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Mythos
Vvardenfell-Distrikt, Weidenländer
Tirian nahm Lyvianis Angebot an und lud auch sein Gepäck auf den Rücken des Tieres. Inzwischen überlegte er, ob er nicht noch mehr Sachen hätte mitnehmen sollen. Er hätte sich nicht träumen lassen, dass er solange unterwegs sein würde und vor allem hatte er nicht damit rechnen können, dass er es auch noch mit Behram Meradanz aufnehmen müssen würde. Als sie schweigend Vos verließen, musste Tirian an Tel Uvirith, die Festung des Telvanni-Hexers, denken. Sie hatten einen langen Weg durch die Weidenländer vor sich und mussten etwa ins Zentrum der Molag Amur. Sie hätten sich einfach vom örtlichen Hafen aus nach Tel Uvirith einschiffen können, aber leider hatte der Hexer wohl auch dies bedacht und ließ Handelsschiffe aus dem Gebiet der Telvanni nicht mehr in seinem Hafen vor Anker gehen oder ließ sie gut durchsuchen. Die anderen Magierfürsten duldeten dieses Verhalten nur, weil sie sich bezüglich ihrer eigenen Städte auch nicht anders verhielten. Die Paranoia beherrschte Vvardenfell inzwischen. Jeder fürchtete die Agenten der Mythischen Morgenröte. Ein geradezu schizophrenes Verhalten machte sich inzwischen breit. Jede Stadt suchte kräftige Krieger und Söldner zur Verteidigung und wollte Hilfe, aber gleichzeitig wollte niemand Fremde oder Auswärtige in die eigenen Städte lassen, um sich nicht in die Gefahr zu bringen, einen Verräter aufzunehmen. Inzwischen war auch jeder sich selbst der Nächste in diesem Land. Der Tempel, der eigentlich für die Bevölkerung da sein sollte, erging sich in inneren Machtkämpfen und kämpfte um den Rest der Bedeutung, der ihm nach dem Verschwinden des Tribunals noch geblieben war, anstatt sich um die Kranken und Verletzten zu kümmern, wie es aus Tirians Sicht dringend notwendig wäre, gerade in diesen Zeiten.
Sie waren ein Stück vor Vos als er seine Gefährtin kurz anschaute. Ihr Blick war starr nach vorne gerichtet. Sie machte nicht den Eindruck, als wollte sie reden, also beließ auch er es dabei. Was hätte er sie auch schon großartig fragen können? „Du bist also eine Auftragsmörderin und erledigst Leute gegen Geld? Wie ist das denn so“: überlegte er und verdrehte die Augen. Seinen Blick ließ er nun etwas über die Landschaft schweifen. Er kannte die Weidenländer aus Tarriors Erzählungen. Eine leicht hügelige Ebene mit wenigen Bäumen, dafür mit einem fruchtbaren Boden, auf dem wilder Dochtweizen spross und der Nahrung für herumziehende Herden wilder Guars bot, von denen die hiesigen Stämme der Aschländer lebten. Sein Vater hatte von der ewigen, ruhigen Weite der Ebene unter dem blauen Himmel geschwärmt. Tatsächlich war die Schönheit noch zu erkennen, obwohl er jetzt durch ein eindeutig entstelltes Land zog. Der blaue Himmel war von den Schlieren schwarzen Rauches verunreinigt, den der Rote Berg in riesigen Mengen ausspie.
Von Westen aus der Gegend um Tel Vos wehte der beißende Geruch verbrannter Leichen herüber. Die erst vor wenigen Tagen abgewehrte Belagerung, hatte ihre Spuren in Form von hunderten toten Kämpfern und aberhunderten getöteter Daedra hinterlassen, deren Körper wohl nun den Flammen übergeben wurden. Doch nicht nur der Himmel und die Luft spiegelten das Blutvergießen und die Kämpfe der letzten Zeit wieder auch der Boden trug deutliche Zeichen. Zwischen den gold-braunen Dolden des Dochtweizens klafften häufig riesige Schneisen der Verwüstung. Niedergetrampeltes Gras, aufgewühlter oder verbrannter Boden zeigten die Stellen, wo die Söldnerheere oder Daedra auf ihren Märschen quer durch das Land hindurch geschritten waren. Verwüstung und wilde Schönheit der Weidenländer wechselten sich mannigfaltig ab. Hier sah man eine Guar-Familie, die unbeschwert aber aufmerksam graste und nur etwas mehr in der Entfernung sah man die bekannten Zacken und das feurige Lodern von Toren ins Reich des Vergessens. Man stieß auf ganze unberührte Felder des Dochtweizens und fand am Wegesrand Leichen oder Überreste von überfallenen Konvois oder Karawanen. Für das Auge bot sich ein wechselhafter Anblick.
Sie zogen noch eine ganze Weile nach Süden bis ihnen einige Dunmer auf gesattelten Guars entgegen kamen. Sie trugen verschiedentliche Rüstungen, die nicht ganz passend zusammengestellt waren. „Offenbar Söldner“: wie Tirian vermutete und insgeheim hoffte, dass es keine Banditen wären. Der Truppführer der Dunmer zügelte sein Reittier und brauhte es vor ihnen zum Stehen. Ein Seitenblick auf Lyviani und ihre Hand, die in Richtung ihrer Waffen glitt, verriet dem Heiler die Kampfbereitschaft und Vorsicht der Dunmer. Abschätzig sah der Mann auf sie herunter. „Seid gegrüßt. Wo gedenkt ihr, dass ihr hinwollt?“: fragte der Reiter. Lyviani schnaubte, offenbar war ihr diese Rechtfertigung zu viel. „Wir sind auf dem Weg nach Tel Uvirith. Wir wollen dort handeln“: erklärte der Dunmer. Der Reiter zog die Augenbrauen hoch. „Nach Tel Uvirith ist es weit. Nach der Belagerung sind viele Daedra entkommen und streifen jetzt wild durch die Weidenländer. Wir haben vorhin erst einen toten Händler gefunden. Wir fanden ihn halb zerfetzt. Wir haben die Aufgabe übertragen bekommen die übrigen Kreaturen zu eliminieren. Ich würde euch empfehlen, dass ihr nach Vos zurückkehrt und eure Geschäfte lieber in Tel Aruhn oder Sadrith Mora abwickelt“: berichtete der Guar-Reiter. Noch bevor Tirian etwas erwidern konnte, zischte Lyviani: „Wir kommen schon zurecht.“ Sie ging einfach weiter und die restlichen Reiter machten ihr Platz. Tirian folgte ihr. „Wir haben euch gewarnt“: rief der Mann ihnen noch nach, bevor er sich mit seiner Gruppe in eine andere Richtung auf den Weg machte.
An die Warnung des Reiters musste Tirian erst wieder denken, als sie wenig später an einer Felsformation vorbei kamen. Der eklige, tierhafte Geruch hätte ihnen schon auffallen müssen, als sie in die Nähe kamen, doch plötzlich war überall um sie, als die Skampe, die dort am Wegesrand gelauert hatten nun mit ihren spitzen Krallen und Zähnen aus ihrem Versteck stürzten und über sie kamen. In dem Chaos aus dürren, braunen Leiben versuchte Tirian die Orientierung zu behalten. „Lyvani, was tun wir jetzt?“: rief er.
Geändert von KingPaddy (29.03.2013 um 13:30 Uhr)
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