Im groben ist das ziemlich kulturabhängig; im angelsächsischen Raum wirst du zum Beispiel verschriftlichten Sprachbesonderheiten viel eher begegnen, als in Kontinentaleuropa, weil die großen Schriftsteller dieser Tradition nicht davon abgesehen haben, die sprachlichen Distinktionsmerkmale in ihren Texten aufleben zu lassen. Im deutschsprachigen Raum kommt zu dem Prestige-Aspekt (ein Dialekt kann "hässlich" oder besonders "angenehm" sein; er kann die Leute "dümmlich" und "dorftrottelig" zeihen oder, wenn beispielsweise dezidiert standardnah, "blasiert" oder "bonzenhaft" machen) auch noch eine sehr starke Identitätsbindung dazu, die andernorts viel schwächer ist. Vor allem die volkstümliche Ebene (dialektale Lieder, Dialektwerke wie beispielsweise von Lene Voigt für das Sächsische, etc.) trägt zu einer starken Identifikation mit einem bestimmten Dialekt bei, weshalb sich hier Leute schon "beleidigt" fühlen könnten, vor allem, weil das Schriftsystem eigentlich nicht dafür geschaffen ist, vom Standard abweichende Varianten zu tragen. Das hat die Naturalisten natürlich nicht davon abgehalten zu versuchen, Dialoge in Niederberlinerisch festzuhalten.
Allgemein ist es für den Leser sehr anstrengend, vom Standard abweichende, sprachlich besondere Formen zu lesen. Anders ist das natürlich bei der Distinktion des Wortschatzes; Leute, die "grandios" und "Adieu" sagen, sind nicht dieselben wie die, die sich mit "Alter" ansprechen und "Ey" verwenden. Den Bayern wirst du ebenso wenig von einem Pissputt sprechen hören, wie den Friesen vom Draschen. Außerdem stellen Varianzen in Satzbau und Komplexität gute Mittel zur Distinktion dar.
Man muss halt immer schauen, wie viel Authentizität wirklich angebracht, ob sie im Fall des Falles wirklich auch zweckdienlich ist, ab wann sie das Lesevergnügen erheblich stört. Wie gesagt lässt sie sich auch auf Akzent- und Dialektebene kaum wirklich adäquat herstellen, weil das Schriftsystem nunmal die Standardsprache fasst, nicht aber die Varietäten. Ohne Restandardisierung im Text selbst (zum Beispiel Regeln wie: <oa> für die sächsische a-Lautvariante, <s's> für die stimmhaften Zischlaute im Hessischen) -- die kaum zu stemmen ist --, sorgt das eher für unverständliches Palatscher als für Authentizität.