte und ließ sich ebenfalls neben Tirian ins Gras sinken, wo sie sich die Schläfen rieb. Inwzwischen brummte ihr wieder ziemlich der Kopf. "Diese Themen und mein tierischer Kater von gestern sind eigentlich keine gute Mischung", sagte sie beiläufig, ohne Tirian anzusehen.
"Ich kann nur noch einmal fragen, wieso glaubt ihr, dass sich auf einmal alles was ihr seid auf eure 'Aussetzer' reduziert? Ich hätte es in meinem Leben vermutlich auch leichter gehabt, wenn ich etwas weniger... impulsiv wäre.", sprach sie ihn jetzt wieder direkt an. "Und egal von wem ich das habe, es ist so und wird sich nicht ändern." Sie hob in einer fast hilflos wirkenden Geste die Hände. Was sollte sie dem Heiler noch sagen?
"Selbst wenn ihr zu solchen Gräueltaten fähig sein mögt - was auch immer ihr darunter versteht - jetzt wo ihr euch dessen bewusst seid, könnt ihr ja vielleicht lernen, damit umzugehen?" Sie sah ihn an und versuchte den Blick seiner glutroten Augen festzuhalten. "Und glaubt mir, jeder hat seine Leichen im Keller. Jeder. Dinge auf die er alles andere als Stolz ist, die er vielleicht am liebsten komplett verleugnen würde."

[Tirian]
"Ihr habt Schmerzen. Das tut mir leid. Vielleicht sollten wir einfach weitergehen. Ich belästige euch mit meinen Problemen": bot Tirian entschuldigend an. Lyviani brachte ihn ins Grübeln. Eigentlich hatte sie Recht. Bisher hatte er immer ein gutes Leben geführt und eigentlich wollte er das weiterhin tun, aber würde er nicht zwangsläufig so werden wie sein Vater, wenn es ihm schon in die Wiege gelegt war? Zumindest wollte die Dunmer nun auch weiter, auch wenn sich ihr Gesichtsausdruck nicht richtig deuten ließ, hinsichtlich des plötzlichen Abbruchs des Gesprächs durch ihn. "Damit umgehen lernen?": er fragte sich, ob das überhaupt möglich war. Zuvor hatte er nie an sich gezweifelt. Hatte es wirklich etwas geändert, dass er jetzt wusste das Tarrior sein Vater war? Er schüttelte den Kopf. Die gleiche Frage ging ihm schon seit Wochen durch den Kopf. Er drehte sich damit im Kreis. Und Leichen hatte auch er im Keller, fragte sich nur ob sein Vater nicht ganze Berge davon verbarg.

"Wenn wir uns weiter nach Süden halten, dürften wir bald auf die Molag Amur treffen. Ich hoffe wir bleiben vor weiteren Angriffen verschont": dachte er laut.

[Dreveni]
"Und auch das braucht euch nicht leid tun, das ist die gerechte Strafe für meinen Leichtsinn gestern.", meinte Dreveni nur. Ihr kam es komisch vor, dass Tirian das Gespräch einfach so abbrach, aber sie hatte jetzt auch keine Nerven mehr, weiter nachzubohren. Auch wenn sie hier gerade ganz gut saß und sicher auch noch eine Weile gut hätte sitzen bleiben können. Andererseits hatte sie jetzt schon ein viel zu langes Gespräch geführt, auf eine Art und Weise, die ihr normal so gar nicht entsprach. Wenn du mich schon so weit getrieben hast, kannst du gar kein schlechter Elf sein., dachte sie, wobei sie sich eingestehen mußte, dass das keiner ihrer schlechteren Züge war, der hier zu Tage trat, so sehr ihr das auch wiederstrebte. Kurz überlegte sie, ihn doch noch anzupflaumen ob Gestern noch etwas gewesen war, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte, ließ es aber dann doch bleiben.
"Ich kann auch gut auf noch mehr Kampf verzichten. Wie stehen die Chancen, dass wir auf dem Weg noch durch Siedlungen oder ähnliches kommen?", fragte sie noch, dabei an ihre Vorräte denkend.

[Tirian]
"Wenn wir die Amur erst einmal erreicht haben, ist da nur noch Mora Uvirith, unser Ziel. Am südlichen Ende der Weidenländer gibt es eine Festung namens Falensarano. Das ist eine dieser alten Dunmer-Festungen, die seit Jahrhunderten eigentlich nicht mehr genutzt werden. In der Regel nistet sich dort Gesindel ein, wenn sie leer stehen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass man die Festung aufgrund der Bedrohung durch die Daedra vielleicht wieder in Betrieb genommen hat. Wir müssen dort ohnehin vorbei, wenn ich meine Karte richtig im Kopf habe. Wir könnten also einen Abstecher dorthin machen, wenn ihr das wollt"
Für Dreveni war das zwar etwas viel 'vielleicht', aber sie stimmte dem Heiler zu, eine bessere Möglichkeit schien sich ihnen nicht zu bieten und so setzten sie beide ihren Weg fort.