Man merkt, daß du dich damit ein bißchen beschäftigt hast, KingPaddy .

Ich hab vor kurzem eine Arbeit über den römischen Staatskult und die Sichtweise auf die Götter geschrieben, in der Nachbereitung bin ich dann über diesen Text gestolpert.
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Dem Ganzen liegt eine Gedankenwelt zugrunde, die seit der Machtergreifung des Monotheismus so nicht mehr verstanden wird, der Gott ja aus der Welt entrückt und unantastbar gemacht hat. Der Polytheist geht erstens ja davon aus, dass es mehrere Götter gibt und es gibt in seiner Glaubensvorstellung Nichts, dass ihr daran zweifeln ließe, dass es auch noch andere Götter gibt, die seinem Pantheon nicht bekannt sind. Für die Römer wäre jeder Gott, den du dir hättest ausdenken können, so real gewesen, wie ihr Jupiter. Natürlich wäre eben die Frage gewesen, ob sie ihm geopfert hätten und daran machte sich dann der eigentliche Religionsdienst bemerkbar. Es ging nicht darum, ob du an die Götter glaubst, sondern darum ob und welchem Gott du warum opferst. Das heißt die Götter eroberter und zu erobernder Gebiete waren als ebenso real anzusehen, wie die eigenen.
Ja, so ungefähr. Es wurden verschiedene Götter inkorporiert, aber nicht wahllos. Tatsächlich hatten die Leute wohl eine sehr pragmatische Sicht. Die Verehrung mußte einen Nutzen bringen, sonst war sie sinnlos. Sowas wie bedingungslose Anbetung war vermutlich relativ unbekannt.

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Viel wichtiger um das Verhalten der Eingliederung und sogar "Bestechung" zu verstehen: Da die Römer die Götter in ihrer Person als menschenähnlich auffassten, entsprach es auch ihrer Auffassung von Recht und Anstand, dass man wie im normalen geschäftlichen Umgang miteinander auch mit den Götter Verträge einging und sie respektierte, wie mein bspw. einen Senator zu respektieren hatte. Um also eine gute Ernte zu erbitten, vollzog man die überlieferten Riten zur Anrufung des Gottes, wählte das Opfer, dass für Fruchtbarkeit der Felder angemessen erschien und brachte dieses Opfer dann dar. Nichts anderes als ein Geschäft.
Das ist eine ziemlich spannende Sache, wenn man es mit dem Christentum vergleicht, finde ich. Man ging mit den Göttern quasi Verträge ein - Nach dem Motto "Wenn du mir gibst, dann gebe ich dir" statt "ich gehorche und bitte demütig, daß du mir geben mögest".
Die Liturgie der Rituale war wohl auch sehr starr (von genauen Ritualabläufen sind nur Bruchstücke erhalten) - so, als würde man ein Abkommen aushandeln und wollte verhindern, daß sich der angerufene Gott durch einen Winkelzug aus dem Vertrag stehlen konnte, weil ein Formfehler aufgetreten war. Wenn ein Ritual nicht genau so verlief, wie es eigentlich sollte, wurde es komplett wiederholt. Auch, wenn die Opferschau nicht die erwünschten Ergebnisse brachte, weil z.B. Eingeweide beschädigt oder nicht einwandfrei waren. Dann wurden so lange weiter Tiere geopfert, bis sich günstige Zeichen ergaben - wie gesagt, Pragmatismus.

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Ein gemeinsamer Glaube erwies sich dann allerdings in späterer Zeit dann als effektiver das Reich zusammenzuhalten, aber da sind wir dann wieder beim Monotheismus
Die Annahme des Christentums war wohl auch wieder eine Vernunftentscheidung - zum einen Einheit des Glaubens, wie du sagst, zum anderen war es wohl nicht ganz unüblich, dem Gott zu huldigen, der sich als der Stärkere erwies. Das war in der ausgehenden Antike nunmal der christliche Gott, wobei man auch sagen muß, daß die Christianisierung Europas erst um ca 1500 flächendeckend abgeschlossen war. Und so einige ältere Bräuche haben sich ja bis heute erhalten, z.B. Weihnachtsbäume und Ostereier / -hasen, um nur die Offensichtlichsten zu nennen.